Donnerstag, 20. Dezember 2018

Der Wahnsinn der stillsten Zeit im Jahr



Zuerst war der "Black Friday". Dann folgte drauf der "Cyber Monday". Und dann ging der Advent los. Erster Einkaufssamstag, zweiter, dritter. Am kommenden Wochenende steht der vierte Einkaufssamstag an. Seit Wochen beherrscht uns der Konsumwahn. Wie jedes Jahr im Advent, der beharrlich immer noch von manchen die "stillste Zeit im Jahr" genannt wird. Die Straßen sind noch verstopfter als sonst, die Geschäfte noch voller, die Menschen noch hektischer. Der Konsumwahn eskaliert in diesen Wochen. So als sei nach den Weihnachtstagen das Leben vorbei.

Da scheint alles vergessen, worum man während des Jahres vorgibt sich zu kümmern. Da werden alle Vorsätze zur Seite geschoben, da nehmen sich alle Bemühungen, dem Wahnsinn Herr zu werden, als vergeblich aus. Nicht, dass man sparen will oder sollte. Nicht, dass man österreichisch kaufen will, um der heimischen Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Nicht, dass man nachhaltig schenken oder dabei gar auf die Folgen für die Umwelt Rücksicht nehmen will. Alles scheint hinweggefegt, vergessen und aufgeschoben, wenn die Weihnachtsbeleuchtung erst einmal angeht. Da wird auch das schnell zur Makulatur, was etwa in diesen Tagen vom Weltklimagipfel in Katowice beschworen wurde, wie all die Bemühungen Energie einzusparen. Und die Bemühungen, mit Verboten von Plastiktrinkhalmen oder Plastiksackerln die Probleme in den Griff zu kriegen, nehmen sich nie im Jahr so hilflos aus.

Wenn Weihnachten ist, scheint alles außer Kraft gesetzt. Und von irgendeiner Not oder Bedürftigkeit, über die geklagt wird, scheint auch nichts zu spüren zu sein. Von überall werden Rekorde gemeldet. Vom Handel, von der Post, von den Online-Händlern.

Elf Millionen Packerl bringen allein im Dezember die Briefträger in die Haushalte. Rechnet man den November dazu (und das ist durchaus angebracht, weil in vielen Haushalten schon ab Allerheiligen das Weihnachtsfest das Denken bestimmt), sind es sogar 24 Millionen Packerl. Das sind 500.000 pro Tag und manchmal noch mehr. Der diesjährige Tagesrekord bei der Post lag gar bei 650.000 Paketen.

"Heuer dürfte die Paketmenge in Österreich erneut um mehr als zehn Prozent steigen", meldeten die Zeitungen. Und nicht nur das. Der Postregulatur RTR ließ wissen, dass drei von zehn Paketen in Österreich aus dem Ausland kommen. "Tendenz stark steigend." Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viel zusätzliches Verkehrsaufkommen das ausmacht, wenn all die Post-,DHL-, DPD-,GLS-und UPS-Autos von früh bis spät durch Stadt und Land fahren, nur um all die Bestellungen direkt ins Haus zu bringen.

6,7 Geschenke, haben eifrige Statistiker errechnet Österreicher kaufen. Im Durchschnitt. Im Detail sieht das anders aus. Denn die Frauen sind mit 7,8 Geschenken pro Kopf deutlich schenkfreudiger als Männer. 542 Euro sind es insgesamt, die man für Geschenke, Essen, Reisen und Ausgehen an Weihnachten ausgibt. Pro Kopf. Das sind fast fünf Milliarden Euro. Mehr als jedes andere Jahr zuvor.

Das Geschäft brummt, wenn das Christkind kommt. Nach wie vor und mehr denn je. Und wohl auch, weil Weihnachten nur mehr wenig mit seinen Ursprüngen zu tun hat. Die christlichen Themen und die Werte, die mit dem Weihnachtsfest verbunden sind, sind längst aus dem Fokus geraten in all dem Trubel. Nicht mehr die Geburt Christi wird gefeiert, viel öfter neigt man dazu, sich selbst zu feiern. Man will es sich gut gehen lassen, man will zeigen, was man hat, man will sich selbst beschenken. Als Eigenlob. Man denkt an sich, man denkt an die Familie.

Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber es macht Sorge, dass man an die anderen immer weniger denken mag, vor allem an die, die es im Leben nicht so gut erwischt haben. Zuweilen ist es, als gäbe man dafür die Verantwortung immer öfter bei "Licht ins Dunkel" ab. Mit einer Spende. So als ob man sich loskaufen möchte von der Verantwortung für andere.

Dabei wäre gerade Weihnachten die Zeit dazu, genau das zu überdenken und vielleicht da und dort das eigene Verhalten nachzujustieren. Aber eher werden während der Feiertage wohl viele schon wieder damit beschäftigt sein, wie sie nach den Feiertagen ihre Geschenke möglichst schnell zurückschicken und umtauschen können.

Und damit am Wahnsinn weiterdrehen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Dezember 2018

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Nachrichten aus einem guten Land



Österreich ist nicht so schlecht, wie oft davon geredet wird, zumal, weil es in und schick erscheint und weil es irgendwie zur Grundstimmung zu gehören scheint. Denn die Gesellschaft funktioniert weit besser, als man oft meint. Und auch der gesellschaftliche Zusammenhalt. Denn unter der rauen Schale und all dem Griesgram, der Hochnäsigkeit und der Abschätzigkeit, die viele vor sich hertragen, ist es oft doch anders. Viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich aller Häme zum Trotz das Gespür erhalten, dass es gilt, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, dass es nicht alles ist, alles auf Euro und Cent zu verrechnen und dass vieles besser funktioniert, wenn man zusammenhält und zusammensteht. Für sie sind das Werte, auf die sie zählen und die sie erhalten wollen und für die sie auch bereit sind, sich persönlich einzusetzen.

Dort sind wohl auch die Gründe dafür zu finden, dass das Ehrenamt immer noch hoch im Kurs steht in diesem Land. Gott sei Dank möchte man sagen. Denn vieles würde ohne das ehrenamtliche Engagement kaum so funktionieren, wie wir das in vielen Bereichen als selbstverständlich gewohnt sind. Wer würde dann bei Unfällen ausrücken um zu helfen, wie sähe es in den Sozialeinrichtungen aus und wie nach Katastrophenfällen, wie mit der Jugendbetreuung oder mit den Senioren? Es gilt wohl, was unlängst bei einem Pressegespräch in Linz so formuliert wurde: "Ohne die zigtausenden ehrenamtlich geleisteten Stunden wäre das Gemeinwesen um vieles ärmer." In kaum einem anderen Land in Europa ist das ehrenamtliche Engagement so groß wie bei uns. Eingebunden meist in ein reges Vereinsleben ist es nicht nur für die Erfüllung wichtiger Aufgaben in der Gesellschaft, sondern auch für das gesellschaftliche Leben eine wichtige Stütze.

Erst jüngst, aus Anlass des "Tages des Ehrenamtes" Anfang Dezember, wurden wieder beeindruckende Zahlen veröffentlicht. 46 Prozent der der Österreicherinnen und Österreicher engagieren sich in irgendeiner Form freiwillig für die Öffentlichkeit. 3,3 Millionen Menschen sind das, die sich bereit erklären auszurücken, wenn es brennt und wenn es gilt zu helfen, die sich um Jugendliche kümmern, die irgendwo in einer Küche stehen, um für Bedürftige zu kochen, die in der Nacht ausrücken, um Obdachlosen zu helfen oder die Menschen, die Verunglückte von den Bergen holen. Für 90 Prozent geht es dabei um nicht anderes als zu helfen, hat das Wiener Meinungsforschungsinstitut Ifes erhoben. Acht von zehn Menschen geht es zudem darum, einfach etwas Nützliches zu tun und sie machen es auch, weil es ihnen einfach Spaß macht. Der Wert dieser Leistungen ist kaum in Geld zu bemessen. Schätzungen gehen von mehr als zehn Mrd. Euro jährlich aus, die die ehrenamtliche Arbeit wert ist. Damit sind die ehrenamtlichen Tätigkeiten auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Und der ist auf eine gesunde finanzielle Basis angewiesen. Wie sehr, das zeigt sich gerade in diesen Wochen vor Weihnachten, wenn viele der Organisationen, die mit ihren unbezahlten Tätigkeit das Land am Laufen halten, um Spenden bitten. Sie brauchen das Geld, um ihre Projekte umsetzen und auch wirklich helfen zu können. Denn die öffentlichen Mittel, soferne es sie überhaupt gibt, reichen praktisch nie.

