Samstag, 21. Dezember 2019

Biostreit kann Millionen kosten



Bei Österreichs Biobauern ist Feuer am Dach: Nicht nur droht Hunderten der Verlust des Biostatus. Wegen zu laxer Auslegung der Regeln drohen jetzt auch noch Rückzahlungen in Millionenhöhe.


Hans Gmeiner 


Salzburg. Die großzügige Auslegung der Vorschriften insbesondere in der Weidehaltung in Österreich könnte die Biobauern nicht nur den Biostatus, sondern auch viel Geld kosten. Seit dieser Woche ist klar, dass die EU-Kommission Ernst machen und Fördergelder zurückfordern will, wenn die Vorschriften nicht entsprechend nachgeschärft werden. In einem solchen Anlastungsverfahren könnte es um Summen im mittleren zweistelligen Millionenbereich gehen, heißt es. Zuletzt gab es das Thema Rückzahlungen von Förderungen vor sechs Jahren bei den Unklarheiten rund um die Almvermessungen. Damals wollte Brüssel von den Bauern mehr als 60 Millionen Euro zurück.

In den befassten Gremien in Wien ist nun Feuer am Dach. Es geht darum, möglichst rasch alle Vorschriften und Regelungen in eine gesetzliche Form zu gießen, die auch von Brüssel akzeptiert wird. Erst dann haben die Bauern endgültig Klarheit, wie es weitergeht. „In Auslegung der EU-Bioverordnung werden Übergangsregelungen für 2020 getroffen und mittels entsprechender Veröffentlichung der kommentierten Fassung sowie mittels Erlass rechtlich Anfang 2020 umgesetzt“, heißt es in einem internen Beratungspapier.

Sobald diese Bedingungen in Kraft seien, werde ein „sanktions-und rückzahlungsfreier Ausstieg“ aus Bio möglich sein, wird da versprochen.

Hauptthema dabei ist die Weidehaltung von Rindern, Schafen, Ziegen und Pferden, bei der es jedenfalls ab Beginn 2020 keine Ausnahmeregelungen mehr geben soll. Wie viele Bauern betroffen sind und wie viele wirklich aus Bio aussteigen müssen, weil sie die Anforderungen nicht erfüllen können, ist immer noch unklar. Derzeit gehen die Schätzungen davon aus, dass rund 500 Bauern tatsächlich aus der Biolandwirtschaft aussteigen werden. Betroffen waren ursprünglich 2300 Betriebe, die bei der Weidehaltung Ausnahmen in Anspruch genommen haben. 1800 von ihnen sind, wie von der Standesvertretung empfohlen, inzwischen in die Maßnahme „Weidehaltung“ des Umweltprogramms eingestiegen. Von ihnen nimmt man an, dass sie als Biobauern weitermachen werden. Anpassungen abseits der Weidehaltung, die nicht so dringlich sind, werden aber bei rund 6000 Biobauern erforderlich sein, wird erwartet.

Falsch sind jedenfalls Meldungen, die davon berichten, dass es bereits ab 1. Jänner 2020 bis zu 3000 Biobauern weniger geben könnte. Die Bauern werden sogar ausdrücklich davor gewarnt, noch heuer überhastet aus Bio auszusteigen. „Das könnte Rückzahlungen für die vergangenen Jahren nach sich ziehen“, heißt es. Tatsächlich haben die Bauern für ihre Entscheidung bis 15. Mai 2020 Zeit. Dann endet die Antragsfrist für das neue Wirtschaftsjahr.

