Donnerstag, 24. November 2022

Mit alter Tugend durch die Krise

 

Wir stecken in der Krise und die wird immer heftiger, herausfordernder und unerträglicher, heißt es Tag für Tag in den Medien. Auf den Straßen freilich ist davon nichts zu erkennen, nicht auf den Einkaufsmeilen und auch nichts in den Restaurants und Wirtshäusern, in denen oft ohne Reservierung gar nichts geht. "Wien brummt wieder" stand erst neulich in einem Überblick in der "Presse am Sonntag", Konzertsäle seien wieder ausverkauft, in den Einkaufszentren sei man mit dem Geschäft zufrieden und auch in der Gastronomie. "Die Leute kommen wieder, die Gästezahl stimmt." Und Wien ist in ganz Österreich.

Ist das jetzt wirklich die Krise, von der alle reden? Man mag nicht recht glauben, was man liest, weil der subjektive Eindruck oft ein anderer ist. Man hat den Eindruck, Sprit kann gar nicht teuer genug sein, auf den Urlaub möchte auch schon keiner verzichten und jetzt rüstet man für die Skisaison. Man jammert und klagt zwar über die hohen Preise, aber man bucht dennoch, greift zu und bestellt ohne viel Hemmungen. Gar nicht zu reden davon, dass die Wirtschaft im Großen und Ganzen immer noch gut läuft und der Arbeitsmarkt leergefegt ist wie kaum je zuvor.

Das alles passt oft nicht wirklich zu all den Krisen-Schlagzeilen. Die Lage ist eher undurchsichtig und der Verdacht liegt nahe, dass mit den Prognosen, Einschätzungen und Sorgen sehr viel Politik gemacht wird. Politik, die oft mit der Wirklichkeit ziemlich wenig zu tun hat. Pamela Rendi-Wagner wirft sich ins Zeug, der Gewerkschaftsboss auch und der Anführer der Freiheitlichen Partei will Punkte machen mit der Krise und den damit möglicherweise einhergehenden Gefahren.

Womit Schlagzeilen gemacht wird, sind oft Warnungen und Prognosen. Ob sie wirklich die Panik rechtfertigen, in die sich die Aufregung mitunter steigert, steht auf einem anderen Blatt. "Jeder Zweite muss schon beim Essen sparen" ist so ein Schlagzeile aus den vergangenen Wochen, die eine Dramatik erzeugt, die sich in der Realität zumeist anders darstellt. Auch dass der Lebensmittel-Wocheneinkauf heute um gut 15 Prozent teurer ist als vor einem Jahr, ist geeignet Schaudern zu verbreiten und Aufregung. Und selbst, dass aus Pfandhäusern gemeldet wird, dass dort vermehrt "teure Computer, Rennräder, Smartphones, Luxustaschen und Luxusuhren" versilbert werden.

Die Herausforderungen und Gefahren, vor denen wir stehen, sollen hier nicht kleingeredet werden. Aber es sei gefragt, ob die hitzigen Schlagzeilen und die Stimmung, die mitunter verbreitet wird, wirklich gerechtfertigt sind. "Noch ist es kein Erdbeben, aber der Seismograf schlägt schon aus", wird der Caritas-Generalsekretär in einer Zeitung zitiert. Das wird wohl der aktuellen Lage am ehesten gerecht. Denn zwischen all den zuweilen schrillen Umfrageergebnissen ist auch zu finden, dass der Großteil der Menschen in diesem Land ganz gut mit den Teuerungen und all den anderen Herausforderungen zurechtkommt. Man kann damit leben, genauer hinzuschauen und weniger einzukaufen. Da bricht nicht gleich die große Not aus. Man kann es sich leisten, zwei Euro für Diesel und Benzin zu zahlen. Und wenn man nicht jede Woche groß mit der Familie essen geht, bricht auch nicht gleich die Welt zusammen. Schließlich ist Sparen immer noch eine Tugend, die man hierzulande von klein auf lernt. Jetzt ist wohl die Zeit, sie anzuwenden.