Bisher können sich die Organisationen auf das "Goldene Herz" der Österreicherinnen und Österreicher verlassen. Das Geld sprudelt zumindest aus dieser Quelle wie eh und je. Es könnte freilich mehr sein. Mit 75 Euro pro Kopf und Jahr liegt man nur im europäischen Mittelfeld. Angeführt wird die Liste von den Briten, die es dem Vernehmen nach auf 274 Euro pro Kopf und Jahr an Spenden bringen. Dahinter kommen die Schweizer mit 197 Euro und die Holländer mit 139 Euro. Das ist freilich nicht der einzige Wermutstropfen. "Die Wertschätzung des Ehrenamtes ist aus Sicht der freiwilligen Helfer noch ausbaufähig", erhob das Linzer Imas-Institut. Mühsam ist es immer noch oft, die berufliche Tätigkeit mit der ehrenamtlichen Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Und schwierig sind oft immer noch die finanziellen und versicherungstechnischen Themen, mit denen sich ehrenamtliche Organisationen und ihre Mitarbeiter herumschlagen müssen.

Das kostet unnötig Kraft und Energien. Und es läuft dem zuwider, was die Bevölkerung erwartet, nämlich, dass die Bedeutung des Ehrenamtes nicht zuletzt wegen der Überalterung unserer Gesellschaft in Zukunft immer wichtiger wird.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Dezember 2018

Montag, 10. Dezember 2018

Bauern bläst Wind ins Gesicht



Die Debatte um die Reform der EU-Agrarpolitik nimmt Fahrt auf. Die Landwirtschaft trifft auf geänderte Vorstellungen der Gesellschaft.


Hans Gmeiner

Linz. „Höhere Anforderungen mit weniger Geld – das kann nicht funktionieren“, sagt Franz Reisecker, Landwirtschaftskammerpräsident in Oberösterreich und Vize des europäischen Bauernverbands. Beim EU-Agrarbudget gehe es in der derzeitigen Diskussionsphase daher zuerst ums Geld, „und erst dann um die Inhalte“.

Bei der Reform von Europas Agrarpolitik scheinen die Bauern mit der Forderung nach mehr Geld alle Vorurteile zu bestätigen. Aber es ist es diesmal anders. Die Bauern erkennen den Handlungsbedarf sehr wohl und spüren den Gegenwind, der ihnen angesichts der knappen Kassen entgegenbläst. Und auch, dass die Landwirtschaft nicht mehr die Sonderstellung hat, die sie noch vor nicht allzu langer Zeit genoss.

In manchen Ländern werde die Landwirtschaft nur mehr als Industriesektor wahrgenommen, sagt der Tiroler Georg Häusler, früher Kabinettschef des damaligen EU-Agrarkommissars Dacian Cioloș und seit vier Jahren Direktor in der Generaldirektion Landwirtschaft in Brüssel. „Das Umfeld in Brüssel ist sehr viel feindlicher, als man es von Österreich aus glaubt.“

Auch in Österreich wandelt sich das Verhältnis zur Landwirtschaft. „Die Gesellschaft hat bisher gut mit der EU-Agrarpolitik gelebt“, sagt Josef Plank, Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium. Es gebe ausreichend Lebensmittel in bester Qualität und man zahle wenig dafür. Angesichts der guten Lage verschieben sich laut Plank aber die Relationen. „Man denkt sich: Genug haben wir, jetzt schauen wir uns auch genauer an, wie es produziert wird.“ Die Landwirtschaft stehe vor „einem dynamischen Veränderungsprozess“, so Plank. Er versucht daher, die Bauern, die schon jetzt über Produktionsauflagen und Bürokratie klagen, auf das vorzubereiten, was auf sie zukommen wird. Das Geld stellt er dabei nicht in den Mittelpunkt.

„Mit EU-Geldern, die einfach auf die Höfe überwiesen werden, wird man die Einkommen nicht steigern können.“ Vielmehr gehe es darum, daraus „mehr zu machen, damit mehr Einkommen zu erzielen“, skizziert Plank die Linie der österreichischen Agrarpolitik bei den Verhandlungen in Brüssel. Im Zentrum stehe: „Wie können wir uns auf den Märkten besser positionieren und uns besser organisieren, kurzum, wie können wir mehr erlösen.“

Das könnte für manche Bauern unliebsame Überraschungen bringen, denkt man doch laut darüber nach, trotz gekürzter Mittel Verarbeitung und Vermarktung stärker zu fördern. Das könnte bedeuten, dass Direktzahlungen an die Bauern noch stärker beschnitten werden, als es ohnehin zu erwarten ist.