Die Verunsicherung auf den Höfen ist dennoch groß. Auch deswegen, weil noch keine gezielte Beratung angeboten werden kann. Aber auch, weil manche Biobauernvertreter, die schon seinerzeit auf eine möglichst großzügige Auslegung der EU-Vorschriften drängten, immer noch glauben, dass die EU einlenken muss. Ein Rechtsgutachten soll ihre Meinung stützen.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 21.Dezember 2019

Donnerstag, 19. Dezember 2019

Entblößendes Schauspiel



Die Jagdgesellschaft tobte. Dabei hat Bundeskanzlerin Bierlein nur das getan, was sie tun musste. Sie hat das Glyphosatverbot nicht kundgemacht, weil es der EU im Voraus und rechtzeitig zur „Notifizierung“, der Möglichkeit zur Stellungnahme, hätte übermittelt werden müssen. So geriet der vermeintliche Triumpf, dass in Österreich ab 1. Jänner 2020 als erstem EU-Land ein flächendeckendes Verbot des verfemten Pflanzenschutzmittels in Kraft tritt, zum Waterloo. Greenpeace sah einen „Verrat an der Demokratie“, witterte „formaljuristischen Winkelzüge“ und der Pressesprecher der Organisation twitterte erbost „Was für ein Skandal“. Global 2000 bitzelte in einer Presseaussendung „Gesundheit von Mensch und Umwelt wichtiger als Formalia“. Und Helmut Burtscher-Schaden, seit Jahren maßgeblicher Betreiber des geplanten Verbots, ortete eine Kette „dubioser Ereignisse und Entscheidungen“. In der Twitteria, bevorzugtes Medium jener, die meinen, es besser zu wissen und im Handeln und politischen Verständnis besser zu sein, war die Rede von einer „Schande für das Land“, davon, dass Bierleins Entscheidung zeige dass „die Anzahl der A…löcher mehr Macht hat, als die größere Anzahl der vernünftigen Menschen, die unsere Umwelt retten wollen“, dass die „Lebensqualität-vernichtende Lobby der Agrarindustrie“ gewonnen habe und das Land „weiterhin dauervergiftet werden“ dürfe. Gar nicht zu reden davon, dass eine internationale, auf Kampagnen spezialisierte Organisation mit Sitz in den USA von der Kette gelassen wurde, um gegen Kanzlerin Bierlein und ihr Vorgehen via Petitionen zu kampagnisieren.

Das ist entblößend. Und starker Tobak, der Sorgen machen muss. Wenn von „Verrat an Demokratie geredet wird“, von „Winkelzügen“ und von „dubiosen Entscheidungen“ weil die Gesetze eingehalten werden, muss Feuer am Dach sein. Zumal dann, wenn Organisationen wie Greenpeace und Global 2000 und ihre Vertreter und Sprecher so reden. Die Herabwürdigung gesetzlicher Regelungen, die Bereitschaft Gesetze zu beugen und Personen, die sie durchsetzen, anzuschwärzen, weil sie den eigenen Interessen entgegenstehen, kennt man so bisher nur von rechtspopulistischen Parteien. Von Leuten eines Zuschnitts von HC Strache, von Herbert Kickl oder von den osteuropäischen Autokraten.

Nun folgten NGO wie Greenpeace oder Global 2000, aber auch viele Politiker, die im Nationalrat im Sommer das Verbot beschlossen, genau den Verhaltensmustern jener, an den man sich sonst so gerne reibt. Wenn das Recht der Politik nicht folgt, dann werden die ausfällig, denen das nicht in den Kram passt und zweifeln die Gesetze an. Da klingt links auf einmal keinen Deut anders als rechts. Wie noch nie zeigte sich nun, welcher Geist dort am Werk sein kann und welchem Verständnis von Demokratie man dort folgt. Dabei könnte man auch in diesen Kreisen um die Stärke des österreichischen Rechtsstaates durchaus froh sein, kippte doch dieser Tage der Verfassungsgerichtshof auch das noch vom damaligen Innenminister Kickl geplante Überwachungspaket inklusive Bundestrojaner.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass man sich nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa, immer größere Sorgen macht und, wie der Medientheoretiker Norbert Bolz und andere auch, von einer „Öko-Diktatur“ redet und sie als Bedrohung empfindet, gilt doch manchen die Demokratie als „größter Feind des Planten“. Sachlicher Diskurs werde kaum mehr geführt monieren sie. „Es geht bei vielen Themen nicht mehr um sachliche Auseinandersetzung, sondern es wird nur mehr in gut und böse eingeteilt“, sagt etwa Bolz.

