Donnerstag, 23. Februar 2023

Wofür wurden sie gewählt, wenn nicht dafür?

Der Herr Minister Kocher hat sich in die Nesseln gesetzt. Er hat vorgeschlagen, Teilzeitarbeit über geringere Sozialleistungen weniger attraktiv zu machen. Der Herr Minister Rauch hat sich auch in die Nesseln gesetzt. Er will das Gesundheitswesen reformieren und digitalisieren. Auch der Herr Minister Totschnig sitzt in den Nesseln. Er will bei den EU-Umweltministern und Energieministern der Union mitreden, wenn's dort um landwirtschaftliche Themen geht.

Die Reaktionen waren in allen Fällen heftig. Dabei haben die Herren nichts anderes getan, als genau das, was immer von ihnen gefordert wird - zu handeln, nicht zuzuschauen, Vorschläge zu machen, Dinge in Bewegung zu setzen, Weichen zu stellen, die Zukunft zu sichern. Aber nichts davon kam gut an. Wie in Österreich nie etwas gut ankommt, was ein Vorschlag ist. Denn da schillern die Ablehnung und Empörung immer sofort in allen Farben, zumal dann, wenn etwas geändert werden soll. Wie schon zuvor, wenn es um Themen wie Österreich und seine Neutralität ging, um Themen rund um Corona, um Zuwanderung oder um das Pensionssystem. Man schafft es in Österreich einfach nicht, darüber zu reden. Schon gar nicht mit der nötigen Gelassenheit und Ernsthaftigkeit. Stattdessen werden von Parteien, Interessengruppen, Gewerkschaften und Sozialpartnern sofort die Messer ausgepackt, man wirft um eines vermeintlichen politischen Vorteils willen jede Vernunft über Bord und setzt alles daran, jede Diskussion zu vergiften und möglichst schon im Keim zu ersticken.

Im Wochentakt werden selbst große Themen wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf gejagt. Meist ohne jede Folge. Schon gar ohne jede Wirkung und ohne Weichenstellungen für die Zukunft, zumal eine nachhaltige. Und wenn sie noch so notwendig wäre. Bei Kochers Vorschlag ist das so. Wie bei dem von Rauch. Und bei vielen anderen auch.

Bei der Teilzeitarbeit etwa laufen die Dinge zunehmend aus dem Ruder und für Kochers Vorstoß gibt es viele gute Gründe, verbunden mit einem durchaus großen Handlungsbedarf. Zum einen entscheiden sich immer mehr Menschen aus freien Stücken dafür, die Arbeitszeit zu reduzieren, um mehr Zeit für andere Tätigkeiten zu haben. Weil sie es sich leisten können und weil sie die Bedeutung von Arbeit und Freizeit für ihr Leben anders gewichten. Für viele junge Mütter ist die Teilzeit hingegen eine Falle, in der sie gefangen sind, weil es an Betreuungsmöglichkeiten fehlt. Dass allen wegen der geringeren Einzahlungen niedrige Pensionen drohen, ist ein drittes Thema, das in diesem Zusammenhang diskutierenswert ist und die Nöte auf dem Arbeitsmarkt, Leute zu finden, ein viertes. Und wenn man damit noch nicht genug hat -die Sache mit den in Österreich schier unvorstellbar hohen Lohnnebenkosten, die da auch noch mitspielen und oft so viel verbauen, wäre noch ein fünftes.

Über das alles sollte man reden können. Und man sollte auch darüber reden. Genau deswegen werden überall Leute wie Kocher für die Politik gefordert. Leute vom Fach, Leute, die sich trauen, etwas zu sagen, Leute, die sich auskennen.

Mag sein, dass Kochers erstes Statement nicht als Glanzstück gelungener Kommunikation in die Geschichte eingehen wird. Aber das kann und darf doch kein Grund dafür sein, dass das Thema im Handumdrehen von der politischen Agenda gejagt wird. Wie auch Rauchs Vorstoß zur Gesundheitsreform. Über die Verschiebung von Kompetenzen werde "mit Sicherheit nicht diskutiert", hieß es etwa sofort vom burgenländischen Landeshauptmann. Von anderswo klangen die Stellungnahmen nicht unähnlich.

