Donnerstag, 26. Januar 2023

Wie unser Land verwüstet wird

Es ist ein riesiger Parkplatz, knapp drei Hektar groß. Im oberösterreichischen Zentralraum. Auf bestem Boden. Wo vor zwei Jahren noch Getreide gewachsen ist, ist seit drei Monaten asphaltiert. Bis auf den letzten Quadratmeter. Hunderte Autos und dutzende Lichtmasten, aber kein einziger Baum. Rundherum Felder. Die dazugehörige Firma auf einem 17 Hektar großen Areal mit 1.100 Mitarbeitern gut 100 Meter weg, auf der anderen Seite einer Bundesstraße.

So etwas wird heute noch in Oberösterreich genehmigt. Verwundern tut das freilich nicht. Denn es passt zu den Schlagzeilen der vergangenen Tagen. "19 Hektar Wald gerodet -für Hallen auf Willhaben", wunderte sich die Kronen Zeitung und die OÖ Nachrichten ätzten über die im Vorjahr kahlgeschlägerte Waldfläche neben der Westautobahn bei Ohlsdorf: "Auf der Gebrauchtwarenplattform willhaben.at wurde das Betriebsbaugebiet nun zur Miete ausgeschrieben." Das sei "schlichtweg peinlich". Vor allem für den zuständigen Landesrat, der die schon damals heftig umstrittene Rodung seinerzeit mit dem Verweis auf einen neuen "Leitstandort für Oberösterreich" verteidigte. Nun zeigt sich -Konzept gab es gar keines und er will nichts mehr davon wissen. Die Umwidmung beantragt habe die Gemeinde, er habe nur genehmigt, ließ er ausrichten. "Nach den Bäumen fallen die Versprechen", kam es spitz in den Zeitungskommentaren zurück. Und ein Kommentator empfahl dem Landesrat gleich, sich in dem auf willhaben.at angebotenen Projekt als Start-up einzumieten, wenn es keine neuen Arbeitsplätze gibt. "Denn als Politiker wird er dann keine Zukunft mehr in Oberösterreich haben."

Was ist da los in Oberösterreich, möchte man fragen, aber es ist zu fürchten, dass Oberösterreich überall ist, denkt man nur an all die Gewerbezonen, Siedlungssplitter und Straßenbauwerke von Vorarlberg bis ins Burgenland. Das Land ist oft regelrecht verwüstet. Die Region zwischen Linz und Wels entlang der Bundestraße 1 ist so ein Beispiel dafür, der Salzburger Flachgau rund um Straßwalchen oder die Region südlich von Graz. Zersiedelte Flächen, ausfransende Städte und Orte, billige, lieblose Zweckbauten, konzipiert oft nur für ein paar Jahre, eine planlose Verbauung und Verschwendung von Böden allerorten, oft erst entstanden in den vergangenen zehn, 20 Jahren, als der Bodenverbrauch und die Versiegelung längst ein groß diskutiertes Thema waren.

Der Generaldirektor der Hagelversicherung warnt seit Jahren davor, ebenso Wissenschaftler und auch Bauern. "Die Verbauung unserer Böden ist eines der größten Umweltprobleme", heißt es inzwischen unmissverständlich und anerkannt. Acht von zehn Österreicherinnen und Österreicher sehen das laut einer market-Umfrage so. "82 Prozent sehen die zunehmende Verbauung von Boden für Shopping-Center, Straßen, Industrie, Immobilien usw. als eine der größten nationalen Umweltprobleme." Ungefähr so bedeutend wie der Klimawandel und ähnlich hoch, wie man die Bedeutung der schrankenlosen Bodennutzung für den Verlust von Biodiversität einschätzt.

Zehn Hektar Boden gehen in Österreich jeden Tag verloren, 36 Quadratkilometer pro Jahr. Doppelt so viel wie die Fläche der Stadt Grein, gut dreimal so viel wie die Fläche von Freistadt. Von dem im Regierungsprogramm angestrebten Zielwert von neun Quadratkilometer pro Jahr bzw. 2,5 Hektar täglich ist man meilenweit entfernt.