Die meisten werden damit durchkommen. Viele freilich nicht. Und um die muss es in der öffentlichen Diskussion und in der Politik viel mehr gehen. Um jene, die wegen der Strom-und Gasrechnung und den hohen Preisen in den Supermärkten wirklich an ihre Grenzen kommen. Die müssen im Mittelpunkt der Sorge stehen. Die alleinerziehenden Mütter, die kleinen Pensionisten und all die anderen, die oft wirklich jeden Cent dreimal umdrehen müssen, um sich das Lebensnotwendige leisten zu können. Und nicht die, die in diesen Tagen jeden Euro dreimal umdrehen, um sich den Skiurlaub doch noch irgendwie leisten zu können oder das neueste Schuhmodell oder Smartphone um 1000 Euro.

Genau diese Unterscheidung scheint keine Rolle zu spielen. Nicht in der öffentlichen Diskussion und auch nicht in der Politik, die immer noch lieber mit der großen Förder-Gießkanne arbeitet, als ihren Ehrgeiz darein zu setzen, gezielt den wirklich Betroffenen zu helfen. Genau das aber wird die große Aufgabe und auch Herausforderung sein. Nur dann ist auch in schwierigen Zeiten genug für alle da.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24. November 2022

Bei den Bauern sitzt das Geld locker

Auch nach Auslaufen der Coronahilfen brummt das Landtechnikgeschäft.

Hans Gmeiner

Wels. Traktoren und Landmaschinen glänzen im Scheinwerferlicht, dazwischen drängen sich die Besucher. Die Stimmung auf der Landtechnikmesse Agraria in Wels ist gut. Die Bauern freuen sich, dass sie sich nach den Coronajahren wieder auf einer Fachmesse über neue Trends informieren können. Und die Aussteller freuen sich, dass die Bauern mit geöffneten Brieftaschen durch die Hallen gehen.

Auch nach dem Rekordjahr 2021, als Landwirte nicht zuletzt dank der Coronahilfen die Ausgaben für Maschinen und bauliche Einrichtungen (PV-Anlagen) gegenüber dem Jahr davor um ein Drittel auf rund 3,2 Mrd. Euro steigerten, wird weiter investiert. Dass der Traktormarkt heuer um mehr als ein Fünftel eingebrochen ist, will man nicht überbewerten. „Wir sehen, dass das Investitionsklima in der Landwirtschaft gut ist“, sagt Reinhard Wolf, Generaldirektor der RWA, des Verbandes der Lagerhäuser. Auch Gunnar Hauser, Österreich-Chef des Traktorherstellers Steyr, ist zuversichtlich. „Wir verkaufen sehr gut, auch weil die Landwirte mit ihren Produkten ganz gut verdienen.“

Anders als bei Traktoren gibt es in der Landtechnik keine Rückgänge. „Wir hatten das Loch nicht“, sagt etwa Gregor Dietachmayr, Geschäftsführer bei Pöttinger, dem größten heimischen Landtechnikhersteller. „Der österreichische Markt läuft nach wie vor auf einem hohen Niveau, wir hatten im vorigen Jahr ein leichtes Wachstum, aktuell zeichnet sich sogar ein noch stärkerer Zuwachs ab.“

Sorgen machen unverändert Unterbrechungen in den Lieferketten und die damit verbundenen Probleme. „Die Zulieferindustrie ist nach wie vor überfordert“, sagt Dietachmayr. „Bei den Lieferzeiten sind wir daher noch lange nicht bei der Situation, wie wir sie vor Corona hatten.“ Bei Mähdreschern sowie bei manchen Traktormodellen redet man in der Branche von Lieferzeiten von bis zu zwei Jahren. Auch Steyr bleibt nicht verschont, „aber es wird merkbar besser“, sagt Hauser. „Unsere Lieferzeiten liegen derzeit bei rund vier Monaten, aber wir waren schon bei bis zu einem Jahr.“

Alle hoffen, dass die Stimmung hält. „Die Prognosen für Agrarpreise für die nächsten 12 bis 16 Monate sind gut“, sagt Dietachmayr, daher sollte die Nachfrage stabil bleiben. Man bleibt aber vorsichtig, „wir sind sensibilisiert, und wissen dass sich das Blatt schnell wenden kann“, sagt der Pöttinger-Chef.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft , 24. November 2022

Donnerstag, 17. November 2022

Die österreichische Seele

"Machen wir Buben-Urlaub" und "Jetzt musst du mir beim ORF helfen" schrieb der eine. Der andere riet dem damaligen Vizekanzler Strache ganz amikal, eine Intervention für einen ORF-Posten über seinen Parteifreund Steger zu spielen, weil "du brauchst ja eventuell noch Eskalationsstufen, bevor was auf Chefebene ist". Mit allzu freizügigen Chats haben sich in der vergangenen Woche gleich zwei Chefredakteure aus ihren Jobs gesprengt.

