Dienstag, 26. April 2011

Ohne Not unter Druck gebracht




Auf den ersten Blick mag den Tierschützern, der Volksanwaltschaft und den Plänen von Gesundheitsminister Alois Stöger, die Kastenstände in der Schweinezucht zu verbieten, zuzustimmen sein. Aber nur auf den ersten Blick.
Auf den zweiten und dritten nicht mehr – Tierschutz hin, Ferkelschutz her. Da geht es auch um die Rechtssicherheit, um die Konkurrenzfähigkeit und um die Rolle der Volksanwaltschaft. Denn schließlich haben die Schweinebauern gerade mit großem finanziellen Aufwand dem erst sechs Jahre alten österreichischen Tierschutzgesetz entsprechend ihre Stallungen umgebaut. Jetzt drohen ihnen neuerlich hohe Investitionen. Das ist für sie nicht nachvollziehbar, zumal ihre Stallungen auch bereits den EU-Vorschriften entsprechen.

Einer der wenigen selbsttragenden und international konkurrenzfähigen Zweige der Landwirtschaft würde ohne Not aufs Spiel gesetzt. Und das alles, weil es Tierschützern gelang, die Volksanwaltschaft für ihren Feldzug gegen die Bauern zu gewinnen. Das macht den Bauern Sorgen. Sie fürchten, dass auf diesem Weg der Tierschutz in Österreich zum Spielball und die Tierhaltung zu einem Vabanquespiel wird.

Die Fronten scheinen festgefahren. Die Vertreter der Schweinebauern beklagen, dass weder der zuständige Volksanwalt noch Minister Stöger mit ihnen geredet hat. Immerhin gibt es auf politischer Ebene Gespräche. Man muss gespannt sein, wie sie ausgehen – allein um besser zu erfahren, wie Österreich tickt.

Kommentar Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 29. April 2011

Schweinebauern schlagen Alarm




Durch einen geplanten österreichischen Alleingang im Tierschutz fühlen sich die heimischen Schweinebauern bedroht.

HANS GMEINER Salzburg (SN). „Eisengestänge, das horrendes Tierleid verursacht“ nennen es die Tierschützer, ein „Ferkelschutzkorb“ ist es für die Bauern. In der Auseinandersetzung um die Haltung von Zuchtsauen für die Ferkelproduktion, in deren Mittelpunkt der sogenannte Kastenstand steht, gehen die Wogen seit Monaten hoch. Nach einer sogenannten Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft will der für den Tierschutz zuständige Gesundheitsminister Alois Stöger nun das bisher in Österreich und in den meisten Ländern Europas übliche System zur Haltung von Zuchtsauen verbieten. In der Bauernschaft stößt er damit auf heftigsten Widerstand.

Die Lage ist verzwickt. Das derzeit geltende Tierschutzgesetz, das nun verschärft werden soll, trat erst vor sechs Jahren in Kraft. Es sieht die Umstellung der Zuchtsauenhaltung auf die sogenannte Gruppenhaltung bis 2013 vor. Ab dann dürften demnach in Österreich Zuchtsauen nicht mehr ganzjährig in Kastenständen gehalten werden. Sind sie nicht gerade trächtig, müssen sie frei laufen können. Die Haltung in Kastenständen ist nur rund um den Beginn der Trächtigkeit und die Geburt der Ferkel zulässig. In der Praxis bedeutet das, dass ein Zuchtschwein rund 20 Wochen pro Jahr in solchen Ständen zubringen muss, den Großteil des Jahres aber frei laufen kann.Investitionen wären bedroht Rund 60 Prozent der insgesamt 10.000 heimischen Schweinezüchter haben in den vergangenen Jahren mit viel Geld die Ställe auf den letzten Stand gebracht und erfüllen bereits jetzt die Anforderungen des neuen Gesetzes. Gerade diese Bauern kämen besonders zum Handkuss. Sie müssten neuerlich umbauen, denn Stöger will nicht nur kürzere Standzeiten für die Sauen in den Kastenständen sondern auch mehr Raum für sie. Die Bauern laufen dagegen Sturm. „Wir setzen EU-Recht 1:1 um“, sagen sie. „Nun müssten sie neuerlich zehntausende Euro in die Hand nehmen“, sagt Walter Lederhilger, der Obmann der Vereinigung österreichischer Schweinehalter (VÖS).

