Donnerstag, 31. März 2011

Erregung auf einem schmalen Grat






Die Erregung ist eine große. Ein Korruptionsskandal erschüttert das Land. Was Ernst Strasser getan hat, ist, so wie es aussieht, in jedem Fall weit jenseits aller Grenzen und völlig inakzeptabel. Und möglicherweise kriminell.

Aber es verwundert schon, dass allerorten so getan wird, als sei dieser Skandal vom Himmel gefallen. Es amüsiert geradezu, wie man überall versucht, sich zu distanzieren und zu beobachten, wer sich dabei besonders hervortut. Und es erstaunt, wie alle so tun, als ob sie gerade einmal das Wort "Korruption“ kennen, sonst aber schon gar nichts - in einem Land, in dem der Begriff "einen Schmattes reiben“ zur Umgangssprache gehört und in dem schon Heranwachsende den Spruch "Wer schmiert, der fährt“ lernen und gleich mit einem Zwinkern in den Augen mitgegeben bekommen, dass damit nicht ein paar Tropfen Öl auf die Fahrradkette gemeint sind.

Viele von denen, die jetzt so aufgeregt und selbstgerecht tun, sollten einmal vor der eigenen Tür kehren. Nicht nur die in der Politik und in der Wirtschaft, die ohnehin unter Generalverdacht stehen.

Wie war das kürzlich mit dem Trinkgeld, das man dem Werkstattmeister zusteckte, damit man das Auto schon am Mittwoch und nicht erst am Freitag bekommt? Oder im Krankenhaus, als man gleich nach dem Bezug des Zimmers einen "Zwanziger“ hinlegte - um gute Stimmung bei den Krankenschwestern zu erzeugen? Oder die Weinflasche dafür, dass man etwas besonders günstig platzierte?

Hat funktioniert, oder? Das Geben. Und das Nehmen. Es läuft wie geschmiert, sagt man dann wohl. Viele haben es sich in dieser Welt eingerichtet, in der sich jeder Geber von Nehmern umgeben weiß. Eine Hand wäscht die andere.

Der Grat ist schmal. Aber viele in Österreich haben es sich auf diesem schmalen Grat eingerichtet. In der in diesem Land offenbar typischen Weise, die kaum je bei sich selbst Zweifel oder Unrecht sieht, immer aber bei allen anderen.

Es stünde dem Land gut, Strasser, diesen Fall und das Thema Korruption nicht so selbstgerecht abzuhandeln, wie man das bisher tut. Ein Nachziehen der gesetzlichen Regelungen, ein Anziehen der juristischen Daumenschrauben da und dort ist zu wenig. Es geht um mehr. Es geht um eine Grundstimmung, es geht um eine Kultur, die weit über den eigentlichen Kern der Korruption hinauswuchert. Wiewohl sie dennoch zweifellos damit zu tun hat und die Grenzen fließend sind.

Was ist noch recht, was nicht mehr? Was ist anrüchig?

In Österreich hat man, so scheint es, längst jedes Gespür dafür verloren. Wie etwa sind die Millionen teuren Regierungsinserate zu werten, die hauptsächlich bestimmten Zeitungen zugeschoben werden? Wie die Parteispenden? Wie das Sponsoring mancher Firmen? Die Beispiele sind zahllos wie die Fallen.

Dinge wie diese sind gang und gäbe, um jemanden oder etwas zu beeinflussen. Nicht nur "bei denen da oben“, sondern auch im alltäglichen Leben.

So einen "kleinen Strasser“ wünscht man sich allzu gerne in Österreich. Zumindest ab und an, wenn nichts mehr weitergeht, wenn etwas aussichtslos erscheint, wenn man unbedingt etwas erreichen oder haben will. Einen "Strasser“, der einem etwas richtet, was man selbst nicht hinbekommt, der einem Zugang schafft, der Möglichkeiten öffnet. Ein bisserl Abseits der geregelten Gänge, vielleicht auch ein bisserl abseits der Vorschriften, wenn’s sein muss. Einen Arbeitsplatz, eine Straßenlaterne, ein bestimmtes Stimmverhalten, eine rasche Genehmigung. Intervenieren da, Kontakte herstellen dort.

Es müssen ja nicht gleich 100.000 Euro dafür nötig sein. Das geht subtiler und auf anderen Wegen. Österreichisch eben. Manchmal im Stillen, manchmal unverhohlen. "Wozu glaubst, dass ich dir das gezahlt habe?“, wird dann schroff gefragt oder "Warum hab ich dich eigentlich gewählt?“

Die Muster sind zu ähnlich, als dass man sich an großen Skandalen wie jenem, über den sich jetzt ganz Österreich so erschrocken zeigt, abputzen kann. Österreich muss darüber nachdenken. Ganz Österreich. Nicht nur die Menschen in der Politik, in den Amtsstuben und in den Chefetagen der Wirtschaft. Auch die in der Wohnung im dritten Wiener Bezirk, die im Reihenhaus am Stadtrand in Innsbruck und die im Häuschen draußen im steirischen Dorf.

Raiffeisenzeitung - 31. März 2011

Donnerstag, 24. März 2011

Wir kleinen Lichter wir





Die Geigerzähler sind ausverkauft. Nicht in Tokio, nein – in Wien. Während in Japan tausende Menschen ums nackte Leben kämpfen und ein ganzes Land, immerhin die drittgrößte Industrienation der Welt, um seine Zukunft ringt, macht man sich in Österreich wichtig. Was wurde nicht alles geäußert in den vergangenen zwei Wochen, was nicht alles erklärt und gezeigt. Schnelles politisches Kleingeld da, eine kecke Forderung dort. Die Schlagzeilen, die Wortmeldungen von Krethi und Plethi und deren Verwandten - wie zeigte man sich doch betroffen und besorgt.

