Donnerstag, 28. Januar 2021

Siege machen immer auch Verlierer

Die Welt atmet auf. Seit Mittwoch der Vorwoche ist Joe Biden als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika im Amt. Sein Vorgänger ist Geschichte und viele hätten ihn gerne mit Schimpf und Schande verjagt gesehen. Was ja sogar noch kommen könnte, wenn das Impeachment-Verfahren zur nachträglichen Amtsenthebung, das in seinen letzten Tagen im Amt angestrengt wurde, doch noch durchgezogen wird. Allerorten herrscht Erleichterung und Zufriedenheit, zumal Biden gleich an seinem ersten Tag im Amt daran ging, Trumps Politik, die die Welt so oft entsetzte, rückgängig zu machen. Er kündigte, viel bejubelt vor allem in Europa, den Wiederbeitritt zum Pariser Klimaabkommen an, die Rückkehr in die Weltgesundheitsorganisation WHO, einen Baustopp der Mauer zu Mexiko. Insgesamt 17 Dekrete unterzeichnete er am ersten Tag, um Trumps Politik auszulöschen. Selbst im Weißen Haus und im Oval Office wurden Bilder abgehängt und Machtinsignien, auf die Trump Wert legte, noch am ersten Tag verräumt.

Die Welt applaudierte. Endlich, der Alptraum ist vorbei. Die USA kehren wieder in die internationale Gemeinschaft zurück, sind wieder berechenbarer in ihren Absichten und in ihrem Handeln und sie sind offenbar bereit, auch wieder Verantwortung auf der internationalen Bühne zu übernehmen.

Das alles hat freilich auch eine andere Seite. Was ist mit all den Millionen US-Amerikanern, die bei diesen Wahlen wieder Trump gewählt haben? Die mit ihren roten Trump-Kappen auf ihn und sein "America First" setzten? Die sich von Trump vertreten fühlten wie sonst von niemand im Land? Was ist mit diesen knapp 75 Millionen Menschen? Biden hat 81 Millionen Stimmen erreicht, und ob diese Zahl auch wirklich stimmt, wollen viele im Trump-Lager noch heute nicht glauben.

Man kann sagen, so ist Demokratie eben. Man sollte aber nicht übersehen, dass all die Dekrete, für die die Welt Biden dankbar ist, auch Träume zerstören und Wut und Ärger schaffen. Die Vereinigten Staaten sind tief gespalten, die Gewaltbereitschaft in vielen Kreisen, vor allem auf der konservativen Seite, nicht gering. "Die politischen Lager im Land sind zunehmend nicht bloß unterschiedlicher Meinung -sie existieren in unterschiedlichen Universen", schreiben Kommentatoren. "Trumps größte Lüge, die Demokraten hätten ihn mittels Wahlbetrug aus dem Weißen Haus gejagt, hat dazu geführt, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung seinen Nachfolger für einen illegitimen Präsidenten hält."

Für sie ist Bidens von der Welt so bejubeltes Auslöschen der Trump-Politik wohl nichts denn ein Affront, der ihre Wut über das Wahlergebnis wohl nur noch mehr befeuert. Aber weil jetzt der Demokrat Biden im Oval Office an den Hebeln der Macht sitzt, heißt das nicht, dass es die Haltung, die Trump immerhin 47 Prozent der Stimmen bescherte, in den Vereinigten Staaten nicht mehr gibt. Nicht mehr diese "America First"-Sehnsucht ohne jede Rücksicht, nicht mehr diesen offenen Rassismus, die Waffenverliebtheit und Klima-Ignoranz. Mit Wahlergebnissen, noch dazu mit so heiß umkämpften, werden zwar immer Träume zerstört, aber nicht Haltungen.

Die Haltungen bleiben und die Leute auch. Und wenn sie angesprochen werden, leben sie wieder auf. Man kennt das. Nicht nur jetzt aus den Vereinigten Staaten, sondern gerade auch aus Österreich. Zumal dann, wenn es Populisten gelingt, diese Träume und diese Haltungen anzusprechen und zu bündeln. Jörg Haider gelang das vor mehr als 20 Jahren und HC Strache dann wieder. Dazwischen wechselte nicht die Haltung, sondern nur das Stimmverhalten.

Das galt und gilt in Österreich. Und das gilt wohl jetzt auch in den USA. Bidens große Herausforderung ist, die Gräben, die Trump aufgerissen hat, zu überwinden. Erste Versuche gab es bereits in der Antrittsrede. Kommentatoren bescheinigten ihm den richtigen Ton getroffen zu haben, "die Seele einer tief verletzten Nation zu heilen". Das ist ein Anfang, mehr aber noch nicht.

