Donnerstag, 30. Juni 2022

Erfolg im Dauerlauf

Raiffeisen ist oft Reibebaum in diesem Land. Immer wieder. "Alle für einen", mit der Grundidee der Genossenschaft und ihres Gründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen tun sich manche schwer umzugehen. So, als könne nicht sein, was nicht sein darf. Oder vielleicht besser sogar noch umgekehrt -so als dürfe nicht sein, was woanders nicht gelingen mag. Raiffeisen schafft das. Und es lebt vor und macht, wovon andere nur reden. Raiffeisen funktioniert alles in allem und es bietet viel von dem, was in der Gesellschaft als wünschenswert und erstrebenswert gilt. 

Freilich gelingt das nicht immer so, wie es sein sollte, aber alles in allem passt das, was seit mehr als 130 Jahren in Österreich unter dem Giebelkreuz gemacht wird. Und freilich erscheint die Raiffeisen-Idee unter Druck. Und freilich müssen die Verantwortlichen wachsam sein. Gerade in Zeiten wie diesen. Es mag schwieriger denn je sein, die Raiffeisen-Idee hochzuhalten, am Leben zu halten in einer Welt, die sich immer schneller dreht und in der Grundsätze und Partnerschaften immer weniger gelten. 

Auch Raiffeisen scheint manchmal davon angekränkelt zu sein. Regularien und Bürokratie, die nicht nur von aussen kommen, sondern sehr oft auch von innen, verstellen zuweilen den Blick aufs Wesentliche. Bürokraten, auch in den eigenen Reihen, werden mitunter zu einflussreich, da und dort nimmt auch die Solidarität Schaden und scheint man im Übereifer die Ziele von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und die Grundsätze aus den Augen verloren zu haben. Und freilich verlockt manchmal die Macht, oft wegen der Mühen der genossenschaftlichen Demokratie Wege abzukürzen, um zum Ziel zu kommen.

Das alles soll nicht sein und darf nicht sein. Das ist nicht im Sinne Raiffeisens. Wachsamkeit ist gefordert und wohlwollende Unterstützung und nicht Kontrolle, Besserwisserei und Justamentpolitik.

Raiffeisen ist getragen von der Idee, sich gegenseitig zu helfen, füreinander da zu sein und füreinander einzustehen, Kräfte und Interessen zu bündeln und Ziele gemeinsam zu erreichen. Grundsätze wie "Hilfe zur Selbsthilfe" oder "Was einer nicht schafft, schaffen viele" bestimmen auch heute noch das Handeln.

Die Raiffeisen-Idee taugte immer für all die Herausforderungen, die die Läufe der Zeit stellten. Immer wieder stand sie am Ursprung von Antworten auf Anforderungen und Probleme. Und immer wieder prägte und förderte sie die Ideen, die sich nicht nur als erfolgversprechend erwiesen, sondern auch zu Erfolgen wurden. Initiativen, die Einzelne oft kaum je durchgebracht hätten.

Wie kaum andere Unternehmungen sind die Genossenschaften in den Regionen verankert. Geerdet und tief verwurzelt. Sie werden getragen von Repräsentanten, die die dortige Bevölkerung wählt und denen die Weiterentwicklung, das Wohlergehen, der Erfolg ihrer Region ein Anliegen ist. Sie sehen Raiffeisen-Genossenschaften als Werkzeug dafür, ihre Anliegen gemeinsam zu vertreten, Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, Ziele gemeinsam zu erreichen, auch und vor allem, sich in einer immer schwierigeren Welt zu behaupten.

Nirgendwo sonst haben Einzelne ein so großes Mitspracherecht wie in genossenschaftlichen Unternehmungen. Das mag vielleicht da und dort, angesichts der Größe von Banken, von genossenschaftlichen Verarbeitungsunternehmen oft schwer erkennbar sein. Aber die Struktur und das Grundprinzip, die Vertretung und das Mitspracherecht werden auf allen Ebenen durchgetragen. Von ganz unten bis ganz oben.

Viele mögen den Kopf schütteln und das nicht verstehen, vielleicht sogar lächeln darüber oder böse ätzen. Die Linien sind aber überall erkennbar. Immer noch. Vielleicht ist genau das die Stärke der Raiffeisen-Genossenschaften. Sie haben nie die Bodenhaftung verloren, sie sind immer bei den Leuten geblieben -nicht zuletzt wegen der durchgängigen Strukturen.

Raiffeisen funktioniert. Und von Raiffeisen gibt es Lösungen. Angepasst den Zeiten und angepasst den Anforderungen. Dieses System zu verstehen, mag vielen schwer fallen. Oft auch, weil sie es falsch verstehen. Weil eben Raiffeisen nicht nach einem Kopf und einem Willen funktioniert, sondern nach dem Willen der Mehrheit. "Für Dickschädel, für Rosinenpicker, für Egoisten ist das ein Problem", ist einmal wo geschrieben worden. Da ist wohl viel dran. Aber Raiffeisen funktioniert so -in all seinen Formen.