Aber anstatt ernsthaft und fachlich über Themen wie diese zu reden, arbeitet man mit dem politischen Holzhammer und verliert weiter Zeit, die immer drängenderen Fragen zu lösen und die immer stärker ausufernden Ausgaben einzudämmen.

So läuft es bei vielen Themen. Und so, steht nicht nur nach den Beobachtungen in den vergangenen Wochen zu befürchten, wird es freilich noch länger bleiben. Jedenfalls, so lange nicht die Vernunft regiert, sondern eher Haltungen wie jene in den Leserbriefspalten der Kronen Zeitung hofiert werden: "Wer extrem viel Geld dafür bekommt, dass er im Parlament auf seinem Handy surft, und der, wann es ihn immer freut, auf Steuerzahlerkosten auf der ganzen Welt herumfliegt, hat wohl kaum das Recht, über die wirklich arbeitende österreichischen Bevölkerung zu urteilen."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Februar 2023

Donnerstag, 16. Februar 2023

Die eine Wirklichkeit - und die andere

Christine Aschbacher war in der Ära Kurz Arbeitsministerin. Ihre Fortune war überschaubar. Nicht zuletzt, weil man sie nicht mochte. Da kam zupass, dass ihre Doktorarbeit angezweifelt wurde. Schnell stand der Plagiatsvorwurf im Raum. Die Zeitungen waren voll. Jede Gegenwehr schien zwecklos, jede Erklärung verpuffte. Aschbacher trat zurück, der Lächerlichkeit preisgegeben durch die Veröffentlichungen von Zitaten aus ihrem Werk, die befremdlich und schräg anmuteten, aber perfekt ins Bild passten, das von ihrer Magisterarbeit in der Öffentlichkeit gezeichnet wurde.

Jetzt, gut zwei Jahre später, bestätigt die slowakische Uni, an der sie die Doktorarbeit eingereicht hatte, dass kein Plagiat auffindbar sei und sie demnach den Doktortitel behalten dürfe. Dass ihre politische Karriere längst ruiniert ist und auch, wie mit ihr umgegangen wurde, ist kein Thema mehr. Vergessen, abgehakt. Die Vorverurteilungsmaschinerie hat ihre wie immer perfekte und perfide Arbeit geleistet.

Im öffentlichen Leben und vor allem in der Politik ist dieses Muster in den vergangenen Jahren Mode und politisches Instrument geworden. Da werden Verdächtigungen lanciert, da werden Menschen angepatzt, da wird sehr schnell angezeigt. Fakten spielen nur am Rand eine Rolle, vor allem gilt -"es könnte ja etwas dran sein". Das reicht meistens, um die Lawine loszutreten und das Land in helle Aufregung zu versetzen, obwohl noch lange nichts bewiesen ist.

Schon eine Anzeige, und sei sie noch so weit hergeholt, kommt in Österreich sehr schnell - unterstützt und beklatscht von allen Seiten - einem Urteil gleich. Fakten spielen da keine Rolle mehr, Gegenwehr ist zwecklos, wenn sich die Phalanx der Durchblicker formiert hat, die meint, ihr Mütchen an solchen Personen kühlen zu müssen. Christoph Chorherr ist einer von diesen Menschen, die nie eine Chance hatten, und bei denen sich dann aber zeigte, dass sich alle Anzeigen und Klagen in Luft auflösten und jeder Grundlage entbehrten. Sein Pech war Grüner zu sein, prominent, angriffig und nicht überall beliebt.

Aber niemand scheint bei solchen Klagen und Verfahren mehr genau hinschauen zu wollen. Niemand will sich sein einmal gefälltes Vorurteil, zumal dann, wenn es ihm perfekt ins Bild passt, durch Fakten zerstören lassen. Nicht alle, aber viel zu wenige. Das gilt für Verfahren jeder Art, das gilt für Untersuchungsausschüsse und für vieles andere.