Konkreter wird Plank nicht. Und auch sonst ist rund um die Neugestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vieles ungewiss. Vom Budget über den Zeitplan, den Brexit und seine Folgen bis hin zur detaillierten Ausgestaltung der Pläne.

Bisher gibt es nicht viel mehr als den Vorschlag des Agrarkommissars mit ein paar Eckpunkten. Als größte Veränderung zeichnet sich eine Neuordnung der Umweltvorschriften ab. „Das Greening-Modell hat sich nicht bewährt“, sagt Häusler. Brüssel will künftig nur mehr Ziele vorgeben, die Umsetzung will man jedoch den Mitgliedsstaaten überlassen. Den Bauern wird damit, wie schon so oft, auch eine Verwaltungsvereinfachung in Aussicht gestellt. „Die Idee ist, von detaillierten Vorschriften wegzugehen“, sagt Häusler. Ansonsten setzt man auf Kontinuität, das Zwei-Säulen-Modell soll bleiben, auch die Direktzahlungen und die Fördermodelle.

Deutlich konkreter sind die Einsparpläne. Setzt sich der EU-Budgetkommissar durch, erhalten Österreichs Bauern in der nächsten Budgetperiode von 2020 bis 2027 jährlich 110 Mill. Euro weniger aus Brüssel, ein Minus von neun Prozent. Während die Direktzahlungen um vier Prozent sinken sollen, würden die Mittel für die ländliche Entwicklung um 15 Prozent gekürzt. Das würde Österreich besonders stark schmerzen, weil kaum ein anderes Land so stark auf diesen Bereich setzt. Denn daraus werden nicht nur die Ausgleichszahlungen für die Umweltprogramme und die Biobauern bestritten, sondern auch die Förderungen für die Bergbauern. Wie es damit weitergeht, ist ungewiss.

Die Bauern können damit noch wenig anfangen und sehen ihre Felle davonschwimmen. „Was sollen wir tun?“, lautet die Standardfrage zur künftigen EU-Agrarpolitik. Für die Politiker ist das nicht leicht zu beantworten. Zum einen müssen sie den Anforderungen und Wünschen der Gesellschaft, der Märkte und der Budgets gerecht werden. Aber zum anderen geht es darum, die Landwirtschaft als Berufsfeld auch für junge Menschen auf den Höfen attraktiv zu halten und ihnen Zukunftsperspektiven zu bieten. Auf Österreichs Agrarpolitiker wartet noch sehr viel Arbeit.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 10. Dezember 2018

Donnerstag, 6. Dezember 2018

Oppositionelle Gewichtsprobleme



"Damit wir uns richtig verstehen -ohne Deutsch keine Wohnung." Daneben wahlweise die Konterfeis von FP-Politikern wie Niederösterreichs verhindertem Landespartei- Geschäftsführer Liederbuch-Landauer oder Oberösterreichs Landesrat und Landeshauptmann-Stellvertreter Haimbuchner. Auf Facebook stellte jemand darunter ein selbstmontiertes Plakat, das Bauarbeiter zeigt, die feixend zum "Ohne Deutsch keine Wohnung" sagen "Und ohne uns gibt kayn Wohnung".

Witzig, keine Frage. Und zum Schmunzeln. Aber halt doch ziemlich wenig und ziemlich zahnlos als Reaktion auf eine solche Ansage von Politikern, wenn man sie am liebsten aus jedem Amt verdrängen möchte. Aber auf diesem Niveau spielt sich derzeit die Oppositionsarbeit meist ab.

"Es gibt wenige, die das Problem sehen oder Lösungen anbieten", schrieb dieser Tage jemand auf Twitter zu Drasenhofen, aber es gebe viele, die die Diskussion nutzen, um die Schuldfrage zu personifizieren. "Fazit: Es ist wichtiger, einen Schuldigen zu haben, als ein Problem zu lösen." Diese Sätze gelten nicht nur für Drasenhofen. Man arbeitet sich an Politikern und Politikerinnen ab, an ihrem Aussehen, an ihrer Rhetorik und an ihren Eigenheiten. Man ist aber meist zu unklar, zu unsachlich, zu spät dran, hat keine Problemlösungen und Alternativen anzubieten. Und, das vor allem, man schafft es nicht, mit klaren, nachvollziehbaren und verständlichen Argumenten das Gehör der Menschen zu finden.

