Donnerstag, 21. Dezember 2023

Eine kleine Handreichung zu mehr Gelassenheit

Die Bilanz des Jahres wird wohl nicht zu den guten zählen. Zu viel ist passiert, zu viel ist aus dem Ruder gelaufen. Nicht nur bei uns, überall in der Welt, wenn man über den Tellerrand hinausschaut. 2023 ist wohl eher ein Jahr, das zu den trüben zählt, zu den betrüblichen auch.

In Trübsal sollte man sich dennoch nicht ergehen. Jetzt erst recht nicht. Und auch nicht eingedenk dessen, was das neue Jahr bringen mag, das ja, wie es so schön heißt, bereits seinen Schatten vorauswirft. Da ist eher angesagt, allen Optimismus und alle Zuversicht zusammenzukratzen. Zum Selbstschutz -wird schon nicht so schlimm werden.

Wir tun uns schwer damit. So als hätten wir es in den vergangenen Jahren verlernt, mit dem Leben und allen Widrigkeiten, die sich damit mitunter verbinden, doch so halbwegs zurechtzukommen. Alles scheint nur noch schwer, schwierig und schlimm zu sein. Ungerecht und eine Zumutung. Und ansteckend sowieso.

Doch ist es wirklich so schlimm und so arg, wie es uns Tag für Tag so eindringlich vermittelt wird, dass man sich dem Getrommel kaum mehr zu entziehen vermag? Das ist es, mit Verlaub, mitnichten. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass vieles von dem, was da täglich auf einen einprasselt, so nicht wirklich stimmen kann. Die Einkaufsstraßen sind voll, die Züge gar rappelvoll und die Straßen auch, der Wintertourismus freut sich über die gute Buchungslage und die Reisebüros auch. Nicht wenige der Bekannten, die man auf den Social Media-Plattformen so hat, meldeten sich heuer im Sommer gleich zwei Mal aus Griechenland oder von irgendeinem Eiland im Mittelmeer. Vorzugsweise zu Ferienbeginn und dann zum Ferienende wieder. In Restaurants bekommt man zumindest an Wochenenden kaum Plätze, ohne reserviert zu haben, und man findet im Internet schon einmal den Hinweis eines Top-Restaurants, das man im Dezember sonntags "aufgrund vom starken Weihnachtsgeschäft" geschlossen hat.

Der Korrektheit wegen sei freilich angeführt, dass es wohl durchaus mehr Menschen gibt als noch vor der Krise, die zu kämpfen haben, und viele, denen es richtig schlecht geht. Denen muss freilich, keine Frage, unter die Arme gegriffen werden. Aber dass gleich alle behaupten, in der Krise zu sein und Ansprüche stellen, verstellt freilich genau darauf den Blick und schadet der notwendigen Sache.

So wie der Wohlstand in unserem Land allen Widrigkeiten zu trotz einigermaßen in Takt ist und es beim Großteil der Bevölkerung keinen wirklichen Grund zur Klage gibt, ist es auch beim Gemeinwesen und nicht einmal beim Staat, über den so gerne geschimpft wird. Ja sogar bei der Regierung. Was danach kommt, muss erst besser werden, auch, wenn wohl viele meinen, das sei keine Kunst.

Das Land funktioniert alles in allem. Immer noch. Und auch, und vor allem, im Kleinen. Und das sehr gut. Und sehr oft vor allem auch wegen vieler, die oft gescholten und schnell abgeurteilt werden, und die sich viel Kritik anhören müssen oder nicht verstanden werden. Sie tun dennoch ihren Job.

Die Leute sind nicht so schlecht, wie manche meinen, sie schlecht machen zu müssen. Lehrer nicht und Politiker, Bauern auch nicht und selbst Journalisten nicht. Und selbst nicht FP-Wähler und Grün-Wähler und andere, auf die viele von oben herab aus Kreisen, denen immer alles gewiss ist, mit Häme und oft gar Verachtung hinabschauen. Sie löschen Häuser, retten einen aus Autos, treffen Entscheidungen, unterrichten Kinder, tun, wofür sich viele zu gut sind. Auch das ist zum Guten zu zählen. So wie das zum Guten zu zählen ist, dass das auch umgekehrt alles in allem gilt.

Gut ist selbst, um ein Beispiel zu nennen, bei dem man nicht dran denkt, dass aller Wut und allem Ärger zum Trotz noch kaum jemand gegen die Klimakleber handgreiflich geworden ist. Gut ist auch, dass es immer jemanden gibt, der sich an einem reibt, und genauso gut ist freilich, dass da immer auch jemand dagegenhält. Gut ist natürlich, dass sich nicht alle den Blick durch die Pessimisten verstellen lassen. Und gut ist auch und vor allem, dass all das in diesem Land immer noch geschieht und immer noch möglich ist.

Es ist so viel mehr gut, als man glaubt und als einem Tag für Tag glauben gemacht wird. Man muss nur genau hinschauen. Bei uns. Und in der Welt.

Und die Kirche im Dorf lassen. Wachsam muss man dennoch freilich sein. Und hinschauen muss man auch. Immer.

Dann wird vielleicht auch das neue Jahr nicht so schlecht. Die Basis dafür ist da. Allem zum Trotz.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Dezember 2023

Donnerstag, 14. Dezember 2023

Österreich und seine Folgen

Österreich, respektive Frau und Herr Österreicher, wurden in den vergangenen Wochen hin zur Jahreswende wieder einmal vermessen. In allerlei Umfragen wurden die Landsleute auf ihre Einstellungen, ihre Meinungen, ihre Gewohnheiten, ihre Absichten und noch vieles andere mehr abgeklopft. Wie jedes Jahr um diese Zeit. Die Resultate sind eher ernüchternd, waren aber im Großen und Ganzen kaum anders zu erwarten. Man hält in diesem Land nicht viel voneinander, man ist in Sachen Bildung allenfalls Mittelmaß, rücksichtsvoll ist man auch nicht wirklich, und man will recht wenig, vor allem wenn man selbst etwas dazu beitragen soll. Mittelmaß ist genug.

"Hundekot regt Österreicher mehr auf als Islamismus und Antisemitismus", war da zu lesen, man lebe recht gut mit Verboten, und die Schüler werden schnell unrund und nervös, wenn sie ihr Handy nicht in ihrer Nähe haben. Manches skurril, manches albern, vieles bedenklich -vor allem, wenn man sich ausmalt, was daraus noch werden kann. In Österreich hat man sich immer schon gerne mit Nebensächlichkeiten lieber abgegeben als mit den wichtigen Dingen. Was das Ergebnis für den Hundekot in der Unique-Research-Umfrage zeigt, ist nichts anderes als die Politik zeigt, die in diesem Land seit geraumer Zeit gemacht wird -die wichtigen Dinge bleiben liegen und wenig beachtet und regen kaum auf, während man sich mit Inbrunst mit Nebensächlichkeiten herumbalgt und darüber aufregt.

Und es passt, dass fast zwei Drittel der Befragten angegeben haben, gut mit Verboten zu leben und sie alles in allem für angemessen zu halten. Vor allem, man vermutet es als gelernter Österreicher, weil man nicht viel von den andere Menschen hält und sie, wie es heißt, "aus eigenem Antrieb nicht vernünftig und rücksichtsvoll gegenüber ihren Mitmenschen" sind.

Diese Einschätzung hinwiederum, da greift eins ins andere, fügt sich in das Ergebnis, dass zwei Drittel nichts von dem halten, was man gemeinhin Eigenverantwortung nennt. Da wird verständlich, dass man lieber umgeben und abgesichert von Verboten lebt, auch wenn sie die eigene Freiheit einschränken sollten. Und das passt zur Versorgungsmentalität in diesem Land, deren Befriedigung so teuer geworden ist, dass politisch und finanziell damit zurechtzukommen kaum mehr möglich ist.

Dazu passt auch, wie das Ergebnis der Pisa-Studie interpretiert wird. Dass man nicht mehr weiter abrutschte wie in den vorangegangenen Jahren, nimmt man mit Zufriedenheit hin. Dass man Mittelmaß ist, reicht den meisten hierzulande. Dass man damit zufrieden sein kann, darauf einigt man sich schnell. Dass erst vor ein paar Monaten die letzten heimischen Unis aus allen internationalen Top-Rankings flogen, ist ohnehin längst vergessen -kann wohl passieren und sollte nicht überbewertet werden, hieße es wohl, wenn jetzt danach gefragt worden wäre.

Das alles passt zur Haltung, die sich in den vergangenen Jahren breitgemacht hat. Österreich will so wenig. An die Spitze will man gar nicht. Allenfalls im Sport. Man ist so schnell zufrieden in diesem Land. Es reicht, wenn ab und an ein Nobelpreisträger abfällt. Halbwegs auskommen, halbwegs durchkommen, rundum umhätschelt und abgesichert -das reicht. Mittelmaß ist genug.