Besonders heikel ist das Terrain für die Justiz. Vor allem die Wirtschaft-und Korruptionsstaatsanwaltschaft war es, die in den vergangenen Monaten heftig in die Kritik geriet und die sich gegen Vorwürfe, sich vor parteipolitische Karren spannen zu lassen, wehren musste. "Es handelt sich überwiegend um Politiker von ÖVP und FPÖ, die hier im Zusammenspiel von WKStA, Medien und Linksparteien zur Zielscheibe wurden, politisch gesehen mit bekannten gravierenden Folgen", schrieben konservative Zeitungen. "Rechtlich betrachtet ist freilich bis jetzt wenig übriggeblieben." Nicht einmal bei Strache und Ibiza. Nicht bei Pilnacek und nicht bei Johann Fuchs, dem Chef der Oberstaatsanwaltschaft, und nicht bei anderen. Bei Kurz hat man nach mehr als einem Jahr gerade einmal die Anklage fertig.

Dass es in Österreich in den vergangenen Jahren so weit gekommen ist, hat wohl auch damit zu tun, dass Politiker mit ihrer Verantwortung mitunter sehr leichtfertig umgehen. Politische Verantwortung, zumal solche, die von moralischen Grundsätzen getragen ist, ist keine Kategorie, auf die man sich verlassen könnte, und auch keine, die ernst genommen wird. Durchtauchen und Aussitzen ist sehr viel eher das Mittel der Wahl, als einen Sessel zu räumen, wenn man Fehler gemacht.

Die Wertigkeiten und die Grenzen haben sich verschoben. Die rote Linie ist heute viel zu oft nicht mehr die politische Verantwortung, sondern das Strafrecht. Das mag erklären, dass heute üblich geworden ist, gleich mit Klagen auszurücken, wenn man dem politischen Gegner auf die Pelle rücken will.

Man sollte wieder wegkommen davon und zu einer neuen Gelassenheit zurückfinden. Schon allein um seine Glaubwürdigkeit nicht zu untergraben. Und man sollte nie vergessen, dass ein Verdacht und eine Klage kein Urteil sind. Und schon gar nicht Grundlage für eine Vorverurteilung. Denn wozu bräuchte es dann ein Urteil?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Februar 2023

Donnerstag, 9. Februar 2023

Nehmt endlich die Leute ernst!

 

Die Aufregung ist groß im Land. Die ÖVP und die SPÖ kassierten in Niederösterreich schwere Niederlagen. Der Aufstieg der FPÖ und von Herbert Kickl scheint unaufhaltbar. Über FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl alteriert man sich allerorten und über den Wirt im Salzkammergut, der einen Noch-Chefredakteur am Krawattl gepackt haben soll. Man liest davon, dass man die Kommunikation verbessern müsse und anderes, was man aus der Vergangenheit schon kennt.


Darüber, worüber die Leute reden, was sie denken und was sie bewegt - darüber redet man nicht. Vor allem nicht mit ihnen. Mit denen, die das Land am Laufen halten, ohne die wir alle nicht leben könnten, die unser Essen machen, die Häuser bauen, die die Alten und Kranken versorgen, den Dreck wegputzen oder unsere Autos aus den Straßengräben ziehen. Ganz abgesehen davon, dass man kaum Antworten hat für sie. Nicht einmal für die, die für Waldhäusl und seinen "Wien-wäre noch-Wien"-Sager Verständnis aufbringen.

Und genau das ist das Kreuz mit der Politik, mit den Medien und allen anderen, die immer so beredt alles besser zu wissen scheinen.

Politik ist zu einer Blase geworden, in der sich Leute bewegen, die sich in ihren Kreisen weitaus wohler fühlen als bei denen, die zu vertreten sie vorgeben. Man diskutiert allemal lieber unter seinesgleichen, abgehoben von der Wirklichkeit und kaum je das Wohl der Allgemeinheit im Auge, sondern meist nichts anderes als das Vorankommen der eigenen Karriere.