Da wird freilich nur formuliert, woran die Gesellschaft schon seit langem leidet. Man hat verlernt, miteinander zu reden. „Unsere Gesellschaft tut sich schwer damit, eine andere, als die eigene Position zu ertragen“ war dieser Tage im Leitartikel einer österreichischen Tageszeitung zu lesen. Miteinander zu reden und nicht aneinander vorbeizureden sei zur Seltenheit geworden. Zur Meinungsfreiheit zähle, wird gemahnt, nicht nur das Recht auf die eigene, sondern auch die Fähigkeit zur Akzeptanz einer anderen Meinung. „Damit hapert es“, stellt der Leitartikler fest.

Dabei wäre oft nur Geduld nötig. So wie beim Glyphosat – meinen doch manche Beobachter, dass die Chancen auf ein Verbot sogar gestiegen seien, weil nun die neue Kommission am Werk ist. Und die denke in Sachen Umwelt bekanntermaßen anders als die alte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. 12. 2019

Donnerstag, 12. Dezember 2019

Ein Tiefer Blick in die Seele des Landes



Die Zeitungen sind seit Wochen voll damit, wer auf sich hält, empört sich publikumswirksam. Die Besetzung des Casino-Vorstandes mit einem unbedarften Bezirksrat aus Wien hielt das Land in Atem. Aufregung und Empörung allerorten.

Natürlich zu Recht. Und natürlich ist Transparenz zu fordern. Und natürlich sollte das nicht so gehen. Und natürlich sollte es klare Richtlinien geben und keine Mauschelei. Aber, sei gefragt, erleben wir etwas anderes als ein Österreich, das in diesen Tagen wieder einmal tiefen Blick in seine Seele und auf das, was offenbar unausrottbar zur Kultur dieses Landes gehört, gewährt. Auf das Handeln und Schachern in allen möglichen und unmöglichen Situationen des Lebens nach dem Motto, ein bisserl was geht immer. Auf das Nichts-unversucht-Lassen, um einen Vorteil zu erlangen. Und das am besten irgendwo versteckt und im Geheimen und meist auf doppeltem Boden.

Wohl nur sehr gutgläubige Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben geglaubt, dass diese Zeiten überwunden sind. Angesichts der jüngsten Ereignisse, und nicht nur angesichts derer, ist wohl zu konstatieren, dass sie es nicht sind. Und dass sie es wohl, allen Vorhaben, Absichten und Plänen zum Trotz, die nun wieder gewälzt werden, auf absehbare Zeit nicht sein werden. Österreich, respektive seine Bürgerinnen und Bürger, leben damit seit Generationen und sie werden es wohl weiterhin tun. Schlawiner viele von ihnen, die sich darauf verstehen, es sich zu richten. Manchen können das besser, manche schlechter.

Denn was da so für Aufregung sorgt, leben die allermeisten in diesem Land und nicht nur die Politiker, an denen man in diesen Tagen das Mütchen kühlt. Jede Österreicherin und jeder Österreicher, die sich da so echauffieren und mit dem Finger auf die da oben zeigen, sollte sich selbst an der Nase nehmen, im Bekanntenkreis schauen und sein Gewissen erforschen. Kaum einer lässt eine Gelegenheit aus, es sich zu richten, wenn sich nur die Möglichkeit ergibt. Weil man jemand kennt, als Gegenleistung für einen Gefallen, für was auch immer. Oft geht es um einen Arbeitsplatz fürs Kind, oft um einen Platz in einer Schule, nicht selten um einen Platz in einem Heim für die Oma und den Opa. Und oft um einen besonderen Rabatt beim Autokauf oder um ein Geschäft. Freunde sind da gefordert, Politiker, die man persönlich kennt, Beschäftigte in Einrichtungen, die bieten können, was man gerade braucht.