Leicht wird das nicht sein. Hoffnung aber gibt es. Auch weil Trump seine Anhänger vergrault hat. Dem Vernehmen nach sind radikale Trump-Fans wie die "Proud Boys" sauer und wollen ihrem Idol die Unterstützung entziehen, weil sie sich nach dem Sturm aufs Capitol von ihm im Stich gelassen fühlten.

Freilich -auch wenn sie Trump fallen lassen, ihre Haltung wird bleiben.

Wie sie immer bleibt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Jänner 2021

Freitag, 22. Januar 2021

Green Deal schmeckt den Bauern gar nicht

Hans Gmeiner  

Wien. „Wir sind auf jeden von euch angewiesen, um mit innovativen Ideen und dem Willen zu Veränderung den europäischen Green Deal auch für die Landwirtschaft zum Antriebsmotor zu machen.“ Nicht einmal die Tatsache, dass EU-Kommissar Johannes Hahn bei der diesjährigen Agrar-Wintertagung des Ökosozialen Forums die Bauern bei der Ehre zu nehmen versuchte, vermochte bei den heimischen Agrariern zu verfangen. Mit dem EU-Ökologisierungskonzept, das für die Landwirtschaft massive Beschränkungen bei der Nutzung der Flächen, aber auch bei Düngung und Pflanzenschutz bedeuten würde, kann man sich nicht so recht anfreunden. „Wir unterstützen den Green Deal ja grundsätzlich“, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger bei der heuer online durchgeführten Tagung. „Aber wenn ich einerseits durch immer höhere Auflagen die Erzeugung beschränke, gleichzeitig aber das Mercosur-Freihandelsabkommen mit Südamerika abschließen will, wo nicht nach Düngung und Pflanzenschutz gefragt wird, dann geht sich das nicht aus.“ In der EU-Kommission wisse „anscheinend die linke Hand nicht, was die rechte tut“.

Noch deutlicher wurde Stephan Pernkopf, Präsident des Forums und Agrarlandesrat in Niederösterreich. „Der Green Deal verkennt die Zeichen der Zeit und schwächt die Selbstversorgung.“ Weniger Produktion in Europa bedeute mehr Importe aus anderen Erdteilen und damit auch eine höhere Umweltbelastung. Die Agrarproduktion in der EU würde laut einer Studie des US-Landwirtschaftsministeriums um zwölf Prozent, die Bauerneinkommen gar um 16 Prozent sinken.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 22. Jänner 2021

Donnerstag, 21. Januar 2021

"Wie Alaba in der Bezirksliga"

"Wow, 981.000 Menschen haben gestern die #ZiB2 mit dem neuen Arbeitsminister gesehen", twitterte Armin Wolf beeindruckt. Fast eine Million Zuschauer zu einer für viele Österreicher schon nachtschlafenen Zeit ist in der Tat beeindruckend, zumal für ein Politiker-Interview.

Schon seit langer Zeit ist kein Politiker mehr so freundlich und mit so großem Interesse aufgenommen worden wie der neue Arbeitsminister Martin Kocher. Man kannte ihn als smarten Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) und als Mann, der mit jedem Wort Kompetenz versprühte, wenn er zur Arbeitslosigkeit, zur Wirtschaftslage oder zu den möglichen Folgen der Corona-Krise gefragt wurde.

Da nimmt nicht wunder, dass man ihn auf Anhieb gut fand und von Beginn an große Hoffnungen in ihn hineinprojizierte. "Kocher als Regierungsmitglied ist -jedenfalls von der inhaltlichen Kompetenz her -wie David Alaba in der Bezirksliga: Er ragt heraus. Ob er will oder nicht. Entweder meldet er sich selbst zu Wort (was er offenbar ohnehin vorhat); oder er wird zu entscheidenden Problemen an Stelle von Blümel, Schramböck oder Köstinger befragt", formulierte der Vorarlberger Publizist Johannes Huber (VN, SN, substanz.at) so spitz wie richtig.

Auch wenn Kocher erst zeigen muss, ob er auch in der Politik bestehen kann, zeigen all die Erwartungen, die seit seiner Ernennung formuliert wurden, deutlich die große Sehnsucht im Land nach Kompetenz, nach Qualifikation und nach Politikern mit Rückgrat und mit Verstand. Nach jemandem, der sich auskennt in der Materie, der die Zahlen kennt und der in seinem Fachbereich und darüber hinaus nicht nur qualifiziert, sondern auch anerkannt ist und gehört wird. Nach jemandem, der weiß, wovon er redet und der nicht vorträgt, was ihm seine PR-Leute oder die des Kanzlers oder seiner Partei aufgesetzt haben.