Das freilich, so festigte sich nach Tagen der Eindruck, nicht so sehr wegen der Japaner und Japan, sondern eher wegen sich selbst und der eigenen Zukunft.

Endlich, so schien es, hatten die Stammtische, die Diskussionszirkel, die Medien und all die anderen - endlich hatten sie wieder etwas, wo sie ihre eigene Bedeutung und Wichtigkeit, ihr zuweilen offensichtlich angekratztes Ego und ihre latente Sorge um sich selbst festmachen konnten. In einem Leben, wie sie es verstehen. Im eigenen Leben. Klein, fein, gut versichert und oft so übersichtlich, dass es fad geworden ist. So eine Katastrophe, zumal so eine Atomkatastrophe in einem fernen Land, ist da schon was. Noch dazu, wo man rund um die Uhr live dabei sein kann. Im Lehnstuhl.

Endlich kann man seine Ängste äußerln führen, endlich haben sie eine Projektionsfläche und damit einen Sinn. Ein Geigerzähler im Kasten gehört da dazu – das ist die Katastrophe herunter gebrochen auf die eigenen Verhältnisse, auf das eigene Leben. Man ist. Man spürt sich. Und man ist wichtig. Man ist betroffen. Und man kann sich Sorgen machen um das Fortkommen. Guten Gewissens und im Brustton der Überzeugung.

Dieses Muster ist überall. Bei Ägypten und Libyen genauso, wie bei der Diskussion um den Welthunger und die Nahrungsmittelpreise, bei Themen um die Integration von Ausländern, in vielen anderen politischen Feldern, ja sogar zuweilen, wenn’s ums Ehrenamt geht. Ich zuerst, heißt es da allzu oft.

Hinge nicht der Preis für Sprit und Heizöl damit zusammen, wären Ägypten und Libyen wohl Länder wie viele andere in Afrika auch, deren Schicksal hierzulande gewöhnlich wenigen nahe geht. Würden nicht Brot und Milch - und sei’s nur um ein paar Cent - teurer, würden viele von Hungerrevolten in Mexiko und anderswo kaum Notiz nehmen. Und würde nicht da und dort für Tochter und Sohn zumindest ein Platz in einer Schule, in einem Studentenheim oder hinter einer Werkbank oder an einem Schreibtisch herausschauen, wäre wohl selbst manches Ehrenamt, zumal manches politische Ehrenamt, verwaist.

Allzu oft bestimmt die Brieftasche die Einstellung. Und nicht das Herz, der Geist und die Courage.

Wir kleinen Lichter wir.

Viel zu selten, so zuweilen der Eindruck, moralische Ansätze, die frei sind von hintergründigen Interessen. Stattdessen allzu oft ein Denken, das kommerzielle Züge trägt. Beistand, Hilfe und Mitgefühl scheint es dann nur zu geben, wenn ein Ereignis an die eigene Brieftasche oder allenfalls an die eigene Gesundheit gehen könnte.

Reichlich wenig in einem Land, dass sich gerne für Gipfelpunkt und Vorbild in Sachen Zivilisation hält und das sein moralische Gewissen mit einem Jahr für Jahr neuen Spendenrekord für Licht ins Dunkel befriedigt.

Das mag mit Vielem zu tun haben. Mit den Medien, mit der Politik, mit der Bildung. Das mag eine Erklärung sein. Eine Entschuldigung darf es nicht sein. Denn die Verantwortung liegt bei den Menschen selbst. Genau die aber sind immer weniger bereit zu nehmen. Verantwortung zu übernehmen gehört nicht zu den Dingen, die heute angestrebt werden werden. Selbstverständlich ist das schon gar nicht.

Die Gesellschaft zieht sich in sich zurück. Die Verantwortung gibt man lieber ab. An die Politik, an die Medien, an die Wirtschaft, an den Chef.

Das Leben leben die anderen. Die Japaner, die Libyer - im Fernsehen. Und wir schauen erste Reihe fussfrei zu.

Man ist sich selbst genug. Leben in einem Kokon. Österreich in Österreich. Besorgt vor allem um sich selbst. Mit Geigerzähler – und einem Argusauge auf die Brieftasche.


Raiffeisenzeitung - 24. März 2011

Donnerstag, 17. März 2011

Japan – unser aller Prüfstand





In diesen Tagen braucht es schon sehr viel an Fortschrittsglauben, will man nicht ins Zweifeln kommen. Die Bilder aus Japan, die Verzweiflung, die Angst. Die unabschätzbaren Folgen. Was da im Land der aufgehenden Sonne geschieht, ist unfassbar. Und es war unvorstellbar.

Ausgerechnet Japan. Das Land, in dem alles zusammenkommt, was in der Welt, zumal in der industrialisierten Welt, zunehmend Sorge macht. Eine enorm hohe Bevölkerungsdichte, Raumnot, riesige Ballungszentren, internationale Abhängigkeiten in Ernährung und Wirtschaft – und ein unvorstellbar großer Energiebedarf.

Japan hat sich am weitesten vorgewagt. Es hat angesichts der beengten Verhältnisse keine Alternativen dazu. Man nutzt wie kein anderes Land modernste Technik und modernste Technologien – und mögen sie, wie die Atomkraft, umstritten sein. Nur so sah man offenbar man eine Chance, mit all diesen Anforderungen, die jede für sich eine enorme Herausforderung ist, zurechtzukommen.

Japan ist das Land, in dem der Fortschritt nachgerade kulminiert wie nirgendwo sonst auf der Welt, der Inbegriff dessen, was möglich ist, so etwas wie ein Labor der Zukunft.

