Donnerstag, 28. November 2019

Selbst ist der Bauer



Es wurde brav in den Medien rapportiert, ganz ohne jeden Aufschrei. „Brau Union erhöht Bierpreise ab 1. Dezember“. Die aktuelle Inflation, die Strompreise und die wachsenden Personalkosten würden erfordern, die Preise für den Gerstensaft um 2,5 Prozent anzuheben. Basta. Nicht einmal von der Arbeiterkammer war etwas zu hören.

Die Landwirtschaft kann davon nur träumen. Da mag man den Bauern gar nicht verargen, wenn Fantasien aufsteigen vom Einfluss des Werbegeldes, von politischen Machenschaften und von Verschwörungstheorien. Denn, wenn es um ihre Produkte geht, so empfinden sie es, ist immer alles anders. Steigen die Milchpreise, gibt es dicke Schlagzeilen und viel Aufregung, steigen die Getreidepreise und die Fleischpreise ist es genauso. 

Ganz abgesehen davon, dass sie, respektive die Verarbeiter ihrer Produkte, ohnehin nicht in der Lage sind, so einfach wie ein Brauereiriese zu sagen, „wir erhöhen jetzt die Preise“. Zu klein sind da selbst Unternehmen, die, wie etwa die Berglandmilch, den Bauern als Riesen gelten. Zu zersplittert ist das Angebot, zu schwach die Position gegenüber den Abnehmern, die es geschafft haben, die Lebensmittelerzeuger nicht nur mit der Übermacht auf dem Markt, sondern oft auch als Auftraggeber für die Produktion von Handelsmarken in Abhängigkeit und damit gefügig zu halten.

Dass es sich um unterschiedliche Märkte und unterschiedliche Kräfteverhältnisse handelt, mag erklären, warum sich die Brauer so leicht tun, und die Bauern als Bittsteller auftreten müssen.

Die Ursachen liegen wohl weit in der Vergangenheit, vor allem darin, dass man sowohl auf Seiten der Bauern, der Agrarpolitik als auch auf Verarbeiterseite viel zu lange nicht auf die Veränderungen auf den Märkten und im Handel reagierte. Starr, ideenlos und auch hilflos sah man zu, wie die Karten neu gemischt wurden. Zu lange hielt man an Vergangenem fest und produzierte immer weiter, wie man es gewohnt war und konkurrenzierte sich, statt an einem Strang zu ziehen. Dass man sich damit gegenüber den Vermarktern mitunter zu nichts als Bittstellern degradierte wollte man nicht erkennen. Und tut es oft immer noch, unterfüttert mit viel Selbstmitleid und Ringen um Anerkennung, das mitunter einem Betteln gleicht.

Für die Landwirtschaft sind die großen Lebensmittel-Handelsketten das, was bei Bier Heineken und deren Konzernbetriebe, wie die Brau-Union, sind. Während dort der Weltkonzern auch den größten Händlern die Preise noch nach Belieben vorgeben kann, stellt es sich für die Bauern genau umgekehrt dar. Da können die Handelsketten mit ihrer Marktmacht die Bedingungen nach Belieben vorgeben. 

Die Kräfteverhältnisse zu korrigieren ist mühsam. Selbst Richtungen wie Bio, die gemeinhin als zukunftsträchtig gelten, tun sich schwer. Bäuerliche Betriebe und Organisationen, die Preise vorgeben können, und die auch keine Probleme haben, Preisehöhungen durchzusetzen, weil das Produkt stimmt, das sie anbieten, sind rar. 

Aber es gibt sie. Daher sollte sich an ihnen orientieren, wer den Teufelskreis, in dem man sich gefangen sieht, durchbrechen will. 