Einen Vollerwerbs-Schweinezüchter mit knapp 100 Zuchtsauen kostet der neuerliche Umbau und die Anpassung an die von Stöger geplanten Haltungsvorschriften rund 250.000 Euro, rechnet die VÖS vor. „Es würde ja nichts mehr zusammenpassen“, sagt Lederhilger. „Man müsste alles wieder herausreißen.“

Die Ferkel verteuerten sich dadurch um rund 20 Prozent. Auf dem umkämpften Markt, der ohnehin bereits unter starkem Importdruck steht, wäre das nicht nur für die Züchter, sondern auch für die Schweinemäster, die die Ferkel großziehen, eine Katastrophe. Sie kämpfen ohnehin um jeden Cent. „Das wäre der Anfang vom Ende der heimischen Schweineproduktion“, heißt es.Widerstand von Berlakovich Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich sieht das ähnlich. „Ich sehe keinen Sinn darin, mit einer überschießenden Verordnung Schweinebauern zu ruinieren“, sagt er. „Wenn das kommt, hören vor allem die kleinen Bauern auf.“ Zudem fürchtet er weitreichende Folgen. „Möglicherweise kippt der gesamte Tierschutz.“

Es geht aber nicht nur ums Geld. „Es geht auch um den Schutz der Ferkel und um den Schutz der Menschen vor den oft aggressiven Tieren“, sagt Lederhilger. „Ohne Schutzkörbe erdrücken Zuchtsauen immer wieder Ferkel.“ Eine Studie errechnete, dass die Körbe in Österreich den Tod von rund 500.000 Ferkeln verhindern.

Lederhilger hofft, dass der Kelch an den Schweinebauern vorübergeht. Berlakovich, der die Stöger-Verordnung unterschreiben muss, signalisiert Unterstützung. „Es kann nicht sein, dass heimisches Fleisch aus der Produktion gedrängt wird und wir dann umso mehr aus Ländern importieren müssen, die keine so strengen Vorschriften haben wie sie bei uns kommen sollen.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 26.04.2011

Donnerstag, 21. April 2011

Merkwürdige Schöpfung Funktionär





Mit dem überraschenden Rücktritt Josef Prölls schlug die Stunde der Parteifunktionäre. Wieder einmal. Und wie immer in Fällen, denen eine große Portion an Überraschung innewohnt. Da glühen die Telefondrähte, da brodelt die Gerüchteküche, da werden Informationen gestreut und ausgetauscht. Hinter vorgehaltener Hand und unter dem Siegel der Verschwiegenheit, versteht sich.

Ein richtiger Zirkus, zuweilen großes Kino, wie da Namen lanciert werden und verschwinden. In Wien, in den Landeshauptstädten, draußen in den Gemeinden. Die Funktionäre spüren in Situationen, wie sie in den vergangenen Tagen die Volkspartei erlebte, den "Atem der Politik“ wie sonst kaum. Keine Frage, dass das zum Spekulieren animiert.

Das ist, nimmt man ein durchschnittliches Funktionärsdasein als Maßstab, durchaus verständlich. Etwas anderes bleibt den allermeisten von ihnen ja nicht.

Viel ist das freilich nicht. Selten wird den Funktionären so drastisch vor Augen geführt, wie machtlos sie eigentlich sind, wie gering ihr Einfluss, welche Position ihnen wirklich zugedacht ist und wie groß die Defizite von vorgeblich demokratischen Strukturen sind, wie sie Parteien vorgeben zu leben - gerade dann, wenn es um grundsätzliche Entscheidungen und Weichenstellungen geht.

"Oben“ sind die paar wenigen, die den Ton angeben. Dann kommt das Fußvolk - auf Informationsbrösel angewiesen, abgeschnitten von den echten Diskussionen, draußen gehalten vor der Tür.

Dort werden die Funktionäre zuweilen mit der Frage allein gelassen, wozu sie eigentlich da sind. Nur zum Aufzeigen? Nur zum Zustimmen? Nur zum Flugblattverteilen?

Sie, nicht nur die sogenannten "kleinen“ Funktionäre, sondern auch viele von denen, die in der Öffentlichkeit als mächtig eingeschätzt werden, müssen damit leben, dass sie mit den Gängen in diesem Land wenig zu tun haben. Jedenfalls viel weniger, als sie selbst gerne hätten, und oft viel weniger, als sie anderen sonst so gerne glauben machen.