Und nun der Schlag, die Katastrophe, mit oder ohne Kernschmelze der Super-GAU.

Kaum je wurde uns die Zerbrechlichkeit unseres Systems so drastisch vor Augen geführt. Kaum je wird so deutlich, wie weit wir alles vorangetrieben haben, damit es uns möglichst gut geht und wir auf nichts verzichten müssen.

Die Folgen für die Energiepolitik, für unser Verhältnis zur Technik, für den Glauben an den technischen Fortschritt sind nicht abzuschätzen. Nicht nur in Japan. Bei weitem nicht.

Japan ist überall. Das Erdbeben durchschüttelte die Grundfesten vieler Argumentationsgebäude und unser Denken.

Ist Japan die Wende? Gespannt werden wohl wir alle in den nächsten Wochen und Monaten beobachten, welche Spuren die Katastrophe hinterlassen wird. In unserem Denken, im Denken der Politik und in den Köpfen all derer, die irgendwo in Unternehmungen und Organisationen an den Schalthebeln sitzen. Welche Lehren werden von wem gezogen? Wie schnell? Wie lange halten die Vorsätze? Oder wie rasch ist alles wieder beim Alten?

Japan ist der vorläufige Höhepunkt von Ereignissen und Entwicklungen, die uns zeigen, was unsere Gesellschaft zumeist so schnell verdrängt, wie es nur geht – wir fragil die Verhältnisse sind, in denen wir leben.

Zeigt uns Japan, dass sich die Technologien, auf denen wir unseren Alltag aufbauen von einer Minute auf die andere gegen uns wenden können, so zeigen uns die Ereignisse in Nordafrika und in der arabischen Welt, an welch dünnen Fäden unsere Rohstoffversorgung hängt. Und nicht nur das. Die politischen Verhältnisse in dieser Region sind von eminenter Bedeutung nicht nur für die internationalen Wirtschaft und den Wohlstand, zumal jenem in der industrialisierten Welt, sondern für die internationale Politik insgesamt.

Und dann ist da noch die internationale Finanz- und Schuldenkrise, die gerade in diesen Wochen wieder ihre Fratze zeigt. Auch sie wird gerne verdrängt und kleingeredet. Es lebt sich ja besser so – meint man zumindest.

Man darf gespannt sein, wie sich die Dinge entwickeln – in der internationalen Wirtschaft und auf den Finanzmärkten, in Nordafrika und im arabischen Raum. Und natürlich in Japan, das zum Prüfstand für unsere Wohlstandstechnik und für unseren Fortschrittsglauben geworden ist.

Wenn Japan bei der Bewältigung der Katastrophe und ihrer Folgen scheitert, dann ist das, was wir für Fortschritt halten, überhaupt gescheitert.

Wenn es aber die Katastrophe bewältigt, dann ist das Rückenwind für das, was schon bisher als Fortschritt gilt. Und damit, so steht zu befürchten, auch für all das, was er bisher an negativen Folgen mit sich brachte - ein Freibrief.

Das aber braucht die Welt, nach allem was passiert ist, nicht.

Denn nachdenklich machen sollte Japan allemal. Nicht nur ein paar Tage lang.

Raiffeisenzeitung - 17. März 2011

Mittwoch, 16. März 2011

Die Macht des Handels wächst





85 Prozent Marktanteil für Rewe, Spar und Hofer – Regional schlägt Bio

Wien (SN-gm). 8,50 von zehn Euro, die Frau und Herr Österreicher in heimischen Lebensmittelgeschäften ausgeben, landen in den Kassen von Rewe (Billa, Merkur, Penny, Adeg), Spar und Hofer. Das ist ein neuer Rekordwert. „Die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel hat im Vorjahr weiter zugenommen“, sagt die Marktforscherin Micaela Schantl von der AMA-Marketing.
Die jüngste Roll-AMA, mit der die Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel analysiert wird, weist für Rewe, Spar und Hofer einen Marktanteil von 82,3 Prozent auf. Rechnet man Adeg dazu, das in dieser Aufstellung nicht zu Rewe gezählt wird, beträgt der Marktanteil mehr als 85 Prozent. Vor fünf Jahren lag dieser Anteil (ohne Adeg) noch bei 78,5 Prozent.

Als Vertriebsform ist für Schantl der klassische Lebensmittelhandel Gewinner. „Der Anteil des Diskont stagniert, Verlierer sind alternative Vertriebsformen, wie die Direktvermarktung.“

Wie groß der Druck auf dem 5,3-Mrd.-Euro-Markt (Frischeprodukte ohne Brot) ist, zeigen nicht nur die ständigen Preisschlachten, sondern auch der wachsende Aktionsanteil. Laut Roll-AMA wuchs bei Rewe der Anteil des Umsatzes, der über Aktionen gemacht wird, binnen zwei Jahren von 23 auf 27,5 Prozent. Spar weitete von 21,6 auf 22,9 Prozent aus, der Lebensmittelhandel insgesamt von 22,6 auf 25 Prozent.

Zwei Entwicklungen stachen im Vorjahr besonders hervor. Dank der Umstellung der Hofer-Eigenmarke „Zurück zum Ursprung“ wuchs der Bio-Umsatz im Handel um 18,7 Prozent auf 36,4 Mill. Euro. Und mit 465 Mill. Euro wurde so viel Geld wie noch nie für Frischgemüse ausgeben.