Sonst bleibt kaum anderes, als mit den Gegebenheiten, die viele als so unbefriedigend empfinden, zurechtzukommen.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 28. 11. 2019

Intelligent ist anders



Der Umweltschutz hat uns fest im Griff. Wer etwas auf sich hält, will sich nichts vorwerfen lassen, schützt Luft und Boden wo immer möglich, passt auf, dass sie respektive er nicht zu viel Abfall produziert und versucht sich überall möglichst klein zu machen, um einen nicht allzu großen Fußabdruck zu hinterlassen, der den ökologischen Zustand der Erde noch weiter verschlimmern könnte. Nicht wenige gehen auch eifrig demonstrieren und einige zünden - zum Glück nicht in Österreich - sogar Autos an, die sie zu den größten Übeln zählen. Und manche haben so gar kein Problem damit, die Demokratie auszuhebeln, um im Sinne des Umweltschutzes, wie sie sagen, durchgreifen zu können.

Was all dieser Aktionismus bisher gebracht hat, bleibt überschaubar. Lediglich die Politiker sind Legion, die sich inzwischen rund um den Globus mit Erfolgen in Sachen Klima-und Umweltschutz behübschen. Dass die großen Themen, die zu bewältigen sind, immer noch praktisch unberührt Klima und Umwelt bedrohen, spielt da wenig Rolle. All dem zum Trotz, was in diesen Monaten allerorten als "Wende" und als "Ruck" gefeiert wird.

Bei vielen der Maßnahmen, die da als Rettung für das Klima und die Umwelt abgefeiert werden, fragt man sich, warum bitte kann Klimaschutz nicht auch mit Hirn gemacht werden. Ein Beispiel, das dafür typisch ist, sorgte kürzlich für Aufsehen. "Der Handel verzichtet zunehmend darauf, Gurken einzuschweißen", stand in den "Salzburger Nachrichten" zu lesen, was in der Regel Umweltbewegte in Verzückung versetzen kann. Der Nachsatz freilich holte alle, die die Umwelt schützen wollen, auf den Boden der Realität zurück, denn die Folgen kann man nicht wollen. "Seither landen tonnenweise Gurken im Müll", hieß es da. Der Verderb habe sich jetzt, wo die Gurken wieder verstärkt importiert werden, "in nicht unerheblichem Ausmaß", wie es heißt, erhöht. Die Rede ist von einer Verdoppelung des Anteils von fünf auf zehn Prozent. "Spanische Produzenten gehen dazu über, ganze Kartons in dickes Plastik einzuschweißen, was deutlich mehr Plastik braucht, als jede Gurke mit einer dünnen Folie zu umwickeln", wird eine Expertin in der Zeitung zitiert. "Und wenn eine Gurke im Karton fault, muss man alle anderen auch wegschmeißen."

Intelligent ist anders. Aber davon, so scheint es, will man oft gerade beim Umweltschutz nichts wissen wollen. Hauptsache, die Maßnahme klingt gut, scheint die einzige Maxime zu sein. Und schon wird ihr Weltrettungspotenzial zugestanden, selbst wenn sich die Maßnahme auf Österreich beschränkt. Wie etwa dem Verbot von Plastiksackerln, deren Entsorgung und Wiederverwertung man, ganz anders als in anderen Weltenregionen, sehr gut im Griff hatte - also nicht wirklich Not bestand, einzugreifen.

Ganz abgesehen davon, dass es zahllose ernstzunehmende Argumente gegen eine Umstellung auf Papiersackerl gibt, gibt es da noch eine Steigerung, die kaum zu toppen ist. Statt der Plastiksackerl werden nun all jenen, die nicht unter die Achseln gezwickt heimtragen mögen, was sie gekauft haben, um teures Geld mit Werbung bedruckte Kunststoffsäcke verkauft, die mit Gewebe verstärkt sind. Dass in diesen steifen Ungetümen deutlich mehr Kunststoff verarbeitet ist als in den Sackerln von früher, wird tunlichst ausgeblendet und nicht einmal von Umweltorganisationen thematisiert. Sie gelten als wiederverwendbar und das heiligt die Mittel. Dass sie meist genau das nicht werden, sondern nur im Nu alle Ablagen in den Wohnungen und in Folge den Müll verstopfen, davon mag niemand reden. Und von den Folgen für die Umwelt erst recht nicht.

