Donnerstag, 18. September 2025

Man hat ja nur dieses Leben

Oft mag man einfach nicht mehr. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Der erratische Trump, der eiskalte Putin, die Ukraine, die hilflose EU, jetzt auch noch die Drohnen über Polen und Rumänien und das Attentat auf den Trump-Gefolgsmann in den USA. Und zu all dem noch die ganze Israel-Hamas-Gaza-Geschichte. Es prasselt unvermindert über einen herein, jeden Tag, mittlerweile schon seit Jahren. Immer öfter ist inzwischen davon die Rede, dass wir in einer Vorkriegszeit leben. Erst dieser Tage verglich der deutsche Spiegel die heutige Zeit mit jener vor 1939. Manche Parallelen könnten einem Angst machen.

Man mag immer öfter den Fernseher gar nicht mehr einschalten, man mag nichts mehr lesen. Alles wird oft zu viel. Man ist überfordert und mag nicht mehr so viel so Kompliziertes und Komplexes, wie es einem abverlangt wird, verstehen und durchschauen müssen. Und man möchte ab und an die sorglose Leichtigkeit jener haben, denen schon immer egal war, was auf der Welt vorgeht.

Was früher gegolten hat, gilt längst nicht mehr. Alle Muster wurden auf den Kopf gestellt. Auf nichts scheint mehr Verlass zu sein, und wem man vertrauen könnte, weiß man auch nicht mehr so recht. Die Welt ist durcheinander. Schwer durcheinander und die Sorge ist groß, ob sie jemals wieder aus diesem Schlamassel herauskommen wird. Man fragt sich, wie ein Mensch wie Trump in den USA auf den Präsidentensessel kommen konnte, das zweite Mal sogar schon. Man fragt sich, wo die Demokraten sind in den Vereinigten Staaten, dass er gar so halt-und zügellos herrschen kann und ihn niemand zu bremsen vermag. Dort wo man immer so stolz war auf die Demokratie. Man hadert mit der Europäischen Union, die hilflos zwischen den Großmächten hin-und hergeschubst wird, zu nichts aus eigener Kraft fähig, sondern immer auf den Goodwill und das Verständnis anderer angewiesen ist und dabei in der Bedeutungslosigkeit unterzugehen und endgültig zum Spielball der Großmächte zu werden. Politisch und wirtschaftlich.

Immer mehr Menschen kommen nicht mehr zurecht damit. Frustriert und ohne Orientierung versinken viele in eine hilflose Wut. Ohne Zuversicht und ohne Vertrauen in die Zukunft, von der nicht zu sagen ist, wie sie sein könnte. Viele ziehen sich zurück. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass immer mehr Menschen bewusst ihren Nachrichtenkonsum einschränken. In Deutschland sollen bereits ein Drittel der Menschen Nachrichten meiden. Ganz bewusst. Die meisten Menschen machen das aus reinem Selbstschutz -und sei's drum, um sich nur ein bisschen wohler zu fühlen. Man will sich die eigene Stimmung davon nicht mehr kaputtmachen lassen und fühlt sich von der Menge der Nachrichten über Kriege und Konflikte erschöpft.

Noch geht es uns gut. Den meisten jedenfalls. Und dennoch haben inzwischen immer mehr Sympathie für die Untergangspropheten der populistischen Parteien, die ohne jede Verantwortung alles daransetzen, die fehlende Zuversicht in Stimmen für sich umzuwandeln, obwohl sie nichts zu bieten haben. Sie sind, wir wissen es, erfolgreich dabei.

Die Aufgeregtheit ist eine große. Zuweilen die Aufregung auch. "Eine Krise passt nicht in unser Selbstverständnis", sagt der Philosoph Konrad Paul Liessmann. "Wir empfinden Unberechenbarkeit nicht mehr als normale Unwägbarkeit des Lebens, die es zu akzeptieren gilt". Er bringt das damit in Zusammenhang, dass wir gewohnt sind, die Welt gefügig zu machen. Wenn das nicht möglich ist, sind viele hilflos. "In einer Krise ist dieses Prinzip außer Kraft gesetzt, das Leben erscheint uns wieder unverfügbar", sagt Liessmann in einem Interview. "Alleine eine Situation, die als unverfügbar erlebt wird, kann den modernen Menschen in eine Krise stürzen."

Und in solchen Situationen befinden sich wohl immer mehr von uns. Man will leben, man hat doch nur dieses eine Leben. Und genau das machen die politischen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten schwer und immer schwerer. Und dennoch darf man den Mut und die Zuversicht nicht verlieren. Letztere vor allem. Auch wenn es schwerfällt. In der Geschichte hat es solche Konstellationen immer gegeben.

Das ist unsere Verantwortung. Nicht nur der Gesellschaft gegenüber, auch der Familie und der unmittelbaren Umgebung gegenüber. Denn dort hat man, was man sonst oft so schmerzlich vermisst -Einfluss und Gestaltungsmöglichkeit, die Dinge zum Guten zu lenken. Dort zumindest, wenn auch nur im Rahmen des Möglichen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. September 2025

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