Solche Leute gibt es in der Politik kaum mehr. Stattdessen allerorten, im Bund, zunehmend aber auch in den Ländern, diese Message kontrollierten Aufsager, die immer öfter nicht ihrer Kompetenz wegen in ihre Ämter gekommen sind, sondern wegen ihrer braven Parteikarrieren. Die intellektuelle Ausdünnung, das mangelnde Fachwissen und die Feigheit auch sind längst zu einem Problem geworden für das Land. Nicht ohne Grund gibt es inzwischen das Wort 'Show-Politik'.

Politik zieht sich, so scheint es, immer mehr auf sich selbst zurück, statt sich der eigentlichen Aufgabe zu widmen. Da nimmt nicht wunder, dass Publizisten wie Huber davon schreiben, dass man nicht weit komme mit Leuten, "die allenfalls wissen, wie Seilschaften funktionieren" und die "im Übrigen nur eine dienende Rolle gegenüber Parteiinteressen und dem -vorsitzenden haben".

Diese Schieflage ist freilich auch möglich geworden, weil sich Leute mit Kompetenz diese Politik und diese politische Welt längst nicht mehr antun wollen. Auch in dieser Beziehung fällt Kocher auf. Die Krise erfordere es, die Komfortzone zu verlassen, sagte er in einem Interview mit den "Salzburger Nachrichten". Da gehe es auch darum, Verantwortung für das Land zu übernehmen. Diese Einstellung ist selten geworden. Vor allem bei denen, die wirklich etwas beitragen könnten in der Politik. Die über die nötige Kompetenz verfügen und die nötige Persönlichkeit. Es gibt diese Leute. In Unternehmungen, in den Interessenvertretungen, in wissenschaftlichen Einrichtungen, auf den Universitäten. Aber sie geben sich viel zu selten für öffentliche Aufgaben her. Selbst dann nicht, wenn sie gefragt werden. Man kann ihre Zurückhaltung gut verstehen, sie zu akzeptieren fällt freilich dennoch schwer und tut dem Land nicht gut.

Nicht zuletzt deshalb haben wir es zuweilen so schwierig mit der Politik und den Politikern in diesem Land. Nicht zuletzt, weil es vielen in der Politik an Kompetenz und Persönlichkeit fehlt, müssen wir so viel aufgeblasenes PR-Getue über uns ergehen lassen, das die Mängel übertünchen soll.

Weil es zu wenig Kochers gibt, müssen wir wohl noch länger Bilder ertragen, wie die bildschirmfüllende Nase des Präsidenten der WKÖ, in die ein Antigentest-Stäbchen eingeführt wird, mit dem er wohl zeigen will, dass sich die Wirtschaft nicht aus Trotz bei der Pandemiebekämpfung auf die Seite stellt.

Alleine für alle, die das im TV ansehen mussten, wäre es erträglicher, wenn es ein Mann in dieser Position Kraft seiner inhaltlichen und persönlichen Kompetenz schaffen würde, zu überzeugen. Und nicht nur für sie.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Jänner 2021

Donnerstag, 14. Januar 2021

Staat kommt Landwirten zu Hilfe

Covid-Investitionsprämie löst auf Bauernhöfen Investitionsboom aus.

Hans Gmeiner  

Wien. Mit Hochdruck arbeitet die Agrarpolitik an einem Auffangnetz für die Schweinebauern, die von der Coronakrise besonders betroffen sind. Einen Ersatz der Verluste, aktuell bereits rund 70 Mill. Euro, aber auch die Förderung privater Lagerhaltung zur Marktentlastung, wie sie kürzlich die Präsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich und ihr steirischer Kollege forderten, wird es aber nicht geben.

„Nicht, dass ich das nicht wollen würde, aber eine direkte Unterstützung für Produktionsbranchen widerspräche dem EU-Recht“, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger Dienstagabend bei einem Pressegespräch in Wien. Und von Einlagerungsaktionen halte sie wenig, weil damit Probleme auf den Märkten nur in die Zukunft verschoben würden. Stattdessen setzt die Ministerin darauf, den Schweinebauern Zugang zu bereits bestehenden Hilfsprogrammen zu verschaffen. „Derzeit werden die Richtlinien zur Hilfe für indirekt von der Schließung der Gastronomie und Hotellerie betroffene Betriebszweige ausgearbeitet. Zudem ist der Fixkostenzuschuss zwei verbessert worden“, sagte Köstinger.

An direkten Hilfen fiel bisher vor allem die Covid-19-Investitionsprämie ins Gewicht, die auf den Bauernhöfen einen regelrechten Investitionsboom auszulösen scheint. Beim AWS, das für die gesamte Wirtschaft die Förderungen abwickelt, liegen aus der Landwirtschaft derzeit 12.000 Anträge mit einem Volumen von mehr als 175 Mill. Euro. Dem Vernehmen nach wollen die Bauern vor allem in erneuerbare Energie, Digitalisierung, aber auch Tierwohl-Stallungen investieren.