Das deckt sich nicht ganz mit Einschätzungen der Zukunft durch Experten von Handel, Verarbeitern, Verbänden und Behörden. Für sie haben regionale Produkte die größten Zukunftschancen. Bio rangiert auf dieser Liste erst auf Rang elf. Als größte Herausforderung nannten sie in einer Umfrage die Lebensmittel sicherheit, als größte Stärke der heimischen Lebensmittelwirtschaft die Qualität, als größte Schwäche die kleinen Strukturen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. März 2011

Donnerstag, 10. März 2011

Ein Schubladkasten namens Österreich





Seit vorgestern ist der Fasching vorbei. Die Zeit der ausgelassenen Herumtollerei, bei der nicht immer alles ganz ernst gemeint ist, was gesagt wird, bei der alles lockerer ist, bei der man gerne in fremde Rollen schlüpft. Lugners Ruby ist vom Opernball wieder daheim, in Villach ist Ruh’ und überall anders auch.

Seit gestern ist Fastenzeit, Zeit der Askese, der Einkehr, der Besinnung, des Innehaltens. Und Zeit der inneren Reinigung – der Jahreskreis halt.

Gäbe es das doch auch in der Politik, mag man da seufzen. Fastenzeit täte auch dort gut. Einkehr, innehalten, innere Reinigung.

Es gibt so viele Themen, so viele Lebensbereiche, in denen auf die Politik gewartet wird. Schulen und Universitäten, Heeresreform, Migration und Integration, Verwaltungsreform und Gesundheitswesen. Die Liste der Themen, die durch die Jahre gewälzt werden ist lang. Aber es geschieht nur wenig. Und wenn etwas geschieht, ist man schnell dabei, sich zu blamieren. Hohle Phrasen, dicke Schlagzeilen, wenig Argumente und kaum wo Fortschritt.

Dass Politik eine ernsthafte Disziplin ist und als solche betrieben wird, ist zuweilen kaum zu erkennen. Dabei wäre die Bereitschaft für Veränderungen in der Bevölkerung groß wie kaum je in den vergangenen Jahren. Überall ist das zu spüren. Man erwartet Entscheidungen, man erkennt und anerkennt, dass Schnitte notwendig sind.

Aber die Politik versteht das nicht zu nutzen. Lieber dort noch ein „Hinsichtl“ und da noch ein „Rücksichtl“. Da meinen Gruppen ihre Süppchen kochen und sich wichtig machen zu können. Und dort werden Justamentstandpunkte nur deswegen aufgebläht, um dem anderen eine Idee madig zu machen. Und dann meint auch noch die eine oder andere Zeitung Politik machen zu müssen.

Der Blick aufs Ganze, das Ganze selbst sind dabei längst unter die Räder gekommen. Österreich hat, so scheint es, Politik verlernt – im Kleinen wie im Großen ist der Verlust der politischen Kultur zu beklagen und der Niedergang der Politik als Handwerk.

Aber nicht nur das. Mit der Politik hat auch die Gesellschaft den Umgang mit der Politik und mit politischen Themen verlernt.

Österreich leidet seit geraumer Zeit daran, dass es keinen offenen Diskurs zu wichtigen politischen Themen mehr gibt, schon gar keinen Diskurs, der vorwärts führt, der das Land weiter bringt. Nicht in der Politik, nicht in der Gesellschaft insgesamt. Es gibt kaum einen unvoreingenommenen Austausch der Ideen und viel zu selten ein objektives Abwägen von Standpunkten mit dem Ziel, zu möglichst guten Lösungen zu kommen.

Was es gibt, sind Streitereien, Untergriffigkeiten, zuweilen lustvolle Bösartigkeit. Schwarz oder weiß ist die Devise im Parlament und an den Stammtischen. Die vielen Facetten dazwischen zählen nichts mehr.

Den anderen in der politischen Auseinandersetzung nicht leben zu lassen, scheint oberste Maxime zu sein. Blockaden sind die Folge. Stillstand. Nichts geht mehr weiter. Nichts soll mehr weiter gehen. Wichtiger als sich mit einer Idee auseinanderzusetzen scheint oft zu sein, möglichst rasch - und möglichst laut - eine Gegenposition aufzubauen. Und dabei geht es praktisch nie um die Sache selbst, sondern um das, von dem man meint, das sei das eigene Profil.

Österreichs Politik und Österreichs öffentliches Leben sind ein großer Schubladkasten geworden, in dem es für jeden der sich offen äußert, ein eigenes Kästchen gibt.

Das tut dem Land nicht gut. Und das tut der Politik nicht gut. Österreich braucht Luft und keinen Schubladkasten.

Weil das aber nicht so ist, diskutiert man hierzulande herzhaft und mitunter ausschließlich lieber über einen ehemaligen Finanzminister und seine schmeichelhafte Fanpost, über einen alten Wiener Baumeister und seine blutjungen Gespielinnen und Wirtschaftsskandale, die Leute diesen Zuschnitts angerichtet haben.

Dabei kracht rundherum die Welt und Österreich bräuchte dringend Ideen, wie es sich da in Zukunft zurechtfinden kann – eine Fastenzeit eben. Einkehr, innehalten, Reinigung.

Raiffeisenzeitung - 10. März 2011

Dienstag, 8. März 2011

Gewinner sehen anders aus





Fast jeden Tag kommen neue Alarmmeldungen, die vor unerschwinglichen Nahrungsmittelpreisen, Knappheit, Hunger und Aufständen warnen. Die Situation ist angespannt. Unvermindert zeigt die Preistendenz nach oben.
Die Bauern sind dabei, wie man meinen möchte, allerdings nicht nur auf der Gewinnerseite. Wie die Konsumenten sind sie wehrlose Passagiere auf der Preis-Achterbahn.