"Wie kann man nur so dumm sein, über so etwas zu chatten, wo doch jeder weiß, dass jedes Schriftl ein Giftl ist" ist nicht selten zu hören. "Da mach' ich doch so etwas nicht." Als ob sie das Problem wären. Dabei sind sie allenfalls Zeugnis einer besonderen Dreistigkeit. Das eigentliche Problem ist ein ganz anderes, es ist das Denken, das dahintersteckt. Dass man glaubt sich alles richten zu können und zu müssen. Dass nichts ohne Intervention gehen kann und nichts ohne gute Kontakte. Dass es überall diese Erwartungshaltung gibt, dass jemand etwas für einen in die Wege leitet. Sei es für einen Job als Generaldirektor in der größten Rundfunkanstalt des Landes oder für den Ferialjob in irgendeiner Besenkammer irgendeines Stadt-oder Gemeindeamtes.

Das Problem ist auch, dass man es sich in diesem Land offenbar ziemlich ungestört und immer akzeptiert richten kann, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Ganz im Gegenteil, dass es als geschickt gilt, es so anzulegen, als gescheit und vernünftig. Und dass man allerorten Anerkennung erntet dafür.

Das Problem ist vor allem auch, dass es wirklich funktioniert. Weil alle mitspielen und wohl auch weil alle selbst erwarten, dass es ihnen einmal nützen könnte.

Und das ganz große Problem aber ist wohl, dass sich da offenbar jederzeit ein Staat im Staat etablieren kann, ein Klüngel, der es sich richtet in und auf Kosten öffentlicher Institutionen. Leute, denen Gesetze wenig gelten und demokratische Einrichtungen und entsprechende Wege.

Wer in diesem Land gute Freunde und Beziehungen hat, hat auch Anerkennung. Längst hat man alles institutionalisiert. "Netzwerken" heißt das neudeutsch. Und wer sich gut darauf versteht, wird bewundert. Und man denkt sich nicht einmal mehr etwas dabei und lädt zuweilen ganz offiziell zu sogenannten "Netzwerktreffen".

Früher hat man es Freunderlwirtschaft genannt und die ist wohl so alt wie Österreich. Eine Hand wusch schon immer die andere in diesem Land. Besonders eindrücklich zeigt das in diesen Wochen auch der Präsident des Fußballbundes, der in die Schlagzeilen geriet, weil er nichts dabei fand, für seinen Verlag bei ÖFB-Partnern Inserate zu akquirieren.

Immer spielten alle mit bei solchen Spielchen. Nun, man kann durchaus sagen, das Land ist nicht wirklich schlecht gefahren damit, nicht zuletzt deshalb, weil die überwiegende Mehrheit von diesem Verhalten profitierte. Überall, ganz oben wie ganz unten, erwartet man Hilfe und Unterstützung, als ob alles ein Geschäft wäre. Gibst du mir, geb' ich dir. Krieg' ich das, wähl ich dich. Setzt du dich da für mich ein, tu ich es dort.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass das Land so funktioniert. Viele leben gut damit und davon. Aber wir haben dabei vergessen, dass viele deswegen draufzahlen. Dass das zu Lasten anderer geht, nicht nur von Menschen, sondern auch von Institutionen und der Allgemeinheit, die für private Interessen benutzt und ausgenutzt werden, als gehörten sie einem.

In anderen Ländern ist es angeblich anders. Um wie viel weiß man nicht. Anhalten kann man sich nur an internationalen Vergleichen, wie dem alljährlich von Transparency International veröffentlichten Korruptionsranking. Und das zeigt, dass Österreich seit Jahren permanent nach hinten rutscht.