Dabei wüsste man längst, wie es geht. Es bräuchte ein strategisches Flächenmanagement, wie Kurt Weinberger von der Hagelversicherung immer wieder betont -"mit verbindlichen Zielwerten für die Erhaltung produktiver Böden, Bodenfunktionsbewertungen, Wiedernutzung von Leerstand und Brachflächen, Festlegung von Siedlungsgrenzen, die Definition von Vorrangflächen für landwirtschaftliche Produktion und für Hochwasser-Rückhaltung und den Schutz wichtiger Ökosysteme".

Davon ist man weit entfernt. Einstweilen gilt wohl weiter, was im Klappentext zu Tarek Leitners Buch "Wo leben wir denn? Glückliche Orte. Und warum wir sie erschaffen sollten"(Verlag Brandstätter) steht: "Die Maybe-Gesellschaft geht vom Vielleicht aus: Wir lassen uns im Privaten und im Beruflichen so lange wie möglich alles offen. Das Credo von der Flexibilität überträgt sich auf unsere gebaute Umgebung. Dieser Zustand des Alles-zugleich-haben-wollens-und-dassofort bildet sich in der Landschaft ab: ungeplant, achtlos, verschwendend -eine Wegwerfarchitektur, die unsere Umgebung schlicht verunstaltet."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. Jänner 2023

Donnerstag, 19. Januar 2023

Verflixt und festgeklebt

In Deutschland sorgen die Proteste für die Rettung des Örtchens Lützerath für Aufregung, in Wien klebten die Leute der "letzten Generation" auf den Straßen und blockierten den Verkehr, um die Welt vor der "Klimahölle" zu retten. Da wie dort gingen die Wogen hoch und die Empörung ist groß. Da wurde gespuckt, getreten und geschlagen. "Schleicht´s eich", hieß es von erbosten Autofahrern, und im Internet wurde "einfach drüberfahren" empfohlen. Devise: "Wer nichts kann und wer nichts ist, der wird Klimaaktivist."

Die Gesellschaft und die Politik können nicht umgehen mit dieser Art von Protesten. Immer noch nicht. Dass viele von denen, die sich besonders alteriert haben, vor Jahresfrist selbst bei den Corona-Demos in Wien, in Linz und anderswo Straßen blockierten, passt in das Bild von den Österreichern, für die das Leben oft einen doppelten Boden hat.

Was wir in der Vorwoche erleben mussten, ist bei Licht betrachtet nichts denn peinlich. Nicht für die Jugend, sondern für die Politik und für viele Bürger. Was hat man nicht jahrelang über die unpolitische, ja apathische Jugend gelästert, was hat man sich nicht darüber gewundert. Und dann zeigte man sich im Nu von nicht viel mehr als zwei Dutzend Aktivisten überfordert und würde sie am liebsten gleich hinter Gittern verschwinden lassen. Das kann man auch als Bankrotterklärung sehen.

Aber zu verlockend ist für viele und für die Politik, die Klimakleber und die Wut gegen sie für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Sie machten, wie schon so oft zuvor und wie Zeitungen und Rundfunk-und Fernsehanstalten auch, die Klimaproteste auf den Straßen im Handumdrehen zu einem einträglichen Geschäftsmodell. Da führte die junge Staatssekretärin eine emotional überforderte und mit den Tränen kämpfende Klimaaktivistin im Fernsehstudio gnadenlos vor. Da war der FPÖ-Obmann schnell da mit dem Begriff "Klimaterroristen" und VP-Landeshauptleute mit der Forderung nach harter Bestrafung -obwohl sich bisher außerhalb von Wien kaum wer auf die Straßen klebte.

Vor allem die niederösterreichische Landeshauptfrau fühlte sich besonders bemüßigt, Härte zu zeigen, stehen doch in ihrem Bundesland zum Ende dieses Monats Landtagswahlen an. Und da will man sich keine Chance vertun. "Wer seine Freiheit dazu missbraucht, das Leben seiner Mitmenschen zu gefährden, dem muss Entzug seiner Freiheit drohen", sagte sie.

Sie alle tun sich leicht damit, die Scharfmacher zu spielen, kann doch mit hundertprozentiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass nie einer von denen, die sich da in den Vorwochen an die Straße klebten, ihnen seine Stimme gegeben hat.