Kaum jemand hat da Scheu, die Position und Situation für sich und die seinen auszunutzen. Dass die Muster dabei meist durchaus denen ähnlich sind, an denen man sich stößt, wenn es um die Vergabe von Posten in Aufsichtsräten oder anderswo geht, will man dabei tunlichst nicht zur Kenntnis nehmen. Gerade die, die sich am meisten aufregen und über Intransparenz und undurchsichtige Machenschaften klagen, sind oft die, die das am wenigsten erkennen wollen. Gerade sie sind oft die Ersten, wenn sich Gelegenheiten ergeben, die das weidlich auszunutzen versuchen. Das gilt im Kleinen genauso wie im Großen.

Die Freiheitlichen geben ein Musterbeispiel dafür ab. Nun finden sie sich selbst im Zentrum eines Skandals, der sie nackt dastehen lässt. Entblättert aller vollmundigen Versprechen, bloßgestellt und bar jeder Glaubwürdigkeit. Kaum je hat eine Partei so zugegriffen, als sie die Gelegenheit dazu bekam, wie es die Freiheitlichen getan haben. Im Innenministerium und im BVT genauso wie bei Postenbesetzungen in staatsnahen Unternehmen wie den Casinos Austria.

Die Herausforderung ist groß, dieses Denken und Verhalten nicht nur in der Politik zu ändern, sondern insgesamt diese Kultur zu überwinden. Sie verlangt viel Fingerspitzengefühl und viel Verständnis. Auch wenn in den vergangenen Jahren viel geschehen ist in Sachen Transparenz und Objektivierung -wenn es irgendwie geht, versucht man es sich zu richten. Ein bisserl was geht immer ist der Leitsatz, der viele Leute antreibt, wenn sie was erreichen wollen. Und der sie vergessen lässt, was sie sonst oft so sehr bei anderen aufregt, wenn es um die eigenen Wünsche geht.

So lange ein solche Verhalten zur Kultur im Land gehört, wird sich kaum etwas ändern. Oben nicht und unten auch nicht. Trotz aller Transparenz-und anderer Vorschriften, die man sich verordnen mag.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Dezember 2012

Donnerstag, 5. Dezember 2019

"Dann machen wir eine Flasche auf"



Allerorten scheinen die Weltuntergangspropheten wieder Wind unter die Flügel zu bekommen. Seit Monaten tauchen, immer dichter und immer öfter und mit immer schrilleren Tönen, Meldungen auf, die vom "größten Crash aller Zeiten" reden, der bevorstehe. Die Notenbanken druckten Geld "als gäbe es kein Morgen", heißt es in diesen oft in der Art von Kampfschriften formulierten Texten, und die Konjunktur drohe zusammenzubrechen. Da werden aberwitzig klingende Schulden zusammengerechnet, auf denen die Welt sitze, und von "Zombie-Unternehmen" ist die Rede, die nur durch billiges EZB-Geld am Leben gehalten werden. Die EU gilt diesen Leuten nur als "Schuldenunion". Und bald werde "das größte Notenbankexperiment aller Zeiten", die "Mutter aller Blasen", die "Blase der Staatsanleihen" platzen. 2023 werde das herrschende Geldsystem untergegangen und die Welt im Chaos versunken sein. "2008 war eine leichte Brise, jetzt kommt der Tsunami."

Das Fürchten könnte einem kommen. Vieles von dem, was da geschrieben wird, kann durchaus Angst und Schrecken verbreiten, viele Menschen zutiefst verunsichern, und es hat das Zeug, tatsächlich die Abwärtsspirale in Gang zu setzen, von der man schreibt. Zumal in der internationalen Konjunktur tatsächlich dunkle Wolken aufgezogen sind und die Prognosen über die Entwicklung der Wirtschaft durchaus sehr gedämpft sind.

Man kennt das und man hat es schon mehrmals erlebt. In der Geschichte, auch in der jüngsten, gab es immer wieder solche Phasen. Nicht nur solche mit schlechten Wachstumsaussichten, sondern auch solche, in denen versucht wurde, Krisen herbeizuschreiben.