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie darauf zurückgeworfen sind, das zu trommeln, was oben ausgegeben wird. Das macht den Funktionär, respektive die Funktionärin, zu merkwürdigen Schöpfungen. Denn diese unklare Position schmerzt, so scheint es, nur wenige. Und genau das schmerzt. Allein Funktionär zu sein, füllt allzu viele reichlich aus. Ganz im Sinne von funktionieren.

Viele leben gut damit, zumal dann, wenn sie im Genuss von Aufwandsentschädigungen stehen. Da verteidigen sie beredt an den Stammtischen des Landes, was von oben kommt, akzeptieren die Entscheidungen, stellen sich hinter die ihnen vorgesetzten neuen Leute und hoffen das Beste.

Viele freilich wollen genau das nicht. Und das ist wohl auch ein Grund dafür, dass sich nicht nur Parteien, sondern auch andere Organisationen und Unternehmen immer schwerer damit tun, jemanden zu finden, der sich für eine Funktion hergibt. Viele Funktionäre geben dann auf. Bloß Stimmvieh, bloß Zettelverteiler, bloß Wählerbetreuer wollen sie nicht sein.

Die Parteien, Kammern und Organisationen haben das Problem durchaus erkannt. Ein Patentrezept, den demokratischen Ansprüchen an ein Funktionärsamt nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der gelebten Praxis gerecht zu werden, haben sie freilich noch nicht gefunden. Für die Verantwortlichen in den Führungsetagen ist es eine heikle Gratwanderung. Viele Entscheidungen können einfach nur abseits der Öffentlichkeit getroffen werden, allein schon um die Personen, um die es geht, zu schützen.

Befriedigend sind all die Versuche - von Votings, SMS- und E-Mail-Diensten, Informationsveranstaltungen und Hintergrundgesprächen bis hin zu bis Telefonketten - das Problem zu lösen, bisher freilich allesamt kaum.

Das sollten sie aber sein. Denn angesichts der grassierenden Müdigkeit, öffentlich Ämter zu übernehmen, wird genau das zur Überlebensfrage. Nicht nur für die Volkspartei, sondern auch für alle anderen Parteien und Organisationen, deren Existenz auf der Beteiligung möglichst vieler Menschen beruht.

Mit Namen gezeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers übereinstimmen.

Raiffeisenzeitung "Meine Meinung" - 21.April 2011

Mittwoch, 20. April 2011

Milchmarkt trotz Erholung unter Druck




HANS GMEINER Wien (SN). Nach zwei Krisenjahren hat sich der Milchmarkt im Vorjahr wieder stabilisiert. Der Dollarkurs, die Öffnung des russischen Markts und die Nachfrage aus China sorgten für die Wende. Die Bauern-Milchpreise legten kräftig zu und erreichten im Jahresschnitt 35,2 Cent je Kilogramm. Derzeit kratzen sie sogar an der magischen 40-Cent-Grenze und liegen über dem deutschen Preisniveau.

Die Preisrallye könnte weitergehen. Branchen-Insider halten sogar eine ähnliche Preisexplosion wie 2007/2008 für möglich. Sie verweisen darauf, dass die Preiskurven für Butter und Milchpulver auf den internationalen Märkten ein ähnliches Bild zeigen wie vor drei Jahren. „Diesmal ist aber die Situation nicht so überhitzt und der Preisanstieg nicht so rasant“, sagt Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM). Phasenweise könne der Durchschnittspreis heuer die 40-Cent-Marke noch überspringen, übers Jahr gerechnet werde der Durchschnittspreis diese Marke aber nicht erreichen.

Einer der Gründe dafür ist das straffe Preisregime des Handels. „Die ,Aktionitis‘ mit den permanenten Sonderangeboten geht eindeutig zulasten der heimischen Landwirtschaft“, kritisiert Petschar. Die jüngste Preisrunde war nicht ganz nach seinem Geschmack. „Da und dort brauchen wir noch Erhöhungen.“ Insbesondere der Preis für Billigstvollmilch sollte um fünf Cent je Liter auf 90 Cent angehoben werden.

Insgesamt konnten die 92 Milch verarbeitenden Betriebe Österreichs ihren Umsatz im Vorjahr gegenüber 2009 um fünf Prozent auf 2,08 Mrd. Euro erhöhen. Die Erträge entwickelten sich in die entgegengesetzte Richtung. Das bereinigte EGT ging von 1,8 auf 1,5 Prozent des Umsatzes zurück.