Werner Kogler tut sich damit schon schwerer. Auch wenn die Klimakleber Österreichs Grüne nicht derart ins Dilemma stürzten wie die Demonstranten in Lützerath die Grünen in Deutschland, verlangten sie dem Vizekanzler schon einen Spagat ab. Aber diese Haltung ist zum Glück längst keine große Herausforderung mehr für ihn. "Ich teile die Anliegen der jungen Menschen", sagt er und hält die geltenden rechtlichen Bestimmungen für ausreichend.

Damit findet er sich jedenfalls auf der Seite der Juristen im Land, aber auch auf Seiten eines wesentlich größeren Teils der Bevölkerung, als die öffentliche Aufregung vermuten lassen würde. Auch wenn die gängige Meinung sein mag, dass die Aktionen der Bereitschaft für Klimaschutzmaßnahmen eher schaden, ist nicht zu übersehen, dass die Sympathie für all die jungen Frauen und Männer, die sich da an die Straßen kleben, wächst -sofern man nicht gerade in einem von ihnen verursachten Stau steht und deswegen nicht zur Arbeit, zur Schule oder zum Arzt kommt. Inzwischen gab es gar Solidaritätsaktionen von Wissenschaftlern und es findet sich in Zeitungskommentaren immer mehr Verständnis. "Die Argumente der letzten Generation überzeugen", ist da mittlerweile zu lesen.

Auch wenn man dem nicht zustimmen sollte, sei dennoch eindringlich zu mehr Gelassenheit geraten. Die Satire-Zeitung "Tagespresse" zu lesen, könnte helfen. Das Schmunzeln dabei ist geeignet, die Nerven zu beruhigen. "Tag für Tag blockieren sie völlig sinnlos den Verkehr -jetzt soll es den Pendlern an den Kragen gehen", stand da vorige Woche zu lesen. "Immer mehr Menschen fordern scharfe Sanktionen für Verkehrsblockaden, bis hin zu langen Haftstrafen."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Jänner 2023

Samstag, 14. Januar 2023

Zwischen Umwelt- und Pflanzenschutz

Die Landwirtschaft hadert mit der Umweltpolitik. Das ändert nichts an der Verpflichtung, die Emissionsziele zu erreichen.

Hans Gmeiner  

Wien. Die Landwirtschaft wettert gegen neue EU-Emissionsrichtlinien, geplante Beschränkungen beim Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, die Stilllegung von Flächen, Nutzungsbeschränkungen in den Wäldern und wird nicht müde, vor Versorgungsengpässen und hohen Preisen zu warnen. In der Umweltpolitik wird indessen verbissen um die Einhaltung der Emissionsziele gekämpft, bei Klima- und Biodiversitätsschutz nachzulassen ist keine Option.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine machte die Diskussion nicht einfacher. „Wir sind plötzlich in einer anderen Welt als damals, als die EU die neue Gemeinsame Agrarpolitik mit allen Stilllegungs- und Umweltmaßnahmen und andere Beschränkungen konzipierte“, sagt Franz Sinabell vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Ohne werten zu wollen, sagt er: „Klar ist: Wo wegen des strengeren Schutzes weniger oder gar keine Agrargüter oder Holz erzeugt werden können, kann man auch nicht ernten.“ Auch wenn der Rückgang der Produktion von Getreide oder Holz bei einer Flächenreduzierung um zehn Prozent nur acht Prozent betragen sollte, sei das „extrem viel“. Schon der Wegfall der Exporte aus der Ukraine habe den Weltmarktpreis für Getreide verdoppelt. Und der werde auch hoch bleiben. „Wenn dann der größte Exporteur, und das ist nun einmal die EU, die Exporte verringert, treibt das die Preise global nach oben“, sagt Sinabell. Die Folgen können nicht nur hohe Lebensmittelpreise, sondern auch Versorgungsengpässe bis hin zu wachsendem Migrationsdruck sein.