Der Bundeskanzler kann das. Wenn er Sätze sagt, wie "In Österreich sollen diejenigen, die arbeiten gehen, mehr Geld zur Verfügung haben als Menschen, die in der Mindestsicherung sind" oder "Es ist Gift für die Gesellschaft, wenn es sich nicht mehr lohnt, arbeiten zu gehen, weil man durch die Mindestsicherung mehr zur Verfügung hat", dann würden das die meisten Menschen genauso sagen und auch unterschreiben. Denn er trifft damit genau ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse und ihr Verständnis von dem, wie es sein und wie Politik gemacht werden soll. Nicht anders ist es mit Sätzen wie "Unser Ziel ist es, die Steuer-und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent zu senken und sicherzustellen, dass arbeitenden Menschen wieder mehr zum Leben bleibt. Denn wer arbeiten geht, der darf nicht der Dumme sein."

Die Opposition jedweder Couleurs schafft es nicht, auch nur ansatzweise ihre Anliegen mit ähnlichem Gewicht und ähnlicher Schlüssigkeit zu formulieren. Sie schafft es auch nicht, eine ähnliche Akzeptanz zu erreichen. Und schon gar nicht schafft man es, klar und griffig dem zu kontern, was man an der Regierung respektive an den Parteien, die sie bilden, kritisiert. So klar, dass die Menschen das nachvollziehen können und auch unterschreiben würden.

Da nimmt nicht wunder, dass man vom "besten Bundeskanzler" redet, den Österreich je hatte, und dass man befindet, dass er "alles gut und richtig macht, weil es kann nicht sein, dass arbeitende Menschen weniger bekommen als jene, die nichts tun." Und dass die Opposition und ihre Arbeit mit großer Skepsis gesehen wird.

Vieles am Kurz-Strache-Regime mag in der Tat als schlimm empfunden werden, aber die Worte und die Maßnahmen werden von den meisten verstanden und für richtig gehalten. Da ist es zu wenig, wenn den Oppositionsparteien nicht mehr einfällt als Witzchen und süffisante Anmerkungen - und mögen sie noch so gut und treffend sein. Da ist es zu wenig, wenn nicht mehr kommt, als wortreiches Schimpfen und Toben. Da sind Konzepte verlangt und Ausdauer. Und vielleicht sollte man sich auch die eine oder andere Anleihe an der Strategie derer nehmen, unter denen man leidet. Denn nur dann kann man dem etwas entgegensetzen, von dem man meint, dass es dem Land so sehr schadet.

Da braucht es mehr, als nur mit den Fingern auf die anderen zu zeigen und sie für unfähig, eine Zumutung oder gefährlich zu erklären. Aber man tut sich sogar schwer, die Menschen zu erreichen, wenn ein Politiker, wie der unsägliche niederösterreichische Landesrat Waldhäusel, unter all den vielen Unglaublichkeiten, die er in den vergangenen Tagen von sich gab, seine Stacheldrahtaktion damit rechtfertigte, dass ihm zu wenig war, was der Staatsanwalt verlangte.

Dabei war nichts besorgniserregender, was im vergangenen Jahr aus der Politik kam. Heißt das doch nichts anderes, als dass man keine Scheu hat, sogar den Rechtsstaat auszuhebeln.


Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 6. Dezember 2018

Donnerstag, 29. November 2018

Landwirtschaft 4.0 überall



Lange hat es gedauert. Aber spätestens seit der Austro Agrar in Tulln kann man sich auch in Österreich nicht mehr erwehren. Landwirtschaft 4.0 überall. Mit einem Mal. Sogar die Landwirtschaftsministerin hat eine Plattform „Digitalisierung der Landwirtschaft“ vorgestellt. Endlich, möchte man hinzufügen. Höchste Zeit war es für so etwas jedenfalls, um dem allerorten grassierenden Wildwuchs rund um dieses Thema Struktur zu geben.

Denn so sehr man jetzt aufs Tempo zu drücken scheint, so sehr hat man die Jahre vorher die Entwicklung völlig verschlafen. Die Digitalisierung der Landwirtschaft war weder in der Politik, noch in der Beratung ein Thema. Man ließ die Bauern, die sich dafür interessierten, meist alleine mit der neuen Technik und den Anbietern und ihren oft kaum erfüllbaren Versprechungen das Feld. Dementsprechend enttäuscht wurden oft die Erwartungen, als teuer wie nutzlos erwiesen sich oft die Investitionen. Und mit dem, was Landwirtschaft 4.0 wirklich kann, hatte das meist wenig zu tun.