Nicht zuletzt deshalb erfüllt und erreicht Raiffeisen viel von dem, was andere wünschen - vor allem in schwierigen Zeiten, in denen jeder Tag neue Herausforderungen bringt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. Juni 2022

Mittwoch, 29. Juni 2022

Multikraft erfolgreich mit Öko-Lösungen

Pichl b. Wels. Am Anfang stand der Zufall. Ulrike Hader, die Mutter des heutigen Firmenchefs, entdeckte in Skandinavien eine Mischung aus Milchsäurebakterien, die im restlichen Europa noch unbekannt war. Vier Jahre später stieg Multikraft, 1977 gegründet und bis dahin als regionaler Futtermittelerzeuger in Oberösterreich bekannt, auf dieser Grundlage in die Erzeugung von effektiven Mikroorganismen ein. „Heute sind wir führender Betrieb für ökologische Lösungen in Landwirtschaft, Stall, Garten und Haushalt“, sagt Lukas Hader, heute neben seiner Mutter Chef im Haus .

Die Produkte aus dem Hause Multikraft leisten gute Dienste, wenn es um die Verbesserung von Ackerböden geht, um die Verrottung von Ernterückständen, um die Beseitigung von Güllegeruch, aber auch beim Wachstum von Gartenpflanzen, bei der Reinigung im Haushalt oder bei der Kosmetik.

Das Geschäft brummt. „Im Vorjahr hatten wir im Gartenbereich einen Umsatzzuwachs von mehr als 30 Prozent, heuer wächst die Nachfrage aus der Landwirtschaft besonders stark“, sagt Hader. Der Jahresumsatz des 55-Mitarbeiter-Unternehmens mit Tochtergesellschaften in Australien und Italien soll heuer auf zwölf Mill. Euro wachsen. Der Exportanteil beträgt 60 Prozent. Gut die Hälfte des Umsatzes kommt aus dem Geschäft mit der Landwirtschaft, ein Drittel aus dem Bereich Haushalt und Garten, 15 Prozent aus der Sparte Kosmetik und nur noch fünf Prozent aus dem Futtermittelgeschäft.

Nun denkt man an Expansion. Die australische Tochter soll zu einem vollen Produktionsbetrieb ausgebaut werden. „Dann haben wir vor, auf den asiatischen und amerikanischen Markt zu gehen.“

Hans Gmeiner

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 29. Juni 2022

Donnerstag, 23. Juni 2022

Mut zur neuen Normalität

Die ersten waren die Bauern, die schon bald nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine Aufweichung des Umweltpfades forderten, den die EU in der Landwirtschaft einschlagen will. Es ging schon bald nach den ersten Raketeneinschlägen in der Ukraine darum, den Green Deal, der eine starke Beschränkung der Düngung und des Pflanzenschutzes und Flächenstilllegungen vorsieht, zumindest vorerst wieder in den Schubladen verschwinden zu lassen. Dann wurden in vielen europäischen Staaten rasch Stimmen laut, die Atomkraft zu überdenken. Und als die Inflation über das Land hereinbrach, ging es bei uns vor allem darum, die für Juli geplante Einführung der CO2-Bepreisung zumindest aufzuschieben, Forderungen nach Mietpreisdeckelungen wurden laut und nach immer mehr Ausgleichszahlungen, um die Kostenlawine abzufedern. Und jetzt will man sogar ein altes Kohlekraftwerk wieder in Betrieb nehmen.

Die schwierige Situation und neue Anforderungen verlangen die Maßnahmen zu überdenken und zumindest da und dort aufzuschieben, hieß es überall. Mit einem Mal schien es Gelegenheit zu geben, das Rad wieder zurückzudrehen. Klimakrise, Umweltkrise und Finanzmarkt-Themen schienen mit einem Mal an Wert und Bedeutung verloren zu haben. Alles schien mit einem Mal wieder offen.

Vieles von dieser Stimmung ist fraglos nachvollziehbar, wenn man sieht, wie die Getreideversorgung der Welt zusammenklappt und Hungersnöte drohen oder wenn die Inflation in den Galopp verfällt und immer mehr Menschen nicht mehr mit dem Geld auskommen und für sie Armut zu einer echten Bedrohung wird.

Vieles klang und klingt logisch. Es ist nachvollziehbar, wenn zu hören ist, dass jetzt pragmatische Lösungen gefragt sind und Vorrang haben müssen und nicht ideologische. Dass es Rücksichten auf die Wirtschaft und ihr Fortkommen und auf die Menschen und ihr Auskommen zu nehmen gelte, und dass zumindest da und dort ein Aufschub möglich sein muss. Aber gleich das ganze Rad zurückdrehen? Darf man das, denn die großen Themen bleiben trotzdem große Themen. Die Klimakrise. Die Umweltkrise. Die Finanzkrise. Sie sind ja nicht verschwunden und sie bleiben eine Herausforderung. Eine, die man jetzt nicht so einfach beiseiteschieben kann, wie manche das möchten.