An weiteren Hilfen kamen bisher auf den Bauernhöfen noch nicht viel mehr als 20 Mill. Euro an. Der Großteil entfällt mit rund 15 Mill. Euro auf Zahlungen aus dem Härtefallfonds. 5,5 Mill. Euro flossen aus dem Titel Umsatzersatz, 1,35 Mill. Euro als Fixkostenzuschüsse. Dazu kamen freilich indirekte Maßnahmen wie Überbrückungshilfen, die Stundung der Rückzahlung von Investitionskrediten und Sozialversicherungsbeiträgen, aber auch das 350 Mill. Euro schwere Waldfonds-Investitionspaket.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Jänner 2021

Die Guten müssen besser werden

Man sitzt in Redaktionen, man sitzt vor Fernsehkameras, an Universitäten, in Salons und in Wohngemeinschaften. Oder man unterhält sich am Telefon oder über WhatsApp oder Zoom. Und man redet mit einem Mal ungeniert vom "Mob" und von der "Unterschicht". Erschrocken meist, voller Zorn oft auch und aufgeregt. Und immer mit einer ordentlichen Portion Verachtung, die mitschwingt, wohl um Distanz zu zeigen zu denen, die das Kapitol in Washington stürmen, die sich in Internet-Foren gehen lassen, aber auch zu den Leuten, die sich in Vöcklabruck, in Wien oder anderswo zu hunderten zu Anti-Corona-Demos treffen, die sich nicht impfen lassen und sich vor einer Weltverschwörung fürchten.

Überall weiß man es jetzt wieder ganz genau, wo die Guten sind und wo die Schlechten, die Gescheiten und die Dummen. Und man weiß auch allerhand Erklärungen zu bieten. Die -zumindest die meisten davon -sind wohl richtig. Und recht mögen sie auch sein. Mit gerecht ist das aber schon so eine Sache. Denn oft sind all die, die sich über den "Mob" und die "Unterschicht" so gerne outrieren, wohl eher selbstgerecht.

Statt sich in Erklärungen und Beschimpfungen zu ergehen und dem, was sie Analyse nennen, sollten sie und mit ihnen die Gesellschaft endlich einmal die Frage in den Mittelpunkt stellen, warum ihre Argumente an diesen Menschen abprallen, warum dort sachliche Argumente nicht mehr greifen, und warum sie stattdessen lieber den krudesten Theorien und Meinungen folgen, lieber Fake als Fakten vertrauen und warum sie Wachs in den Händen von politisch gefährlichen Anführern und Aufhetzern sind.

Das aber vermeidet man. Nicht nur jetzt, sondern schon seit Jahrzehnten. Warum erschrecken uns in unschöner Regelmäßigkeit immer wieder Umfragen, die den Österreicherinnen und Österreichern verbesserungswürdiges Demokratieverständnis bescheinigen, eine Sehnsucht nach einem starken Führer oder latenten Antisemitismus? Oder warum ist die Stellung der Frau nach all den Jahrzehnten eigener Frauenpolitik immer noch ein so großes - und, ja, wichtiges -Thema. Trotz all der zahllosen Diskussionen über all die Jahrzehnte, trotz all dem, was man als Aufklärungsarbeit auf die Beine stellte, um solche Haltungen zu überwinden. Trotz all der Tagungen, Petitionen, Gesetze, Demonstrationen und Kundgebungen. Trotz Volksbegehren, Lichterketten, Reden, Appellen, Mahnwachen und Gedenkstätten.

Trotz all dem konnten Haltungen und Einstellungen nicht zum Verschwinden gebracht werden, die längst in den Orkus der Geschichte gehören -auch und wohl schon gar nicht von all denen, die sich für etwas Besonderes halten und für im Besitz des Wahren und des Guten.

Immer nur ermahnen, immer nur warnen, immer nur mit erhobenem Zeigefinger von oben herab zu erklären und zu interpretieren, ist wohl zu wenig. Es wäre daher hoch an der Zeit, dass all diese Menschen endlich über ihre Methoden nachdenken und über ihren Stil. Je mehr Gedenktage und Gedenktreffen und alles, was der Empörungs-und Sorgenfundus sonst noch hergibt, desto größer, scheint es, werden die Probleme.

Das ist eigentlich nichts als ein Zeichen von Schwäche all derer, die über "Mob" und "Unterschichten" lästern. Man redet ungeniert und herablassend über diese Menschen und wundert sich, dass dieser "Mob" und diese "Unterschichten" nicht auf sie hören und vice versa sie für anmaßend, unfähig und beschränkt halten.