Für die Getreidebauern geht es darum, dass sie nicht mit den Bocksprüngen bei den Preisen zurechtkommen und dass sie nicht auf den enorm gestiegenen Kosten für Düngung und Pflanzenschutz sitzen bleiben. Die Viehhalter und Fleischerzeuger kämpfen mit explodierenden Futterpreisen, die sie nicht in den Produktpreisen unterbringen können. Und alle zusammen haben mit den hohen Energie- und Treibstoffkosten Probleme und damit, dass sie wegen der langen Produktionszyklen kaum auf die sprunghaften Veränderungen der Märkte reagieren können.

Die Politik ist hilflos. Weltweit. Noch schlimmer ist, dass sie auch ideenlos ist. Seit Jahren stehen diese Themen immer wieder auf der Agenda. Ergebnisse, zumal wirksame Ergebnisse gibt es bisher nicht. „Es wird schon wieder werden“ ist als Strategie zu wenig – für die Bauern und erst recht für die Konsumenten.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 8. März 2011

Börsen geben Bauern Sicherheit





Angesichts des Höhenflugs der Rohstoffpreise nutzen auch Bauern Terminbörsen – um ihre Haut zu retten.

HANS GMEINER Salzburg (SN). „Da hat das Ganze wieder ein bisserl Sinn.“ Der junge Landwirt aus Leonding bei Linz freut sich. Für 240 Euro pro Tonne hat er Mitte Februar über sein Lagerhaus auf der Warenterminbörse Euronext in Paris einen Teil seiner heurigen Weizenernte verkauft, die gerade auf den Feldern heranzuwachsen beginnt. So viel Geld gab es für Weizen noch nie. Hätte der Bauer zwei Wochen länger zugewartet, hätte er deutlich weniger zu erwarten. Derzeit liegt die Novembernotierung für Weizen, zu der er das Geschäft abschloss, nach einem heftigen Preisrutsch nur mehr bei rund 215 Euro je Tonne. Und im Sommer, zur Ernte, so fürchten die Getreidebauern aus der Erfahrung der vergangenen Jahre, könnte es noch weit weniger sein.

Erstmals nutzen sie daher heuer Warenterminbörsen in größerem Stil, um Preise abzusichern. Die Mengen, um die es geht, sind noch gering. „Wir haben heuer in den Getreidebaugebieten für rund 20.000 Tonnen Weizen und 25.000 Tonnen Raps Euronext-Verträge abgeschlossen“, sagt Ernst Gauhs von Österreichs größtem Getreidehändler Raiffeisen Ware Austria (RWA). Lagerhäuser und private Händler bieten solche Verträge an. „Sie geben den Bauern Sicherheit und machen die Ernte kalkulierbar“, sagt Gauhs.

Die Bauern wollen auf der Preis-Achterbahn nicht unter die Räder kommen. Zudem geht es darum, die deutlich gestiegenen Kosten für Saatgut, Pflanzenschutz, Düngung und Treibstoffe wieder hereinzubringen. „Nichts abzusichern wäre Spekulation.“ „Hinter dieser Art von Termingeschäft steht echte Ware“, sagt Karl Bauer vom Lagerhaus Oberösterreich Mitte. „Das ist keine Spekulation.“ Das Risiko für die Bauern ist gering, der Preis ist garantiert. Es kann nur sein, dass im Sommer die Preise höher sind. Dann müssen sie dennoch zu den jetzt vertraglich fixierten Börsepreisen verkaufen. Das Risiko tragen die Aufkäufer, die das eigentliche Börsengeschäft abwickeln und sich dort entsprechend absichern müssen. Die Landwirte sind gebrannte Kinder. In den vergangenen Jahren kamen sie wegen der extremen Preisausschläge gleich mehrfach zum Handkuss.

Der Weizen, den sie 2007 nach der Ernte um 120 Euro je Tonne verkauften, wurde nur wenige Monate später um 250 Euro gehandelt. Bei der Ernte 2008 lag der Preis wieder bei 150 Euro, 2009 gab es gar nur 120 Euro. Vergangenen Sommer erwischten die Landwirte bei Weizen den Preishöhenflug ab Anfang August. Bei Gerste, die früher geerntet wird, schauten sie durch die Finger. Für die bekamen sie 120 Euro pro Tonne, heute wären es 240.

Der Höhenflug bei den Rohstoffpreisen, der für immer mehr Schlagzeilen sorgt, stellt aber auch Bauern in anderen Produktionssparten vor ungewohnte Aufgaben. Vor allem die Schweine- und Geflügelproduzenten leiden unter den stark gestiegenen Futterkosten. Dort versucht der Handel mittlerweile mit dem Angebot von Terminkontrakten für Futtermittel wie Soja zumindest eine gewisse Kalkulierbarkeit zu bieten.

Manchen ist auch das zu wenig. Angesichts der schlechten Schweinepreise verkaufen Bauern das Futtergetreide, das sie im Sommer billig einkauften, nun zu Höchstpreisen – und fahren die derzeit ohnehin oft defizitäre Schweineproduktion zurück.

Das sind nicht die einzigen unerwarteten Folgen der steigenden Rohstoffpreise. Derzeit kämpft Europa mit Zuckerknappheit. Um Staaten der Dritten Welt Zugang zum EU-Markt zu ermöglichen, wurde in den vergangenen Jahren die Zuckerproduktion zurückgefahren. Angesichts der hohen Weltmarktpreise verkaufen diese Staaten Zucker nun überall anders hin, aber nicht in die EU.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 08.03.2011

Montag, 7. März 2011

Zwischen Hurra-Bauernherrlichkeit und Depression





Es tat richtig gut. Erntearbeit. Dem jungen Bauern war von Weitem anzumerken, dass ihm die Arbeit auf dem Feld auch um sechs Uhr morgens Freude machte. Die junge Bäuerin stellte sich, ganz wie es sich gehört, freundlich mit Vor- und Zunamen vor. Man plauderte über dies und das und natürlich auch über die Landwirtschaft. Aber da war kein klagender Unterton dabei, kein Jammern, kein Vorwurf an die Politik. Kein albernes Herumreden, nichts von „mir san mir“ und Hurra-Bauerntum oder gar beleidigter Bauernherrlichkeit. Nichts von dem, was schnell als Standesdünkel empfunden wird - und dennoch durch und durch selbstbewusste junge Bauersleute.