Trotz dieses Umfelds sieht der Wirtschaftsforscher die Landwirtschaft in der Pflicht, zur Senkung der CO2-Emissionen beizutragen. Für ihn ist klar: „Die Emissionen im Agrarsektor sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen, aber vom Ziel, den Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 48 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren, ist man dennoch weit entfernt.“ Dieses Ziel tatsächlich in den wenigen noch verbleibenden Jahren zu erreichen würde einschneidende Maßnahmen erfordern. Es gebe Spielräume in einzelnen Sparten der landwirtschaftlichen Produktion, „aber nicht in dem Ausmaß, dass man die Emissionen um 48 Prozent verringert und dennoch gleich viel Agrargüter produziert“, sagt Sinabell.

Besonders betroffen wäre nach Einschätzung Sinabells die Rinderhaltung. Dort seien die Emissionen und damit das Einsparungspotenzial am größten. „Wenn man in der Rindfleisch- und Milchproduktion die Emissionen senken will, müsste man die Tierzahl senken“, dazu gebe es keine Alternative. Das wäre aber sehr teuer, weil es sehr wertvoll sei, dass die Tiere Fleisch, Milch und Eiweiß liefern, ganz abgesehen davon, dass in der Folge die Preise weiter steigen würden.

Käme es tatsächlich zu derart massiven Eingriffen, hätte das nach Einschätzung Sinabells enorme Auswirkungen auf die Agrarstruktur vor allem in den zentralen Regionen der Rinderhaltung in Ober- und Niederösterreich, wo viele Bauern in ihrer Existenz darauf angewiesen sind.

Im Pflanzenbau hingegen sieht der Agrarökonom durchaus Spielräume, vor allem, wenn es um die Beschränkung des Düngereinsatzes geht. Er glaubt, dass es über effizientere Dünger und andere Düngemethoden, aber auch mithilfe der Digitalisierung in manchen Bereichen möglich ist, den Düngerverbrauch zu reduzieren.

Schwieriger hingegen sei die Situation im Pflanzenschutz. „Dort kommen schon jetzt kaum mehr neue Substanzen auf den Markt und wenn dann auch noch Mittel wie Glyphosat verboten werden, wird das für viele Bauern, die die für das Klima günstige Minimalbodenbearbeitung betreiben, wahrscheinlich das Aus sein.“

Zwei der wirksamsten Methoden, die der Landwirtschaft helfen könnten, die Emissionsziele rasch und ohne große Einbußen zu erreichen, sind in der öffentlichen Diskussion freilich unterbelichtet. „Die wirksamste Maßnahme wäre, alle Drainagen, die erneuert werden müssen, nicht zu erneuern, sondern die Fläche in Kohlenstoffsenken umzuwandeln, weil damit Kohlenstoff auf Flächen aufgebaut wird, auf denen sich die Bewirtschaftung kaum lohnt“, sagt Sinabell.

Die zweite Möglichkeit, die er anführt, ist überhaupt verpönt: „Während Beschränkungen sehr leicht implementiert werden, sehen wir, dass in Europa der Spielraum, den neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas für die Züchtung bieten würden, um die Pflanzen widerstandsfähiger zu machen und den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu verringern, nicht das große Thema sind.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Jänner 2023

Freitag, 13. Januar 2023

AMA-Gütesiegel soll nun genauer kontrolliert werden

Zahl der Kontrollen soll deutlich angehoben und auch mit Fotos aus Ställen dokumentiert werden.