"Herr lass Hirn regnen", sagen manche, wenn etwas allzu sehr aus dem Lot läuft. Jüngst fanden sich auf der Übersichtsseite von orf.at gleichzeitig die Meldungen "EU-Abgeordnete fordern Ausrufung des Klimanotstandes" und darunter gleich "EU-Ausschuss macht Weg für mehr US-Rindfleischimporte frei". Und ein paar Zeilen weiter wurde vermeldet "Greenpeace gegen unökologische Verpackungen im Handel" unmittelbar gefolgt von "Amazon dominiert Onlinehandel in Österreich".

Das fällt wohl in die Kategorie "Herr lass Hirn regnen". Genauso wie die Berichte davon, dass ein einziges Kreuzfahrtschiff "so dreckig wie 21,4 Millionen VW-Passat" ist.

Aber dagegen tut niemand etwas. Und so lange das so ist, sollte man sich wirklich Sorgen machen. Und keine "Wende" und keinen "Ruck" in Sachen Klima-und Umweltschutz feiern.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. November 2019

Donnerstag, 21. November 2019

"Verdammt hart"



Es war, wie es heute offenbar nicht anders geht, auf Twitter, wo eine der neuen Abgeordneten der Grünen einen tiefen Blick in ihre Seele und darauf, was dort wohl nicht nur bei ihr seit dem Beschluss, mit der ÖVP Koalitionsverhandlungen zu wagen, umgeht. "Eine Nacht über den Ereignissen geschlafen", steht dort, und "schlecht geschlafen" ist gleich angefügt. "Wie wir uns rückblickend wohl mal an diesen Tag erinnern werden, als die Grünen beschlossen, über eine Regierung zu verhandeln?" fragt sie sich. "Als einen Moment, als es Österreich endlich gelang, den Spuk von Türkis-Blau abzuschütteln? Oder als Beginn des Ausverkaufs der Grünen?" Trost findet sie bei "Werner", ihrem Parteivorsitzenden. Er habe gesagt, dass "wir ein Wagnis" eingehen. "Das stimmt" fügt die Neo-Abgeordnete nach der unruhigen Nacht dazu und klammert sich daran. "Wer immer bloß auf der sicheren Seite der Geschichte bleiben will, braucht erst gar nicht in die Politik zu gehen." Aber, davon lässt sie sich auch von "Werner" nicht abbringen "Die nächsten Wochen werden verdammt hart für uns werden."

Das will wohl kaum jemand bestreiten. Denn die Grünen haben es nicht nur mit Kurz und, wie sie es nennen, mit einer "gut geölten Machtmaschine" namens ÖVP zu tun, sondern auch mit den eigenen Leuten. "Koaliert erst mal und wir zeigen euch, wo ihr überall umgefallen seid", ist dort mitunter der Tenor bei den Diskussionen. Das Establishment der Grünen hat alle Hände voll zu tun, die Kritiker zu überzeugen. "Ich versteh's, wenn jemand sagt 'Ich versteh nicht, wie sich die inhaltliche Schnittmenge von Türkisgrün ausgehen soll'. Ich versteh nicht, warum man nicht mal nachseh'n und Kurz gleich die FPÖ als einzige Option quasi schenken will. Da bedanken sich die Türkisblauen in der FPÖ und ÖVP", versucht sich etwa Michel Reimon, als ehemaliger Europaabgeordneter einer der wenigen grünen Abgeordneten mit parlamentarischer Erfahrung -auch auf Twitter -in Überzeugungsarbeit.