Dass man zufrieden ist, schon gar nicht mit dem politischen System, heißt das -man vermutet es -natürlich nicht. Laut Demokratie-Monitor, den das Sora-Institut seit fünf Jahren misst, ist die Zufriedenheit mit dem politischen System angeblich, man mag es angesichts der öffentlichen Diskussion kaum glauben, leicht gestiegen. Von mehr Bedeutung ist wohl der Satz, dass die Zufriedenheit immer noch sehr niedrig ist. Bestürzend niedrig um genau zu sein, wenn man die Zahlen mit 2018 vergleicht. Meinten damals noch 64 Prozent der Befragten, das politische System in Österreich funktioniere, so sind es heuer nur 39 Prozent. Im Vorjahr waren es gar nur 34 Prozent.

Womit wir in der politischen Dimension wären. Denn sind die 34 Prozent schon besorgniserregend, so sind es die lediglich 24 Prozent, die im unteren ökonomischen Drittel das politische System für gut finden, erst recht. Das heißt, 76 Prozent, drei von vier Menschen, sind in diesem Milieu unzufrieden. Im Klartext -sie lehnen die Regierung klar ab. Und viele andere wohl auch, wenn man die Gesamtzahlen betrachtet.

Weil sie enttäuscht sind, sind sie wohl offen für Alternativen. Und anzuführen, wie die heißen, ist wohl nicht explizit erforderlich.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung 14. Dezember 2023

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Klimaschutz zwischen Extremen

Die Empörung rund um den Klimagipfel, der in diesen Tagen in Dubai abgeführt wird, war groß, die Wortspenden, zu denen sich Politiker rund um den Globus verpflichtet fühlten, zumeist getragen. "30.000 Leute im Flieger zum Klimagipfel" wollte manche Zeitung die Schlagzeile nicht ungenutzt lassen, um sich zu empören. "Kanzler erholt sich in Dubai von der Haushaltsnot", hieß es in Deutschland. Brasiliens Staatspräsident deponierte, dass sein Land künftig zum "Klimaschutzvorreiter" werden solle, der UNO-Generalsekretär forderte ein "Aus für fossile Energie" und der französische Präsident machte sich für den "Kohleausstieg der G-7" stark.

Sein österreichischer Amtskollege gab es bescheidener. Aus Gründen. Er gab lediglich bekannt, dass er wegen einer Erkrankung nicht nach Dubai kommen könne. Dabei ließ er schon vorher über die "Krone" wissen, dass "wir die Hoffnung nicht aufgeben" dürfen, auch wenn das oft "schwierig und enttäuschend" sei. Aber immerhin -Van der Bellen ist wenigstens gewachsener Grüner, was zumindest seinen Worten die nötige Glaubwürdigkeit gibt.

Die kann man schließlich nicht jedem zuschreiben. Vor allem beim Gastgeber in Dubai und damit Präsidenten der Klimakonferenz, Sultan al-Dschaber, tut man sich schwer, ist er doch Chef ausgerechnet eines Ölkonzerns und nicht immer vorsichtig in dem, was er sagt. Auch wenn er sich missverstanden fühlt, sorgte eine von ihm kolportierte Aussage, dass es keinen Stopp der Ölund Gasförderung brauche, naturgemäß für Aufregung unter seinen Konferenz-Gästen.

Auch wenn die Warnungen immer heftiger und eindeutiger werden, wird das Umfeld, tatsächlich eine Wende durchzusetzen, immer schwieriger. Auf der einen Seite werden die Forderungen immer radikaler. Und auf der anderen bauen sich Blockaden auf und werden die Zweifel an den Vorhersagen und Klimazielen immer lauter. "Ist unser Klima gar nicht kaputt?", fragte die deutsche "Bild" gar angesichts der Schneemassen und der Kälte seit dem vergangenen Wochenende und trifft damit wohl, was viele denken.

Immer öfter wird hinterfragt, ob Sinn macht, was bisher getan wurde, und ob man sich das leisten kann. Die Mitte hingegen, dort wo am ehesten Konsens zu erzielen ist und wo tatsächlich Fortschritte erzielt werden könnten, wird wie überall, auch in Sachen Klimaschutz, immer kleiner. Längst sind rund um den Globus populistische Politiker dabei, das Thema an sich zu reißen und den Klimaschutz in den Mühlen ihrer Politik zu zermalmen.

Und die Klimaschützer rund um den Globus tun sich immer schwerer, damit umzugehen. Dass sich Greta Thunberg im Nahen Osten politisch vereinnahmen ließ, kam für die weltweite Klimabewegung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Damit machte sie sich angreifbar, was von den Gegnern naturgemäß weidlich genutzt wird. Genauso wie in Österreich die Aktivitäten der Klimakleber der Sache mehr schaden als nutzen, weil sie sich zum politischen Spielball machten.

Das Klima radikalisiert sich auf beiden Seiten. Gegen die Klimakleber bringt man den Mafia-Paragrafen in Stellung. Und auf der anderen Seite versteigen sich Exponenten wie die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb dazu, vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag die Ausweitung des Deliktspektrums zu fordern, um es zu ermöglichen, Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft wegen mangelndem Klimaschutz verhaften und persönlich belangen zu können.

Der Sache dienlich ist beides nicht. Und dem Klimaschutz schon gar nicht.

Sachliche Stimmen rund um die Klimakonferenz tun da gut. Stimmen, die auf die Fortschritte zeigen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten seit der ersten Klimakonferenz in Rio de Janeiro erzielt wurden. "Nicht alles, was drei Jahrzehnte globale und lokale Klimapolitik in ihrer Bilanz vorzuweisen haben, ist schlecht", ist auch zu lesen. Noch nie habe es so hohe Budgets für klimapolitische Maßnahmen gegeben, und man dürfe nicht vergessen, dass zumindest dem massiven Raubbau an der Natur und der Umweltverschmutzung nach dem Zweiten Weltkrieg durch das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, das bei ersten Klimakonferenz verabschiedet wurde, ein Ende gesetzt wurde.

Genug ist das freilich nicht. Aber es ist doch ein Zeichen dafür, dass sich etwas bewegt. Und daraus zumindest kann man Zuversicht schöpfen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Dezember 2023

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Eigenlob an den Grenzen zur Schwurbelei

Seit der Corona-Krise hat die heimische Landwirtschaft einen neuen Werbeschlager. „Auf uns Bauern kann man sich verlassen, wir liefern auch in Krisenzeiten“ tönt es seither von allen Seiten. Und die Agrarpolitiker und Standesvertreter werden nicht müde von der hohen Selbstversorgung zu schwärmen.

Mit Verlaub – das alles grenzt an, um bei einem Wort aus der Corona-Krise zu bleiben, Schwurbelei. Österreichs Versorgung ist vor allem gesichert, weil die internationalen Lieferketten allen Problemen zum Trotz im Großen und Ganzen funktionieren. Und mit der Selbstversorgung schaut es alles andere als so gut aus, wie das der Bevölkerung gerne glauben gemacht wird. Davon sind wir meilenweit entfernt, außer wir wollen uns Tag für Tag mit Milch und Rindfleisch vollstopfen, die mit Selbstversorgunggraden von 177 und 145 Prozent tatsächlich erstaunen.

In praktisch allen anderen Bereichen hingegen schaut es zuweilen sehr mau aus. Bei Schweinefleisch kommt man gerade nicht über die 100 Prozent-Marke, bei Geflügelfleisch ist man mit 77 Prozent weit entfernt von einer gesicherten Eigenversorgung. Mit einem Selbstversorgungsgrad von 94 Prozent bei Käse und gar nur 73 Prozent bei Butter ist man selbst in zwei gerne hoch gehaltenen Produktionssparten auf Importe angewiesen. Und da ist noch gar nicht die Rede von Getreide, Pflanzenölen, Eiern, Gemüse, Kartoffeln und Obst.

Klar ist zu berücksichtigen, dass nicht alles in Österreich wächst und auch Märkte und Preise eine große Rolle spielen. Aber die teilweise beachtliche Importabhängigkeit hat noch eine Seite, über die man gar nicht gerne redet - von der Abhängigkeit von Genetik und Zuchtmaterial aus dem Ausland ist in der tierischen Produktion genauso wenig die Rede, wie von den Sojaimporten aus Übersee für die Fütterung. Auch nicht von den Pflanzenschutzmitteln und schon gar nicht davon, dass die größte heimische Düngerproduktion ans Ausland verkauft wurde. Und gar nicht zu reden der Abhängigkeit von Energieimporten wie Treibstoffen und Gas, ohne die auch in der Landwirtschaft nicht viel laufen würde

Um nicht missverstanden zu werden – es ist nicht schlecht, wie wir in Österreich in Sachen Selbstversorgung dastehen und man kann auch stolz drauf sein. Aber, man sollte die Kirche im Dorf lassen. So gülden ist die Situation nicht. Darum sollte man sich mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen und mit Hochdruck daran arbeiten, die heimische Landwirtschaft tatsächlich resilient, also widerstandsfähig und möglichst unabhängig von internationalen Entwicklungen, zu machen. Dass neuerdings gerne Verbote von Pflanzenschutzmitteln mit der Gefährdung der Versorgungssicherheit in Verbindung gebracht werden, ist nachvollziehbar, aber, mit Verlaub, zu wenig.