Der Druck auf dem Markt zeigt sich auch in den Strukturdaten. Die Zahl der Milchbauern sank im Vorjahr um 3,2 Prozent auf 36.700. Auch die Molkereien rücken zusammen. Tirol Milch schlüpfte bei Berglandmilch unter. Dort ist die Übernahme der Stainzer Molkerei nur noch Formsache. In Salzburg rückten Alpenmilch und Käsehof zusammen. Der nächste Zusammenschluss steht schon vor der Tür: Die NÖM flirtet dem Vernehmen nach auf das Heftigste mit der Obersteirischen Molkerei.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 20.04.2011

Montag, 18. April 2011

Biobauern vor Zerreißprobe





Die Probleme bei der Vermarktung von Biogetreide könnten auch Bio Austria spalten.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Nach dem Chaos im vergangenen Sommer, als die Agentur für Biogetreide, bis dahin größter heimischer Vermarkter, unmittelbar vor der Ernte in finanzielle Schwierigkeiten schlitterte und viele Bauern Geld verloren, klärt sich nun langsam die Lage. Für Bio Austria, die größte Biobauernorganisation, wird aber genau das zur Zerreißprobe.

Die Agentur, an der der Salzburger Raiffeisenverband nach wie vor mit drei Prozent beteiligt ist, steht mittlerweile mit einer Überschuldung von zumindest 3,9 Mill. Euro vor dem Insolvenzrichter. Als neuer großer Spieler auf dem rund 200.000 Tonnen großen Markt tritt nun die Raiffeisen Ware Austria mit der 100-Prozent-Tochter Bio Getreide Austria (BGA) an. Sie arbeitet nach Bio-Austria-Standard und gilt zusammen mit der Crop Control in Oberösterreich, dem privaten Handelsunternehmen Pinczker und kleineren Erzeugergemeinschaften als der neue Fixpunkt auf dem Markt.

Das schmeckt den Bio-Austria-Landesgruppen Niederösterreich und Burgenland nicht. Sie fürchten um ihren Einfluss und übernahmen daher die Mehrheit an der Bio Qualitätsgetreide (BQG), um selbst auf dem Markt mitzumischen. Die Situation ist undurchsichtig, zumal die beiden Landesorganisationen nun sowohl an der neuen BQG (mit 51 Prozent) und an der insolventen Agentur für Biogetreide (mit jeweils zwölf Prozent) beteiligt sind.

Die BQG wurde 2010 in aller Eile als eine Art Auffanggesellschaft für die von den Agenturproblemen betroffenen Bauern gegründet, um die Ernte zu sichern. Sie ist nach wie vor eng mit der Agentur für Biogetreide verbunden, die für die BQG Dienstleistungen durchführt und entsprechend Geld dafür kassiert. Manche vermuten, dass auf diesem Weg Bauerngelder verschoben werden, damit sich die Agentur retten kann. Erst dieser Tage zog sich Firmeneigentümer Engelbert Sperl aus der BQG-Geschäftsführung zurück. Körndl- gegen Hörndlbauer Als Unsicherheitsfaktor gilt auch, dass die BQG den Bauern für die heurige Ernte kaum Übernahme- und Lagerstellen für das Biogetreide anbieten kann. Man ist vor allem auf den privaten Handel angewiesen. Die Raiffeisen-Lagerhäuser, die über das dichteste Netz verfügen und ihre Silos in den vergangenen Jahren zur Verfügung stellten, brauchen die nun für die eigene BGA.

Die Bio Austria steht damit vor einem Richtungsstreit. Bei der Ende April anstehenden Neuwahl des Bundesobmanns kandidiert überraschend Karl Erlach, der Obmann der niederösterreichischen Landesgruppe, gegen Rudi Vierbauch, den derzeitigen Obmann der Bio Austria.

Erlach gilt als Vertreter der östlichen Bundesländer und der großen Getreidebauern. In einem persönlichen Schreiben an die Biobauern verspricht er unabhängige Marktstrukturen und kritisiert „das Kompromissdenken der letzten Jahre“. Erlach ist in der Szene nicht unumstritten. So gab es vor einigen Jahren heftige Diskussionen, weil er ein ihm gehörendes Haus zum Sitz von Bio Austria machen wollte. Vorwürfe gegen ihn gab es auch, als in Niederösterreich Biomilchbauern plötzlich ohne Abnehmer dastanden, weil sich eine von Bio Austria geholte Molkerei zurückzog. Und für Unmut sorgt seine Rolle als Doppeleigentümer bei der insolventen Agentur und der BQG.