Die Zustimmung, die er dafür bekommt, reißt gleich das Spannungsfeld auf, in dem die Partei derzeit lebt. "An alle Superlinken da draußen", schreibt einer, "Wenn nur ein einziges Kind weniger armutsgefährdet oder ein Flüchtling weniger in den Krieg abgeschoben wird, ist es schon völlig wurscht ob's Grüneaustria in der Koalition zerreißt oder nicht -danke für den Mut WKogler."

Das einzige Spannungsfeld ist das freilich beileibe nicht, in dem sich die Grünen aufreiben könnten. Ein ganz besonderes fand bisher kaum Beachtung. Mit lockereren und wohl auf Wählerstimmen schielenden Äußerungen zu NGOs hat sich Werner Kogler im Wahlkampf nachgerade in Geiselhaft der Nicht-Regierungsorganisationen begeben. Die Grünen verstünden sich als verlängerter Arm der NGOs im Parlament, ließ er allerorten wissen. Und als der Eintritt in die Regierungsverhandlungen fix war, legte er sogar noch nach. "ÖVP und SPÖ bedienen sich Riesenapparaturen. Wir wären ja dumm, wenn wir nicht den Rat der NGOs beachten würden."

Es verwundert, dass diese Aussagen und Ankündigungen noch nirgendwo aufgegriffen wurden. Man mag sich nicht vorstellen, wenn Sebastian Kurz und die anderen Parteichefs so reden würden. Dass Kurz sich und seine Partei als verlängerten Arm der Industrie, der Banken und der Bauern erklärt, die FPÖ als jenen der Burschenschaften und die SPÖ als jenen der Gewerkschaften. Was hätten die Grünen dann gesagt?

Man mag das, was Kogler da gesagt hat, als ehrlich empfinden und man mag diese Offenheit auch schätzen. Gut und richtig ist das weder da noch dort, wenn Parteien Politik so verstehen und nicht die vielschichtigen Bedürfnisse der Menschen in diesem Land in den Mittelpunkt stellen, sondern reine Interessenspolitik.

Welches Risiko Kogler da geht, zeigt sich jüngst an einer Veranstaltung von Global 2000. Die NGO, die noch vor wenigen Monaten von Koglers nunmehriger Stellvertreterin geführt wurde, geißelte in einer Veranstaltung die "Klimaschutzlähmung Österreichs". Was, fragt sich der Beobachter, wird im Fall einer Regierungsbeteiligung sein, wenn die Grünen bei diesem Thema nicht das voranbringen, was dort verlangt wird?

Wenn die Grünen dann wirklich verlängerter Arm in der Regierung sein sollten, dann muss sich Kogler wohl Sorgen machen. Das aber vermeidet er, wohl aus Selbstschutz, derzeit. "So aufregend ist das dann auch wieder nicht", pflegt er in diesen Wochen gerne all denen zu sagen, die sich allzu große Sorgen machen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. November 2019

Freitag, 15. November 2019

Alles bio? EU zwingt Bauern zum Nachbessern



Österreich habe die Vorschriften beim Biolandbau zu lax ausgelegt, kritisiert die EU. Vor allem die Weidepflicht habe man zu oft umgangen. Jetzt will man durchgreifen. Das könnte Tausende Biobauern zum Ausstieg bewegen.

Hans Gmeiner 


Linz. Post mit brisantem Inhalt flattert in diesen Tagen 18.000 der insgesamt rund 24.000 österreichischen Biobauern ins Haus. In einer „Sonderinformation“ teilen Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium, die Landwirtschaftskammer und Bio Austria, der größte Biobauernverband, mit, dass die EU eine Straffung der Vorschriften für Biobauern verlangt. Nach Vor-Ort-Kontrollen kam Brüssel zum Schluss, dass die Biovorschriften in Österreich in einigen Bereichen allzu großzügig ausgelegt werden. Bei Bio Austria spricht man von „unterschiedlichen Auslegungen durch die EU-Kommission und nationale Behörden“.