Das alles fügt sich freilich in ein seit Jahrzehnten bekanntes Verhaltensmuster der Landwirtschaft. Man lobt sich gerne selbst bis an die Grenzen des Selbstbetrugs, statt der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und mit nachhaltigen Strategien zu reagieren, die den Namen wirklich verdienen - und den Bauern wirklich weiterhelfen.

Gmeiner meint - Blick ins Land 6.12. 2023

Donnerstag, 30. November 2023

Und schon wieder geht nichts mehr im Land

Jetzt also die Causa Pilnacek. Oder die Causa Sobotka. Ganz wie man es haben will. Ist ja ohnehin einerlei, möchte man eigentlich schreiben. Wieder helle Aufregung im Land. Wieder heftige Anschuldigungen. Wieder einmal Rücktrittsforderungen. Wieder wilde publizistische Jagden. Und wieder -das vor allem -eine gelähmte Politik, die mit nichts anderem beschäftigt ist als mit sich selbst. Hat er oder hat er nicht? Ja darf er das überhaupt? Und müsste der nicht sofort zurücktreten? Und das natürlich dringend und am bestens gestern und nicht erst morgen. Und weil das ja nicht wirklich geht, machen wir auch gleich noch einen parlamentarischen Untersuchungssauschuss. Und weil das natürlich schon gar nicht geht, machen wir erst recht einen zweiten, weil das können wir auch. Schnell werden die Reihen geschlossen und die Frontstellungen bezogen. Haust du meinen Sobotka, hau ich deinen Gusenbauer. Und wenn ihr einen Untersuchungssauschuss macht, machen wir erst recht einen und das gleich bis zurück ins Jahr 2007.

Schon wieder geht nichts mehr im Land und schon gar nicht in der Politik.

So geht das nun schon Jahre. "Wem nützt das alles?", fragte ein Kommentator nicht zu Unrecht als die Pilnacek-Aufnahmen an die Öffentlichkeit kamen. Man weiß von Anbeginn an, was kommt. Und man weiß, dass es unerträglich wird. Wieder einmal und wie schon so oft. Und man weiß, dass sich kaum was ändern wird. Verschwendete Zeit.

Nun ist ja nichts dagegen einzuwenden, dass aufklärungsbedürftige Vorgänge aufgeklärt werden. Auch nichts dagegen, dass Anschuldigungen nach-und all den Sachen auf den Grund gegangen wird. Das muss sein und das soll sein. Aber muss dadurch immer gleich die gesamte Republik blockiert werden? Gibt es nicht andere Wege und Formen, all das zu tun, was notwendig ist? Geht das nicht ohne all diese längst unerträgliche Aufgeregtheit? Geht es nicht auch sachlich und ohne Show und Gezeter?

Nein, muss man auf all diese Fragen wohl antworten angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre und der Entwicklung, die die Politik in diesem Land genommen hat. Als gute Politik, so drängt sich der Eindruck beständig auf, gilt nicht, etwas für die Weiterentwicklung des Landes erreicht zu haben oder für die Bewältigung von Problemen. Als gute Politik verstehen viele Protagonisten der Szene sehr viel eher einen missliebigen Kollegen aus einer gegnerischen Partei, wie in diesem Fall den Parlamentspräsidenten, der der ÖVP angehört, nach allen Regeln der Kunst aus dem Amt herauszuschießen, beziehungsweise, womit wir auf der Gegenseite sind, genau dieses mit allen Mitteln zu verhindern. Anstand spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Fakten sind kaum gefragt. Und geglaubt wird grundsätzlich niemandem.

Warum man glaubt, mit all diesem Theater, das man seit Jahren mit solcher Inbrunst aufführt, etwas zu erreichen, mag sich einem, und sei er noch so guten Willens, nicht mehr recht erschließen. Nicht einmal, dass damit Wähler zu gewinnen sind. Jedenfalls nicht von denen, die sich im Schlamm regelrecht suhlen.

Das Gegenteil ist wohl sehr viel eher der Fall. Die Politik zerstört sich selbst. So, wie wir es in den vergangenen Tagen wieder erlebten, wird den Menschen das Interesse an der Politik regelrecht ausgetrieben, jeder Respekt auch, jede Achtung und jedes Verständnis. Und das von allen Beteiligten. Von, nennen wir sie, den Jägern, genauso, wie von den Gejagten, von denen, die als die Schlechten punziert werden, genauso wie von denen, die sich für die Guten halten und im Besitz der Weisheit. Von all denen, die allesamt alles zerreden und an nichts und niemandem etwas Gutes lassen.

Das hat längst Folgen, die zur Last geworden sind und auch zur Gefahr. Die Stimmung im Land ist schlecht, viel schlechter als die Lage. Wie man sich aus dem Schlamassel befreien kann, das man da seit Jahren anrichtet, weiß niemand. Und es scheint auch niemand zu interessieren.

Die Populisten in der Politik reiben sich die Hände. Denn das ist genau ihr Geschäftsmodell. Das sichert ihnen Zulauf und Stimmen, ohne dass sie lange irgendwas beweisen müssen. Schimpfen reicht. Herbert Kickl braucht nichts anderes zu tun.

Das Erwachen kommt freilich -nach den nächsten Wahlen, wenn all jene, die von einer Politik, wie wir sie in den vergangenen Tagen wieder und zuvor schon über Jahre erleben mussten, tatsächlich einen wie den FPÖ-Chef an die Macht wählen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. November 2023

Montag, 27. November 2023

Die Lust auf Fleisch nimmt ab

Fleisch aus dem Labor gilt im Kampf gegen den Klimawandel als Lösung. Der Konsum von Fleisch geht aber ohnehin stark zurück.

Hans Gmeiner 

Wien. In den USA und in Singapur liegt künstlich gezüchtetes Fleisch aus dem Labor bereits in den Supermarktregalen. Weltweit arbeitet man in rund 160 Unternehmen (davon 50 in Europa) daran, Fleisch in Bioreaktoren in Nährlösungen über die Vermehrung von Stammzellen von Tieren zu erzeugen. In Europa ist man im Vergleich noch sehr zurückhaltend. Die Informationen dazu sind spärlich. Aus der Schweiz und auch aus Deutschland sind Anträge auf Genehmigung bekannt.

In Italien hat man sich bereits festgelegt. Anfang November hat die Abgeordnetenkammer mit großer Mehrheit die Herstellung und Vermarktung von Laborfleisch untersagt. Auch in Österreich baut die Landwirtschaft vor. Auch wenn keine Bestrebungen bekannt sind, Laborfleisch auf den Markt zu bringen, lässt man schon jetzt wissen, dass mit Widerstand der Bauern zu rechnen sein wird. „Das ist ein klarer Angriff auf die kleinen Strukturen in Österreich“, sagt ÖVP-Bauernbundpräsident Georg Strasser.

Vor allem wehrt man sich dagegen, dass Laborfleisch als besonders umweltfreundlich verkauft wird und damit als Lösung für die Probleme, die der Landwirtschaft zugeschrieben werden. „Die Klima-und Umweltauswirkungen müssen sehr genau analysiert werden“, sagt Strasser. „Es darf nicht sein, dass sich Hersteller mit falschen Fakten schmücken und Fleisch von Tieren mit künstlich erzeugten Nahrungsmitteln auf eine Stufe gestellt wird.“

Schon jetzt haben die Bauern an einer anderen Front mit Produkten zu kämpfen, die Fleisch ersetzen. Sie werden freilich nicht im Labor, sondern aus Pflanzen erzeugt und sind längst auch bei uns in den Supermärkten und auch in der Gastronomie zu finden. Die Umsätze kletterten allein bei Fleischersatzprodukten zwischen 2020 und 2022 laut der Nichtregierungsorganisation GFI Europe um rund 27 Prozent auf mittlerweile 25 Millionen Euro. Was beeindruckend klingen mag, nimmt sich trotz der Zuwächse im Vergleich zum Jahresumsatz der heimischen Fleischbranche immer noch verschwindend gering aus. Der wird auf rund 5,6 Milliarden Euro geschätzt. In Österreich versuchen sich inzwischen sehr viele Fleischhersteller an Ersatzprodukten. Der große Durchbruch blieb aber bisher aus. Laut Expertinnen und Experten ist die Situation heuer eher schwieriger geworden. Auch in Deutschland wächst der Markt deutlich langsamer. In dieses Bild passt auch, dass die Kurse von börsenotierten Konzernen, die sich auf die Produktion von pflanzlichen Ersatzprodukten für Fleisch und auch Milch spezialisiert haben, nach dem ersten Hype eingebrochen sind. Für die größten Schlagzeilen sorgte der US-Konzern Beyond Meat, der 2009 mit einem Kurs von 25 US-Dollar startete, 2019 mit 235 sein Allzeithoch erreichte und dessen Aktie jetzt wieder um rund sechs US-Dollar zu haben ist. Auch der Kurs des Pflanzendrinkherstellers Oatly hat sich von mehr als 23 US-Dollar im Jahr 2021 in den vergangenen zwei Jahren regelrecht pulverisiert und notiert derzeit bei gerade einmal 0,80 Dollar.