Der Kärntner Rudi Vierbauch indes gilt in der Bioszene, in der nun ganz wie bei den konventionellen Bauern ein Konflikt zwischen Ost und West, zwischen Körndl- und Hörndlbauern aufbricht, als Mann der Mitte.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 18.04.2011

Samstag, 16. April 2011

Mit Wonne in den Wahnsinn





Die allgemeine Gewissenserforschung nach Fukushima brachte es an den Tag. Billigstrom enthält am meisten Atomstrom. Die Bevölkerung staunt und zeigt sich überrascht. Da hat man sich doch so gefreut, dass man dem langjährigen oft so hochnäsigen Stromanbieter, der sich alles und jedes zahlen und sich um alles und jedes bitten ließ, eine lange Nase drehen konnte. Und dann das. Aus den eigenen Steckdosen kommt überdurchschnittlich viel Atomstrom.
Da drängt sich freilich schon die Frage auf: Ja, was hat man sich eigentlich gedacht, als man zum Billiganbieter wechselte? Dass dort das Geld auf den Bäumen wächst? Dass die eine Gelddruckmaschine im Keller haben, die ihnen so billige Tarife erlaubt? Oder dass die etwas wissen, was andere nicht wissen?
Billig. Hauptsache billig. Alles muss immer billig sein. Nicht nur der Strom. Auch die Urlaubsreise, die Wohnung, die Kleidung, die Computer, das Handy. Alles, wie es scheint. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Bei Lebensmitteln, beim Essen insgesamt ist es besonders krass. Nur mehr 13 Prozent der monatlichen Aufwendungen werden für Lebensmittel ausgeben. Dabei ist die Zeit, dass es dreißig Prozent waren und mehr, noch gar nicht lange vorbei. Heute aber sind alle, so scheint es zumindest, nur mehr bereit, dafür ein „s-Budget“ locker zu machen und die Einkaufswägen und Kühlschränke möglichst „clever“ zu füllen. Mit dem Super-Sonderangebot, mit „Zwei zum Preis von einem“-Schnäppchen von einem und Dauertiefstpreis-Stücken.
Aber schon vorm Supermarkt führt man beredt Klage über den Trend zur Industrialisierung in der Landwirtschaft und zu größeren Bauernhöfe und Ställe, über geschundene Tiere und über Agrarchemie. Ja, und erst recht das Bauernsterben – arg!
Das hat, mit Verlaub, durchaus etwas Schizophrenes. Denn Reden und Tun kommen dabei mitunter daher, als kämen sie nicht von einer Person. Zu einem guten Teil ist das anerzogen. Es ist aber auch angewohnt. Und - das vor allem – man macht die Augen zu. Ein Achselzucken allenfalls. Wird schon passen.
Dass es das nicht tut, dass wir uns was vormachen, das zeigen dann solche Ereignisse wie Fukushima. Das zeigt der eine oder andere Lebensmittelskandal, das zeigen ab und an alarmierenden Berichte zu Luftverschmutzung und Klimaänderung.
Die Aufregung freilich dauert zumeist gerade einmal von zwölf Uhr bis Mittag, wie es so schön für etwas heißt, das nicht von geringster Dauer ist. Dann lässt man sich wieder mit Wonne von der Werbung einlullen und greift zu den nächsten Prospekten um aufs Neue auf Schnäppchenjagd zu gehen.
Viele Billigangebote - vom Strom bis zum Essen und allem dazwischen - sind Mogelpackungen. Oft kommen die Preise nur mit Tricks und Tücke und einem gerüttelt Maß an Brutalität, Ausbeutung und Rücksichtslosigkeit zustande. Kosten werden ausgelagert, fragwürdige Rohstoffe und gefährliche Technologien eingesetzt und Menschen ausgebeutet.
Die wahren Produktionskosten scheinen nicht in der Rechnung auf. Nicht die Kosten für den Atomstrom in der Abrechnung des Billiganbieters. Nicht die Kosten für die billigen Lebensmittel. Bei Atomstrom ist keine Rede vom hohen finanziellen Aufwand (und schon gar nicht von den Gefahren), die diese Energieform der Allgemeinheit auflastet. Und verdrängt wird, dass genau die billigen Lebensmittel die Landwirtschaft zu einem wirtschaftlichen und politischen Sorgenfall machen, der den öffentlichen Haushalten in aller Welt Milliardenschwer auf den Taschen liegt.
Freilich, es gibt da auch eine andere Seite, über die, die Billigangebote so gerne geißeln, nicht recht reden wollen: Der Umkehrschluss, dass hohe Preise per Se wertvolle Produkte und ehrliche Produktionsbedingungen und Rohstoffe bedeuten, gilt leider genauso wenig, wie der, dass billige Produkte schlecht sind. Denn auch wenn man bereit ist, mehr Geld auszugeben, fährt man oft ein, wird enttäuscht und hinters Licht geführt.
Und das hat dann wohl sehr viel damit zu tun, dass viele lieber gleich zum Billigen greifen – da ist die Enttäuschung einkalkuliert, aber nicht unnötig teuer.