Was man für Kommunikation hält, ist oft nichts als Technik, erdacht von Technokraten, die meinen, mit Versatzstücken aus einem Baukasten heraus die Leute erreichen zu können. Zu den Leuten kommt man immer weniger damit, schon gar nicht erreicht man ihren Bauch. Wahlkämpfe, wie wir sie zuletzt in Niederösterreich sahen, sind typisch dafür. Massenveranstaltungen, aufgesetzte Freundlichkeit und ein Interesse, das weniger vom Interesse am Menschen, sondern vielmehr vom Interesse an der Stimme getragen ist.

Das gilt für die vielen Politiker und das gilt aber noch viel mehr für die Zirkel, die vornehmlich in Wien die Politik analysieren, ohne je wirklich mit den Menschen in Kontakt zu kommen und zu versuchen, sie zu verstehen. Die in Fernsehstudios und Redaktionen abgeschottet in ihren Blasen über das räsonieren, was ihnen Wahlergebnisse und Umfragen servieren, aber kaum je über die Wirklichkeit. Schick, abgehoben und meist fern der Realität und vom hohen Ross herab.

Erst dieser Tage kursierten wieder Textstücke von prominenten Journalisten von Wiener Magazinen, in denen von "Proletensafaris" geschrieben wird, als man sich in die Wiener Außenbezirke begeben habe, und davon, dass man dort die "hässlichsten Menschen Wiens" gesehen habe, "ungestalte unförmige Leiber" mit "strohigen, stumpfen Haaren". Oder man schrieb von "Außenbezirksgesichtern, alkoholverwaschen und mit schlechten Gebissen". Da fehlt nicht nur jeder Respekt, da fehlt auch jedes Verständnis für die Leute, auf die zu schauen man so gerne vorgibt. Stattdessen nur Verachtung und herablassende Bräsigkeit. Nicht nur in den zitierten Texten.

Dieses Denken und Verhalten hat sich in den vergangenen Jahren breit gemacht. Schnell ist man vorzugsweise mit Nazi-Vorwürfen bei der Hand, und schnell mit Prädikaten wie "hinterwäldlerisch","nicht aufgeschlossen" oder gar "dumm". Schulmeisternd wird wortreich und beredt als unantastbar postuliert, was man für richtig hält, ohne auf das Gegenüber zu hören.

Wurzel des Übels sind die fehlende Bereitschaft die Leute mit all ihren Ansichten in der Tat ernst zu nehmen, aber auch die intellektuelle oberlehrerhafte Hochnäsigkeit, hinter der sich meist Verachtung versteckt. Wer damit zu tun bekommt, hält lieber vorsorglich den Mund und wendet sich ab. Zu einer Umgebung, in der man solchen Beurteilungen nicht ausgesetzt ist, in der man das Gefühl hat, nicht nur so genommen zu werden, wie man ist, sondern auch verstanden zu werden.

Es ist schwierig geworden in diesem Land, und es ist bereits viel kaputt gemacht. Freilich hat man mit einem bisher nie gekannten Anspruchsdenken zu tun, mit neuen gesellschaftlichen und politischen Strömungen, mit populistischer Politik und mit beständig härter werdenden Fronten. Die Entwicklung einzufangen ist eine Riesen-Herausforderung. Aber es gibt keinen Weg, als sich ihr zu stellen. Voraussetzung dafür ist, sich von allen bisher gängigen Mustern zu verabschieden. Und zwar schnell. Sehr schnell.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Februar 2023

Samstag, 4. Februar 2023

Austria Juice – alles andere als ein Saftladen

Apfelsaftkonzentrat war bisher die Domäne des Weltmarktführers. Nun erobert man mit Aromen neue Märkte.

Hans Gmeiner

Kröllendorf. Es ist eine der beeindruckenden Erfolgsstorys der heimischen Wirtschaft. Vor neunzig Jahren gründeten Bauern im niederösterreichischen Kröllendorf eine kleine Genossenschaft, um ihr überschüssiges Obst zu verwerten. Heute ist dort der Sitz der Austria Juice. Das Joint Venture der Agrana und der Raiffeisen Ware Austria ist inzwischen einer der drei größten Erzeuger von Fruchtsaftkonzentraten weltweit. Allein in Kröllendorf werden heute nicht nur 50.000 Tonnen Äpfel pro Jahr verarbeitet.