Wie das Land aus diesem, wie es schon vor Jahrzehnten der damalige Bundespräsident Kirchschläger nannte, "Sumpf" kommt, muss sich erst weisen. Noch mehr Gesetze und Vorschriften, noch mehr Kommissionen und noch mehr Objektivierungs-Raster scheinen nicht unbedingt der allein zielführende Weg zu sein.

Was es bräuchte, wäre wahrscheinlich ein anderer Zugang zur österreichischen Seele. Denn die ist wohl ein Sonderfall, wie die jüngsten Umfragen zeigen, die ausgerechnet die FPÖ wieder an der Spitze sehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. November 2022

Donnerstag, 10. November 2022

Sind wir die richtige Adresse beim Klimaschutz?

Seit Montag dieser Woche tagen, diesmal im ägyptischen Sharm el Sheik, wieder Heerscharen von Experten aus Wissenschaft und Politik bei der Welt-Klimakonferenz der UNO, der 27. mittlerweile. Von "tragischer Verspätung" im Klimaschutz ist die Rede und davon, dass die Welt weit entfernt davon ist, die immer bedrohlichere Erderwärmung zu stoppen. Und das, obwohl es seit Jahren heißt "Jeder muss tun, was er tun kann". Aber ist das wirklich so? Sind wir als Einzelne die richtige Adresse? Und überhaupt - ist es schon genug zu tun, was man kann? Man kann ins Grübeln kommen. Und man sollte es auch. Denn die Realität ist nicht so simpel, wie sie oft dargestellt wird und die Lösungskonzepte mit dem Problem zurechtzukommen sind es schon gar nicht. Natürlich soll jeder und jede seinen Beitrag leisten. "Ja eh" ist man aber geneigt zu sagen, "aber was ist mit den anderen, die das nicht tun?" und was mit der Politik, die die wirklich entscheidenden Weichenstellungen nicht zusammenbringt? Schon gar nicht auf internationaler Ebene.

Auf den Autobahnen verstopfen Lkws wie eh und je den Verkehr, um oft nicht viel mehr als Luft, billigen Tand und Sachen, die schnell weggeworfen werden, quer durchs Land und über den Kontinent zu transportieren, weil dem kein Einhalt geboten wird. Die Fluglinien bieten wie eh und je Flüge zu Schnäppchenpreisen an, weil niemand "Schluss damit" sagt. Schnell nach Paris, Spanien oder Griechenland zu fliegen, gehört wieder zum guten Ton. Und eine Spritzfahrt mit dem Auto auf einen schnellen Urlaub oder einen Wochenend-Trip sowieso. Lebensmittel werden, wie eh und je, rund um den Globus gekarrt und wenn die Super-Frachter mit Ware aus China nicht nach Europa kommen, wird der Wirtschaft schnell bange. Und da ist noch gar nicht die Rede von den USA, China oder Indien, davon, dass in solchen Ländern der Umweltschutz eine untergeordnete Rolle spielt und in Brasilien der Wald am Amazonas abgeholzt wird. Oder vom Krieg, der nur 1.000 Kilometer von uns entfernt tobt, mit allen seinen fürchterlichen Folgen, wohl auch fürs Klima.

Kann vor diesem Hintergrund der Einzelne wirklich so viel dafür, dass unser Klima am Kippen ist? Und kann er, respektive sie, so viel tun, dass alles wieder gut wird? Man kann verstehen, dass viele ratlos zurückbleiben und sich schwer tun damit mitzumachen. Dass sie die Kids von "Friday for Future" nicht mögen und schon gar nicht die Aktivisten, die sich auf die Straßen kleben oder Kunstwerke anschütten.

Dass vor diesem Hintergrund die Bereitschaft, um des Klimas Willen auf etwas zu verzichten, nicht überbordend ist, ist nachvollziehbar. Und auch, wenn jemand daran zweifelt, ob es überhaupt so viele Einzelne gibt, überhaupt im kleinen Österreich, die etwas bewirken könnten, wo es doch auf der weiten Welt ganz anders ausschaut.