Raiffeisenzeitung - 14.April 2011

Donnerstag, 7. April 2011

Die Politik braucht mehr Raum





Drei Politiker-Rücktritte binnen weniger Tage. Strasser, Kapeller, Ranner. Große Aufregung. Große Verwunderung. Kopfschütteln allerorten. Aber immerhin, sie sind - über das Wie sei in allen Fällen der Mantel des Schweigens gebreitet - zurückgetreten. Die politische Kaste freilich ist damit wieder heftig in den Schlagzeilen und jedermann und jedefrau kann das Gemüt daran kühlen.

Denen ist schwer etwas entgegenzuhalten. Außer vielleicht, dass es Politiker trotz allem braucht. Und außer vielleicht, dass nicht alle so sind.

Letzteres ist das, was eigentlich verwundert.

Denn es verlangt viel, im österreichischen Umfeld nicht so zu sein, wie es sich für den Beobachter gemeinhin darstellt. Und es verlangt noch mehr, nicht so zu sein, wie man sich hierzulande gemeinhin einen Politiker respektive eine Politikerin vorstellt und sich trotzdem in der Politik zu halten. Nicht der Schnittlauch auf allen Veranstaltungssuppen, nicht der polternde Hau-Drauf und nicht der anbiedernde Grüß-August auf jedem Fest.

Politikern wird ja hierzulande zumeist, aller Kritik und allen Vorbehalten zum Trotz, ganz in der Tradition der Monarchie, geradezu servil entgegengetreten. Herr Abgeordneter hier, Frau Präsident da. Da ein pickig-süßes Wort, dort ein schmeichelnder Applaus. Salbungsvolle Worte, Ehrerbietung, ja Unterwürfigkeit. Einen Blick erheischen, ein Handschütteln, ein Lächeln. Das ist, was viele wollen.

Und die Politiker tun alles, um diese Erwartungen zu erfüllen. Sie versuchen überall dabei zu sein, sie versuchen sich und ihre Dienste zumeist in einer Weise anzubieten, die schnell ins Anbiedern kippt. Für ein freundliches Lächeln, für ein Schulterklopfen sind sie bereit Dinge zu machen, die sie eigentlich im Grunde ihres Herzen verachten, von denen sie aber glauben, sie gehören zum Berufsbild eines Politikers.

Es gibt aber auch die andere Seite. Den Stress. Die Frustration. Das tägliche Scheitern. Das vor allem. Politik ist mühsam. Die Qualifikation der Politiker für ihre Aufgabe oft schlecht. Greifbare Erfolge, von Interventionen für die Wählerklientel einmal abgesehen, sind selten.

Einerlei. Beides verführt rasch in eine andere Welt. In eine Welt, in der man glaubt sich Privilegien nehmen zu können - Sonder-Parkplätze, Geld, Spesen.

Da verschwimmen die Grenzen schnell, kippt der Boden unter den Füßen weg. Dieses Leben korrumpiert. Und wenn nicht durch das ständige Erleben der Sonderstellung, die einem gegeben wird, dann durch die als unmäßig empfundene Belastung, für die man Trost sucht und die zum Glauben verführt, sich etwas Besonderes herausnehmen zu dürfen.

Das Ergebnis ist verheerend. Der Blick über den Tellerrand, Intellektualität gar, ein offener Diskurs, das sind in Österreichs Politik keine Kategorien. Nicht zugelassen von den meisten Medien, nicht zugelassen von der politischen Konkurrenz.

Nicht zugelassen aber auch, das vor allem, von den Wählern selbst. Die anbiedernde Unterwürfigkeit der einen zementiert das Gehabe der Politiker und die Art, wie hierzulande Politik gemacht und erlebt wird genauso ein, wie der schroffe Umgang mit einer Politik und mit Politikern, die nicht in die eigene Vorstellungswelt passen.