Mahnende und warnende Worte hatten es schwer in den vergangenen Monaten, als die Welt mit einem Mal aus den Angeln geriet. Europa schlingert und es macht sich der Eindruck breit, dass die westlichen Industrieländer und vor allem Europa unter den Sanktionen, die Putin in die Knie zwingen sollen, viel mehr zu leiden haben als die Russen selbst.

Stimmen wie jene der Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller, die etwa die Aufschiebung der CO2-Bepreisung für ein falsches Signal hält, tun sich schwer in dieser Zeit und in diesem Umfeld. Es sei im Gegenteil dringend an der Zeit, CO2 stärker zu bepreisen und an klimapolitischen Vorhaben festzuhalten, meint sie, "trotz oder vielleicht wegen der Krise". Vor diesem Hintergrund sollte man die Grünen eher bewundern, als sie zu belächeln, dass sie sich doch der Realpolitik beugen.

Es war der russische Präsident Putin, der bei der Wirtschaftskonferenz in St. Petersburg in der vorigen Woche von einer "neuen Realität" sprach. Auch Monate nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine scheint man genau das in Europa und im Westen noch nicht wahrzuhaben wollen. Noch versucht Europa die Vergangenheit aufrechtzuerhalten. Immer deutlicher aber stellt sich die Frage, ob nun nicht die Zeit gekommen ist, zu einer neuen Normalität zu finden. Wir müssen mit teuren Lebensmitteln leben lernen, mit der Inflation, mit hohen Mieten, mit teurem Strom und mit einer knappen Gasversorgung. Es kann nicht alles ausgeglichen werden mit immer neuen milliardenschweren Notpaketen. Die Zeiten sind andere, als wir sie gewohnt waren.

Dass man dabei auch von eingeschlagenen Pfaden abweichen und über ideologische Barrieren springen muss, gehört wohl auch zu dieser neuen Normalität. Aber es gehört auch dazu, dennoch Themen wie Klima-und Umweltschutz und all die anderen Probleme und die Anforderungen, die sie stellen, auch unter diesen geänderten Verhältnissen nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist die neue Normalität. Und der müssen mir uns stellen. Inklusive der Einschränkungen und Einbußen, die sie uns bringen mag.

Wir alle. Und die Politik erst recht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Juni 2022

Freitag, 17. Juni 2022

Vieles fehlt im eigenen Land

 Österreichs Landwirtschaft ist in der Produktion viel stärker auf Importe angewiesen, als ihr lieb sein kann. Zum Jubel über den hohen Grad der Selbstversorgung passt das kaum.

Hans Gmeiner 

Wien. „Die Lebensmittelversorgung ist weiterhin gesichert“, sagte dieser Tage Neo-Agrarminister Norbert Totschnig nach einer Sitzung des Krisenstabs zur Versorgungslage. Agrarvertreter und Bauern sind stolz drauf. Versorgungssicherheit, österreichische Herkunft und Regionalität in der Produktion heben sie immer wieder als große Stärken und als Beweis für ihre Bedeutung und Leistungsfähigkeit hervor.

Der hohe Selbstversorgungsgrad bei vielen Produkten ist durchaus beeindruckend und mag beruhigend wirken. Er darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Österreichs Landwirtschaft in der Erzeugung stark vom Ausland abhängig ist. Denn auch wenn im Land genügend Lebensmittel erzeugt werden, um die Versorgung zu sichern, ist die Landwirtschaft in weiten Teilen der Wertschöpfungskette alles andere als autark, sondern auf Importe angewiesen. Nicht einmal Brat- und andere Würste gäbe es, weil die dafür nötigen Tierdärme aus China, Australien, Neuseeland und der Türkei importiert werden müssen.

Bekanntestes Beispiel sind Sojaimporte aus Übersee, ohne die die inländische Erzeugung von Schweine- und Geflügelfleisch kaum denkbar wäre. Die große Importabhängigkeit bei Saatgut und in der Tiergenetik kommt in der öffentlichen Debatte dagegen kaum vor.

Dabei ist man bei Saatgut nur in begrenzten Bereichen wie bei Qualitätsweizen und Triticale (Kreuzung von Weizen und Roggen), bei Soja und Silomais sowie Kürbis halbwegs gut aufgestellt. Damit hat es sich aber. Bei wichtigen Feldfrüchten wie Mahlweizen und Gerste, aber auch Hafer, Roggen und Raps kommen rund 75 Prozent des Saatguts aus dem Ausland, weil heimische Züchtungen mit Leistungen der Importware nicht mithalten können. Zu fast 100 Prozent importiert wird genetisches Grundmaterial bei Körnermais. In besonderen Verfahren wird es im Auftrag von Unternehmen wie der Saatbau Linz zu Saatgut von Spezialisten unter den Bauern vermehrt, ehe es als Saatgut verwendet werden kann – sofern nicht gleich fertiges Saatgut importiert wird.