Fraglos soll und muss auch vor diesem Hintergrund jeder Einzelne dazu angehalten sein, seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Das darf aber nicht davon ablenken, dass ganz andere Maßnahmen und Weichenstellungen nötig sind, als in Wien, Linz oder Graz mit dem Rad zu fahren, im Garten einen dritten Baum zu setzen oder ungebleichtes Papier in den Drucker zu legen. Da braucht es größere Weichenstellungen, um irgendetwas zu bewirken. Politische, technologische, internationale. Da sollte sich niemand etwas vormachen. Und darum sollte man auch niemanden überfordern. Nicht gesellschaftlich, nicht persönlich und nicht politisch.

Die großen und die wirksamen Lösungen müssen von woanders kommen. Und das kann nur die Politik sein. Durch internationalen Konsens, durch internationalen Willen und dadurch, dass sie gemeinsam Weichen stellt und klimafreundlichen Technologien und Konzepten zum Durchbruch verhilft. Es muss ja nicht gerade ein Krieg sein wie Putins Überfall auf die Ukraine, der der Energiewende im Westen offenbar einen Turboschub verpasst.

Möglich ist es, die Klimakrise zu stoppen. Auch wenn das, was bisher geschah, noch zu wenig ist. Aber unter all den schrill-negativen Tönen dieser Tage sind auch zuversichtliche zu finden. Die Internationale Energieagentur spricht bereits von einer historischen Wende. Erstmals sei der "fossil peak" nahe, ein endgültiges Abflachen des Verbrauchs von Kohle, Öl und Gas.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. November 2022

Donnerstag, 3. November 2022

Vier Pfoten, das FiBL und die Boku – mehr brauchen die Bauern nicht

 

Es war wieder eine dieser Studien, die Schlagzeilen machen, und die vor allem in der Landwirtschaft verunsichern und ärgern. Diesmal waren es die Tierschutzorganisation Vier Pfoten, die mit den Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und das Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur, die gemeinsame Sache machten. „Pflanzliche Ernährung könnte den Weg zu den Klimazielen ebnen“ lautete der Titel der APA-Meldung noch vergleichsweise harmlos. Da wärmt man sich auf mit Sätzen wie „Je weniger Fleisch, desto besser für Tier, Umwelt und letztendlich auch den Menschen“, um dann zum Kern zu kommen. Zitat der Vier-Pfoten-Kampagneleiterin aus der Aussendung: Das Studienergebnis zeige, "dass bei einem geringeren Fleischkonsum nicht nur entsprechend mehr Platz und damit mehr Lebensqualität für die verbleibenden Tiere vorhanden wäre, sie könnten auch alle auf der Weide leben“. Man spreche von rund 140.000 Hektar, die im Fall einer Fleischreduktion um zwei Drittel frei würden und von rund 637.000 Hektar bei einer vegetarischen Ernährung. „Bei veganer Ernährung, bei der keine Nutztiere zur Produktion von Lebensmitteln nötig wären, beträgt die zusätzliche zur Verfügung stehende Fläche sogar fast 1.780.000 Hektar". Etwa für Renaturierung, für das Anlegen von Mooren zur CO2-Speicherung oder Bio.

Wie bei vielen dieser Machwerke geht es nicht um die Weiterentwicklung der Landwirtschaft und darum, wie sie ihre Aufgaben, zumal als unter den aktuellen Herausforderungen wie Versorgungs- und Klimakrise, erfüllen kann, und schon gar nicht um die Bauern, sondern einfach darum, der Landwirtschaft den Stecker zu ziehen.

Warum, fragt man sich, macht da die Universität für Bodenkultur mit? Und warum das FiBL? Warum lassen sich die beiden Einrichtungen mit solchen Auftragsstudien vor den Karren einer NGO spannen, der es ganz offensichtlich kaum ernsthaft um eine Sache, sondern um maximale Verunsicherung geht. Ist das niemandem von den Verantwortlichen dort peinlich?