Hans Gmeiner

Wien. Das Aufsehen, für das jüngst Zustände in drei steirischen Hühnerställen gesorgt haben, und die daran anschließende Diskussion über das AMA-Gütesiegel scheinen dem AMA-Marketing durch Mark und Bein gegangen zu sein. Noch heuer will man die Zahl der Kontrollen bei den Produzenten von 15.000 auf 25.000 pro Jahr steigern. Der Fokus dabei soll auf der Tierhaltung liegen. Auch die unangekündigten Audits will man deutlich öfter durchführen. Zudem will man in Zukunft für transparente Information sorgen, indem nicht nur Zahlen genannt, sondern sowohl positive als auch negative Vorkommnisse samt Bildern von Kontrollen und Stallungen in einem sogenannten Logbuch dargestellt werden. „Wir müssen daran arbeiten, die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und auszubauen, weil diese Vorkommnisse uns allen schaden“, sagte am Donnerstag Christina Mutenthaler, die neue Chefin des AMA-Marketing. „Wir brauchen alle mehr denn je ein partnerschaftliches Miteinander.“ Sie sieht die Zukunft des AMA-Gütesiegels weiterhin als „Qualitätsprogramm für die Breite“, will es aber vor allem in Richtung Tierwohl und Nachhaltigkeit weiterentwickeln. Immerhin sei das AMA-Gütesiegel das bekannteste und stärkste Siegel der Land- und Lebensmittelwirtschaft. Es stehe für transparente und nachvollziehbare Herkunft und unabhängige Kontrollen und sei im Gegensatz zu Marketinglogos ein anerkanntes staatliches Gütesiegel. 70 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten vertrauten darauf und sähen es als wichtige Orientierungshilfe beim Einkauf.

„Wir brauchen alle mehr denn je ein partnerschaftliches Miteinander und Fairness zum Wohl der Landwirte, der Unternehmer, der Arbeitnehmer, der Konsumenten und auch zum Wohl der Tiere“, sagte Mutenthaler beim AMA-Forum in Wien. Es gehe darum, die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse und Sichtweisen aller Beteiligten zu integrieren und einen „konstruktiven Austausch“ zu suchen. Das gelte auch „für jene gesellschaftlichen Gruppierungen, die uns nicht immer wohlgesinnt sind“.

„Es geht um sehr viel, das muss uns bewusst sein“, sagte auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. „Auch wenn Zigtausende Bauern gut arbeiten, ist trotzdem jeder einzelne Fall, wie wir ihn erleben mussten, nicht tragbar.“ Das schwäche das Vertrauen in den Markt, darum sei es so wichtig, dagegenzuwirken und Verbesserungen zu erreichen. Aufgabe sei es nun, alles zu tun, damit solche Fälle nicht mehr vorkommen. Österreich sei immer noch Bioland Nummer eins und auch beim Tierwohl im internationalen Vergleich ganz vorn. „Das gilt es zu halten und auszubauen.“

Wie wichtig es ist, das Gütesiegel wieder zu stärken, unterstrich auch Zukunftsforscher Tristan Horx. Die Bedeutung von Gütesiegeln werde weiter wachsen. Dabei gehe es vor allem um sozial und ökologisch vertretbare Erzeugnisse. „Man will in den Supermarkt hineingehen und für sinnvolle Preise Produkte bekommen, bei denen man sich darauf verlassen kann, dass sie regional und ökologisch sind.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 13. Jänner 2023

Donnerstag, 12. Januar 2023

Europa muss den Lehnstuhl verlassen

Zuletzt wurde darüber geklagt, dass die Medikamente ausgehen. Die Abhängigkeit vom russischen Gas führte uns der Überfall auf die Ukraine drastisch vor Augen. Und die Corona-Krise und die dann folgende rigide Anti-Covid-Politik Chinas zeigte, wie sensibel die internationalen Lieferketten aufgebaut sind, auf die wir uns in den vergangenen Jahren gedankenlos verlassen und gewöhnt haben. Nun müssen wir seit Monaten lernen und erfahren, wie dünn das Eis ist, auf dem wir leben. Vor allem wir in Europa. Dass wir unsere Selbstständigkeit vielleicht allzu leicht verkauft haben, zu treuherzig auch und viel zu oft freilich auch verantwortungslos. Verantwortungslos, was die Zukunft und die Position Europas im Konzert der internationalen Wirtschaft und der Politik betrifft.

Monat für Monat wird uns vor Augen geführt, wie abhängig wir sind und wie dünn das Eis ist, auf dem wir uns bewegen und in unserem Wohlstand leben. Gelernt scheint man wenig zu haben. Jetzt holt man das Gas aus den USA und hofiert die Scheichs im Nahen Osten. Man freut sich dankbar, dass die USA unverrückbar zur Ukraine zu halten scheinen, während man selbst, Deutschland vor allem, herumzaudert. Gnädig wird darüber geschwiegen, wenn China auf dem alten Kontinent einen Hafen nach dem anderen übernimmt und sich am Balkan ausbreitet. Gar nicht zu reden davon, dass man kaum Gedanken daran verschwendet, woher all die Rohstoffe wie Feine Erden oder Edelmetalle für die Umstellung auf E-Mobilität kommen.