Freilich, es ist schwierig geworden wie wohl nie zuvor, Überzeugungen zu ändern. Autorität und Autoritäten sind oft zerredet worden -auch von denen, die heute darüber klagen. Nicht zuletzt deshalb müssen wir alle zuschauen, wie Politik und Demokratie hilflos sein können und wie selbst die Wissenschaft mit der Glaubwürdigkeit zu kämpfen hat.

Es führt kein Weg darum herum, sich neu aufzustellen und neue Wege zu finden. Man muss sich fragen, warum man von diesen Menschen, über die man sich so ärgert, so wundert und vor denen man sich mitunter auch so fürchtet, nicht mehr erreicht. Und auch, warum man nicht verstanden und nicht angenommen wird, und warum man -und da schließt sich der Kreis -von diesen so verachtet und geringgeschätzt wird.

Das kann weh tun. Und das muss es auch. Denn sonst muss man sich vorhalten lassen, was sich schon längst immer wieder aufdrängt: Dass man sich bei allem, was man vorgibt zu meinen oder zu tun, vor allem sich selbst ins richtige Licht zu setzen versucht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Jänner 2021


Donnerstag, 7. Januar 2021

Der Bauer als Zertifikatehändler

Durch gezielten Aufbau von Humus schützen die Bauern ihre Böden. Sie verringern damit auch die CO2-Emissionen. Das könnte zu einem wichtigen Bestandteil der Einkommen werden.

Hans Gmeiner

Salzburg. Landwirtschaftlich genutzte Böden speichern große Mengen an Kohlendioxid (CO2). Im Kampf gegen Treibhausgasemissionen kommt ihnen damit eine zentrale Rolle zu. Unter dem Oberbegriff „Carbon farming“ gibt es Bestrebungen, diese Rolle auszubauen. Der Aufbau von zusätzlichem Humus soll nicht nur die Bindung von CO2 erhöhen, sondern Böden auch widerstandsfähiger gegen den Klimawandel machen. Die Bauern können davon profitieren, der Verkauf von CO2 -Zertifikaten könnte ein Einkommensstandbein werden.

In Österreich arbeiten bereits rund 400 Landwirte, vorwiegend Ackerbauern, auf insgesamt knapp 6000 Hektar im Rahmen von Projekten der Ökoregion Kaindorf (Stmk.) und der Raiffeisen Ware Austria (RWA) gezielt am Aufbau der Humusgehalte ihrer Böden. Dabei wird der Humusgehalt im Abstand von drei bis vier Jahren verglichen. „Der Zuwachs wird in organischen Kohlenstoff umgerechnet und dann in Tonnen CO2 “, sagt Claudia Mittermayr von der RWA.

Die Projektanbieter rechnen damit, dass durch entsprechende Bodenbewirtschaftung der Humusgehalt pro Jahr im Durchschnitt um rund 0,1 bis 0,2 Prozent erhöht werden kann. „Bei einem fünf Hektar großen Feld beträgt die Einsparung von CO2 bei einem jährlichen Humuszuwachs von 0,1 Prozent im Schnitt rund 44 Tonnen“, sagt Mittermayr. Die Bauern erhalten für die eingesparte Tonne CO2 zwischen 30 und 40 Euro, die von den Projektbetreibern als Zertifikate an Partnerunternehmen verkauft werden.

Reich werden Bauern mit dem Humusaufbau einstweilen nicht. „Die Kosten decken meist gerade den Mehraufwand für die Maßnahmen wie Einsatz von Zwischenfrüchten oder Aussaat von Winterbegrünung zum Humusaufbau“, sagt Jochen Buchmaier von der Ökoregion Kaindorf. Das könnte sich freilich ändern. „Experten für Ökobilanzen reden davon, dass der Preis eigentlich bei 300 Euro liegen müsste“, sagt Buchmaier.

Davon ist man freilich weit entfernt. Bauernvertreter geben sich daher wenig euphorisch. „In Österreich ist uns in den vergangenen Jahren beim Humusaufbau nicht zuletzt mit den Begrünungsprogrammen schon sehr viel gelungen“, sagt Andreas Pfaller von der Landwirtschaftskammer Österreich. Auch die Wissenschaft gibt sich zurückhaltend, weil sich Humusgehalte immer verändern können. Dennoch hofft Buchmaier, dass das Thema Humusaufbau in der EU-Agrarreform berücksichtigt wird. „Es geht in die richtige Richtung, aber es sind noch einige Schritte zu gehen“, steckt er seine Erwartungen freilich nicht zu hoch.