Im Visier hat die EU vor allem die Weidehaltung von Tieren, für die es in Österreich zahllose Ausnahmen gibt. Schon asphaltierte Wege oder Entfernungen zu Wiesen von mehr als 200 Metern reichen aus, um eine Ausnahme von der Weidepflicht in Anspruch nehmen zu können. Bis Mitte Dezember, spätestens aber im Frühjahr 2020, müssen die Biobauern für ihre Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde Lösungen finden. Im schlimmsten Fall müssten sie aus dem Biolandbau aussteigen.

Die Größenordnungen sind derzeit noch nicht absehbar. In Agrarkreisen geht man aber von „etlichen Tausend“ Bauern aus, die nun einen Weg finden müssen. Besonders betroffen sind dem Vernehmen nach Rinderhalter in Gebieten, in denen Alm- oder Weidehaltung nur wenig Tradition hat. Vor allem in den Regionen nördlich der Alpen in Salzburg, Oberösterreich, in Niederösterreich und selbst im Burgenland nutzten viele Bauern die Möglichkeiten, um am Boom um die Biomilch teilzuhaben.

Sie haben nun dringenden Handlungsbedarf. Die offiziellen Stellen legen ihnen mit Nachdruck den Einstieg in eine Maßnahme mit der Bezeichnung „Tierschutz-Weide“ ans Herz, die vom Umweltprogramm Öpul angeboten wird, um den drohenden Schaden zu begrenzen. Wer dafür die Anforderungen nicht erfüllen kann, wird wohl auf der Strecke bleiben und – Details stehen noch nicht fest – mit großer Wahrscheinlichkeit aus Bio aussteigen müssen. Das soll dem Vernehmen nach zumindest ohne Sanktionen möglich sein. „Es wird aber wohl einzelbetriebliche Härten geben.“ Dass etwas geschehen muss, ist unumstritten. „Nun geht es darum, rasch Rechts- und Planungssicherheit herzustellen“, sagt Bio-Austria-Sprecher Markus Leithner.

Für die Entwicklung des heimischen Biolandbaus kann dieses Szenario einen herben Rückschlag bedeuten. Es ist damit zu rechnen, dass die Zahl der mehr als 24.000 Biobauern zumindest um „eine Zahl im niedrigen vierstelligen Bereich“ zurückgehen wird, wie es ein Agrarier formuliert. Nicht wenige halten das freilich für eine längst fällige Korrektur. „Der heimische Biolandbau ist in den vergangenen Jahren nicht zuletzt wegen der vielen Ausnahmen so stark gewachsen“, heißt es in der Agrarszene.

Den Bauern wird kein Vorwurf gemacht, dass sie in Anspruch nahmen, was die gesetzlichen Möglichkeiten hergaben, sagen Agrarvertreter. Ungeachtet dessen müssen sie sich aber wohl auf eine deutliche Verschärfung der Vorschriften einstellen. Denn in Zukunft muss man in Österreichs Biolandwirtschaft auch bei der Enthornung bei Rindern, beim Kupieren von Schwänzen in der Schweinehaltung und bei der Überdachung von Auslaufflächen mit strengeren Vorgaben leben. Darüber hinaus treten ab Mitte nächsten Jahres mit der EU-Bioverordnung schärfere Auflagen im Biopflanzenschutz und bei der Verwendung von Saatgut in Kraft.

In den verantwortlichen Stellen ist man sich des Zeitdrucks bewusst und bietet Hilfe an. „Bitte nutzen Sie das umfassende Beratungsangebot“, heißt es am Ende der Sondermitteilung an die Biobauern. Vorrangig sei, rasch für Planungssicherheit zu sorgen, betont Bio-Austria-Sprecher Leithner.


Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 15. November 2919

Für Biobauern gelten bald härtere Regeln



Laut EU hat Österreich die Vorgaben zu lax ausgelegt. Steigen bald Tausende Bauern aus?