Österreich muss sich ein anderes Verhältnis zur Politik und den Menschen, die sie machen, überlegen. Ein entspannteres, ein ehrlicheres, ein weniger serviles, ein sachliches. Man sollte der Politik wieder Platz für die Politik geben. Für eine Politik, in der die Vorschläge des einen und der einen Seite nicht nur da sind, um vom anderen und der anderen Seite abgeschmettert, zerpflückt und vernichtet zu werden. Und für Politiker, die sich treu bleiben können.

Das Land bräuchte das dringend. Denn Österreich kann es sich nicht leisten, dass sich immer weniger Menschen für die Politik hergeben, dass sie in einem Ruf steht, der jeder Beschreibung spottet und die von vielen nur noch als abstoßend empfunden wird.

Denn damit macht man den Weg frei für den Schlag Politiker, der in diesen Wochen wieder für extradicke Schlagzeilen sorgt. Und von denen man weiß, dass die drei, die gegangen sind, längst nicht alle sind, die das tun sollten.


Raiffeisenzeitung - 7. April 2011

Montag, 4. April 2011

Käsemacher bauen ihre eigene Welt





„Die Käsemacher“ wachsen beständig. Nun soll die „Käsemacherwelt“ 30.000 Besucher ins Waldviertel locken.

HANS GMEINER Waidhofen/Thaya (SN). Sie sind allesamt kleine Verführungen – die mit Schafkäse gefüllten Paprikaschoten, die Käse-Artischocken, die mit Frischkäse gefüllten Datteln oder Pfefferoni und die Ziegenkäsetaler im Speckmantel. Mit feinen Kreationen wie diesen ist das Waldviertler Unternehmen „Die Käsemacher“ in den vergangenen Jahren groß geworden. „Mut zum Geschmack“ nennt das Marketing-Chef Thomas Jungreithmayr. Er leitet derzeit die Geschicke des Unternehmens in der Vertretung des nach einem Motorradunfall seit Monaten rekonvaleszenten Gründers und Eigentümers Hermann Ploner.
Der Mut wird belohnt. Der Umsatz legte im Vorjahr um zehn Prozent zu und erreichte 21 Mill. Euro. Heuer will man weiter zulegen. „Die Erholung der Märkte macht uns zuversichtlich“, sagt Jungreithmayr.

45 Prozent des Umsatzes macht das 120-Mitarbeiter-Unternehmen im Ausland. Jungreithmayr: „Unsere wichtigsten Exportmärkte sind die Beneluxländer, Deutschland, Frankreich und Großbritannien.“ Käsemacher-Produkte finden aber auch in Polen, in Russland und in den USA immer mehr Freunde.

Neben den mit Frischkäse und Käsezubereitungen gefüllten Gemüsen und Früchten gibt es von den Käsemachern auch Spezialitäten wie Schafkäse in Chilisauce oder Waldviertler Mohnkäse. Die Ziegen- und Schafmilch wird von rund 70 Bauern aus dem Waldviertel geliefert. Aus der Übernahme und Verarbeitung von Kuhmilch direkt von den Bauern ist man vor zwei Jahren ausgestiegen. „Die beziehen wir jetzt von der örtlichen Molkerei“, sagt Jungreithmayr.

Derzeit ist das Unternehmen dabei, sich völlig neu aufzustellen. In den nächsten Monaten wird die Zentrale von Waidhofen an der Thaya ins wenige Kilometer entfernte Vitis verlegt und in Heidenreichstein arbeitet man mit Hochdruck an der Fertigstellung der „Käsemacherwelt“.

Dort hat man aus der Konkursmasse des vor vier Jahren gescheiterten Tourismusprojekts „Anderswelt“ das fünf Hektar große Grundstück samt Gebäuden und 1000-Quadratmeter-Teich gekauft. „Aber Herbst wollen wir hier Einblicke in die Welt des Käses bieten und den Besuchern ermöglichen, selbst Käse zu machen“, sagt Jungreithmayr.

Jährlich soll die Schaukäserei mit umfangreichem Gastronomie- und Freizeitangebot rund 30.000 Besucher in die kleine Stadt an der tschechischen Grenze locken.