Da und dort flammen Diskussionen auf, da und dort, das ist anzuerkennen, versucht man, Weichen neu zu stellen. Aber alles in allem sitzt, so scheint es, Europa weiterhin auf dem hohen Ross und lässt die Welt für sich arbeiten. Militärisch, wirtschaftlich, menschlich auch. Für sich selbst hingegen hält man daran fest, es möglichst bequem zu haben, möglichst ungestört und möglichst fein und sauber. Europa lässt lieber machen, als dass es selbst macht. Und Europa redet lieber von der Verantwortung anderswo als von der eigenen.

Das beginnt bei den hohen Arbeits-und Sozialstandards und Löhnen, die geboten werden können, weil man sich in aller Welt billig und zu Bedingungen bedient, die man selbst nie akzeptieren würde. Dass man auf fremde Kosten lebt, ist in der politischen Diskussion kaum ein Thema, und schon gar nicht sind es die Bedingungen, die da denen oft abverlangt werden, die man euphemistisch gerne als "Partner" bezeichnet.

In der Landwirtschaft etwa sorgt seit Monaten für Unruhe, dass die EU nicht von ihren Plänen abrücken will, die Produktion im Rahmen von strikten Umweltprogrammen zu beschränken. Der Verbrauch von Dünge-und Pflanzenschutzmitteln soll rigoros beschränkt werden und auch die Nutzung von Wald und Holz. Die Fronten sind hart. Dass die Welt und die internationale Versorgung mit Lebemsmitteln mit dem Überfall auf die Ukraine eine völlig andere ist, will man nicht zur Kenntnis nehmen. Und dass man mit der Beschränkung der Produktion den Ast absägt, auf dem man sitzt, schon gar nicht. Es scheint so, als wolle man sich mit Anlauf in eine neue Abhängigkeit hineinbegeben. Woher die Nahrungsmittel dann kommen, scheint egal zu sein, und auch zu welchen Bedingungen sie erzeugt werden. Hauptsache in Europa ist alles sauber.

Europa ist lasch geworden und welk in den vergangenen Jahrzehnten. Nicht selten drängt sich der Eindruck auf, dass es sich Europa nicht mehr richten kann, sondern bald überrollt wird von den internationalen Kräften, die sich in den vergangenen Jahrzehnten neu geordnet haben. Politisch ist Europa längst nicht mehr die Kraft, die es einmal war. Und wirtschaftlich schaut es kaum anders aus. Die gut 450 Millionen Europäer haben gegen die restlichen 7,5 Milliarden in aller Welt einen immer schwereren Stand. Europa ist dabei, zu einer Insel zu werden. Abgekoppelt von den großen Entwicklungen und Herausforderungen, die die Welt umtreiben. Und mit einer zumeist nur sehr geringen Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Europa muss nicht alles neu erfinden und selbst machen, wie nun so oft verlangt wird, seit sich die militärischen Gefahren und die der Globalisierung zeigen. Europa muss aber ein neues Gleichgewicht finden. Ein Gleichgewicht, das nicht zu Lasten der vielen anderen auf dieser Welt geht. Aber dafür muss Europa endlich einmal heraus aus dem Lehnstuhl, in dem man es sich in den vergangenen Jahrzehnten so bequem gemacht hat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Jänner 2023

Samstag, 7. Januar 2023

Nach gutem Jahr blicken Bauern bang auf 2023

Die Einkommen der Bauern legten im Vorjahr kräftig zu. In die Freude darüber mischen sich Sorgen.

Hans Gmeiner 

Linz. Die Preise für Getreide, Milch und Fleisch waren 2022 so hoch wie nie und bescherten den Bauern ein Rekordjahr. Der Produktionswert der Landwirtschaft wuchs gegenüber 2021 um mehr als ein Fünftel. Obwohl sich die Produktionskosten um gut 27 Prozent erhöhten, blieb den Bauern nach einer ersten Schätzung von Statistik Austria je Arbeitskraft um 25,6 Prozent (inflationsbereinigt: 18,4 Prozent) mehr als 2021. Damit wurde aber nicht mehr als das Niveau von 2011 erreicht, heißt es bei den Bauern.