Besonders schlecht schaut es bei Saatgut für Gräser aus. Genetik und Zuchtmaterial dafür und das fertige Saatgut kommen praktisch zur Gänze aus Dänemark und Neuseeland. Nicht viel anders ist es bei Gemüse. Da bemühen sich zwar kleine Unternehmen und Gruppen wie etwa die „Arche Noah“ um heimisches Saatgut, in großem Stil gibt es aber bei Gemüse weder Züchtung noch Saatgutvermehrung in Österreich. Selbst bei Biogemüse kommen alle Sorten in den großen Produktionsbereichen aus dem Ausland. Und das mitunter gar von Unternehmen, die man nie mit Bio in Verbindung bringen würde. Ausgerechnet von Monsanto und Syngenta kommen dem Vernehmen nach die besten Biotomatensorten.

Die Abhängigkeit von Genetik und Zuchtmaterial aus dem Ausland ist auch in der tierischen Produktion ein großes Thema. Während Österreichs Bauern bei Rindern und Schweinen auf eine gute eigene Genetik zugreifen können, müssen bei Mast- und Legehühnern und bei Puten, wo sich Hybridzüchtungen durchgesetzt haben, 100 Prozent der Genetik aus dem Ausland importiert werden. Eine eigene Züchtung gibt es in keinem der Produktionsbereiche, nur Vermehrungen über Elterntiere.

Aber nicht allein bei der Genetik und beim Zuchtmaterial, das Voraussetzung für die Produktion ist, ist die Auslandsabhängigkeit groß. Auch bei den Mengen, die auf den heimischen Äckern erzeugt werden, gibt es mitunter Aufholbedarf. Neben Soja und anderen Eiweißfrüchten müssen vor allem Mais und Gerste aus Osteuropa importiert werden, um die Nachfrage der heimischen Tierhalter erfüllen zu können. Während es in diesen Bereichen immerhin eine heimische Grundversorgung gibt, ist man bei Aminosäuren, die für die Eiweißversorgung eine zentrale Rolle spielen, zur Gänze von Importen abhängig.

Zu den Schwachstellen der heimischen Agrarproduktion zählen zudem die hohe Abhängigkeit bei Pflanzenschutzmitteln sowie Dünger. In Österreich gibt es nur mehr zwei Unternehmen, die Pflanzenschutzmittel herstellen, überwiegend Generika, also Mittel, deren Patentschutz abgelaufen ist. Eigene Entwicklungen von Pflanzenschutzmitteln oder gar Wirkstoffen gibt es schon seit Langem nicht mehr. Und bei Düngemitteln sitzt mit der Borealis in Linz zwar ein Düngerproduzent von internationalem Rang in Österreich, die Sparte wird aber von der OMV-Tochter just in diesen Wochen an den Konzern des ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš verkauft, nachdem im Februar der Verkauf an einen russischen Konzern im letzten Moment gestoppt worden war. Borealis ist nicht nur auf Kali und Phosphor von internationalen Märkten angewiesen, die sie für die Produktion von Volldünger braucht. Vor allem ist sie auch auf Gas aus Russland für die Erzeugung von Stickstoffdünger angewiesen, ohne den die Landwirtschaft nur einen Bruchteil der Ernten erzeugen könnte. Und ohne Gas läuft in der Düngerproduktion gar nichts. So wie in vielen anderen Bereichen entlang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette auch.

Nicht nur, dass die Bauern Hühner- und Schweineställe klimatisieren müssen und für die meisten Betreiber von Glashäusern Gas existenziell ist, sondern es stünden auch Molkereien, Käsereien, Schlachthöfe, Fleischverarbeiter, Bäcker und Gemüseverarbeiter und viele andere Unternehmen in der Lebensmittelproduktion sehr schnell still, sollte der Gashahn tatsächlich zugedreht werden..

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 17. Juni 2022

Samstag, 11. Juni 2022

Unklare Abgrenzung der Almregionen - EU will 68 Millionen Euro einbehalten

Wien. Weil die EU-Kommission nach einer Prüfung der Jahre 2015 bis 2019 die Abgrenzung der Almregionen in Österreich für nicht richtig hält, will sie nun 68,3 Mill. Euro einbehalten. Ein entsprechender Beschluss wurde Freitag veröffentlicht. Im Kern ging es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums um Kriterien wie klimatische Bedingungen und Höhenlagen, die in Brüssel anders gesehen werden.

In Österreich könne man den Beschluss nicht nachvollziehen und strebe nun eine Prüfung durch den EuGH an, sagt Sektionschef Johannes Fankhauser, der überzeugt ist, dass Österreich recht bekommt. Eine endgültige Entscheidung erwartet er in „ein, zwei Jahren“. Die Bauern hätten nichts zu befürchten. „Die Zahlungen gehen weiter, den Bäuerinnen und Bauern entsteht keinerlei Schaden.“ gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 11. Juni 2022

Donnerstag, 9. Juni 2022

Durchgeknallte Zeiten

Das Bauernleben gleicht seit Monaten einer Hochschaubahn. Kaum etwas ist zu planen, auf kaum etwas können sich die Bauern verlassen. Die Märkte sind durcheinander wie kaum je zuvor, konventionelle Produkte sind bereits da und dort teurer als bio. Absatzzahlen brechen ein, schon sprechen Medien von einem „Ende des Biobooms“, während der Billigbereich allerorten zulegt. Hans Schlederer, Österreichs oberster Schweinvermarkter, redet sogar schon davon, dass in den nächsten zwei, drei Jahren wohl jeder vierte Schweinemäster aufhört, weil Inflation und der Krieg Russlands gegen die Ukraine und seine Folgen wohl nicht so bald überwunden sein werden.