Von dort aus wird auch das ganze internationale Geschäft abgewickelt – inklusive Containern, die bis nach Japan, Südamerika und Südafrika gehen. Gut 290 Millionen Euro Umsatz wird das Unternehmen heuer machen. 1000 Mitarbeiter stehen inzwischen in den insgesamt 14 Produktionsstandorten von Österreich, über Ungarn, Polen, Rumänien, Russland und der Ukraine bis nach China auf der Gehaltsliste. 700.000 Tonnen Äpfel, Birnen und Beerenfrüchte werden jährlich zu 200.000 Tonnen Fruchtsaftkonzentrat verarbeitet. Bei Apfelsaftkonzentrat ist die Austria Juice die Nummer eins der Welt.

Der Wind auf dem Markt ist rau, die Konkurrenz groß. „Das Umfeld ist sehr wettbewerbsintensiv“, sagt Austria-Juice-Chef Franz Ennser. Als österreichisches Unternehmen habe man es auf solchen Märkten schwer. Obwohl man China an der Weltspitze ablöste und auf dem internationalen Markt mit Qualität und als zuverlässiger Lieferpartner punktet, sucht man beständig nach neuen Wegen. „Der Rohstoff Frucht hat ein ungeheures Potenzial“, sagt Ennser. Und das versucht die Austria Juice zunehmend zu nutzen. Ennser: „Wir wollen daher über unser Stammgeschäft hinaus aus unserem Rohstoff Frucht viel mehr Wertschöpfung herausholen.“

Im Zentrum dabei stehen Grundstoffe für die Getränkeindustrie, sogenannte Fruchtweine und Aromen, die aus den Früchten gewonnen und auch neu zusammengesetzt werden. Aus Frankreich, aber auch aus Spanien und anderen Ländern holte man „Flavouristen“ in die niederösterreichische Provinz. Auf Basis der Früchte entwickeln sie Aromen, die nicht nur in der Getränkeindustrie, sondern auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden.

Auf der Kundenliste stehen inzwischen längst nicht nur große Getränkehersteller aus der Fruchtsaft- und Softdrinkindustrie, sondern auch Wasser- und Spirituosenerzeuger sowie die Brauwirtschaft. Gemeinsam mit den Kunden werden Lösungen und Geschmacksvarianten entwickelt und produziert. Die jüngste Entwicklung ist ein Verfahren zur Reduzierung des Fruchtzuckergehalts in Fruchtsäften ohne Chemie, ohne Zusätze und enzymatische Verfahren. Die Austria Juice macht sich damit nicht nur unabhängiger vom Wettbewerbsdruck auf dem Konzentratmarkt, sondern auch von Wetterkapriolen oder Lieferengpässen bei Früchten. Inzwischen macht die Austria Juice bereits 25 Prozent des Umsatzes in diesem Bereich. In fünf Jahren solle der Anteil bei 50 Prozent liegen, sagt Geschäftsführer Ennser.

Das gefällt der Agrana, die an der Austria Juice die Mehrheit hält. Standen im Konzern bisher in allen Sparten vor allem Menge und Volumen im Mittelpunkt, geht es nun überall auch darum, für die Kunden „einen Mehrwert zu entwickeln“, sagt Markus Mühleisen, der seit eineinhalb Jahren Chef des Konzerns mit 2,5 Mrd. Euro Umsatz ist. „Vieles, was wir bei der Agrana insgesamt vorantreiben, ist bei der Austria Juice bereits zu sehen.“

Insbesondere in der Entwicklung gemeinsamer Lösungen mit den Kunden und in einer konzernübergreifenden Zusammenarbeit der einzelnen Produktionssparten sieht Mühleisen große Möglichkeiten. „In der Vergangenheit lag der Fokus eher in den einzelnen Sparten, jetzt schauen wir, wie wir gemeinsam mehr für die Kunden tun können.“ Nachsatz Mühleisens: „Die starke Fokussierung auf unsere Endkunden wird wichtiger.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 4. Februar 2023

Donnerstag, 2. Februar 2023

Der schwere Stand der Landwirtschaft

Global 2000 sieht eine in den Green Deal-Plänen der EU-Kommission eine „historische Chance“ für eine Pestizidreduktion und sammelt Unterschriften für eine große Petition. Im EU-Parlament war im Jänner die von Wissenschaftlern und Initiatoren der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) präsentierte Initiative „Bienen und Bauern retten!“ großes Thema. Die Rübenbauern bangten in den vergangenen Wochen um die Notfallzulassung für Neonicotinoide für die Beizung des Rübensaatgutes. Und im Hintergrund läuft, einem Dauerbrenner gleich, die Diskussion ums Glyphosat. Der Stand der Landwirtschaft bei all diesen Themen ist kein leichter.