Das Potenzial für Umwelt und Landwirtschaft wäre allerdings groß. „Wenn es gelänge, auf allen Ackerflächen in Österreich den Humusgehalt um 0,1 Prozent pro Jahr zu steigern, würden damit in fünf Jahren 25 Mill. bis 30 Mil Tonnen CO2 eingespart“, rechnet RWA-Projektleiterin Mittermayr vor. Für Österreichs Bauern könnte das durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten ein zusätzliches Einkommen von 90 Mill. Euro im Jahr bedeuten.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Jänner 2021

Mittwoch, 6. Januar 2021

Lebensgefährliche Gemächlichkeit

 

Der Kameraschwenk, mit dem zur Primetime in der „Zeit im Bild“ die Ankunft des Corona-Impfstoffes in Österreich abgefeiert wurde, wirkt wie eine Provokation. Ein paar wenige schmale Schachteln standen da verloren in einem riesigen Kühlschrank. Vertrauenserweckend ist anders. So klein ist also die Hoffnung, dass die Pandemie bald Geschichte ist? Statt Mut zu machen, bewirkte der Schwenk der Kamera bei vielen Zusehern wohl eher das Gegenteil. Ein paar Schachteln Impfstoff, ein paar Impfungen und „Wir machen dann im Jänner weiter“. Damit sollen wir uns jetzt zufriedengeben. Mehr gibt es nicht und basta.

So geht man den Kampf gegen die Pandemie an, die uns alle bedroht und nervt, die unseren Alltag frisst und die die Wirtschaft und für viele auch Lebenschancen? Und die schon tausende Tote gefordert hat? Darauf ist man stolz und damit ist man zufrieden?

Eile? Tempo? Druck? Fehlanzeige. Während aus anderen Staaten und vor allem aus Israel Rekordzahlen an Impfungen gemeldet werden, zog sich zunächst einmal Österreich in die Feiertage zurück. Man könnte den Eindruck bekommen, man habe gar keinen richtigen Zug, die Pandemie zu bekämpfen. Was freilich zu vielen Menschen in diesem Land passt, die sich ohnehin die Impfung verweigern wollen.

Es überrascht, wie gemächlich und betulich man die Impfung angeht. Nicht einmal von den Seniorenorganisationen ist etwas zu vernehmen. Dabei sollte es jetzt nicht mehr darum gehen, nur Ruhe zu bewahren, sondern Druck zu machen.

Es scheint, als halte man allein die Entdeckung des Impfstoffes für genug, um vom nahen Ende der Pandemie reden zu können, statt jetzt alles zu tun, um ihn auch möglichst rasch einzusetzen. Das, was Impfstrategie genannt wird, wirkt ziemlich dröge. „Sorgfältig“ nennt das der Gesundheitsminister und niemand drängt ihn zur Eile, die seiner Sorgfalt ja nicht entgegenstehen muss. Man wundert sich über die Devise „Wir kommen zu den Menschen“ und fragt sich, warum man nicht Strukturen wie bei den Massentestungen aufbauen kann, um möglichst viele Menschen möglichst schnell zu impfen. Stattdessen hachelt man politisch lieber wegen des Freitestens ab und klagt darüber, warum sich so viele nicht impfen lassen wollen.

Warum aber schafft niemand die Möglichkeit dafür, dass sich zumindest die möglichst rasch impfen lassen können, die schon sehnlichst drauf warten, die aber nicht die formalen Kriterien, wie sie im Impfkonzept festgeschrieben sind, erfüllen. Warum schafft man nicht zumindest für die einen schnellen Zugang? Wenn sich schon so viele aus den Risikogruppen ohnehin nicht impfen lassen wollen?

Die Gelassenheit und die Gemächlichkeit die an den Tag gelegt werden, sind nicht wirklich verständlich. Seit Beginn dieser Woche werden angeblich 60.000 Impfdosen geliefert. Klingt viel, ist aber es wohl aber nicht. In zwei Monaten, bis Ende Februar sind das nicht mehr als knapp 500.000 Dosen mit denen 250.000 Menschen geimpft werden könnten. 250.000 von gut sechs Millionen, die es braucht, um Corana wirklich in den Griff zu kriegen. Das wird dann wohl bis in den Herbst hinein dauern, auch wenn es zusätzliche Impfstoffe geben wird. Zumindest.