Salzburg. Geht es um den Biolandbau, sieht sich Österreich gern als Vorzeigenation. Jeder fünfte heimische Bauer bewirtschaftet sein Land heute ökologisch. Gemessen an der Fläche liegt der Bioanteil in Österreich sogar bei 25 Prozent, so viel wie nirgendwo sonst in Europa.

Doch in der Branche rumort es gewaltig. Die heimische Biobranche habe Vorschriften zu lax ausgelegt, heißt es aus Brüssel. 18.000 der rund 24.000 heimischen Biobetriebe bekommen in diesen Tagen Post mit brisantem Inhalt: Landwirtschaftsministerium, Kammer und Branchenverband Bio Austria teilen darin mit, dass die EU eine Straffung der Vorschriften für Biobauern verlangt. Im Visier hat sie vor allem die Weidehaltung. Zu leicht werde in Österreich eine Ausnahme zu der Weidepflicht genehmigt, schon eine Entfernung zur Wiese von 200 Metern reiche dafür aus.

Bis Mitte Dezember, spätestens aber im Frühjahr 2020, müssen die Biobauern für ihre Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde Lösungen finden. Bereits seit 2018 behält die EU Fördergeld ein. Im schlimmsten Fall müssten Bauern den Biolandbau aufgeben. In der Branche erwartet man, dass sich die 24.000 Biobauern zumindest um „eine Zahl im niedrigen vierstelligen Bereich“ verringern werden. Die Zeit drängt. Die Biobauern selbst fordern Planungssicherheit. Seite 13


Salzburger Nachrichten - Seite 1, 15. November 2019

Donnerstag, 14. November 2019

Deutschland müdes Vaterland


"Deutschland exportiert mehr Müll als Maschinen", vermeldete kürzlich der "Exportseismograf Deutschland" der Hochschule Würzburg. Die Abfall-Ausfuhren Deutschlands betrugen demnach knapp 15 Millionen Tonnen, das Gewicht exportierter Maschinen, auf die das Land so stolz ist und dem es seinen Ruf verdankt, hingegen nur 11,3 Millionen Tonnen. Was da veröffentlicht wurde, war wohl nicht als ironischer Beitrag zur Diskussion um Deutschland und seine Probleme gedacht, die jüngst allerorten aus Anlass des Mauerfalls vor 30 Jahren hochschwappte. Und dennoch könnte es so verstanden werden. 

Um die Sorgen, die man sich vor nicht allzu langer Zeit noch vor einem kraftstrotzenden und alles erdrückenden Deutschland machte, ist es inzwischen ruhig geworden. Die politischen Gewichte haben sich verschoben und die wirtschaftlichen auch. Die Musik spielt in den USA, in Russland und in China. In Berlin ruft man derzeit nicht an und was man braucht, kauft man auch anderswo.

Die Wiedervereinigung und viel später die Migrationskrise haben das Land in seinen Grundfesten erschüttert und durcheinandergebracht. Deutschland ist müde geworden. Deutschland einig Vaterland hieß es bei der Wiedervereinigung. Jetzt passt Deutschland müdes Vaterland wohl besser.

Die vergangenen drei Jahrzehnte haben dem Land Kraft gekostet. Trotz allen guten Willens, der sich breit machte, als die Grenzen fielen, trotz aller Hoffnungen, trotz allen Einsatzes, trotz aller Pläne. Und trotz allen Geldes. Da ist nur mehr wenig von der Kraft, mit der man den Gang Europas mitbestimmte, wenig vom Glanz der Industrie und kaum mehr etwas von Impulsen, die von Deutschland ausgingen für den europäischen Kontinent, ja für die ganze Welt.

Die Lokomotive, die Europa durch zahllose Krisen zog, zieht nicht mehr so, wie sie es über Jahrzehnte zuverlässig getan hatte. Angela Merkel zählt nicht mehr zu den Mächtigen der Welt, die die Dinge richten konnte. Das tun heute andere, während sie politisch mit der von ihr geführten großen Koalition unaufhaltsam unterzugehen scheint.