Die größten Zuwächse gab es in der Milchwirtschaft und im Ackerbau, ein Plus verzeichneten aber auch fast alle anderen Sparten. Einzig bei den Geflügelmästern errechnete Statistik Austria ein Minus. Zum guten Ergebnis trugen auch die Covidhilfen wie Ausfallbonus, Verlustersatz und Kurzarbeit sowie andere Maßnahmen zur Entlastung der hohen Kosten bei.

Die Bauern fürchten allerdings, dass die Preise für Betriebsmittel tendenziell noch weiter steigen werden, während bei den Preisen für ihre Produkte der Höhepunkt erreicht sein dürfte und sich der Trend umkehrt. Das zeigte sich bereits in den vergangenen Monaten.

Der Preisindex für Betriebsmittel legte zwischen dem dritten Quartal 2021 und dem dritten Quartal 2022 um 22 Prozent zu. Der Index der Agrarpreise erhöhte sich in diesem Zeitraum hingegen nur um 17 Prozent. Auch international scheint der Höhepunkt überschritten zu sein. Seit Mai fällt auch der FAO-Nahrungsmittelpreisindex. Die Lage bleibt angesichts weiter stark schwankender Preise und trotz der Hilfspakete herausfordernd. Kauf- und Verkaufsentscheidungen seien noch schwieriger zu treffen, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger, „die Zeiten sind nicht einfacher geworden“.

Am deutlichsten gingen in den vergangenen Monaten die Preise auf den Getreidemärkten zurück. Auch die Bauernmilch-Preise stehen unter Druck, aber man hofft, wie etwa Milchexperte Michael Wöckinger von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, auf eine Stabilisierung auf dem derzeitigen Niveau von 55 bis knapp 60 Cent netto pro Kilogramm. Auch die Schweineerzeuger sind zuversichtlich. Hans Schlederer von der Schweinebörse rechnet damit, dass das Preisniveau hoch bleibt, weil die Fleischproduktion in ganz Europa sinkt. Den Ferkelerzeugern gefällt das nicht. Sie hatten ein schwieriges Jahr, weil der Absatz fehlte. Nicht allzu rosig sind auch die Aussichten für die Rindfleischproduzenten. Ob die Konsumenten auch für das im Vergleich teurere Rindfleisch Geld ausgeben werden, ist unsicher.

Schwierig ist die Lage für die Geflügelhalter, insbesondere die Putenerzeuger in Österreich, denen die Aufwendungen für die tierfreundliche Haltung kaum abgegolten werden. Sie leiden unter Billigimporten.

Bei Betriebsmitteln hingegen ist der Trend der Preise nach oben ungebrochen. „Die Futtermittelpreise liegen um rund 35 bis 50 Prozent höher als im Vorjahr“, liest man im jüngst veröffentlichten „Bericht zur nationalen Versorgungssicherheit“. Saatgut wird dem Vernehmen nach heuer um 20 Prozent teurer, Pflanzenschutzmittel um 5 bis 50 Prozent und bei Düngemitteln ist wegen des unsicheren Gaspreises und der möglicherweise knappen Versorgung alles möglich. „Vor allem bei Stickstoff, der zuletzt etwas billiger wurde, sollten die Bauern die jetzigen Preise nutzen“, empfiehlt man bei Borealis, Österreichs einzigem Stickstofferzeuger.