Für die Landwirtschaft und Fleischerzeuger bedeutet das keine Entwarnung. Denn wesentlich mehr als die Konkurrenz von Fleischersatzprodukten macht ihnen die Änderung der Ernährungsgewohnheiten zu schaffen. Der Geschmack von Fleisch rutscht ins Aus. Mehr als die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher reduzierte allein 2022 den Fleischkonsum, zeigte eine Studie von ProVeg, einer Nichtregierungsorganisation. Das macht deutlich mehr aus als die Zuwachsraten bei Fleischersatzprodukten.

Die Statistik belegt das. In Österreich ging der Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch trotz des Bevölkerungszuwachses zwischen 2018 und 2022 um nicht weniger als zehn Prozent auf 33,5 Kilogramm zurück. Bei Rindfleisch betrug der Rückgang sogar 15 Prozent (auf 10,3 Kilogramm) und auch bei Geflügel macht sich Zurückhaltung bemerkbar, auch wenn es dort noch Zuwächse gibt. Diese waren aber auch schon einmal bedeutend größer als die plus vier Prozent auf nunmehr 13 Kilogramm pro Kopf und Jahr.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. November 2023

Donnerstag, 23. November 2023

Rauchs Lust und ihre Schatten

Gesundheitsminister Rauch genoss das Match mit den Ärztekammerfunktionären, die bei der Umsetzung seiner Gesundheitsreform erbitterten Widerstand leisteten, sichtlich, auch wenn die Gespräche noch so hart und die Anwürfe noch so heftig gewesen sein mögen. Die blitzenden Augen des Gesundheitsministers und sein zuweilen spitzbübisches Lächeln lassen kaum etwas anderes vermuten, wenn er den wütenden Ärztekammerfunktionären, die, so das Empfinden in der Öffentlichkeit, vor allem um ihre Pfründe und ihren Einfluss rangen, in Interviews eine Abfuhr nach der anderen ausrichtete.

Das hatte durchaus etwas Sympathisches, auch wenn Rauchs Reform nicht wirklich als großer Wurf gilt. Aber Rauch tat, was man von einem Politiker erwartet. Er machte Politik. Politik, die nicht permanent auf Umfragen schielt, auf die nächsten Wahltermine und auf die eigene Klientel, und auch nicht Politik, die von der Sorge um die eigene Zukunft getragen war, sondern in der es um die Sache ging. Und darum, dem Gesundheitssystem eine neue Richtung zu geben, die auch in Zukunft trägt. Darum, Politik für die gesamte Gesellschaft zu machen.

Auch wenn man sich von Rauch in der Vergangenheit mehr Durchsetzungsvermögen gewünscht hätte, ist anzuerkennen, wie er in den vergangenen Wochen agierte und sich von nichts beeindrucken und schon gar Angst machen ließ. Freilich, Rauch, das machte er immer klar, scheidet mit Ende dieser Legislaturperiode aus dem Amt und der Politik aus. Das macht frei und einen Politiker zu dem, was man von einem Politiker erwartet. Und das wirft freilich die Frage auf, warum auch nicht andere Politiker nicht zumindest öfters den Versuch starten, zumindest einen starken Abgang hinzulegen. Warum nicht andere Politiker auch zumindest am Ende ihrer Karriere das zu machen versuchen, was man unter Politik versteht, zumal dann, wenn man in einer Position ist, in der man entscheiden und etwas durchsetzen kann.

Freilich hat es auch in der Vergangenheit immer wieder solche Politiker gegeben wie Rauch. Auch welche, die nicht bis zum Ende ihrer Karriere warteten, bis sie sich trauten, den eigenen Kopf durchzusetzen, um Richtungsweisendes zu schaffen und Spuren in der Politik zu hinterlassen. Dass Rauch gerade jetzt besonders auffällt, hat wohl auch damit zu tun, dass rundherum seit geraumer Zeit in dieser Hinsicht in Österreich Stillstand herrscht. Dass sich niemand aus der Deckung traut und alles nur auf Umfragen schielt und auf die Befindlichkeiten der Twitter-Schickeria. Niemand wagt sich heraus, um zu einem großen Wurf anzusetzen. Stattdessen werden große Themen wie die Pensions-oder die Bildungsreform, um nur zwei zu nennen, seit langem lustlos durch die Jahre geschoben. Nur nicht anstreifen, nur nichts angreifen.

Dass der Opposition das zuzutrauen wäre, die ja oft laut keifend alles besser zu machen verspricht, wenn man sie nur ans Ruder lässt, darf bezweifelt werden. Oft genug haben wir erlebt, dass Parteien, die aus der Opposition in die Regierung kamen, die Dinge mit einem Mal ganz anders sahen, dass ihre vollmundigen Versprechungen vergessen waren und sie sehr schnell von Sachzwängen jedweder Art erdrückt wurden. Mit einem Babler oder einem Kickl an den Schaltstellen der Macht wird das wohl nicht anders sein - steht man selbst in der Verantwortung, stellen sich die Dinge sehr schnell sehr anders dar.

Rauchs später Feldzug und seine Lust, die Gesundheitsreform ohne Wenn und Aber und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten durchzusetzen, hat freilich auch eine andere Seite. Und die relativiert Rauchs Parforceritt gegen die Ärztekammer. Sie wird von denen, die nach starken Politikern rufen, die ihr Ding durchziehen, zumeist außer Acht gelassen. Es muss immer auch darum gehen, alle Betroffenen in die Entscheidungen einzubeziehen und ihre Anliegen mitzunehmen. Auch wenn das so schwierig sein mag, wie mit einem Gegenüber wie der Ärztekammer, die kaum Rückhalt in der Öffentlichkeit hat. Drüberfahren darf dennoch keine Option sein und schon gar keine Strategie. Denn vor allem in einer anderen politischen Konstellation könnte als Nächstes sein, was jetzt die Ärztekammer ist -man denke nur an einen Bundeskanzler Babler -, die Bauern oder die Wirtschaft.

Nur um zwei Beispiele zu nennen. Und das sollte dann doch manch überbordende Euphorie einbremsen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. November 2023

Donnerstag, 16. November 2023

Ade Vergangenheit

Der Nahe Osten brennt, die Ukraine steht mit dem Rücken zur Wand. Auf einmal gibt es in Europa und auch bei uns wieder mit Hakenkreuzen beschmierte Häuser, brennt ein jüdischer Friedhof, gibt es lautstarke Demonstrationen gegen Israel, offenen Antisemitismus inklusive. Täglich neue Horrormeldungen. Und man mag gar nicht dran denken, was ist, wenn Trump wirklich zurückkommen und Putin gewinnen sollte.

Mit dem täglichen Wahnsinn zurechtzukommen ist schwierig geworden und es verwundert nicht, wenn sich viele Menschen einfach ausklinken, als gäbe es die Realität rundherum nicht. Was wir erleben, ist wohl nur der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die viele heute als Untergang der Nachkriegswelt verstehen. Einer Welt, in der es alles in allem lange und ziemlich zuverlässig aufwärts ging, in der sich die Supermächte auf ein erträgliches Nebeneinander verständigten. In der vieles, was immer sich durch die Geschichte zog, überwunden geglaubt war. Nie wieder Krieg, hieß es zumindest in Europa, nie wieder Faschismus. Und auch nie wieder Antisemitismus. Und nie wieder Unsicherheit über die Zukunft, sondern ein gemeinsames Grundverständnis, gemeinsame Regeln, an die sich zu halten man bereit war. Hüben wie drüben, da wie dort. Fragil oft und nicht immer unumstritten, aber stabil genug, um ein Gleichgewicht zu halten. Die Staaten der Welt schlossen Bündnisse, die getragen waren von der Idee, Vergangenes zu überwinden und für die Zukunft zu verhindern, und auch davon, sich voreinander zu schützen, oft sogar davon, an einer besseren Zukunft zu bauen. Die UNO, die EU gehörten dazu und viele andere auch. Man hatte eine Form gefunden, miteinander umzugehen. Alles in allem und immerhin.

Und heute? Die UNO ist zahn-und die EU orientierungslos wie nie zuvor, und an den Schalthebeln von Supermächten sitzen unberechenbare Despoten. Denen alles egal zu sein scheint, und denen niemand etwas entgegenzusetzen vermag. Die sich aus den internationalen Verträgen einfach verabschieden, die unsteuerbar sind und die sich nicht scheuen, Gewalt anzuwenden. Man muss sich wieder Sorgen machen und Angst haben. Um die Wirtschaft, um den Wohlstand, vor Kriegen und vor Terror sogar. So viel von dem, worauf man sich in den vergangenen Jahrzehnten verständigt hatte, scheint nichts mehr zu gelten. So viel scheint verloren. Jener Grundkonsens vor allem, den man sich nach dem Zweiten Weltkrieg rund um den Erdball mühsam erarbeitet hat, und auf dem der Fortschritt und der Wohlstand der vergangenen Jahrzehnte fußt. Einfach weg. Nicht alles vielleicht, aber doch sehr viel.

Die Welt und die internationale Ordnung sind Trümmerhaufen geworden, wo nichts mehr zu gelten scheint, was man mühsam ausverhandelt hat. Vom Übergang zu einer neuen Weltordnung ist die Rede. Nie hätte man noch vor wenigen Jahren geglaubt, dass die internationale Politik so schnell und so leichtfertig zurückfällt in Zeiten, die man längst überwunden glaubte. Wer hätte je gedacht, dass wir das erleben müssen, was wir nur von unseren Vorfahren kannten.