Man mag ja über diese Zahlen diskutieren, aber mit der Realität und ihren Anforderungen auch mit der Sache, für die sie vorgeben sich einzusetzen, haben sie nichts zu tun. Und nichts zu tun haben Studien wie diese vor allem auch mit den Menschen, ihren Bedürfnissen, ihren Vorstellungen und ihren Nöten. Nicht mit denen der Menschen außerhalb der Landwirtschaft, die essen wollen was ihnen schmeckt, und das halbwegs günstig, und die nicht bevormundet werden wollen. Und schon gar nichts zu tun hat es mit Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten und davon leben müssen und wollen.

Warum gehen Studien wie diese völlig an den Menschen vorbei? Warum werden nie die wirtschaftlichen Folgen beleuchtet und die Folgen für den Arbeitsmarkt, für die Landschaftserhaltung und Naturpflege oder für die Preise für Lebensmittel? 

Warum lässt man sich immer an den Bauern aus? Es ist nicht nachzuvollziehen. Dabei gäbe es, wenn es schon ums Klima gehen soll, ganze Bereiche, um die man sich sehr viel dringlicher kümmern sollte.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 3. November 2022


Mittwoch, 2. November 2022

Umweltpläne der EU machen Bauern nervös

50 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel sollen Bauern ab 2030 einsetzen dürfen. Für sie eine „mission impossible“, sie schlagen anderes vor.

Hans Gmeiner

Wien. Die Pläne der EU-Kommission zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln machen die Bauern zunehmend nervös. Um 50 Prozent soll bis 2030 die Menge an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln reduziert werden. Das sieht die Farm-to-Fork-Strategie vor, mit der Europas Landwirtschaft umweltfreundlicher gemacht werden soll. In besonders sensiblen Regionen wie etwa in den Natura-2000-Gebieten im Salzburger Flachgau, im Marchfeld oder in der Wachau sollen überhaupt keine Pflanzenschutzmittel mehr verwendet werden dürfen.

„Wir glauben, dass die Ziele, wie sie jetzt formuliert sind, so nicht realisierbar sind“, sagen Christian Stockmar, Sprecher der Industriegruppe Pflanzenschutz, und Ernst Karpfinger, Obmann der heimischen Rübenbauern und Vorsitzender des Fachbereichs für Getreide in der AMA. „Das ist eine ,mission impossible‘“. Sie sehen insbesondere die Versorgungssicherheit gefährdet und warnen davor, dass der Landwirtschaft, die angesichts des Klimawandels, zunehmender Trockenheit und Ernteverlusten vor großen Herausforderungen stehe, wichtige Werkzeuge zur Produktion von Lebensmitteln genommen werden. Erträge könnten damit nicht mehr gut abgesichert werden und man warnt davor, dass es Europa mit der Versorgung mit Nahrungsmitteln gehen könnte wie derzeit mit der Gasversorgung. „Wenn dadurch in Europa die Produktion sinkt, wie es viele Analysen vorhersagen, müssen wir die Ware von anderswo herholen“, sagt Karpfinger. Damit würden Probleme nur verlagert und Abhängigkeiten erzeugt. „Damit ist dem Klima nicht geholfen, ist den Insekten nicht geholfen, damit ist niemandem geholfen.“

„Die Sorgen der Gesellschaft sind legitim, aber man darf nicht reflexartig alles auf das Thema Pflanzenschutz abladen“, sagt Manfred Weinhappel, Pflanzenbauexperte der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. „Es gibt ja da auch noch Themen wie die Klimaerwärmung oder die Bodenversiegelung, die wichtige Rollen spielen, zudem haben auch nicht chemische Pflanzenschutzverfahren wie etwa Abflämmen Auswirkungen auf die Ökosysteme.“

Weinhappel stößt sich insbesondere an den starren Vorgaben. „Wir wollen Schaderreger und Pflanzenkrankheiten, die in der Natur auftreten, einer mathematischen Gesetzmäßigkeit unterwerfen, das funktioniert nicht.“ Da werde überhaupt nicht mehr berücksichtigt, was in der Natur stattfinde. „Wir haben heiße Jahre, wir haben feuchte Jahre, wir haben trockene Jahre, das kann man nicht einfach der Mathematik unterwerfen.“

Zu kämpfen haben die Bauern auch mit einer statistischen Besonderheit. In Österreich – als einem von ganz wenigen Ländern in der EU – werden „inerte Gase“ wie Kohlendioxid, das vorwiegend bei der Lagerung von Obst und Biogetreide eingesetzt wird, seit 2016 als Pflanzenschutzmittel geführt. Seither muss sich die Landwirtschaft vorhalten lassen, dass hier der Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln so stark zunimmt wie kaum sonst wo. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall. Laut einer Aufstellung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) ist der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, die im Fokus der Kritik stehen, von 2016 bis 2021 um 22,1 Prozent zurückgegangen.