Auch Biobauern stellen sich auf schwierige Zeiten ein. „Die Konsumenten waren uns bisher sehr treu und der Absatz war in den meisten Bereichen mit Ausnahme des Eier- und Kartoffelgeschäfts extrem stabil“, sagt Hermann Mittermayr von Bio Austria. Er befürchtet zwar keinen weiteren Anstieg der Betriebsmittelpreise, schaut aber besorgt nach Deutschland, Frankreich und Italien, wo das Biogeschäft vor allem im Fachhandel klar zurückging. „Spannend für uns wird, wenn die Kostensteigerungen in den Haushalten, die bisher von der Politik abgefedert wurden, durchschlagen“, sagt der Vermarktungs-Chef beim größten Biobauern-Verband. „Dann könnten auch wir etwas spüren.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Jänner 2023

Dienstag, 3. Januar 2023

Die scheinheiligen Heiligen

Das vergangenen Jahr war für die meisten Bauern eines der besten in der Geschichte. Aber dennoch ist die Stimmung auf vielen Höfen oft viel schlechter als die Lage. Das Vertrauen in die Zukunft und die nötige Zuversicht sind schwer beschädigt. Daran hat sich nichts geändert. Die Sorgen werden immer größer, der öffentliche Druck stärker, die Vorschriften immer noch mehr. Dazu die Etikettierungen als Umweltverpester und Tierquäler, aber kaum Anerkennung für die vielen Maßnahmen genau das nicht zu sein.

Das alles hinterlässt immer tiefere Spuren. Weit und breit kein Rückenwind für die Landwirtschaft, nicht einmal für die biologische. Statt sich freispielen zu können vom öffentlichen Druck scheint man immer noch mehr hinzugeraten. Für viele Bauern ist das frustrierend, für viele Junge oft der Grund nicht übernehmen zu wollen. Auch weil die Dreistigkeit keine Ende nimmt, wenn es darum geht sich auf dem Rücken der Bauern zu profilieren.

Erst jüngst geißelte die unsägliche Sarah Wiener, EU-Abgeordnete auf einem Ticket der österreichischen Grünen, die konventionellen Landwirte als „süchtig“ nach chemischen Mitteln. Und gar nicht zu reden vom Österreich-Chef des Rewe-Konzerns, der vor Weihnachten die generalstabsmäßig geplante mediengerechte Aufdeckung von Missständen in einem steirischen Geflügelstall durch eine NGO für einen Rundumschlag gegen Bauern, Politik und das AMA-Gütesiegel nutzte. Den Zeitrahmen für das Aus der Vollspaltenböden bezeichnete er als „einzigen Witz“ und die Vorfälle im steirischen Betrieb als „klares Versagen des Kontrollsystems“ – eher wohl, das darf man annehmen, damit Billa und Penny gut dastehen und weniger wegen der Hühner, Schweine und Rinder.

Das kennt man. Man verpasst sich selbst einen Heiligenschein als Image. Dass der freilich sehr viel eher nichts denn scheinheilig ist, geht dann freilich unter. Da fragt niemand nach, wenn der Rewe-Boss stolz erklärt, dass die hauseigene Billig-Marke Clever zweistellige Zuwachsraten hat, und auch nicht danach, woher diese Produkte kommen und unter welchen Umständen sie produziert wurden. Oder danach, warum man billiges Putenfleisch aus dem Ausland just neben heimischer Pute ins Regal legt, für die man sich angeblich so massiv einsetzen will. Niemand wundert sich, warum sich die heimischen Tierschützer nicht den Zuständen in den Ställen widmen, wo all die Billigware herkommt. Und dass im Vorjahr mehr als 50 Betriebe wegen Verstößen aus den AMA-Gütesiegelprogrammen flogen spielt da keine Rolle, genausowenig wie sich jemand dafür interessiert, was eigentlich die für den Tierschutz zuständigen Behörden getan haben.

Als die Dummen stehen immer die Bauern da. Auch, und das sei gesagt, weil Bauernvertreter und auch AMA viel zu zurückhaltend sind gegenüber all denen, die den Bauern jeden Mut nehmen. Aber auch weil es das Gütesiegel selbst für Preiseinstiegsmarken wie Clever gibt. Und auch weil man lieber aus lauter „Hinsichtl“ und „Rücksichtl“ hinter vorgehaltener Hand tuschelt, anstatt wirklich Fakten auf den Tisch zu legen und damit ordentlich auf ebendiesen zu hauen und Klartext zu reden. 

Auch wenn das hart, mühsam und sehr ungemütlich sein kann.

Gmeiner meint - Blick ins Land, Blick ins Land - Jänner 2023

Bearbeitet am 4. Jänner

 
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