Freilich mag das irritieren und auch Angst verbreiten, zumal sich auch die weltweite politische Konstellation alles andere als vertrauenerweckend darstellt. Was freilich viel mehr irritiert, ist, dass kaum jemand auftritt, um all die Schwarzmalereien zu relativieren und zurechtzurücken. Kaum jemand setzt sich mit dem auseinander, was da verbreitet wird, und hält mit Argumenten dagegen, die geeignet sind, Zweifel zu beseitigen oder zumindest nicht eskalieren zu lassen. Viel häufiger wird versucht, die Rädchen noch ein Stück weiterzudrehen und damit noch mehr Unsicherheit zu verbreiten.

Die Politik scheint dazu nicht fähig zu sein, aber auch nicht die Wissenschaft oder die Publizistik. Nachrichten, die relativieren könnten, was all die Drama-Kings und Drama-Queens der Wirtschaft schreiben, sucht man vergebens. Nirgendwo etwas, woran sich ein Information- Suchender festhalten könnte. Nirgendwo etwas, was all das entkräften könnte, was da so oft und so drastisch beschrieben wird. Und nirgendwo etwas, was dazu beitragen könnte, diese Stimmung zu bremsen.

Es scheint, als sei die Stimmung überall auf negativ gepolt zu sein. Gut ist, was schlecht ist - das ist für die Gesellschaft über Jahrzehnte zum Mantra geworden, an dem man sich orientiert, an dem man sich festhält und in das man sich hineinsteigert. Nicht nur, wenn es um wirtschaftliche Themen geht. Wie gebannt scheint man auf das fixiert, was schiefgehen kann und sich nicht so entwickelt, wie es sich entwickeln könnte und sollte. Man hat verlernt auf das Gute zu schauen, auf die Chancen, und auch an die Möglichkeiten von Verbesserungen und die eigene Kraft zu glauben. Viel zu oft ist man heute auf das Schlechte fixiert und gibt sich dem mitunter, auch wenn man noch so leidet darunter, mit Wonne hin.

Untergangspropheten haben es in einem solchen Umfeld sehr viel leichter als jene, die versuchen kühlen Kopf zu bewahren und sich der Erarbeitung von Lösungen widmen. Das gilt für die Wirtschaft genauso wie wenn es um den Umgang mit Umweltthemen geht, bei denen die Dinge durchaus ähnlich laufen. Es ist zu wünschen, dass sie sich überwinden, mehr Flagge zu zeigen, um die Negativspirale, in die sich die öffentliche Meinung und viele Menschen bei vielen Themen hineinmanövrieren lassen, zu durchbrechen. Um Ängste zu nehmen, aber auch darum, den richtigen Maßnahmen zum Durchbruch zu verhelfen.

Und es sollte auch darum gehen, jenen, die mit ihren Untergangsprophezeiungen ihr Geld machen, das Geschäft zu vermiesen. Auf die Frage "Was ist, wenn der Crash 2023 gar nicht kommt?" antworteten kürzlich zwei deutsche Untergangspropheten ganz nonchalant: "Dann machen wir eine Flasche Whisky auf und freuen uns."

Wohl weniger darüber, dass ihre Prophezeiungen nicht eingetreten sind, sondern wohl eher, weil sie damit viel Geld gemacht haben.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Dezember 2019

Montag, 2. Dezember 2019

Das Wohl des Borstenviehs ist hart verdient



Die Preise für Schweinefleisch steigen rasant. Für Bauern, die nach Tierwohlprogrammen mästen, macht das die Sache nicht einfacher.

Hans Gmeiner 

Linz. Im Vorjahr waren Österreichs Schweinebauern noch zuversichtlich. Johann Schlederer, Chef der Österreichischen Schweinebörse, erwartete damals noch, dass der Marktanteil von Schweinen, die nach besonderen Tierwohlkriterien – wie der Haltung auf Stroh, mehr Platz im Stall und Auslauf ins Freie und Fütterung mit Eiweiß ohne gentechnisch veränderte Mechanismen (GVO-frei) aus Europa – gemästet werden, zehn bis 15 Prozent erreichen könnte. „Heute glaube ich das nicht mehr“, sagt der Leiter der Schweinebörse, über die ein Großteil der in Österreich erzeugten Schweine vermarktet wird.