Das Land leidet am politischen Stillstand und an der schwindenden Bedeutung. Es fehlt an Leitfiguren und am Zusammenhalt. Stattdessen ergeht man sich in Partikularinteressen und in Grabenkämpfen. Mitunter scheint man den Blick für das große Ganze verloren zu haben und macht sich Verbitterung breit.

Deutschland ist heute gefangen in einer nationalen Nabelschau und darin, mit dem, was man sich vor 30 Jahren freudig aufgebürdet hat, fertig zu werden. Und man schafft es nicht. Der Osten, aus dem der damalige Kanzler Kohl versprach blühende Landschaften zu machen, ist immer noch eine Bürde, mit der das Land kaum zurechtkommt. Politisch und wirtschaftlich bleiben der Westen und der Osten Deutschlands tief gespalten und driften zuweilen noch weiter auseinander, als dass sie zusammenkommen.

Immer noch zwar zählt Deutschland zu den führenden Industrienationen weltweit. Aber ganz vorne ist man nicht mehr. Deutschland hinkt heute in vielen Bereichen der Entwicklung hinterher, ohne überzeugende Strategien zu haben. Die Situation der deutschen Autoindustrie steht für viele Bereiche. Nicht nur dass der Dieselskandal und Umweltvorschriften den wichtigsten Industriezweig des Lands durchbeutelten, drohen auch noch US-Strafzölle und muss man sich mit Verkaufseinbußen in China herumschlagen.

Nicht nur in der Autoindustrie, auch in vielen anderen Bereichen, hat man die Position als Technologieführer eingebüßt. Von der "Deutschland AG", die "im Eck" sei, ist neuerdings immer öfter zu lesen und davon, dass "Europas ökonomische Lokomotive stottert". Von einem Investitionsstau in der Verkehrs-, Mobilfunk-und Schulinfrastruktur ist die Rede und davon, dass das Land inzwischen von der Substanz lebe.

Dem Selbstbewusstsein der Deutschen hat das bislang freilich keinen Abbruch getan. Selbstzufrieden glaubt man unverdrossen anderen die Welt erklären und Bedingungen diktieren zu können. Wir Österreicher können ein Lied davon singen, denkt man nur an die Streitereien mit Salzburg und Tirol wegen des Transitverkehrs oder der Grenzkontrollen, die jedes Sinnes entbehren.

Sie können, so scheints, nicht anders. Wir aber auch nicht. Unsere "Lieblingsnachbarn" bleiben sie trotzdem. So wie Österreich ihr Lieblings-Urlaubsland.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. November 2019

Donnerstag, 7. November 2019

Familienrealität wird zur Koalition



Die Diskussion um eine türkis-grüne Zukunft dieses Landes nimmt Fahrt auf. Allerorten werden Einschätzungen ventiliert und Möglichkeiten ausgelotet. Es mangelt nicht an Ratschlägen. Und auch nicht an Überraschungen. Etwa wenn die stellvertretende Klubobfrau Sigi Maurer, vielen in der ÖVP die Lieblingsfeindin, den Türkisen bescheinigt "viel heterogener" zu sein, als oft angenommen und sie erklärt, dass man Kurz schon vertrauen könne. Das macht Staunen. Aber sie sagt ja auch nonchalant, "jetzt ist nicht mehr Wahlkampf".