Er macht den Hof im Nebenerwerb, sie hat eine HBLA absolviert. Zwei, die mit ihrer jungen Familie mitten im Leben stehen und die Landwirtschaft offensichtlich als das nehmen, was sie ist und sich nicht mit dem belasten, was sein könnte, sollte, müsste.

Solche Leute fallen auf in der österreichischen Bauernschaft. Immer noch. Dass sie das tun, sollte zum Nachdenken geben. Den anderen Bauern, den jungen wie den alten, den Vätern, den Müttern, den Schwiegervätern und den Schwiegermüttern, die es sich selbst und ihren Kindern oft allzu schwer machen, weil sie oft Vorstellungen und Wünschen nachhängen, die nichts anderes bringen, als Verbitterung.

Nörgeln von früh bis spät gehört allzu oft zum guten Ton auf den Bauernhöfen. Mit dem Schicksal hadern, voller Neid auf andere schauen, alles und jeden, und sei er auch noch so weit weg, für etwas verantwortlich machen, was einem selbst nicht gelingen mag. Oft fragt man sich: Muss das wirklich sein?

Nach wie vor scheinen viele Bauern nicht nur große Probleme damit zu haben, sich mit den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen und den sich rasch ändernden Ansprüchen zurechtzufinden – auch mit dem gesellschaftlichen und politischen Wandel, mit der Verschiebung von Werten und Schwerpunkten zurechtzukommen fällt mitunter schwer.

Längst brachte das die bäuerliche Kultur insgesamt unter Druck. Das zeigt sich oft alleine darin, wie schwierig es ist, bäuerlichen Nachwuchs für die Politik zu finden, wie oft Unverständnis auch innerhalb von Bauernfamilien die Antwort des Nachwuchses auf vermeintlich bäuerliche Anliegen ist wie groß oft die Schwierigkeiten zuweilen sind, die Nachfolge für den Hof zu regeln.

Die Probleme mit dem Selbstverständnis als Bauern, mit dem Platz der bäuerlichen Kultur, äußern sich bei den einen als ständiger Frust bis zur Selbstaufgabe, bei den anderen zuweilen in der Überbetonung dessen, von dem sie meinen, es habe dereinst den ganzen Bauernstolz ausgemacht - Dirndl, Trachtenanzug, Lederhosen, Volkstanzen und Brauchtumspflege.

Beiden Seiten der Medaille haftet der Geruch der Untauglichkeit an, mit den Anforderungen wirklich fertig zu werden.

Der Politik ist dazu noch nicht wirklich viel eingefallen. Immerhin, es gibt beeindruckende Initiativen, aber kaum mehr.

Leider, muss man sagen. Denn der Druck wächst, den Platz in der Gesellschaft zu finden.

Leichter täten sich die Bauern freilich schon, wenn auch das wirtschaftliche Umfeld passen würde. Das aber wird wohl kaum besser.

Darüber kann man klagen, keine Frage. Mehr Sinn macht es wohl alles daran zu setzen, mit der neuen Situation zurecht zu kommen und seine Position zu finden. Im wirtschaftlichen Umfeld, im gesellschaftlichen Umfeld und mit der bäuerlichen Kultur.

Blick ins Land 7. März 2011

Bauern – die Aschenputtel des Agrarbooms?

Die Landwirtschaft gilt als die Boombranche der Zukunft schlechthin. Der rasante Zuwachs der Weltbevölkerung, der wachsende Hunger nach Fleisch oder die steigende Nachfrage nach Bio-Treibstoffen sorgen für immer neue, immer optimistischere Prognosen. Bis zu 70 Prozent muss bis Mitte dieses Jahrhunderts die Agrarproduktion gesteigert werden, um die Weltbevölkerung ernähren zu können. Die Preise werden anziehen heißt es.

Alles Paletti also? Mitnichten. Bei den Bauern mag das Gefühl nicht weichen, dass das alles in Zukunft dennoch nicht so einfach wird und vor allem nicht so rosig, wie es von manchen interpretiert wird. Man hat Sorge, dass man nichts davon hat, dass man trotzdem nicht mitkommt, dass alles in Richtung industrieller Produktionsformen läuft. Man ist verunsichert.

Zu verdenken ist es ihnen nicht. Anders als die heimischen Agrarindustrie, die wie etwa die Agrana oder die LLI-Gruppe zur europäischen Spitze gehören, sind die Bauern nicht wirklich gut aufgestellt für die Bewältigung der Anforderungen, die auf sie zukommen.

Ein Großteil der Betriebe in Österreich ist zu klein, um sich auf den traditionellen Agrarmärkten zu behaupten. Die eigentliche Achillesferse aber ist der enorm hohe Anteil der öffentlichen Gelder am Bauerneinkommen. Vor allem für kleine Betriebe wäre es mittlerweile rein rechnerisch sinnvoller, die Förderungen zu nehmen, die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu machen. Es würde ihnen mehr bleiben, als wenn sie in den Stall gehen oder aufs Feld fahren.

Mit dieser Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln, die sie, genau betrachtet, zu Staatsdienern fast wie Beamte macht, haben die Bauern aber nichts mehr selbst in der Hand, sondern sind abhängig vom guten Willen anderer – keine angenehme und zukunftsträchtige Position, zumal angesichts der immer knapper werdenden öffentlichen Kassen der Druck und die Begehrlichkeiten aus anderen Gesellschaftsgruppen, die Bauerngelder zu kürzen, immer deutlicher formuliert wird.