„Wir haben sehr viel gelernt“, sagen die Bauernvertreter. „Es ist ja nicht so, dass nichts passieren würde.“ Sie verweisen auf ein aufwendiges Warndienstsystem, das für Bauern jederzeit abrufbar ist und aktuelle Informationen bietet, auf das Schadschwellenprinzip und auf neue Technologien wie GPS, die helfen, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zu optimieren und damit zu reduzieren.

Statt eines willkürlichen Einsparungsziels wünschen sich Bauern und Industrie mehr Verständnis, Kontinuität in der Weiterentwicklung und einen praxisgerechteren Weg. „Wir brauchen keine Politik der Verbote, sondern eine Politik, die Perspektiven schafft“, sagt Industriesprecher Stockmar. Mit diesem Wunsch stoßen er und die Bauern einstweilen auf taube Ohren. „Auf der einen Seite will man eine Technologie verbieten, auf der anderen Seite gibt es Anträge für neue, modernere und bessere Produkte, aber die werden nicht einmal bearbeitet.“ Es gäbe Lösungen, sagt er. „Die Pflanzenschutzmittelindustrie hat sich verpflichtet, bis 2030 insgesamt 14 Mrd. Euro in Forschung und Innovation mit Schwerpunkt biologische Pflanzenschutzmittel und Digitalisierung zu investieren.“

Die minus 22 Prozent beim Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in den jüngsten zehn Jahren waren für die Experten nicht das letzte Wort. „Wir denken schon, dass sich der Weg fortsetzen lässt und eine Einsparung in dieser Größenordnung auch in den kommenden Jahren möglich ist.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. November 2022

Bauern fürchten wegen Umweltschutz um Versorgung

 

Wien. Österreichs Bauern sehen die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln in Gefahr, wenn Pläne der EU-Kommission zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln umgesetzt werden wie vorgesehen. Die aktuellen Ziele seien in der aktuellen Formulierung „nicht umsetzbar“, es sei eine „mission impossible“, also ein nicht erfüllbarer Auftrag, sind sich Christian Stockmar, Sprecher der Industriegruppe Pflanzenschutz, und Ernst Karpfinger, Obmann der heimischen Rübenbauern und Vorsitzender des Fachbereichs für Getreide in der AMA, einig. In ihren Augen ist mit den geplanten neuen Zielen die heimische Versorgungssicherheit in Gefahr.


Die auf zehn Jahre angelegte sogenannte Farm-to-Fork-Strategie (F2F) der EU zielt darauf ab, das europäische Lebensmittelsystem nachhaltiger zu gestalten. Darin vorgesehen ist etwa, bis 2030 den Einsatz chemischer Pestizide um 50 Prozent zu verringern, auch die Verwendung gefährlicherer Pestizide soll um 50 Prozent gesenkt werden.

Die heimischen Bauern warnen nun davor, dass der Landwirtschaft – die angesichts des Klimawandels, zunehmender Trockenheit und Ernteverlusten ohnehin schon vor großen Herausforderungen steht – wichtige Werkzeuge zur Produktion von Lebensmitteln genommen werden. Erträge könnten damit nicht mehr gut abgesichert werden.

Europa könnte es bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln so gehen wie gerade mit der Gasversorgung. „Wenn dadurch in Europa die Produktion sinkt, wie es viele Analysen vorhersagen, müssen wir die Ware von anderswo herholen“, sagt Karpfinger. Damit würde aber das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert. Dafür würden neue Abhängigkeiten erzeugt. Damit sei weder dem Klima noch den Insekten geholfen, warnen die Bauern

Salzburger Nachrichten - Seite 1, 2. November 2022
 
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