Freilich ist viel schiefgelaufen in den vergangenen Jahrzehnten, und das ist sicherlich auch mit dem in Zusammenhang zu bringen, was wir nun erleben müssen. Die Welt ist wieder hässlich geworden. So hässlich, wie man es nicht mehr glaubte, dass sie wieder hässlich werden könnte. Auch bei uns. Vielen wird bang dabei. Da wird gehetzt, geschimpft, gestritten und verunglimpft. Nicht wenigen freilich gefällt das. Es fügt sich in das, was schon in den vergangenen Jahren überall zu spüren war -nicht nur die Welt, auch unsere Gesellschaft hat den Kompass verloren.

Das ist eine enorme Herausforderung. Denn das hat vielleicht auch damit zu tun, dass man es möglichst vielen recht machen wollte. Damit, dass man sich in Randthemen verloren hat mit dem Ergebnis, dass man schlussendlich in Wirklichkeit alles vermasselt hat.

Wir alle sind gefordert, uns neu einzuordnen, geleitet und begleitet von einer Politik, die wieder Verantwortung übernimmt und Linie zeigt. Die sich den wirklichen Fragen stellen und nicht in Genderei, LGBTQI und Heißluftthemen wie Bargeld, Privatjet-Verbot, billigem Klassenkampf und dergleichen verliert. In der nicht alles zerredet und nichts mehr verstanden wird. Man hat den Leuten zu viel zugemutet und muss das zur Kenntnis nehmen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. November 2023

Donnerstag, 2. November 2023

Von Inflationsanpassung und Pflegegeld – und woran es wirklich fehlt

3,1 Milliarden Euro sind im Budget 2024 für die Landwirtschaft vorgesehen, um knapp 130 Millionen Euro mehr als heuer. Das erreicht zu haben verdient Anerkennung, zumal in Zeiten, in denen viele so gerne herumnörgeln an dem, was Totschnig, Strasser, Moosbrugger und Co machen.

Mit der Aufstockung des Agrarbudgets sicherte man zum einen schon jetzt Gelder für die Landwirtschaft, die es in Zukunft nach den nächsten Wahlen im kommenden Jahr möglicherweise nicht mehr in dieser Form geben würde. Zum anderen ermöglicht das zusätzliche Geld für die Bauern mit Unterstützung der Länder so etwas wie eine Anpassung der Ausgleichzahlungen an die Inflation. Was Totschnig und Strasser wohl um sich keine Feinde zu machen "Impulsprogramm" und "Wertanpassung" nennen, nennt Moosbrugger geradeheraus was es ist - eine "Inflationsanpassung bei agrarischen Ausgleichszahlungen", aber wenn der Bauernbundpräsident höchstselbst von „einer dringend benötigten Inflationsanpassung“ 

Man sollte freilich auch jetzt nicht die überhören, die von „Staatswirtschaft statt Landwirtschaft“ reden und die die Ausgleichszahlungen, zumal dann, wenn sie jetzt auch noch inflationsgesichert werden sollen, in einem Anflug von Sarkasmus mit dem „Pflegegeld“ vergleichen. Und man sollte auch die in der Landwirtschaft nicht überhören, die sich mehr auf sich selbst verlassen und nicht auf öffentliche Zuwendungen und die sich jetzt, wie es einer formulierte, „als Geschnapste“ fühlen könnten. Denn wer sich als Landwirt wirklich als Unternehmer begreift und wer nicht ständig über zu niedrige Preise, zu hohe Kosten und zu geringe Förderungen klagt, sondern wie alle anderen in der Wirtschaft auch damit zurechtzukommen versucht, hat von der Agrarpolitik nicht wirklich viel zu erwarten.

Was da in den Budgetverhandlungen gelungen ist entspricht zweifellos der weit verbreiteten Versorgungsmentalität vieler Bauern. Man sollte aber nicht vergessen, dass damit auch der Blick darauf verstellt wird, dass Agrarpolitik mehr ist als nur Geld zu verteilen um Preise auszugleichen und Kostendruck zu lindern.

Im täglichen Ringen mit Gesellschaft, Handel, NGO und all den anderen, die der Landwirtschaft am Zeug flicken, sind Visionen, Perspektiven und Ziele aus dem Fokus geraten. Gar nicht zu reden vom Selbstverständnis Unternehmer sein zu wollen. Man ist nur mehr am Verteidigen und Mauern scheint es zuweilen, wo Mut auch zu neuen Wegen gefragt wäre, um aus der Defensive zu kommen.

Neues gibt es in der heimischen Agrarpolitik schon lange nicht mehr. Und Mut dazu auch nicht. Der ökosoziale Weg, inzwischen mehr als 40 Jahre alt, war die letzte wirklich große Neuerung. Dieser Weg, mit dem es das kleine Österreich schaffte, sich auf den Märkten zu positionieren, ist zwar immer noch gut, aber längst ausgelatscht. Längst geht man ihn auch in vielen andere Ländern.

Dieser Tage sorgte eine Analyse des Wifo für Aufsehen. Demnach bekommen 80 Prozent der Bevölkerung unterm Strich mehr an staatlichen Leistungen heraus, als sie selbst ins System einzahlen. Die meisten Bauern gehören wohl dazu. Das sollte aufrütteln – die Agrarpolitik. Und auch die Bauern.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 2. November 2023


Mittwoch, 25. Oktober 2023

Rückkehr einer alten Tugend und eine Aufgabe

Die Österreicherin, respektive der Österreicher, ist konservativ. Das weiß man. Schon gar, wenn es ums Geld geht. Das mögen sie und er am besten in echt -als Münzen und als Scheine. Im Portemonnaie, in der Handtasche, im Sakko, im Nachtkästchen. Zum Angreifen und jederzeit verfügbar. Das gibt Sicherheit. Und Freiheit auch. Es ist ihnen nicht zu verdenken. Denn ohne Geld läuft nichts auf dieser Welt. Geld regiert die Welt, heißt es nicht ohne Grund. Das macht es oft schwierig genug. Und da will man eben die Dinge, soweit es irgendwie geht, selbst in der Hand haben und nicht irgendwo auf einer Karte oder auf einem Konto als anonyme Zahlen. Und natürlich hat man große Sorgen, dass man überwacht wird und da und dort wohl auch, dass es nicht mehr ganz so leicht ist, etwas am Finanzamt vorbeizubringen. Da hängt bei vielen das Herz dran. Während in Ländern wie Schweden inzwischen praktisch ausschließlich bargeldlos bezahlt wird, ist man hierzulande stolz darauf, dass rund 70 Prozent aller Transaktionen mit Bargeld getätigt werden. Nur in Malta und in Slowenien ist der Anteil im Euroraum höher. Da nimmt nicht wunder, dass die Politik jedweder Couleur immer wieder versucht, daraus Kapital zu schlagen, zuletzt die Kanzlerpartei in diesem Land im vergangenen Sommer.

"Mit Geld spielt man nicht", lernt man hierzulande schon als Kind. Und dabei bleibt es. Zeitlebens. Geld ist immer ein ernstes Thema, zu dem zuweilen ein geradezu neurotisches Verhältnis gepflegt wird. Über die eigenen finanziellen Verhältnisse mag niemand reden. Nur -zu wenig ist es immer. Bei allen. Da nimmt nicht wunder, dass sich in einer Krise alles mehr denn je nur ums Geld dreht, zumal es überall knapp wird. Da ist Geld schnell Thema. Die Lebenshaltungskosten, die Energiekosten, gar nicht zu reden vom Hausbauen, das zum puren Luxus geworden ist. Viele müssen in diesen Zeiten den Euro tatsächlich zweimal umdrehen, ehe sie ihn ausgeben. Man redet gar vom Armutsgespenst, das viele Familien bedrohe. Da sieht die Politik ihre Stunde geschlagen. Da geht es um Verlustausgleich, um Unterstützung, um Hilfe. Da hofft man mit Reichensteuer, Vermögensteuer oder Erbschaftssteuer bei den Wählern zu punkten, wenn man mehr zum Verteilen hat.

Und da rücken mit einem Mal aber auch wieder alte Grundsätze und Tugenden, die man längst in der Mottenkiste der Geschichte verräumt meinte, in den Mittelpunkt. "Geld macht glücklich, wenn man rechtzeitig drauf schaut das man's hat, wenn man's braucht", die legendäre Regel aus der Werbung der Raiffeisen-Bausparkasse aus den 1980ern ist so eine. In Krisenzeiten wie diesen, die vergangenen Jahre zeigten es, geht es mit einem Mal auch wieder ums Sparen. Man schaut wieder genauer hin. Für den Notfall etwas zurücklegen, Vorsorge kommt wieder in Mode. Man sieht wieder, dass es sich auszahlen kann, einen Notgroschen auf der Seite zu haben.

Dass es wieder Zinsen gibt fürs Sparen, hilft dabei. "Mit den Zinsen kommt das Sparen wieder zurück", schreiben die Zeitungen. Absichern für Notfälle ist der mit Abstand wichtigste Grund dafür. Erst dann kommen Sparen für den Urlaub, das Haus oder die Wohnung. Wertpapiere statt Immobilien ist neuerdings wieder die Devise und Bausparer statt Neuverschuldung.