„Hilf dir selbst sonst hilft dir keiner“ war und ist hierzulande die Devise. Und das war und ist nach wie vor nicht einfach. Einschulungen gibt es kaum, sondern meist nur schnelle Erklärungen. Die Handbücher sind von Technikern geschrieben, deren Hauptanliegen es zu sein scheint, bis ins letzte Detail zu erklären, was die neuen Dinger theoretisch alles können. Bedienerfreundlichkeit ist dort genauso ein Fremdwort wie Anwenderorientierung.

Um mindestens ein Jahrzehnt hinkt man bei der Bedienerführung hinter dem her, was man heute von jedem Smartphone gewohnt ist. Um Einstellungen zu ändern, muss man sich vielfach auch heute wie weiland auf den ersten Computern noch durch Menus, Untermenüs und Unteruntermenüs arbeiten und dann heilfroh sein, da wieder herauszukommen, ohne dass die ganze Maschine stillsteht. 

Einfach jedenfalls ist anders. Und bedienerfreundlich auch. Ganz abgesehen davon, dass sich bei vielen der Anwendungen, die derzeit propagiert werden und als der letzte Schrei gelten, der Nutzen kaum erschließt. Das wohl auch, weil viele Händler damit überfordert sind und kaum über das entsprechende Fachpersonal verfügen. Und wohl auch, weil man noch weit entfernt ist, mit all den Daten, die die neuen System produzieren, wirklich etwas für den Betrieb anzufangen.

So nimmt nicht Wunder, dass die Einsparungen, die man gerne verspricht, um die Brieftaschen der Bauern zu öffnen, nur ganz selten darstellbar sind. Zu teuer sind die Gerätschaften und zu gering meist die Möglichkeiten, dadurch wirklich viel zu sparen, zumal bei Betriebsgrößen, wie sie in Österreich üblich sind. Da muss man noch Wege finden.

Zu wünschen ist, dass das Thema Landwirtschaft 4.0 und alles was dazu gehört auch bei uns bald Strukturen bekommt. Und noch mehr ist zu wünschen, dass die Voraussetzungen dafür nicht vergessen werden. Der Ausbau der Glasfasernetze ist gerade in ländlichen Gebieten eine Katastrophe. Und eine gute Verbindung mit einem Mobilnetz ist auch in vielen Landesteilen immer noch eher Glückssache. Gerade auf vielen Bauernhöfen muss man immer noch viel zu oft ins Freie gehen, um telefonieren zu können. 

Und das im Jahr 2018. 

Gmeiner meint - Blick ins Land 12/18, 29. November 2018

Die falschen Profiteure



Man sollte es wahrscheinlich nicht so sagen, weil es in den Augen mancher wohl nicht der Political Correctness entspricht. Aber, dass die Eisenbahner am Montag dieser Woche gestreikt haben und dass zuvor die Metaller mit der Ankündigung eines "heißen Herbstes" spielten und lange um Lohnerhöhungen verhandelten, tat nachgerade gut angesichts der ewigen "Kopftuchthemen", die die heimische Politik beherrschen, seit Türkis-Blau am Ruder ist. Endlich wieder einmal "richtige" politische Themen, die in die öffentliche Diskussion kommen. Und nicht bloß Themen, die von anderen Problemen ablenken sollen. Oder wie der Chefredakteur einer großen Bundesländerzeitung treffend schrieb "Wenn der Hut brennt, kommt das Kopftuchverbot" und einen Leitartikel lang der Regierung attestierte, eine "Meisterin im Ablenken" zu sein.

Die Lohnverhandlungen bieten solchen mittlerweile nachgerade ungewohnten Stoff. Ob das Lohnniveau in Österreich zu hoch oder zu niedrig ist, darüber kann man vortrefflich streiten. Es gibt jede Mengen Statistiken und Meinungen, die für das eine sprechen, und jede Menge, die das andere stützen. Mit den heuer so kämpferisch geführten Lohnverhandlungen rückten aber auch wieder einmal die Lohnnebenkosten ins Scheinwerferlicht. Und über die kann man nicht streiten. Die nämlich sind kaum sonst wo so hoch wie bei uns. Und sie machen die Metaller trotz dem, was sie als ihren Verhandlungserfolg feiern, im Vergleich zu anderen Einrichtungen, die indirekt Nutznießer der Lohnverhandlungen sind, zu Verlierern.