In der ganzen Welt ist die Sorge um die Landwirtschaft groß. Nur nicht in Österreich. Da sind die Vollspaltenböden in den Schweineställen das wichtigste Thema. Da stehen die Bauern wie eh und je im Zentrum von Kampagnen von Tierschützern und Handel - und alle schauen zu. Da stellt sich gar der Chef des zweigrößten Handelskonzerns hin und fordert „Vollspaltenböden müssen schnellstmöglich abgeschafft werden“, während sein Konzern in denselben Zeitungen ein paar Seiten weiter Billigfleisch zum Sonderpreis und aus unklarer Herkunft anbietet.

Keine Rede davon, dass man sich hierzulande wie in kaum einem anderen Land bemüht die Tierhaltungsstandards anzuheben und dabei schon ein gutes Stück vorangekommen ist. Keine Rede davon, dass alles auch mit Kosten für die Bauern und auch mit Partnern im Handel zu tun hat, auf die sie sich verlassen können müssen, ehe sie hunderttausende Euro in die Hand nehmen, um sich Investitionen zu wagen, mit denen sie für die kommenden 20, wenn nicht gar 30 Jahren die Weichen für ihren Betrieb stellen.

Da passt auch ins Bild, dass der staatliche Rundfunk, wie jüngst in der Sendung „Am Schauplatz“ den „Weizenkrieg“ thematisierte und sich dabei nicht, wie man meinen möchte den Nöten und Bemühungen die weltweite Getreideversorgung zu sichern, Raum gab, sondern Bäcker vor die Kamera holte, die über die Preise klagten und Biobauern und Reporter, die, voll cool und sehr lässig von einem GPS-gesteuerten 700er-Fendt herab, der Welt erklärten. Etwa, dass die Regenwurmlosung ein Superdünger sei und wie man es mit dem Boden richtig macht und die dabei Sätze sagten wie „sicher habe ich weniger Ertrag“. Viel mehr Präpotenz geht wohl nicht in einer Situation wie der Derzeitigen. 

Und ebenfalls passt in dieses derzeit völlig verrückte Bild, dass sich in diesem Land außer ein paar Bauernbündlern niemand darüber aufregt, dass die OMV-Tochter Borealis, Österreichs Düngemittelerzeuger von internationalem Rang, nachdem der Verkauf an einen Russen untersagt wurde, nun vom ehemaligen tschechischen Premier Babis übernommen werden soll. Von einem Multimilliardär mit 160.000 Hektar Agrarflächen und Eigentümer des größten Agrarkonzerns im Nachbarland, der seine ersten politischen Sporen als Kandidat der kommunistischen Partei verdiente. Die oö. Landespolitik, allen voran ihr unseliger Wirtschaftslandesrat, feierte sich dafür überschwänglich.

Aber das fügt sich passend in diese durchgeknallte Zeit in der und mit der die Bauern wohl noch länger leben müssen.

Gmeiner meint - Blick ins Land 9. Juni 2022

Ein Scherbenhaufen

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. "Ich würde mir als Seniorenbund Oberösterreich überlegen, wer ich überhaupt bin und wenn ja, wie viele?", lästerte in der Vorwoche selbst der Vizekanzler, in dessen Zuständigkeitsbereich sich alles zutrug, über die Vorgänge, die seit Wochen für Schlagzeilen sorgen, den deutschen Philosophen Richard David Precht etwas schlampig zitierend.

Auch wenn Josef Pühringer, der ehemalige Landeshauptmann von Oberösterreich und nunmehrigen Obmann des Seniorenbundes im Land ob der Enns, diese Angelegenheit, wie er in Interviews wissen ließ, "einfach nur fuchsteufelswild macht" und das auch nachvollziehbar sein mag, ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie zur Unzeit kommt. Zur Unzeit für die Volkspartei, die, wie sich der Eindruck allerorten verfestigt, gerade von einem Unglück (um nicht den bei Vorgängen dieser Art gerne ungeschaut verwendeten Begriff Skandal in den Mund zu nehmen) ins nächste torkelt.