Rund 300 Euro legt jede Österreicherin und jeder Österreicher pro Monat zurück. Im Durchschnitt. Vierzig Prozent der österreichischen Haushalte sparen nichts, sagte erst kürzlich Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Weil sie nichts sparen können, aber auch weil sie nicht wollen. Sie lassen, wie der Wifo-Chef sagt, "das Geld entweder zu null Zinsen herumliegen lassen oder sagen, Sparen macht eh keinen Sinn, da fahr' ich halt lieber ordentlich auf Urlaub, solange es geht". Das freilich habe sehr viel mit einer fehlenden wirtschaftlichen Finanzbildung zu tun, sagt er. Und die zählt ja bekanntlich nicht zu den Stärken von Frau und Herrn Österreicher.

Der Umgang mit Geld aber will gelernt sein. Damit freilich tut man sich meist nicht leicht hierzulande. Da verlässt man sich lieber gleich auf andere, vorzüglich auf die Politik, die sich viel zu gerne und viel zu oft als "Kindermädchen für alle Geldsorgen" aufspielt, bei dem man die Verantwortung abgibt, wie das ein Zeitungskommentator vor nicht allzu langer Zeit nannte und forderte, dass wir "finanziell erwachsen werden müssen".

Das aber will man viel zu oft nicht hören. Dabei gehört auch das zur Zukunftsvorsorge. Eigentlich.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Oktober 2023

Donnerstag, 19. Oktober 2023

Überfordert vom täglichen Tetris

Zuerst wurden alle zu Corona-Experten. Dann wimmelte das Land vor Ukraine-und Russlandfachleuten sowie vor Kriegs-, Belagerungs-, Panzer-und Drohnenstrategen sowieso. Und jetzt scheinen wir ein Land voller Nahost-Experten zu sein. Jeder hat schnell seine Meinung, jeder scheint alles zu wissen, kaum einer hält mit seinen Ansichten hinter dem Berg. Je nach Position zeigt man sich überzeugt davon, was Israel alles falsch gemacht hat und was die Palästinenser, was die eine Seite zu tun hätte und was die andere und was von denen zu halten ist, die die eine Position vertreten und von denen, die die andere vertreten. Alles in Schwarz-Weiß und ohne Zwischentöne.

Wer sich schon bei Corona gegängelt fühlte, wusste dann, dass "die Amerikaner" schuld am Überfall auf die Ukraine waren, und weiß jetzt, dass sich Israel nicht wundern darf, dass es überfallen worden ist. Für die Hamas hat man heimliche Bewunderung, "weil sie es den Israelis zeigten". Und man freut sich über den Rückenwind für eine Verschärfung der Migrationspolitik der EU.

Bei solchen Ereignissen wie dem Hamas-Überfall auf Israel schlägt, wie zuvor bei der Pandemie oder beim Überfall Russlands auf die Ukraine, die Stunde der Simplifizierer. Im Handumdrehen legt man sich da Erklärungen zurecht, in die alles eingefügt wird. Zwischentöne gibt es da nicht. Ein langes Nachdenken auch nicht. Und schon gar keine Zurückhaltung. Fakten spielen keine Rolle. Und Menschen und ihre Schicksale schon gar nicht.

Die Wirklichkeit tut sich in einem solchen Umfeld schwer. Genau hinzuschauen ist nicht gefragt. Und schon gar nicht Informationen, die das eigene Bild relativieren könnten. Zweifel sind keine Kategorie in dieser Gedankenwelt. Da heißt es allemal schneller, wie unsere deutschen Nachbarn in solchen Fällen gerne sagen -"Immer feste druff".

Die Gesellschaft leidet unter dieser Entwicklung, die in den vergangenen Jahren zu einer zunehmenden Radikalisierung führte. Respekt vor anderen Einstellungen ging verloren. Respekt auch vor Information. Vertrauen ist keine Kategorie mehr, immer öfter regiert nur mehr Misstrauen in einer Welt, in der man oft und aufs immer Neue enttäuscht und desillusioniert wurde. Dieser Tage stand in einer Zeitung der Satz "Es wird unentwegt über Versachlichung, Entpolitisierung und Objektivierung geredet und das Gegenteil getan". Man kann zahllose Themen hinzufügen, aber das trifft es sehr gut, was die Leute abstößt und vertreibt.

Legion sind inzwischen die Abhandlungen darüber. Sie blieben ohne jede Konsequenz. Ganz im Gegenteil. Gleich einem Krebsgeschwür breiten sich diese Verhaltensmuster und Lebenseinstellungen immer weiter aus und durchdringen alle Gesellschaftsbereiche durch und durch -und die Politik erst recht.

Wundern darf man sich freilich nicht. Es ist schwierig wie kaum je zuvor, sich in einer Welt zurechtzufinden, die in rasendem Tempo immer komplizierter und undurchschaubarer wird. In der man kaum mehr nachkommt, auf all die Wenden und Volten zu reagieren, geschweige denn sie nachzuvollziehen. In der eine bislang nicht gekannte Fülle an Informationen und Anforderungen auf einen hereinprasseln. Und in der es schwierig wie noch nie ist, alles einzuordnen. Wem kann man trauen? Was kann man glauben? Wer oder was steht wo dahinter?

Der Hamas-Überfall zeigte es erst wieder. Dass Katar, wo just am gleichen Wochenende, als die Hamas Israel überfiel, die Formel 1 ihren Weltmeister kürte und im Vorjahr die Fußball-WM stattfand, zu den Schlüssel-Playern in der Finanzierung des Terrors gegen Israel gehört, muss man erst auf die Reihe kriegen. So wie all die undurchschaubaren Zusammenhänge der arabischen Welt, der Großmächte und Europa.

Die tägliche Flut von all dem, was man wissen und berücksichtigen müsste und sollte, gleicht einem permanenten Tetris -jenem Computerspiel, bei dem man herabfallende Bausteine in Windeseile drehen und einordnen muss, damit sie sich nicht verspießen. Da nimmt es nicht wunder, dass sich viele Menschen zurückziehen und ausklinken. Dass sie dort Orientierung und Zuflucht suchen, wo sie auf einfache Weise geboten wird. Mit einfachen Erklärungen. Mit einfachen Bildern. Mit einfachen Lösungen.

Man kann es ihnen kaum verargen in dieser Multikrisen-Zeit. Tragbar ist es freilich dennoch nicht. Weil zu viel auf dem Spiel steht -die Demokratie und die Freiheit vor allem.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Oktober 2023

Donnerstag, 12. Oktober 2023

Blinde Zeiten

Die Nachrichten sind schlimm, die Bilder fürchterlich. Was in Israel seit Tagen passiert, ist schrecklich. Der reine Terror. Die militant-islamistische Hamas überfällt wehrlose Zivilisten. Sie entführen Männer und Frauen und demütigen sie, sie richten auf offener Straße hin, präsentieren die toten Körper triumphierend auf allen Social-Media-Kanälen. In Deutschland zogen Palästinenser feiernd durch die Straßen. Auch in Österreich wurde der Terror-Angriff auf Israel bejubelt. Feiernde Sympathisanten waren sogar vor dem Bundeskanzleramt zu sehen. Auf dem Deserteursdenkmal in Wien standen Menschen in palästinensischen Fahnen gehüllt. In den Tagen darauf gab es gar Demonstrationen.

Es war dazu viel zu hören in diesen Tagen, viel zu lesen und viel zu sehen. Von vielen Seiten. Von mehr Berufenen und von weniger Berufenen. Von einer Seite allerdings war nichts zu hören. Zumindest lange nicht. Die islamischen Organisationen in Österreich und in Deutschland gingen auf Tauchstation. Lange, lange kein Wort von den Organisationen, die so gerne auf Verständnis pochen, zum Terrorangriff der Hamas auf Israel. Keine Stellungnahme, keine Verurteilung und schon gar kein Wort der Empathie und des Bedauerns. Erst Sonntagnachmittag dann eine dürre Aussendung der IGGÖ, der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, in der sie eher allgemein für ein "Ende der Gewalt im Nahen Osten" appelliert.

Während bei uns noch die Politik zu diesem Schweigen schwieg, hatte sich in Deutschland längst der türkischstämmige grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zu Wort gemeldet und die muslimischen Verbände heftig kritisiert. "Angesichts von Terror, Mord und Entführungen muss die Naivität im Umgang mit den islamischen Verbänden endlich enden!", forderte er.

Ein Verhalten wie das der islamischen Verbände und Einrichtungen in Österreich ist nicht neu. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sahen sich mit Vorhaltungen, auf einem Auge blind zu sein, vor allem die Linke und die Parteien, die ihr Gedankengut vertreten, konfrontiert. Zuletzt erlebten wir das eindrücklich und bedrückend beim Überfall Russlands auf die Ukraine. Da war nichts zu sehen von Aufmärschen vor den russischen Botschaften, nichts zu hören von Resolutionen und nichts von Solidaritätsaktionen und Protesten, wie man sie immer im Handumdrehen aufstellte, wenn es darum ging, die USA zu verurteilen. Bei der Ukraine war nur Schweigen und oft kaum verhülltes Verständnis für Putin und Kritik an der Nato. Da war keine Friedensbewegung, keine Linke. Da war nicht viel. Da sei nur an den unseligen Exodus vieler SP-Abgeordneter bei Selenskys Rede vor dem österreichischen Nationalrat erinnert. 