Es ist zu spüren, dass die Gesellschaft und die Politik umzudenken beginnen.

Im Klartext bedeutet das: die Fundamente, auf denen derzeit die Agrarpolitik steht, bröckeln.

Da ist es verwunderlich, dass sich die Agrarpolitik nach wie vor praktisch ausschließlich darüber definiert, für die Bauern das Geld abzusichern. Von neuen Wegen, klaren Schritte gar oder einer offensive Strukturpolitik, die Antworten auf die Herausforderungen der nächsten Jahre bieten könnten, ist nichts zu sehen. Weil man keine Ideen hat oder weil man sich nicht traut, sei dahingestellt.

Landwirtschaft wird von außen zunehmend als ganz normaler Wirtschaftszweig gesehen. Darum sollten sich auch die Bauern damit anfreunden, die Landwirtschaft als ganz normalen Wirtschaftszweig zu sehen.

Dabei geht es, allen persönlichen Befindlichkeiten zum Trotz, darum, die Chancen zu finden und die Gefahren zu erkennen.

Wer sagt, „der Landwirtschaft wird ja eine gute Zukunft mit guten Preisen vorausgesagt - da lehn ich mich zurück, bis dahin wird’ ich’s schon aushalten“, dem sei zu Vorsicht geraten. Denn wenn auf der anderen Seite die Förderungen zurückgeschraubt werden, wird es mit großen Sprüngen wohl wieder nichts – zumal dann, wenn die Betriebsstrukturen unverändert bleiben.

Gastkommentar Agrozucker März 2011

Freitag, 4. März 2011

Berglandmilch spielt die Karte „Tirol“





Auf sicheren Käse statt launenhafter Exportmilch setzt der neue Tirol Milch-Eigentümer Berglandmilch.

HANS GMEINER Wels (SN). Nach dem grünen Licht der Kartellbehörde für den Zusammenschluss laufen bei Berglandmilch die Vorbereitungen für die Eingliederung der Tirol Milch auf Hochtouren. „Ab April, mit dem neuen Milchwirtschaftsjahr, soll alles laufen“, sagt Berglandmilch-Chef Josef Brauns hofer im Gespräch mit den SN. Und das soll mehr sein als die bloße Erfüllung der Auflagen der Wettbewerbsbehörde wie Preismonitoring oder garantierte Abnahme einer bestimmten Milchmenge. Vor allem die Käseproduktion soll ausgebaut und damit die Wertschöpfung erhöht werden.
Bisher exportierte Tirol Milch rund 25 Prozent der gesamten Milchmenge unverarbeitet hauptsächlich nach Italien. „Für eine derart gute Milch eigentlich eine Schande“, sagt Braunshofer. „Wir wollen mit dieser Menge, immerhin rund 60 Mill. Kilogramm, vor allem Käse, aber auch teilweise H-Milch erzeugen“. Für den nötigen Schub auf den Märkten soll die Marke Tirol Milch sorgen. „Das ist nicht nur die stärkste Regionalmarke in Österreich, sondern sie ist auch in Deutschland sehr zugkräftig“, sagt Braunshofer. Neue Produkte sollen noch vor dem Sommer auf den Markt kommen. Das Werk in Wörgl will Berglandmilch in den kommenden zwei Jahren mit einem Aufwand von mehreren Millionen Euro ausbauen. Das Werk in Lienz soll als Manufaktur für Weichkäse weitergeführt werden.

Mit der Übernahme der Tirol Milch wächst die jährliche Verarbeitungsmenge der Berglandmilch auf 1,15 Mill. Kilogramm Milch, der Umsatz auf 760 Mill. Euro, die Zahl der Mitarbeiter auf 1350 und die Zahl der Lieferanten auf 16.000. Damit ist Berglandmilch, zu der bald auch die kleine steirische Stainzer Molkerei gehören soll, mit Abstand größter Milchverarbeiter in Österreich. Im internationalen Vergleich ist Berglandmilch dennoch eine kleine Nummer. Erst vor wenigen Wochen etwa fusionierten in Deutschland Nordmilch und Humana zu einem Milchkonzern mit einer Verarbeitungsmenge von 4,8 Mill. Tonnen Milch.

Diese Megafusion vor Österreichs Haustür kommt in einer Phase, in der der Milchmarkt wieder interessant wird. Auf den internationalen Märkten ziehen die Preise seit Wochen spürbar an. Als Grund dafür gilt die Erholung der Weltwirtschaft. Insbesondere der für Europa wichtige russische Markt läuft wieder besser.

Da und dort wird bereits eine Preisexplosion wie vor drei Jahren – je nach Standpunkt – erwartet oder befürchtet. Damals schnellten die Preise binnen weniger Wochen von weniger als 30 auf weit über 40 Cent je Kilogramm.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 4. März 2011

Donnerstag, 3. März 2011

Profil statt leerer Worthülsen





Der Wiener Edelgastronom feuert seine Rindfleischlieferanten wegen ein paar Cent, die die mehr wollen. Der Wirt ums Eck stellt Fleisch vom deutschen Tiefkühllieferanten auf den Tisch, weil’s ein bisschen billiger ist. Vom Handel kennt man das sowieso. Die Preise müssen runter. Tief, tiefer, noch tiefer.

Die Bauern schäumen. Gerade in den vergangenen Wochen gingen die Wogen wieder hoch.