Besonders fatal für die Kanzlerpartei sind in dem konkreten Fall die Parallelen zu den Vorgängen in Vorarlberg. Da wie dort fand man nichts dabei, öffentliche Gelder zumindest indirekt für die Partei respektive parteinahe Organisationen zu nutzen und ließ dabei jedes Gespür und jede Sensibilität dafür vermissen, dass das durchaus heikel sein könnte. Und da wie dort sind just zwei der letzten Politiker der ÖVP involviert, die vielen, zumal vor allem ÖVP-Wählern, die unter der Kurz-Zeit gelitten haben, als Säulen der Korrektheit und Lauterkeit gegolten haben, als Garanten dafür, dass die schwarze Welt ja doch in Ordnung sein konnte. Genau das ist nun erschüttert. Dass auch die Junge ÖVP und Gruppen aus dem Bauernbund bei den angebotenen Corona-Hilfen zugegriffen haben, macht die Sache nicht besser, sondern eher noch schlimmer für die ÖVP.

Sowohl Landeshauptmann Markus Wallner als auch Pühringer stehen nun, auch wenn sich alle Vorwürfe als ungerechtfertigt erweisen sollten und alle Vorgänge als korrekt, als angepatzt da. Nicht nur, dass der Politik insgesamt und ihrem Ansehen damit weiterer Schaden zugefügt wurde. Auch viele Parteigänger sind enttäuscht, dass just diese zwei von den wenigen verbliebenen Säulen der Partei mit möglichen Flecken auf ihren bislang so untadeligen weißen Westen zu kämpfen haben. "Ich bin Einzelunternehmer und was ich tue ist vollkommen transparent -ich stehe splitternackt vor der Finanz, ich werde wohl die strategischen Berater des Seniorenbundes aufsuchen müssen, meine Steuerberaterin ist zu schwach für diese neuen Anforderungen", ist da zu hören. "Mir helfen keine Tricks und keine Umgehungskonstruktionen."

Es mag ja sein, dass alles korrekt zugegangen ist und gar auf Rückfrage genehmigt wurde, wie man allerorten nicht müde wird zu verbreiten. Und es ist wohl zu glauben, dass es wirklich nicht um Parteifinanzierung oder gar Bereicherung ging. Was aber eben dennoch verwundert, ist, dass selbst Politiker des Zuschnitts von Wallner und Pühringer keine Scheu davor haben, die Grenzen der gesetzlichen Möglichkeiten bis an den Rand auszuloten und dass nicht bereits weit davor die Alarmlichter angehen -"Halt, das tut man nicht, auch wenn es rechtens sein mag. Das verbieten der Anstand und das Selbstverständnis."

Der Scherbenhaufen ist ein großer. Selbst wenn Wallner, Pühringer, der Seniorenbund, der Bauernbund und die Junge ÖVP recht bekommen und untadelig aus allem, was nun als Affären das Land beschäftigt, aussteigen sollten, bleiben das Gefühl und der Geschmack, dass das Land als Selbstbedienungsladen konstruiert ist. Mit Kasterln und Kassen für alles und jedes und für alle und jeden. Niemand soll zu kurz kommen. Wenn man populistisch sein möchte, würde man hinzufügen, schon gar nicht Parteien und Interessenvertretungen und Gruppen mit ähnlich gelagerten Aufgaben.

Dabei ist da noch gar nicht die Rede von den an die gut 225 Mio. Euro an Parteienförderungen, die Österreich in einem Ranking den sonst oft so vermissten internationalen Spitzenplatz bescheren, auf den das Volk freilich gerne verzichten würde.

Auch dabei ist alles rechtens, weil sich eben, und das ist, was Österreich als Selbstbedienungsladen erscheinen lässt, Parlamentsparteien die Gesetze entsprechend zurechtgeschneidert haben - in einem Land, in dem als ungeschickt gilt, wer irgendwo eine der mehr als 48.000 Förderungen liegen lässt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Juni 2022

Dienstag, 7. Juni 2022

Es ändert sich einiges auf Österreichs Äckern

Auf den Feldern schaut es heute wegen des Klimawandels, Beschränkungen im Pflanzenschutz und veränderter Märkte ganz anders aus als vor 40 Jahren. Soja ist auf Österreichs Äckern bereits die viertwichtigste Sorte. Die größte Veränderung aber gab es bei der Gesamt-Ackerfläche - sie schrumpfte um gut ein Fünftel.

Hans Gmeiner  

Salzburg. In Österreich wurde heuer auf mehr als 92.000 Hektar Fläche Soja angebaut, um 22 Prozent mehr als vor einem Jahr. „Die Sojabohne setzt den Aufwärtstrend in Österreich fort und ist klarer Gewinner der heurigen Anbausaison“, jubelt der Verein Soja aus Österreich. „Ein starkes Argument für die Ausweitung waren mit Sicherheit die substanziell gestiegenen Düngerkosten“, vermutet Karl Fischer, Obmann des Vereins, der sich seit Jahren um die Ausweitung des Anbaus von gentechnikfreiem Soja bemüht. Die Sojapflanze kommt ohne Dünger aus und kann den für das Wachstum benötigten Stickstoff über sogenannte Knöllchenbakterien an den Wurzeln selbst aus der Luft binden und nutzbar machen. Zudem gibt es große Nachfrage aus dem Futtermittelbereich und der Nahrungsmittelindustrie, die Lebensmittel wie Tofu und immer öfter Fleischersatzprodukte erzeugt. Das macht den Sojaanbau für die Bauern zusätzlich interessant.