Beim Hamas-Überfall ist es links der Mitte jetzt nicht anders. Viel Schweigen, sehr viel. Zur Gewalt und auch zum offenen Antisemitismus.

Es gibt freilich dennoch Hoffnung, dass sich auch auf der linken Seite der Gesellschaft das Blatt wendet. "Es ist eigentlich ganz einfach - Fremde, die heute in Wiens Straßen jubeln, weil Terroristen Menschen ermorden, sollten das Land verlassen müssen", heißt es jetzt auf Twitter dort von einem, von dem bisher andere Töne zu hören waren. Das sei nicht Meinungsfreiheit, sondern Unterstützung des Terrors. Ein anderer, von dem man bisher ganz andere Töne hörte, empörte sich: "Ich werde zornig, weil unsere verweichlichten Gesellschaften aus falsch verstandener Toleranz und Humanität viel zu oft den Falschen geholfen haben." Und auch das war zu lesen: "Dieser Tag muss einmal mehr eine Warnung sein an alle Linken, die immer wieder mit Hamas-Sympathisanten in Wien oder anderen westlichen Städten demonstrieren und diese Terrororganisationen verharmlosen."

Genauso ist es. Angesichts von untragbaren Realitäten wie jetzt dem Hamas-Terror oder auch dem Überfall auf die Ukraine ist es nie eine Option, aus weltanschaulichen oder welchen anderen Gründen auch immer, die Augen zu verschließen. Das schadet. Immer. Im konkreten Fall wohl den friedlichen Palästinensern nicht nur in Israel, sondern in aller Welt, die um ihr gewohntes und oft ohnehin sehr schwieriges Leben gebracht werden und die in ihrem Streben um Anerkennung wohl um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurückgeworfen werden. So, wie es den Ukrainern schadet, wenn man sich Putins Narrativ vom Ukraine-Überfall hingibt, bloß weil man die USA und die Nato für gefährlich hält.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Oktober 2023

Donnerstag, 5. Oktober 2023

Sie machen es einem nicht einfach

Die Agrarpolitik macht schwierige Zeiten durch. Beim Green Deal geht nichts weiter, bei der Ukraine-Krise auf dem Getreidemarkt ist es schwierig Lösungen zu finden. Beim Glyphosat muss man dagegen stimmen, obwohl man dafür ist. Nicht einmal über den Einkommenszuwachs im Vorjahr mag man sich freuen, weil man sich über so etwas nicht freuen darf. Vor allem aber: Die Bauern sind unglücklich. Die Preise rutschen allerorten wieder nach unten, die Betriebsmittelpreise bleiben meistens hoch. Irgendwie war alles nichts und ist es jetzt auch wieder. Trübsal. Und niemand mag einen und alle haben immer irgendwas zu kritisieren.

Da trifft es sich gut, wenn der EU fünf Millionen Euro für Österreich übriggeblieben sind. Aus der GAP-Agrarreserve. Da freut sich der Minister. Wir haben was zu verteilen. Das soll auch die Bauern freuen. Passt gut jetzt, wo wieder alles so schief ist, und die Unzufriedenheit wächst. Fünf Millionen sind ja nicht nichts. Das geben wir den Getreidebauern, den Almbauern und den Putenmästern. Dann wird man uns, wenn schon nicht gleich mögen, so doch vielleicht nicht mehr ganz so böse sein, wie man da manchmal tut. „5 Mio.-Euro Hilfspaket für Acker-, Puten- und Almbetriebe“ klingt doch gut.  Vier Millionen für den Ackerbau, 1,23 Millionen für die Putenhalter und 0,3 Millionen für die Almwirtschaft.

„Aufgrund der wirtschaftlichen Situation werden die Mittel so aufgeteilt“ heißt es. Je Hektar wird den Ackerbauern, wegen „der zuletzt schwierigen EU-Marktbedingungen von stark fallenden Preisen bei weiterhin hohen Inputkosten“, ein Zuschuss von „ca. drei“ Euro je Hektar „gewährt“ (Originalzitat). Für Almbetriebe, wo durch den „Klimawandel und die damit einhergehenden Extremwettereignisse die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Betrieben in ohnehin benachteiligten Gebieten“ geschwächt wird, gibt es genau einen – ganz ohne ca. – Euro pro Hektar. Und für die Putenhalter, die unter einer wirtschaftlich schwierigen Situation, Absatzschwierigkeiten und zuweilen hohen Investitionskosten, leiden, gibt es 4,3 Euro je Quadratmeter Stallfläche.

Drei Euro pro Hektar für die Ackerbaubetriebe, einen Euro je Hektar für die Almbauern und 4,5 Euro pro Quadratmeter Stallfläche – viel ist das, höflich ausgedrückt, nicht. Ist man da undankbar, wenn man nicht in Jubel ausbricht? Wenn man sich vielleicht sogar gepflanzt fühlt? Was soll das sein? Ein Trostpflaster? Muss man dennoch artig danke sagen und großzügig über das hinwegsehen, was da alles nicht so läuft wie es laufen sollte und vielleicht gar könnte? Eine Beruhigungspille? Ist man ungerecht, wenn man denkt, das ist jetzt wohl das allerletzte Aufgebot der Agrarpolitik? Hätte man vielleicht nichts doch irgendetwas Sinnvolles machen können mit dem Geld? Ein Projekt fördern? So etwas wie einen Zukunftsfonds speisen? Einen Schwerpunkt setzen? Irgend so etwas in diese Richtung. Nein, stattdessen greift man zur Gießkanne und setzt sich der Gefahr der Lächerlichkeit aus.

Sie mögen es nicht gerne hören – aber sie machen es einem nicht einfach, wenn es darum geht, noch ernst genommen zu werden.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 5. Oktober 2023


Der K(r)ampf wird nicht weniger

Die Aufregung ist groß im Land. Von den in der Vorwoche im 24-Stunden-Takt an die Öffentlichkeit gelangenden Aufregern aus dem Umfeld der Parteien blieb eines -und das war nicht, dass Alt-FPÖ-Politiker die Taliban hofierten und auch nicht, dass dem "Pannenmodus"(Die Presse) mit dem Sora-Gate und den ungustiösen Schrebergarten-Umwidmungsgeschichten in Wien neue Varianten hinzugefügt wurden. Was blieb, waren Karl Nehammers Aussagen in einem im Juli aufgenommenen Video aus einer Vinothek.

Das muss man erst einmal zusammenbringen. Die politische Konkurrenz rotierte, in den Sozialen Medien brach ein Entrüstungssturm aus, Tik-Tok ging vor Häme über "McNehammer" über und auch mancher Kommentator selbst aus seriösen Medien geriet außer Fassung. "Karl Nehammer hat sich zu einer Zumutung entwickelt" war da zu lesen.

Wie immer man bewertet, was der Bundeskanzler gesagt hat, Mimik und Ton seines Statements zeigten vor allem eines -er ist hochnervös und fürchterlich genervt. Die schlechten Umfragewerte, die dauernden Anwürfe, und die ständigen Versuche, Österreich als Armenhaus darzustellen und seine Politik schlecht zu machen, zehren viel mehr an seinem Nervenkostüm, als man in der ÖVP zugeben mag.

Das freilich wird nicht besser, wenn man mit gleicher billiger Münze und bar jeder Fakten kontert. Schon gar nicht, wenn man Bundeskanzler ist. Aber das fügt sich in die erratisch wirkenden Versuche, die Wähler mit immer neuen Kampagnen auf seine Seite zu holen, bei denen man längst den Überblick verloren hat -vom "Zukunftsplan Österreich 2030" aus dem Frühjahr über die Bargeld-und die Normalitätsstrategie im Sommer bis zur jüngsten "Glaubt an dieses Österreich"-Kampagne.

Ein Jahr vor dem offiziell nächsten Wahltermin gelingt es Nehammer immer noch nicht wirklich Fuß zu fassen bei den Meinungsmachern im Land und auch nicht bei den Leuten, die ihn wählen sollen. Im jüngsten Vertrauensranking rangiert seine Regierung ganz unten und in den Umfragen bewegt man sich seit Monaten seitwärts, vermag Babler nicht deutlich hinter sich zu lassen und muss zuschauen, wie Kickl sich Werten wie von einem anderen Stern erfreuen kann.

Dabei ist in dem Video von Nehammer nichts zu hören, was neu wäre und nicht bekannt. Er redete so, wie in vielen ÖVP-Kreisen geredet wird und sagte, was dort breite Meinung ist, wenn man unter sich ist. In der Soziologie gibt es dafür den Begriff der "rohen Bürgerlichkeit". Und es ist schon festzuhalten: In anderen Parteien ist es wohl nicht anders. Man möge sich nur vorstellen, was in der SPÖ in internen Veranstaltungen über Bauern oder Unternehmer gesagt wird.