Man mag es nicht glauben, dass man nicht mehr zusammenbringt, wenn es darum geht, nicht nur die Menschen zu immunisieren gegen das Virus, sondern auch darum, die Wirtschaft wieder aufmachen zu können und all die Beschränkungen, unter denen die Menschen seit nunmehr fast einem Jahr so leiden, wieder möglichst rasch aufzuheben. Denn der Druck ist unvermindert groß. Und er ist nicht weg mit dem Beginn der Impfungen. Der deutsche Top-Virologe Christian Drosten warnt vor einer „sehr komplizierten ersten Jahreshälfte“. In Großbritannien, wo bereits seit Anfang Dezember geimpft wird, bereitet man sich in diesen Tagen auf die Wiedereröffnung der Notfalllazarette vor, weil die Zahlen trotz des Impfstarts wieder dramatisch ansteigen.

Da ist wenig Trost, dass nicht nur Österreich die Rettung vor der Pandemie sehr gemächlich angeht. Der politische Druck steigt allerorten. Die deutsche Bild-Zeitung schreibt mittlerweile vom „Impf-Fiasko in Europa“ und geißelt die „Impf-Trödelei“. Dabei haben die deutschen immerhin schon 238.000 Menschen geimpft. Auf Österreich umgelegt entspräche das gut 23.000, die bei uns bereits geimpft sein sollten.

Viel mehr als 6000 sind es aber bisher noch nicht.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 7. Jänner 2021

Montag, 4. Januar 2021

Die Fallen von Wahlen

 


In Oberösterreich und in der Steiermark stehen Landwirtschaftskammerwahlen vor der Tür. In solchen Fällen entwickeln auch kleinere Gruppen politische Aktivitäten, respektive das, was sie dafür halten.

Wer knapp 35 Jahre hindurch die Agrarpolitik bestimme, wer knapp 35 Jahre die Einkommen der Bauern so steuere, dass die Betriebe zusperren mussten, der sei für das Bauernsterben verantwortlich, poltert etwa der UBV. Seit 1986 stelle der Bauernbund den Agrarminister und besetze alle wichtigen Posten in der Agrarwirtschaft. In dieser Zeit habe der Bauernbund den Bauernstand von knapp 300.000 Betrieben auf heute knapp 150.000 Betriebe halbiert.

Dieser Stil ist nicht unüblich, wenn kleine Gruppen sich Gehör verschaffen wollen. Und es ist nicht alleine der UBV, der darauf gerne zurückgreift. Allein man rätselt, was es damit auf sich hat. Und man rätselt, ob all die Folgen einer solchen Strategie, die darauf abzielt, Nichtwähler und den einen oder andere Zweifler zu gewinnen, wohl bedacht sind.

Zum einen fragt man sich, ob man wirklich glaubt, just von denen die Stimme zu bekommen, die man mehr oder weniger für beschränkt, blind oder gar dumm hält, weil sie bisher eine Gruppe, diesfalls den Bauernbund, wählten. Oder ob man gar Probleme damit hat, demokratisch zustande gekommene Wahlergebnisse zu akzeptieren.

Aber es ist nicht alleine das, was einen rätseln lässt, wenn man die Mitbewerber vor Wahlen als gänzlich unfähig hinstellt und verantwortlich macht für die Entwicklung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Denn das heißt ja dann doch nichts anderes, als dass man es über Jahre und Jahrzehnte nicht geschafft hat, die Bauern davon überzeugen, dass man es selbst besser hätte können. Man dokumentiert und anerkennt damit gleichsam die eigene Unfähigkeit.

Man kennt die Antworten, mit denen sich solche Gruppen dann aus der Affäre zu ziehen versuchen. Dann muss das System herhalten. Das im Bundesland, das in Österreich, das in der EU. Die Parteien, die Kammern, und bei den Bauern natürlich auch eine bestimmte Bankengruppe.

Dann ist man aber meist bereits am Ende der Fahnenstange. Dann ist schnell nichts mehr, was tragen könnte, was Lösungen bringen könnte, was Chancen hätte, auch in der Wirklichkeit zu Erfolg zu kommen. In einer Wirklichkeit, die nicht hinterm Hoftor endet, sondern die von einer Gesellschaft bestimmt ist, die nicht alleine das Interesse hat, die Wünsche der Bauern zu erfüllen.

Es ist schade, dass es so ist. Denn es gibt genug diskutieren und zu kritisieren. Natürlich auch am Bauernbund und an der Ministerin. Vom eigenartigen Kammerwahlsystem, über die Wahlbeteiligung bis hin zum dem, was die Agrarreform bringen wird. Es täte gut, wenn es in der Landwirtschaft eine breitere Diskussion und nicht nur mehr oder weniger wüste Beschimpfungen gäbe. Denn Politik ist mehr. Sie ist die Kunst des Möglichen. Und sie ist vor allem die Kunst, auch in einem fremden Umfeld etwas zu erreichen.