"Der Durchschnittsmetaller, dem brutto 3,46 Prozent mehr zugestanden werden, bekommt nur 2,8 Prozent mehr aufs Konto", rechnete "Die Presse" dem kleinen Metallarbeiter vor, der versuchte, sich über den Verhandlungserfolg seiner Gewerkschafter zu freuen. "Der Arbeitgeber muss für diesen Durchschnittsmetaller um 1.641 Euro im Jahr mehr ausgeben, dessen Nettoeinkommen steigt aber nur um 716 Euro", weil die kalte Progression den Finanzminister auch noch über Gebühr mitschneiden lässt. Und als ob das noch nicht genug wäre, setzte man gleich noch nach: "Die Steuern und Abgaben, die er an Finanz und Sozialversicherung zu leisten hat, steigen aber um üppige 4,2 Prozent." Als ob man davon Abstand nehmen wollte, den Ärger nicht noch weiter zu steigern, verzichtete man gleichsam gnädigerweise darauf, darauf hinzuweisen, dass auch die Arbeiterkammerbeiträge wohl nicht niedriger werden würden.

Dem kleinen Metallarbeiter, respektive der Metallarbeiterin, muss es angesichts dieser Zahlen eigentlich die Tränen in die Augen treiben. Tränen der Wut und des Ärgers, sind doch die, die vorgeben sie zu vertreten, zu einem Gutteil dafür verantwortlich, dass es so ist, wie es nun ist. Dass sie weit mehr haben könnten, als sie tatsächlich haben. 1.641 Euro statt der 716, die es nun wirklich sind. Dabei haben ihre Partei und ihre Interessenvertreter jahrzehntelang in diesem Land das Ruder in der Hand gehabt und geschaltet und gewaltet, wie sie wollten. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass just sie maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass Österreich ein veritables Problem mit den hohen Lohnnebenkosten hat und bei den Lohnempfängern im Vergleich zu anderen Ländern netto ziemlich wenig vom brutto ankommt.

In die Pflicht ist aber auch die aktuelle Regierung zu nehmen. Nicht nur weil die Türkisen auch für die VP-Regierungsjahre Verantwortung tragen und damit auch dafür, dass wir ein Lohnnebenkosten-Problem haben, mitverantwortlich sind. In die Pflicht zu nehmen sind sie auch, weil sie bisher nichts unternommen haben, um dieses Problem zu lösen.

So wie die Regierung allem Anschein nach nicht nur bei den Lohnnebenkosten nicht hingreifen will, zögert sie auch, viele andere Probleme anzugreifen, an denen dieses Land seit Jahren und Jahrzehnten leidet. Man denke nur an die Generationenfrage und die Probleme mit der Zukunft der Pensionen und an manche andere.

Dort, wo Politik im klassischen Sinn gefragt ist, wo es Problemlösungen braucht, dort hat man auch nach einem Jahr im Amt nicht wirklich viel zu bieten.

Nicht zuletzt deshalb versucht man das Volk wohl lieber mit anderen Themen bei Laune zu halten. Wie schrieb der bereits zitierte Chefredakteur? "Dann wird wieder ein Zuckerl für die Allgemeinheit ausgepackt. Und schwuppdiwupp ist die leidige Geschichte aus dem Blickfeld."


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 29. November 2018

Donnerstag, 22. November 2018

"Digi-Toll" ist anders



In der einen Ortschaft der Gemeinde hat das Warten ein Ende und man ist begeistert und schwärmt von den neuen Internet-Geschwindigkeiten, die der Anschluss ans Glasfasernetz ermöglicht. Ein Dorf weiter steht gleich neben den Gartentüren bei jedem Haus ein kleines Schild, auf dem der Energieversorger auf den Glasfaseranschluss verweist. Aber das interessiert dort keinen, weil niemand das schnelle Internet braucht. Und wieder ein Dorf weiter, aber immer noch in derselben Gemeinde, können vor allem Freiberufler, aber auch Private das Gerede von "Power" und "Speed" und wie "Digi-toll" das sei, nicht mehr hören, mit dem großspurig Werbung gemacht wird und bekommen bei dem Thema einen dicken Hals. Denn dort bricht die Netzverbindung alle paar Stunden zusammen, tröpfeln die Daten wie vor 20 Jahren durch die Leitung und wartet man dennoch seit Jahren auf den Anschluss an die digitale Zukunft. Und dabei wird es wohl bleiben. Denn trotz politischer Interventionen ist es immer noch nicht gelungen, zumindest in den Ausbauplan aufgenommen zu werden.