„Wir investieren rund sechs Millionen Euro“, sagt Jungreithmayr. Für ihn ist die „Käsemacherwelt“, die es ermöglicht, künftig auch Rotschimmelkäse zu erzeugen, vor allem Marketinginstrument. „Es geht uns dabei um den Aufbau einer besonderen Kundenbindung“, sagt er. Das Kalkül: „Für die klassische Werbung sind wir zu klein, die ist zu teuer für uns, aber wer bei uns selbst sein Stück Käse geformt hat, der wird auch daheim im Su permarkt zu unseren Produkte greifen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 4. April 2011

Freitag, 1. April 2011

Von „Machtdemonstrationen“ und „Ohnmachtsdemonstrationen“





Seit Wochen tobt die Schlacht um die heimische Schweinezucht. Resolutionen allerorten, Dauerfeuer in den Agrarmedien, Demonstrationen und Versammlungen. Die Bauern und ihre Vertreter empören sich wortreich darüber, dass die Kastenstände in der Schweinezucht verboten werden sollen. Von Ferkelmord ist die Rede, von sündteuren Investitionen und vom drohenden Ende der heimischen Schweinezucht.

Dass ausgerechnet der SP-Volksanwalt Kostelka und der SP-Minister Stöger das durchsetzen wollen, ist nichts anderes, als Öl im von Tierschützern entfachten Feuer.

Die Agrarpolitiker in Bauernbund, Kammern und Ministerium und die Vertreter der Schweinebauern wirken hilflos. Der Herr Bauernbundpräsident tobt. Der Herr Landwirtschaftsminister kündigt Widerstand an. Auch die Bauernkammerpräsidenten zeigen sich empört. Und erst recht die Vertreter der Schweinezüchter. Alle zusammen tun so, als ob sie nichts tun könnten.

Machtlos und am Nasenring vorgeführt von „Roten“? Nicht mehr als Mundwerksburschen allesamt?

Der Beobachter reibt sich verwundert die Augen.

Viele Bauern auch.

Haben sie nicht den Bauernbund gewählt, dass er ihre Interessen in entsprechender Stärke und mit dem nötigen Geschick vertreten kann. Haben sie nicht bei der der ÖVP ihr Wahlkreuzerl gemacht, weil dort versprochen wird, die Bauern zu vertreten? Wurde ihnen nicht immer erklärt, wie wichtig eine Regierungsbeteiligung der ÖVP ist, weil sie sich dann für die Bauern besonders einsetzen kann? Und hat es nicht immer von den „Schwarzen“ geheißen, wählt uns, damit wir das Landwirtschaftsministerium und den Landwirtschaftsminister haben?

Und jetzt das. Jetzt müssen die Bauern hören, dass der Stöger nicht mit den Agrarpolitikern, ja nicht einmal mit seinem Regierungskollegen Berlakovich redet. Dass ein „roter“ Minister in einem Kernbereichbereich der Landwirtschaft entscheiden kann. Dass man machtlos ist und ausgeliefert.

Jetzt müssen sich die Bauern, zumal die Jungbauern, mit Transparenten hinstellen und um das Verständnis einer Regierung betteln, die sie selbst ermöglicht haben. Weil die Vertreter, die sie gewählt haben, so schwach sind? Oder vielleicht doch nur - ein böser Verdacht, der aus der Erfahrung keimt -, weil sie benutzt werden, um wieder einmal zu zeigen, welch Segen der gegen „dunkle Mächte“ kämpfende Bauernbund, die Kammern und der Minister für die Bauernschaft sind?

„Machtdemonstrationen“ nennen das die Veranstalter gerne. „Ohnmachtsdemonstrationen“ sind das mit Verlaub – jede für sich ein Armutszeugnis. Zumal die Bauern alle Fakten auf ihrer Seite haben. Die Benachteiligung der heimischen Schweinezüchter im internationalen Wettbewerb sind genauso untragbar wie die zusätzlichen Investitionskosten. Und dass die Rechtsicherheit und das Vertrauen in die Gesetzgebung mit Füssen getreten wird, ist der eigentliche Skandal.

Die Bauernvertreter haben vor diesem Hintergrund die Verpflichtung, Stögers Pläne abzubiegen. Wann sonst, wenn nicht in einem Fall wie diesem?

Freilich, das Thema ist heikel. Vor allem lässt sich damit nicht in der großen Öffentlichkeit punkten.

Man muss andere Wege finden. Dass man die kennt, hat man erst vor Weihnachten beweisen, als man mit der Anhebung der Pauschalierungsgrenzen alle politischen Gegner düpierte.

Als gelernter Österreicher weiß man, dass nicht so heiß gegessen wird, wie gekocht wird. Wenn doch, dann muss man sich freilich Sorgen machen – um die Bauern und um ihre Vertretung.

Blick ins Land - April 2011
 
UA-12584698-1