Das freilich entschuldigt Nehammer nicht. Er ist Bundeskanzler. Und da hat er eben eine andere Verantwortung. Auch in internen Veranstaltungen. Und man versteht, wenn ihm ein "seltsames Humor-und Kommunikationsverständnis" bescheinigt wird und man sich über das Weltbild wundert, das er zur Schau stellt, wenn er meint, abseits von Kameras und Mikrofonen zu reden. Jetzt muss sich Nehammer fragen lassen, ob er wirklich Kanzler sein kann. Oder ob er nicht doch der Sekretär geblieben ist, der er davor immer war.

Nehammer wurde mit der Öffentlichkeit, trotz seiner gerne zur Schau gestellten Hemdsärmeligkeit, nie warm. Sogar das Ex-Trinken einer Halben Bier beim Ausseer Kirtag, das Volksverbundenheit signalisieren sollte, geriet zum Desaster. Bei den einen, die meinten, dass man das als Kanzler nicht tun dürfe. Und bei den anderen war er unten durch, als ruchbar wurde, dass er da mit einer stark gewässerten Halben Eindruck machen wollte.

Nehammer tut sich schwer. Immer noch. In Österreich, aber auch auf internationaler Ebene. Was dort Signal werden sollte, geriet meist eher zur Peinlichkeit. Sein Besuch bei Putin im Vorjahr etwa und auch der bei Selenskyj. Da blieb nichts Zählbares hängen. Auch nicht in der EU. Nehammer war und blieb immer ein Leichtgewicht. Dabei ist Nehammers Bilanz nicht so schlecht. Vor allem vor dem Hintergrund und angesichts der Aufgaben, in die seine Amtszeit fällt. Das alles scheint ihm freilich nichts zu nützen.

Der K(r)ampf wird wohl weitergehen. Und ob es für ihn ein Trost ist, dass es seinem Parteikollegen in Deutschland durchaus ähnlich geht, ist wohl zu bezweifeln. Denn was dort von CDU-Chef Friedrich Merz geschrieben wird, könnte man auch über ihn schreiben -"Mit schlafwandlerischer Sicherheit stellt er sich selbst ins Aus."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Oktober 2023

Montag, 2. Oktober 2023

Ferngesteuert in die hybride Agrarzukunft

Neue Technologien machen auch vor Traktoren und Landtechnik nicht halt – autonomes Fahren inklusive.

Hans Gmeiner 

Linz. Die Beobachter am Rand des Weges hinaus aus dem Park des Schlosses Grafenegg halten Respektabstand. Wie von Geisterhand gelenkt rollt der riesige Case-IH-Traktor vorbei hinaus auf das Feld vor dem Schloss, um dort mit einem Bodenbearbeitungsgerät, das er nachzieht, seine Bahnen zu ziehen. Ganz ohne Fahrer hinter dem Lenkrad, gesteuert über einen Computer vom Feldrand aus. „Es ist das erste Mal, dass wir in Europa einen autonomen Traktor in Betrieb auf dem Feld zeigen“, sagt Mirco Romagnoli, Europa-Verkaufschef für die Traktormarken Case IH und Steyr im CNH-Konzern, dem zweitgrößten Landtechnikkonzern weltweit.

„Die Agrarindustrie steht vor dem größten Wandel seit dem Beginn der landwirtschaftlichen Mechanisierung“, sagt Romagnoli. Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Automatisierungstechnologien und alternative Antriebssysteme lassen auch in der Landetechnik und damit in der Landwirtschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten keinen Stein auf dem anderen.

Das Traktorenwerk im niederösterreichischen St. Valentin spielt dabei als Europazentrale für die beiden Traktorenmarken eine bedeutende Rolle für CNH. „Für die Gruppe hat das Werk strategische Bedeutung“, sagt Romagnoli. Bereits vor vier Jahren wurde die Studie eines Steyr-Hybridtraktors vorgestellt, der in St. Valentin entwickelt wurde. Inzwischen ist man einige Schritte weiter und plant damit, wenn alles gut läuft, 2025 auf den Markt zu kommen.

Bewusst setzt man auf die Hybridtechnologie. Romagnoli: „Rein batteriebetriebene Traktoren können die Anforderungen nach langen Reichweiten nicht erfüllen.“ Mit den derzeitigen Batterietechnologien sei das noch nicht möglich. Darum kombiniere man die Vorteile eines Dieselmotors mit jenen der Elektrifizierung.

Wie schnell sich die neuen Technologien wirklich durchsetzen werden, steht freilich noch in den Sternen. Beobachter sind eher skeptisch. „Das wird noch sehr lang dauern, bis man das auf den Feldern sieht“, sagt ein Branchenexperte. „Für autonom fahrende Traktoren gibt es in Europa noch gar keine Regelungen für die Zulassung. Und hybrid- oder strombetriebene Traktoren muss man sich erst einmal leisten können.“

Bis dahin muss ein Landtechnikkonzern wie CNH weiter von der herkömmlichen Technik leben. Das gelingt ohnehin ganz gut. Der konsolidierte Umsatz von CNH Industrial betrug 2022 umgerechnet 22,1 Mrd. Euro. Gut drei Viertel davon entfielen auf den Agrarsektor. Weltweit verfügt der Konzern über 43 Produktionsstätten und 40 Forschungs- und Entwicklungszentren und beschäftigt mehr als 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

In St. Valentin, wo seit 1947 insgesamt rund 600.000 Traktoren – meist unter der Marke Steyr – gebaut wurden, erzeugt man derzeit mit rund 760 Mitarbeitern jährlich rund 10.000 Traktoren. Mit dem Geschäftsverlauf ist Romagnoli zufrieden. „Der Markt in Europa ist stabil“, sagt er.

Der Absatz in Österreich könnte freilich besser sein. Nach dem Verkaufsboom der vergangenen Jahre als Folge der Sonderförderungen schwächelt der Absatz heuer. Nach den ersten acht Monaten liegt die Zahl der Neuzulassungen mit 3008 Traktoren um knapp neun Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Bei Steyr, mit einem Marktanteil von mehr als 20 Prozent die unangefochtene Nummer 1 auf dem heimischen Markt, gab es ein Minus von weniger als fünf Prozent (auf 628 Traktoren). Bei Case IH (Marktanteil 3,7
 Prozent) ging die Zahl der Neuzulassungen in Österreich um acht Prozent (auf 112 Traktoren) zurück.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Oktober 2023

Freitag, 29. September 2023

Der EU geht das Agrarland aus

Von Überschüssen binnen 20 Jahren in eine Ära der Knappheit.

Hans Gmeiner

Wien. Die Zeiten der Weizenberge und Milchseen sind endgültig vorbei. Die internationale Versorgungslage ist angesichts des rasanten Zuwachses der Weltbevölkerung inzwischen bei praktisch allen wichtigen Agrarprodukten angespannt. Die Subventionierung von weniger produktiven Wirtschaftsweisen und Flächenstilllegungen, wie sie insbesondere in der EU immer noch die Agrarpolitik bestimmen, hält der deutsche Agrarprofessor Harald von Witzke vor diesem Hintergrund für kontraproduktiv. „Auch in der EU hat die Ära der Knappheit begonnen“, sagte der Wissenschafter in Wien bei der Diskussionsveranstaltung der IG Pflanzenschutz mit dem Titel „Operation gelungen – Bauer tot“. „Inzwischen nutzt die Union per Saldo jährlich bis zu 34 Mill. Hektar außerhalb ihrer Grenzen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse“, sagte von Witzke.

Dementsprechend stoßen die aktuellen Pläne der EU wie der Green Deal oder die Renaturierungspläne, die eine weitere Extensivierung der Produktion und Flächenstilllegungen bringen sollen, bei ihm auf Ablehnung. Der Nahrungsbedarf der Welt steige in den Jahrzehnten zwischen 2000 und 2050 um 120 Prozent, die Weltbevölkerung wachse bis 2050 auf rund 10 Mrd. Menschen. „Dabei werden weltweit die landwirtschaftlich genutzten Flächen immer knapper und sind die Bodenreserven begrenzt.“ Sie in Produktion zu bringen schade dem Klima weitaus mehr als die bessere Nutzung bestehender Agrarflächen. „Die EU verfolgt dennoch konsistent eine anachronistische agrarpolitische Strategie, die klimaschädlich ist und Naturkapital der Welt vernichtet“, warnte von Witzke.

Bei der heimischen Bauernschaft, aber auch der Industrie gehen solche Sätze hinunter wie Öl. Dort beklagt man, dass man nicht gehört wird. „Trotz praktischer Erfahrung und bester Ausbildung, die auch wir Bauern haben, wird am grünen Tisch irgendwo entschieden“, sagt etwa Ernst Karpfinger, Präsident der heimischen Rübenbauern. „Wir kommen in dem Dialog gar nicht vor.“ Ins gleiche Horn stößt Christian Stockmar, Sprecher der IG Pflanzenschutz. „Man mag den Green Deal umsetzen, aber unter Beteiligung der betroffenen Landwirte und unter Einbeziehung von Experten auch aus der Industrie und nicht auf Grundlage von NGO-Dogmen und Ideologien.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 29. September 2023
 
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