Die Agrarier haben recht, Verständnis einzumahnen. Freilich schmerzt es, wenn ausgerechnet ein Handelsboss erklärt, der Preiskampf sei "verrückt“, gehe es doch um "unsere Bauern“, um "unsere Almen und Wiesen“, um "unser“ Kulturgut. Und am nächsten Tag flattert von genau diesem Konzern ein Flugblatt mit "Zwei zum Preis von einem“-Angeboten ins Haus.

Aber, das zu beklagen und um Verständnis zu heischen, hilft ganz augenscheinlich wenig. Die Landwirtschaft ist damit in den vergangenen Jahren zum Bittsteller geworden. Mit lauen Argumenten, ohne überzeugende Fakten und entsprechend wenig, auf das sich Selbstbewusstsein und Stärke gründen könnten.

Und nicht nur das. Die Agrarier müssen sich, ohne allzu viel entgegenhalten zu können, sogar sagen lassen, dass sie eher sich selbst als die Konsumenten im Focus haben, dass sie - wie vor drei Jahren - in Österreich höhere Milchpreise fordern, während sie ihre Überschüsse im Ausland billig verscherbeln oder dass sie nur den Handel kritisieren, aber die restlichen 40 Prozent des Marktes, die Gastronomie und die Großküchen vor allem, unbehelligt lassen.

Die Landwirtschaft und ihre Vertreter wirken hilflos. Die Argumente der Landwirtschaft verfangen längst nicht mehr so, wie sie müssten. "Unsere Produkte sind ehrlich,“ buhlte kürzlich etwa der junge Tiroler Kammerpräsident, ein Hoffnungsträger der heimischen Agrarpolitik, bei einer hochkarätig besetzten Veranstaltung ganz altbacken um die Gunst von Handel und Molkereien. "Wir produzieren nachhaltige und hohe Qualität,“ meinte er. Und: "Wir erwarten uns dafür einen fairen Anteil an den Preisen“.

Eindruck beim Publikum machte er damit nicht.

"Nachhaltig“, "ehrlich“, "Qualität“. Diese Begriffe sind heute selbstverständlich - sogar im Diskont. Und es ist naiv zu glauben, dass man mit solchen Allgemeinplätzen noch jemanden dazu bringt, mehr zu zahlen - zumal dann, wenn man nicht dazusagt, was damit wirklich gemeint ist.

Allzu lange schon macht es sich die Landwirtschaft in solchen Worthülsen bequem. Was heißt "Nachhaltigkeit“ wirklich? Was "ehrliche Produktion“? Was "Qualität“? Das behaupten doch auch die bayerische Landwirtschaft und die dortigen Verarbeiter von sich, die in Frankreich, die in Italien und sogar die in Polen. Und das völlig zu recht. Auch dort werden gute Produkte erzeugt.

Mit solch allgemeinen Begriffen kann man sich heute auf den Märkten nicht mehr von anderen Anbietern abheben. Zumal dann, wenn sich, genau betrachtet, die Produktionsweisen kaum von denen in anderen Ländern unterscheiden. Die Kühe stehen auch anderswo wie in Österreich auf Wiesen, Schweine liegen auch bei uns oft auf Spaltenböden und ein österreichischer Getreidebauer arbeitet kaum anders als sein norddeutscher Kollege.

Die Unschärfen in der Landwirtschaft finden in der Verarbeitung nahtlos ihre Fortsetzung. Dort geht man - um Kosten zu sparen oder auf Druck des Handels - vor allem mit der Differenzierung zwischen den eigenen Markenprodukte und den Handelsmarken, für die man produziert, zuweilen unscharf um. Man macht es dem Handel leicht, noch fester an der Schraube zu drehen, wenn sich in der Verpackung, die unter einer Handelsmarke im Regal liegt, die gleiche Ware befindet wie in der Verpackung mit dem eigenen Logo. Immer mehr Konsumenten wissen davon. Es darf daher nicht verwundern, wenn sie die gleiche Ware für weniger Geld kaufen.

Dass mittlerweile selbst auf den Verpackungen der Diskont-Handelsmarken allerlei Etiketten und sogar das AMA-Gütesiegel zu finden sind und diese Produkte mit den gleichen Slogans wie Markenprodukte beworben werden, sollte bei den Agrariern endgültig Großalarm auslösen.

Die Landwirtschaft ist angesichts dieser Entwicklungen dringend gefordert, ihre Argumentation nachzuschärfen und mit Daten und Fakten zu belegen. Sie sollte klären, was an der Art und Weise, wie in Österreich Landwirtschaft gemacht wird, was an den Produkten, die sie erzeugt, wirklich anders ist, was sie einzigartig macht.

"Was macht Österreichs Landwirtschaft wirklich aus?“ ist das Thema, um das es dabei gehen muss.

Ein zuverlässiges Kontrollwesen alleine, das heute als einzig greifbares Argument für Österreichs Produkte gilt, ist sicher zu wenig.

Gefordert ist, so wie die Dinge liegen, eine weitere und schärfere Differenzierung.

Das mag aufwendig sein, mühselig und langwierig. Der Handel zeigt das da und dort schon vor. Die Landwirtschaft soll sich nicht grundsätzlich dagegen sperren. Es führt kein Weg herum, wenn es gelingen soll, dass die österreichische Landwirtschaft tatsächlich ein eigenes Profil gewinnt, mit dem es sich auf den Märkten unverwechselbar macht - zumal sogar von der EU-Agrarreform Druck kommen wird, genauer zu differenzieren.

Gelingt es nicht, einen tauglichen Weg zu finden, verliert die derzeitige Agrarpolitik samt all der Aufwendungen, die sie nach sich zieht, einen Gutteil ihrer Grundlage. Denn dann ist es wohl besser, so billig wie möglich zu produzieren - das wäre dann wirklich "ehrlich“.

Raiffeisenzeitung 3. März 2011
 
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