Obwohl Tierwohl und Fütterung große Themen sind und die Konsumenten in Umfragen beteuern, dafür Aufschläge von 25 Prozent und mehr zahlen zu wollen, tut sich auf dem Markt wenig. Dabei ist man von derart hohen Aufschlägen zumeist ein gutes Stück entfernt. „Der Aufpreis beträgt gegenüber herkömmlich erzeugtem Fleisch in den Supermärkten zwischen 50 Cent und zwei Euro je Kilogramm“, sagt Schlederer, „das ist frustrierend“.

Derzeit arbeiten nur 76 der rund 26.000 Schweinebauern nach den Vorgaben des AMA-Tierwohlsiegels. Dazu kommen ein paar Dutzend, die ihre Tiere im Rahmen eigener Programme ohne offizielles Siegel produzieren. Insgesamt beträgt der Anteil der Schweine, die in Tierwohlprogrammen gemästet werden, nicht mehr als rund zwei Prozent. „Rechnet man noch die Bioschweine dazu, deren Anteil auch nicht mehr als zwei Prozent beträgt, ist in diesem Segment, auf das alle angeblich so viel halten, zusammengeräumt“, sagt Schlederer.

Unternehmen wie der oberösterreichische Fleischverarbeiter Hütthaler, der für Hofer, Merkur, Maximarkt und M-Preis wöchentlich 650 Schweine von 30 Bauern verarbeitet, sind die Ausnahme. „Wir haben zweistellige Zuwachsraten“, sagt Pionier Florian Hütthaler, der sich mit mehr Platzangebot und Auslauf von ähnlichen Programmen abhebt. Zu schnell will er nicht wachsen, 2020 sollen maximal drei neue Lieferanten dazukommen.

Das Interesse, in solche Programme einzusteigen, ist groß. „Bei uns stehen 130 Bauern auf der Warteliste“, sagt Hütthaler. Bei anderen Anbietern sei es kaum anders, bestätigt Schlederer. Möglicherweise müssen die Bauern noch länger warten. Manche Handelsketten fahren ihr Angebot zurück, weil die Kosten davonlaufen. Der Grund: Statt teures GVO-freies Soja aus Europa zu verfüttern, wird das Eiweißfuttermittel allen Beteuerungen zum Trotz, dass man sich um das Klima sorge, doch oft lieber in Übersee gekauft.

Zusätzlichen Druck macht die Entwicklung der Schweinepreise. Sie gehen seit dem Ausbruch der Schweinepest in China und anderen asiatischen Ländern regelrecht durch die Decke und kratzen an der Zwei-Euro-Marke pro Kilogramm. Zu Jahresbeginn lagen sie noch bei 1,25 Euro. Das macht die Vermarktung von Schweinen aus Tierwohlprogrammen, für die den Bauern Aufschläge von rund 50 Cent je Kilo gezahlt werden, nicht leichter.

Schon bei den Preisen für Standardware müssen sich die Konsumenten auf kräftige Erhöhungen einstellen. „Der Weihnachtsbraten wird heuer im Supermarkt teurer werden“, sagt Schlederer, zu erwarten seien Preiserhöhungen von zehn bis 20 Prozent. Daran werde sich für Konsumenten zumindest 2020 nichts ändern, prognostizierte eine EU-Expertengruppe. Laut Marktkennern könnten es sogar fünf bis sieben Jahre werden.

Denn das, was die Afrikanische Schweinepest in Asien anrichtete, wird noch zu spüren sein. 150 bis 200 Millionen Tiere sind der Seuche bisher zum Opfer gefallen. „Das ist ein Viertel des Weltmarktes und entspricht der gesamten Schweinepopulation Europas“, sagt Schlederer. Der internationale Markt sortiert sich neu. Österreichs Exporteure versuchen, dranzubleiben. Sie liefern derzeit jede Woche 1000 Tonnen Schweinefleisch nach Asien, ein Zehntel der Produktion.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Dezember 2019
 
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