Wenn man das freilich nicht kann und eher glaubt, alle zu Gaunern und Dummköpfen erklären zu müssen, ist die Gefahr groß, dass das, was man für Politik hält, schnell zur Dokumentation der eigenen Unfähigkeit gerät - und Wahlen zu einer Minderheitenfeststellung.

Gmeiner meint - Blick ins Land 1/2021

Samstag, 2. Januar 2021

Einkommen der Bauern legten 2020 zu

Für Rinder-, Schweine- und Kartoffelbauern war 2020 zum Vergessen. Ansonsten kam die Landwirtschaft gut mit der Coronakrise zurecht.

Hans Gmeiner 

Salzburg. „Abgesehen von den Fleischerzeugern, die richtig hart getroffen wurden, war 2020 trotz allem ein überraschend gutes Jahr für die Landwirtschaft.“ Selbst Franz Sinabell, Ökonom und Agrarexperte am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), ist überrascht, wie gut die Bauern durch das Coronajahr 2020 kamen. Laut einer ersten Schätzung von Statistik Austria legten die Bauerneinkommen je Arbeitskraft um real 4,8 Prozent zu, liegen aber damit immer noch auf dem Niveau von 2010. Damit konnte aber zumindest ein Teil der Einbußen der beiden vorangegangenen Jahre wettgemacht werden, in denen es Rückgänge von jeweils knapp sechs Prozent gab. Unverändert hoch ist freilich nach wie vor der Anteil öffentlicher Gelder am Einkommen der Bauern. Sie lagen mit rund 1,5 Mrd. Euro um 0,6 Prozent höher als im Jahr zuvor und machen rund 55 Prozent der gesamten Bauerneinkommen aus.

Der Gesamtproduktionswert der österreichischen Landwirtschaft ist laut Statistik Austria um 2,9 Prozent auf 7,7 Mrd. Euro gestiegen. Der Zuwachs kam vor allem von den Feldern. „Die Trockenheit blieb aus, die Ernten bei den meisten Feldfrüchten, bei Obst und bei Wein waren sehr gut“, sagt Sinabell. Dazu kamen auch durchwegs bessere Preise als in den vorangegangenen Jahren. Einzig die Kartoffelbauern mussten trotz einer deutlichen Steigerung der Produktion ein Minus von 24,5 Prozent hinnehmen, weil die Preise um ein Drittel zurückgingen. Bei den Gemüsebauern war ein Minus von 2,7 Prozent zu verzeichnen und bei den Zuckerrübenbauern waren es 0,3 Prozent weniger.

Auch für die Tierhalter lief das Coronajahr überraschend gut. Mit insgesamt rund 3,6 Mrd. Euro lag der Wert der tierischen Produktion um lediglich 0,8 Prozent unter den Vorjahreswerten. Dieses Ergebnis spiegelt die Realität nicht zur Gänze wider. Dass das Minus nicht deutlich höher ausfiel, ist einzig auf Zuwächse bei Milch, Geflügel und Eiern zurückzuführen. Bei Rindern hingegen rasselte der Produktionswert um 7,7 Prozent nach unten, bei Schweinen um 1,7 Prozent. Dort waren die Folgen der Lockdowns, vor allem der geschlossenen Gastronomie, ganz besonders stark zu spüren. Die Rinder- und Schweinebauern beziffern mittlerweile ihre Verluste durch die Coronakrise mit rund 150 Mill. Euro und fordern Hilfe vom Staat. Als Zulieferer an Gastronomie und Gewerbe gab es für sie bisher keine Hilfen.

Für Sinabell zeigen die Schwierigkeiten der Rinder- und Schweinebauern, wie zentral die Nachfrage für die Preise ist. „Wenn bestimmte Nachfragesegmente, wie die Gastronomie im Fall der Fleischproduktion, nicht funktionieren, schlägt das auf die Preise durch.“

Nicht so gut, wie oft vermutet wird, lief es nach Einschätzung Sinabells auch für die Direktvermarkter. „Es haben sicher nicht alle profitiert“, sagt der Wifo-Experte. „Viele haben zwar ihr Online-Angebot ausgebaut, auf den Märkten selbst hatten es die Bauern aber oft schwer, weil Kunden ausblieben.“

Nach Einschätzung des Agrarökonomen sind freilich nicht nur die Bauern, sondern auch die Konsumenten bisher gut durch die Krise gekommen. „Im März und April gab es echte Sorgen um die Versorgungssicherheit in Österreich“, sagt er. Die Bauern werden seither nicht müde, ihre Bedeutung zu betonen. „Wenn der Warenverkehr zum Erliegen gekommen wäre, hätte das alles, was wir seither erlebten, in den Schatten gestellt. Da wären die Regale auf einmal leer gewesen.“

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 2. Jänner 2021
 
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