Einfach sind die Zeiten für die Bauern nicht. Und einfacher werden sie schon gar nicht. Auch wenn die Landwirtschaft viele Argumente für sich haben mag – das Verständnis und die Solidarität der Gesellschaft war schon einmal größer. Der Verlust der Biodiversität, der Klimawandel und alles, was damit zusammenhängt, wiegt für immer mehr Menschen schwerer als die Probleme der Bauern. Der Verweis auf die Bedeutung für die Sicherung der Versorgung mit Lebensmitteln verfängt immer weniger.

Selbst gestandene Verfechter eine bodenständigen Agrarpolitik mit Augenmaß sehen Handlungsbedarf. Bei der Grünen Woche in Berlin ließ Leiter der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission, der aus Vorarlberg stammende Wolfgang Burtscher, keinen Zweifel daran, dass er keine Alternative zum Green Deal der EU sieht. „Es gibt keine Alternativen für eine grünere Landwirtschaft“, sagte er. Auch wenn das nicht ohne Auswirkungen auf die Erträge bleibe. Auch Franz Sinabell vom heimischen Wirtschaftsforschungsinstitut lässt keinen Zweifel daran, dass er die Landwirtschaft, in der Pflicht sieht, noch mehr als bisher zum Erreichen der Klimaziele beizutragen. „Die Emissionen im Agrarsektor sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen, aber vom Ziel, den Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 48 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren, ist man dennoch weit entfernt“, sagt er.

Die Landwirtschaft hat fraglos bereits viel beigetragen zu dem, was nun für die gesamte Gesellschaft Ziel ist. Sie hat als eine von ganz wenigen Brachen die Emissionen bereits in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt. Die Agrarpolitik darf stolz sein, dass die Teilnahme an den Umweltprogrammen weiter steigt und alle dürfen sich freuen, dass bei uns nach wie vor bäuerliche Familienbetrieben bestimmend sind und auf mehr als 25 Prozent der Fläche sogar Biolandbau betrieben wird. Klar aber muss sein, dass selbst das nicht reicht. Womit man jetzt schon hadert, wird nicht das Letzte gewesen sein. Klar ist es wichtig, um Augenmaß bei den Maßnahmen zu kämpfen, man sollte sich aber keinen Illusionen hingeben - um weiter Opfer für Klima- und Umweltschutz wird auch die Landwirtschaft nicht umhinkommen.

Für die Bauern geht es darum, sich rechtzeitig darauf einzustellen und damit umgehen zu lernen. Ein Trost mag sein, dass die Ausgangsposition für die Landwirtschaft wohl besser ist als in vielen anderen Bereichen.

Weh tun werden die Veränderungen dennoch. 

Gmeiner meint - Blicks ins Land 2. Februar 2023


Populistische Spiele mit dem Klimawandel

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis das Thema Klimaschutz aus seiner ideologiebefrachteten Ecke heraus- und in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Um das Thema kümmern sich heute nicht nur Grünbewegte und linke Studenten. In weiten Teilen der Gesellschaft ist anerkannt, dass wir etwas tun müssen gegen Klimawandel und Erderwärmung. Doch das Bild scheint zu trügen. Unübersehbar ist inzwischen, dass sich wieder Ideologien der Diskussion bemächtigten und manche Parteien und Politiker dabei sind, durch Herunterspielen und gar Leugnung des Klimawandels dem hemmungslosen Populismus ein neues Feld zu eröffnen - auf der linken wie auf der rechten Seite des politischen Spektrums.