Der Ausbau des Glasfasernetzes ist eine desaströse Geschichte in diesem Land. Trotz gegenteiliger Beteuerungen drängt sich der Eindruck auf, dass oft die Linke nicht weiß, was die Rechte tut, dass sich Anbieter das Land in alter Manier aufgeteilt haben, um sich nicht zu konkurrieren, und dass man meist am Bedarf vorbeigräbt, wenn man die Leitungen verlegt. Dass dann das Kabel oft dort liegt, wo es niemand braucht, dass aber dort nichts geht, wo man seit Jahren darauf wartet und darum bettelt, ist nur logische Folge davon.

Kein Wunder, dass die Klagen immer lauter werden. Österreich zählt in der EU beim Ausbau des Glasfasernetzes zu den Schlusslichtern. Gerade einmal 71.300 Anschlüsse gibt es im ganzen Land. Mit 1,1 Prozent liegt Österreich bei den Haushalten mit Glasfaseranschluss EU-weit abgeschlagen an letzter Stelle. Noch ein gutes Stück hinter der Slowakei, Irland und Kroatien, die es auch auf keine zwei Prozent schaffen. Und Welten entfernt von Ländern wie Lettland, Schweden oder Litauen, deren Anschlussquoten weit jenseits der 40 Prozent-Marke liegen.

Dabei brennt das Thema vielen Österreichern und vor allem vielen Unternehmen längst unter den Nägeln. Der Ausbau der Telekommunikation wird insbesondere in der heimischen Wirtschaft bereits höher bewertet als der Ausbau von Schiene und Straße. Erst kürzlich zeigte der Infrastrukturreport auf, dass zwei von drei Unternehmern gerade den Ausbau der Telekommunikation für besonders ausschlaggebend für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes halten.

Gehört wird das nicht. Auch wenn schon die rot-schwarze und nun die türkis-blaue Regierung in ihr Programm geschrieben haben, dass Österreich Vorreiter in Sachen Digitalisierung werden müsse, gilt nach wie vor, was einmal in einer Analyse so zusammenfasst wurde. "Die Mobilfunknetze werden wegen Überlastung immer langsamer, beim Glasfaserausbau sind wir in Europa blamables Schlusslicht und beim 5 G-Netz klopfen wir flotte Sprüche, während rund um in der Welt schon gearbeitet wird."

Der Ausbau der Kommunikationsnetze ist nicht das einzige Thema, das für Verärgerung sorgt. Auch in anderen Infrastrukturbereichen muss Österreich zuschauen, nicht den internationalen Anschluss zu verlieren. Die Verkehrsnetze sind überlastet, in den ländlichen Regionen ist man über Konzepte und schöne Worte zum Thema Infrastruktur oft nie hinausgekommen und im Umgang mit den Bedürfnissen der Wirtschaft wirkt man immer noch sehr viel öfter bösartig und hilflos, als bereit, zu gangbaren Wegen zu finden. Im Großen wie im Kleinen. Da müssen Unternehmen um Straßenanschlüsse kämpfen und werden ihnen bei Bauvorhaben mit immer neuen Auflagen immer neue Prügel hingeworfen, und wenn es eine plötzlich erkannte angebliche Hochwassergefahr ist - bis sie ernsthaft daran denken, gleich ganz abzusiedeln, weil sie nicht einsehen, schlechter behandelt zu werden als das Unternehmen auf der anderen Seite der Straße. 


Der Frust, der sich breit macht, ist nicht unverständlich. Es fehlt in den verantwortlichen Stellen am nötigen Bewusstsein und oft auch am Wollen. Dabei gäbe es viele Stellen, die sich mit der Weiterentwicklung der Infrastruktur beschäftigen sollten. Sogar ein eigenes Ministerium. Aber dort scheint man mit der Ausweitung der 140 km/h-Testzonen auf den heimischen Autobahnen ausgelastet zu sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. November 2018
 
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