Inzwischen baut jeder vierte Ackerbauer in Österreich Soja an. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Anbaufläche verfünffacht. Hinter Mais, Weizen und Gerste ist Soja heute auf Österreichs Feldern die viertwichtigste Frucht. Im Biolandbau ist die Sojabohne auf den Äckern sogar bereits die Nummer zwei hinter Weizen.

Die Ausweitung der Anbauflächen für Soja ist nur ein Beispiel dafür, wie sich in den vergangenen Jahren die Nutzung der heimischen Felder gewandelt hat. Verantwortlich dafür sind nicht nur geänderte Marktverhältnisse und Preise, auf die die Bauern reagieren. Bei manchen Früchten ist der Klimawandel dafür verantwortlich, dass die Anbauflächen stark gesunken oder gewachsen sind. Typisches Beispiel ist die Sommergerste. Stand diese Frucht 1990 noch auf 196.000 Hektar, sind es heuer nur mehr gut 25.000 Hektar, weil es in den vergangenen Jahren oft zu trocken für die Sommergerste war, die im Frühjahr gesät wird. Im Gegenzug legte die Anbaufläche von Wintergerste, die im Herbst gesät wird, zu – sie wuchs in den vergangenen Jahren auf 97.000 Hektar. Auch Körnermais zählt zu den Flächengewinnern, weil er relativ resistent gegen Hitze und Trockenheit ist.

Dem Raps hingegen setzten die Beschränkungen im Pflanzenschutz sehr zu. Weil wichtige Wirkstoffe zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen nicht mehr zugelassen sind, wurde vielen Bauern das Anbaurisiko zu groß. Sie zogen sich aus der Rapsproduktion zurück. Stand die Ende April leuchtend gelb blühende Frucht, aus der Speiseöl und Eiweißfutter erzeugt wird, auf dem Höhepunkt 2010 noch auf fast 54.000 Hektar, sind es heuer nur mehr gut 28.000 Hektar. Bemerkenswert: Ein guter Teil des Bedarfs wurde zuletzt aus der Ukraine gedeckt. Dass dort mit den in Österreich verbotenen Pflanzenschutzmitteln gearbeitet wird, spielte keine Rolle.

Zu den Verlierern zählt auch die Zuckerrübe. In den besten Jahren um 1990 wurde die süße Frucht noch auf rund 50.000 Hektar angebaut, am Tiefpunkt vor zwei Jahren, als den Bauern Probleme mit einem gefräßigen Käfer und schlechte Preise den Anbau vergällten, nur mehr auf rund 26.000 Hektar. Heuer sind es immerhin wieder fast 38.000 Hektar. Eine untergeordnete Rolle spielen mittlerweile Körnerleguminosen wie Erbsen und Ackerbohnen, die vor dreißig Jahren als die Eiweißalternative für die Landwirtschaft galten. Die Anbaufläche sank von mehr als 50.000 auf weniger als 15.000 Hektar.

Die größte Veränderung gab es aber bei der gesamten Ackerfläche in Österreich. Sie ging von 1,487 Mill. Hektar im Jahr 1980 um fast 170.000 Hektar bis heuer auf 1,320 Mill. Hektar zurück. Der Rückgang entspricht der gesamten heutigen Anbaufläche des Burgenlands. Gründe sind die übermäßige Verbauung, aber auch, weil die Bewirtschaftung vieler Flächen wegen oft ungenügender Preise für die Landwirte unattraktiv wurde.

Rechnet man die rund 50.000 Hektar dazu, die heute vor allem im Zuge von Umweltprogrammen brachliegen müssen und nicht bewirtschaftet werden dürfen, verlor die heimische Landwirtschaft in den vergangenen 40 Jahren rund 230.000 Hektar oder fast ein Fünftel ihrer Produktionsfläche.

Fortschritte in der Züchtung sowie in der Produktionstechnik machten diesen Verlust bisher wett. Sowohl bei Brotgetreide als auch Futtergetreide blieben die Ernten trotz der schrumpfenden Anbaufläche im Großen und Ganzen auf dem gleichen Niveau. Hätte es keinen Flächenverlust gegeben und gäbe es keine Brache-Verpflichtung, könnte die österreichische Ernte heute freilich um fast ein Fünftel größer sein. Das würde möglicherweise die Versorgungssituation entspannen. Die Bauern hätten aber vermutlich weniger Freude damit, weil wohl auch die Preise niedriger wären.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Juni 2022

Donnerstag, 2. Juni 2022

Lohnnebenkosten - null Treffer

Österreichs Unternehmen suchen händeringend Personal. Viele Branchen leiden ganz besonders. In Tourismus und Gastronomie häufen sich die Meldungen nicht nur von Kürzungen der Betriebszeiten, sondern mittlerweile auch von Schließungen. "Wir kriegen keine Leute", sagen Wirte und Hoteliers. Und oft bekommen sie als Antwort zu hören, "dann müsstet ihr endlich besser zahlen".