Die Grünen scheinen sich mit der neuen Situation und den Möglichkeiten, die sie bietet, leichter zu tun als die ÖVP respektive deren Fußvolk. Dort halten sich hartnäckig die Vorbehalte, die sich über die Jahre gegenüber den Grünen, insbesondere ihrem Wiener Teil, aufgebaut haben und scheinen sich gar zu verfestigen. Die Sorgen wachsen dort eher als dass sie schwinden, zumal man spürt, dass alle Alternativen zu den Grünen in den vergangenen Wochen abhandengekommen sind. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass ihnen die SP und insbesondere die FP, die vielen -lässt man ihren derzeitigen Zustand außer Acht -näher steht, aber angesichts der Kalamitäten, in denen sie stecken, nicht in Frage kommen.

Dass eine Koalition der Volkspartei mit den Grünen das Land so bewegt, hat nicht nur Gründe darin, dass ihre politischen Ansichten zuweilen diametral auseinanderklaffen. Dass sie auf einen Nenner gebracht werden, können sich viele nicht vorstellen. Schon gar nicht, dass das ohne gravierende Gesichtsverluste auf der einen oder auf der anderen Seite abgeht.

Aber auch ein anderer Grund spielt möglicherweise eine nicht unbedeutende Rolle dabei, dass das Vorankommen der Gespräche sehr interessiert verfolgt wird. Denn eine türkis-grüne Koalition wäre für viele in diesem Land das Nachvollziehen der Lebensrealität in den Familien. August Wöginger, vormaliger Klubchef der Türkisen, erntete zwar im Sommer viel Häme für den Satz "Es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach 'Wean' fahren und als Grüne zurückkommen", traf damit aber einen Punkt, der viele türkise Parteigänger und Wähler und auch Grüne mehr beschäftigt, als sie zugeben mögen, weil sie den Gegensatz familienintern oft nicht aufzulösen vermögen. In vielen Familien - und nicht nur auf dem Land - wählen die Eltern türkis und schätzen Kurz, während die Jungen noch nie etwas anderes als grün gewählt haben und für Kurz oft nichts als Verachtung hegen.

Auch sie müssen miteinander auskommen, auch wenn es mitunter schwierig ist. Und sie tun es auch. Meistens zumindest. So, wie das auch in einer türkis-grünen Koalition möglich sein könnte. Das Gelingen einer türkis-grünen Koalition würde wohl in vielen Familien, die sich in solchen Konstellationen reiben, möglicherweise vielleicht sogar ein Modell bieten, um die Gräben am Familientisch zu überwinden. Allein schon deshalb, weil sich jeder auf seine bevorzugte Partei berufen kann und sich dennoch vom anderen zumindest geduldet weiß. 

Abgesehen davon -der Druck wächst auf allen Seiten. Und wird in den kommenden Wochen noch weiter wachsen. Auch, weil die Zurufe immer mehr werden. Anton Pelinka, der Politik-Professor der Nation, schrieb kürzlich im "Profil" einen offenen Brief an Werner Kogler, in dem er fragt, ob der Eindruck stimme, dass die Grünen ernsthaft glauben könnten, das der "Lohn des mühsamen Aufstiegs nun die Rolle des Juniorpartners von Sebastian Kurz ist". Wenige Zeilen danach findet sich der Satz "Es gibt jeden Grund, dass Kurz für eine Koalition mit Ihnen einen hohen politischen Preis zu zahlen hat", zumal er ja keine Alternative mehr hätte, mit der er Kogler in die Pflicht zu nehmen versucht. 

Auf der anderen Seite hingegen werden die Stimmen lauter, die auf die Stimmenverhältnisse pochen. Sie wollen sich nicht von den 13,9 Prozent beeindrucken lassen, die die Grünen bei den Wahlen erzielten und als großen Sieg feierten, sondern halten die 37,5 Prozent, die die Türkisen bekamen, für das, woran sich die Gespräche zu orientieren haben. "Wir sind es, die gewonnen haben", sagen sie. Und das wollen sie auch entsprechend abgebildet sehen in einem Regierungsprogramm. 


Das garantiert nicht nur für spannende Wochen, die da vor uns liegen, sondern verlangt auch viel Verständnis. Auf beiden Seiten.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. November 2019
 
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