Von der linken Seite her tönen wieder radikale Töne mit klassenkämpferischem Zungenschlag, wie man sie lange nicht mehr gehört hatte. "Menschen, die sich mit der Klimafrage beschäftigen, stellen irgendwann auch die kapitalistische Wirtschaftsweise infrage", sagt etwa Luisa Neubauer, der Kopf der "Friday for future"-Bewegung in Deutschland. Liberale Kommentatoren wie Christian Ortner schlagen längst Alarm und sehen hinter Forderungen wie Tempo 100 oder höhere Ökosteuern weniger ökologische, sondern viel eher radikale politische Ziele. "Es geht nicht ums Klima, es geht um den verhassten Kapitalismus", befindet er in einem Kommentar in der "Presse" und aus seiner Leserpost zitiert: "Du bist doch nur ein bezahlter Speichellecker der Kapitalisten und Neoliberalen! Menschen wie du werden es in der neuen Ökosozialistischen Ordnung sehr schwer haben!" Ob dieser Ton und die radikalen Forderungen und Slogans der Sache dienen, ist in Frage zu stellen. Eher tragen sie wohl zu einer Verhärtung der Fronten bei, anstatt zum Verständnis für das Thema.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums hat der unselige US-Präsident Donald Trump seinerzeit mit dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimavertrag die Schleusen geöffnet. Viele, die die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen anzweifelten, sahen sich dadurch bestätigt und ließen ihre Hemmungen fallen. Schnell wurde der Ton rauer und die Bereitschaft, wirksam gegen den Klimawandel etwas zu unternehmen, weniger. Greta Thunberg als "Klimagretel" zu beschimpfen, wurde in diesen Kreisen genauso schnell üblich, wie die Empfehlung an alle, die an Klimademos teilnahmen oder sich gar an Straßen klebten, sich doch eine Arbeit zu suchen.

Nun lässt auch die Politik, die sich lange aus Kalkül hinter hohlen Stehsätzen zum Thema Klimaschutz verschanzt hat, um sich nicht zu vertun, immer öfter die Hemmungen fallen. Immer öfter wird Kritik an der Klimapolitik und den Klimamaßnahmen zum Programm. Typisch dafür ist in Österreich, wie könnte es anders sein, die FPÖ. Wenn ihr Obmann Herbert Kickl die Klimakleber "Klimaterroristen" nennt, ist er sich des Beifalls seiner Klientel genauso sicher, wie wenn er immer wieder von einer "völlig überbordenden Klimapolitik" spricht. Mit seiner Linie, es als richtig zu bezeichnen, auf nachhaltige Energiequellen umzusteigen, aber die Umsetzung mit der Gefährdung von Wohlstand und Arbeitsplätzen in Verbindung zu bringen, trifft er genau die Ängste vieler Österreicherinnen und Österreicher. Das ist Wachs in den Händen eines populistischen Politikers wie Kickl. Damit kann man Stimmen machen, zumal dann, wenn man, wie er hinzufügt: "Der Klimawandel darf niemals ein anerkannter Asylgrund werden."

Diese Art von Populismus setzt alle ernsthaften Bemühungen um den Schutz des Klimas unter Druck, weil er es erschwert, wirksame Maßnahmen politisch umzusetzen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil, wie auch bei Corona, Zweifel an der Wissenschaft und an der grundsätzlichen Notwendigkeit bedient und verstärkt werden.

Die Klimapolitik befindet sich in einer heiklen Phase. In vielen Bereichen der Gesellschaft und vor allem der Wirtschaft werden festgelegte Ziele und geplante Maßnahmen nicht verstanden. Für viele sind sie oft nicht nachvollziehbar, für viele kontraproduktiv. Überzogene Forderungen verbittern etwa auch gutwillige Bauern und die Industrie, zumal sie das Gefühl haben nicht gehört zu werden. Das macht die Fronten beständig härter.

Dabei sollte es darum gehen, gemeinsam auf die Ziele zuzugehen und die Herausforderungen zu lösen. Das ist von der Politik gefordert und von allen die mitreden, wie die NGOs. Und nichts sonst.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Februar 2023
 
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