Mag sein, dass da auch etwas dran ist. Unterbelichtet bei dieser Diskussion ist jedenfalls immer, dass in Österreich der Staat und die Sozialversicherung so viel einkassieren von dem, was die Unternehmen für die Entlohnung ihrer Mitarbeiter aufwenden müssen, und dass deswegen kaum sonst wo so wenig bei den Arbeitnehmern ankommt. Im Klartext: Wäre der Staat und sein System nicht so gefräßig, könnte mehr von den Löhnen bei den Beschäftigten landen. Aber, wir sind in Österreich und da schiebt man die großen Probleme bekanntermaßen gerne vor sich her. Oft gleich durch viele, viele Jahre. Die Lohnnebenkosten sind eines dieser großen Probleme.

Erst vorige Woche bescheinigte die OECD Österreich wieder den Kellerplatz im internationalen Vergleich. In nur zwei Industrieländern greift die öffentliche Hand bei Einkommen aus Arbeit stärker zu als in Österreich, meldeten die Zeitungen. "Gemessen an den Arbeitskosten bleibt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur in Belgien und in Deutschland weniger Nettoeinkommen übrig als in Österreich", hieß es. Und als Draufgabe verweist man darauf, dass selbst in mit Österreich vergleichbaren Ländern wie Schweden oder Finnland die Belastung um fünf Prozentpunkte niedriger sei.

Laut OECD kamen im Vorjahr von 100 Euro, die als Arbeitskosten für einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin beim Arbeitgeber anfallen, nur 52,2 Euro beim Arbeitnehmer an. Was am Lohnzettel fehlt, kassiert der Staat an Lohn-und Einkommensteuer, geht an die Sozialversicherungen und fällt als andere Sozialabgaben an. 47,8 Prozent macht diese Differenz in Österreich aus. Das schmerzt nicht nur in der Brieftasche, liegt doch der OECD-Durchschnitt mit nur 34,6 Prozent weit mehr als zehn Prozentpunkte niedriger.

Würden die heimischen Arbeitnehmer so stark belastet werden wie ihre niederländischen Kollegen, hat Agenda Austria errechnet, blieben ihnen 673 Euro netto mehr im Monat. Hätte Österreich dieselbe Steuer-und Abgabenbelastung wie der Wohlfahrtsstaat Schweden, blieben einem Durchschnittsverdiener immer noch 283 Euro netto mehr im Monat. Am lukrativsten wäre für heimische Arbeitnehmer die Abgabenbelastung von Irland. Dort wäre ihr monatliches Nettogehalt nämlich sogar um 746 Euro höher. Da versteht man, dass manchem die Zornesröte ins Gesicht steigt.

Auf der Homepage der Agenda Austria gibt es einen sogenannten "Bruttomat". Damit kann man sich schnell ausrechnen, was wirklich netto vom Brutto bleibt und wohin der Rest verschwindet. Und will man wissen, wie die Dinge bei einem Bruttolohn von 3.000 Euro monatlich wirklich laufen, erfährt man, dass dafür eine erwirtschaftete Leistung von 54.544,80 Euro im Jahr nötig ist. Davon muss bereits der Arbeitgeber laut "Bruttomat" 12.554,80 Euro an Sozialversicherung, Abgaben für den Familienlastenausgleichsfonds, Kommunalsteuer etc. zahlen. Womit man bei einem Bruttojahreseinkommen von 42.000 Euro wäre. Nun ist der Arbeitnehmer dran -7.550,40 Euro Sozialversicherungsbeiträge sind noch zu zahlen und 4.948,23 Euro an Lohnsteuer. Damit sind von den ursprünglich mehr als 54.000 Euro rund 25.000 weg. Was bleibt ist ein Netto-Jahreseinkommen von 29.501,37 Euro.

Und wer jetzt meint, 3.000 Euro im Monat seien ja relativ viel, dem sei die Rechnung mit 1.500 Euro brutto monatlich präsentiert. Dabei bleiben von ursprünglich 27.272,40 nach Abzug von fast 10.000 Euro an Steuern und Abgaben nur 17.308 Euro im Jahr.

Vor diesem Hintergrund verwundert, wie die Diskussion in diesem Land gelagert ist. Da redet alles von höheren Löhnen, die freilich nichts anderes als eine höhere Belastung für die Unternehmen bedeuten. Aber kaum jemand redet von einer Verringerung der Lohnnebenkosten, die Einsparungen und wohl auch Umstrukturierungen bei den öffentlichen Ausgaben voraussetzt.

Vielleicht liegt es ja auch an ideologischen Scheuklappen. Die Homepage des SP-nahen Thinktanks "momentum" liefert bei der Suche nach dem Begriff Lohnnebenkosten genau null Treffer -genauso viel wie die Politik bisher zu diesem Thema zusammengebacht hat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Juni 2022
 
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