Dienstag, 31. Mai 2011

Bioverband: „Man macht mehr daraus, als es ist“





Obwohl die Konsumenten mehr Fragen stellen, fürchtet die Biobranche keine nachhaltigen Schäden durch die EHEC-Infektionen.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Bei den heimischen Biobauern und im Lebensmittelhandel versucht man angesichts der hoch gehenden Wogen rund um möglicherweise verseuchte Biogurken, Biotomaten und Biomelanzani kühlen Kopf zu bewahren. Daran dass, wie mancherorts befürchtet, das Image heimischer Bioprodukte oder gar der Ruf des Biolands Österreich unter dem aktuellen Skandal nachhaltig leiden könnte, mag niemand glauben. „Man macht mehr daraus, als es derzeit ist“, sagt Rudi Vierbauch, Obmann von Bio Austria. „Wir sind ebenso wie die Konsumentinnen und Konsumenten betroffen über die aktuelle Lage.“

Ähnlich sieht man die Situation auch bei den großen Handelsketten. „Wir hoffen, dass die jetzigen Ereignisse keine nachhaltige Auswirkung auf den Biomarkt haben“, sagt Nicole Berkmann von Spar. Dass die Konsumenten derzeit verunsichert seien und viele Fragen vor allem nach der Herkunft stellten, sei verständlich. Bei Spar hätten sie nichts zu befürchten. „Wir haben mit dem in Rede stehenden Unternehmen nichts zu tun und nur Gurken aus Österreich.“

Ganz ähnlich klingt es aus dem Rewe-Konzern (Billa, Merkur, Penny, Adeg). Auch dort betont man, nichts mit dem Betrieb zu tun zu haben, über den die spanischen Biogurken nach Österreich kamen. „Gurken stammen seit Mitte April ausschließlich aus Österreich, spanische Tomaten und Melanzani haben wir vorsorglich aus den Regalen genommen“, sagt Rewe-Sprecherin Corinna Tinkler.

Allen in der Branche geht es nun um möglichst rasche Aufklärung. „Wir brauchen mehr Fakten, um entsprechende Rückschlüsse und allenfalls weitere Vorkehrungen treffen zu können“, sagt Vierbauch. Eine „rasche und transparente Aufklärung“ fordert auch Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich. Bis Montagnachmittag war nichts davon bekannt, dass verseuchte Biogurken tatsächlich auch nach Österreich geliefert wurden.

Die Gelegenheit, den Konsumenten den Kauf heimischer Produkte besonders ans Herz zu legen, will man dennoch nicht ungenutzt vorübergehen lassen. Berlakovich: „Wer sicher sein will, ist bestens beraten, auf das AMA-Gütesiegel, das AMA-Biozeichen und auf Produkte der Genuss Region Österreich zu vertrauen.“

Das freilich ist nicht immer leicht. Nicht nur, dass Gemüse extrem saisonabhängig ist, unter den Vorgaben des Biolandbaus ist auch die Produktion sehr schwierig und wirtschaftlich ein hohes Risiko. Das gilt vor allem für die sogenannten Schlangengurken, um die es jetzt geht. Auf ihre Erzeugung verstehen sich in Österreich nur 615 Gemüsebauern. Und für sie beginnt erst jetzt die Saison.


Salzburger Nachrichten Wissenschaft 31.05.2011

Samstag, 28. Mai 2011

Machtkampf um Zukunft der Bauern




Die EU-Bauerngelder sind künftig nicht für die gesamte Budgetperiode gesichert.

HANS GMEINER Brüssel (SN). 64 Jahre alt ist Albert Deß, Landwirt und Molkereichef in Röckersbühl in der Oberpfalz in Bayern. CSU-Urgestein mit bewegter Vergangenheit, unkonventionell. Für die gut 650 Kilometer ins Europaparlament in Brüssel, wo er die CSU vertritt, nimmt er gerne eines seiner Motorräder. Dort hatte Deß in dieser Woche seine große Stunde. Mit klarer Mehrheit verabschiedete der Agrarausschuss die nach ihm benannte Stellungnahme des EU-Parlaments zu den Agrarreformplänen der EU-Kommission. Und die enthält nicht nur Zustimmung zu den Plänen von Agrarkommissar Dacian Ciolos.

Vor allem ging es Deß und seinen Parlamentariern um eine klare Trennung zwischen Agrarförderung und Umweltmaßnahmen. „Maßnahmen in der ersten Säule, der Agrarförderung aus Brüssel, dürfen nicht zur Benachteiligung bisheriger Agrar-Umweltmaßnahmen führen“, schrieb Deß fest. Abgelehnt ist damit auch, dass die Bergbauernförderung in die erste Säule kommt, was Österreichs Agrarpolitik auf den Kopf gestellt hätte.

In Österreich freut man sich über den Deß-Erfolg, stützt er doch Österreichs Positionen. Was er wert ist, muss sich freilich noch zeigen. Denn der Bericht ist erst der Auftakt zur ersten großen Auseinandersetzung der EU-Kommission mit dem EU-Parlament in der Agrarpolitik, das mit dem Lissabon-Vertrag deutlich mehr Mitspracherecht bekam und es auch nutzen will. Aus dem Mund von Deß klingt das so: „Ciolos kann rechtlich gesehen vorschlagen, was er mag, aber er wäre schlecht beraten, zu einem Bericht, der mit großer Mehrheit vom Parlament angenommen wurde, das Gegenteil vorzuschlagen, dann fällt er auf die Schnauze.“

Der Agrarkommissar freilich zeigte sich bisher wenig beeindruckt. „Ich habe nicht gemerkt, dass er zu großen Kompromissen bereit wäre“, musste selbst Deß erkennen.

Aber nicht nur das macht vor allem für die Bauern so unabwägbar, was die Agrarreform wirklich bringt. „Bevor wir nicht wissen, wie viel Geld es geben wird, kann man überhaupt nichts sagen“, heißt es in Brüssel in allen beteiligten Institutionen. Nicht nachvollziehen kann und will man jedenfalls die in Österreich sogar von Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich kolportierten möglichen Förderkürzungen von 25 Prozent. Konkreter ist da schon ein anderes Szenario, das die Bauern als noch bedrohlicher empfinden könnten. Anders als derzeit, da die EU-Agrargelder für die gesamte Budgetperiode bis 2013 außer Streit gestellt sind, steht in Hinkunft das Agrarbudget der EU jedes Jahr auf dem Prüfstand. „Wenn einmal die Preise für die Bauern steigen, wird Druck kommen, die Gelder zu kürzen“, befürchtet Deß.


Salzburger Nachrichtern Wirtschaft / 28.05.2011

Freitag, 27. Mai 2011

"Verschon mein Haus, zünd' s'andre an!"





Ein Land stranguliert sich selbst und schaut sich zu dabei. Reformstau heißt das neuerdings ganz euphemistisch in Österreich. Nichts scheint mehr zu gehen. Ein ganzes Land ist dabei, sich unter dem Banner des Florianiprinzips zu paralysieren. "Heiliger Florian, verschon mein Haus, zünd' s'andre an!" haben offenbar alle im Kopf, die hierzulande über Reformen reden oder reden sollten. Und damit ist in den vergangenen Jahren ein Österreich ein Klima entstanden, in dem der Stillstand das wichtigste Ziel zu sein scheint - nur keine Wellen.
Das Land, das sich im Winter an den Leistungen der Skifahrenden und -springenden Landsleute erbaut, tut das im Sommer neuerdings mangels Alternativen am Erfolg einer - sic! - Polsterschlacht-Weltmeisterin.
In internationalen Rankings hingegen, wie jüngst, als es um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ging, rutschen wir beständig ab. Ganz so wie bei Pisa seit Jahren. Schulreform? Auf der langen Bank. Pensionsreform? Auch dort. Sozialversicherungen, Eisenbahn, Gesundheitswesen, Steuersystem - an der langen Bank muss wohl etwas angestückelt werden, damit dort alles Platz hat, was in diesem Land sosehr der Reformen harrt, dass man mitunter sogar, wie zuletzt eine ganze Reihe führender Manager, lautstark und mit groben Worten danach schreit.
Schuld daran ist nicht nur die Politik. Ja, natürlich kann man ihr vorwerfen nichts anders zu tun, als den Stillstand fortsetzen. Natürlich kann man über das Schielen auf Schlagzeilen klagen, über leere Ankündigungen und Schwarzer-Peter-Spiele, die nichts anderem dienen, als die Verantwortung von sich zu schieben, um - wie jüngst die Landeshauptleute - nicht als Bremser dazu stehen.
Aber: Hinter der Politik und den Politikern stehen auch Interessengruppen, stehen Menschen, die sie in die Pflicht nehmen. Dazu kommen Medien, die sich zuweilen getragen von markttaktischen Überlegungen, einmischen, Stimmungen befeuern und ihr eigenes Spiel spielen und dabei mitunter alles andere als das staatliche Ganze und damit das Gemeinwohl im Sinn haben.
Die Stimmung ist gespannt. Die Spielräume, zumal die finanziellen Spielräume, sind klein geworden. Die Budgets sind ausgereizt. Die Wirtschaftskrise und die Probleme mit dem Euro ziehen tiefe Spuren. Da wird es schnell eng. Erst recht in einem Land wie Österreich, in dem über Jahrzehnte das Füllhorn über die Bevölkerung ausgeschüttet wurde und sich die Politik Wählergunst vorzugsweise mit finanziellen Zuwendungen erkaufte. Dass sich viel davon längst strukturell verselbstständigt hat und als unantastbar gilt, macht die Sache nicht leichter.
In Zeiten, in denen der Kuchen nicht mehr größer, sondern kleiner wird, wird damit jede Reform, und ist sie auch noch so nötig, für die Politik zu einem Vabanque-Spiel, das reichlich Stoff für populistische Spielchen bietet. Zumal in einem Land wie Österreich, in dem die Scheckbuch-Politik der vergangenen Jahrzehnte in großen Teilen der Bevölkerung das Gefühl für Verantwortung für das eigene Leben verwässert und vor allem Begehrlichkeiten gezüchtet hat.
Mehr als 500.000 öffentlich Bedienstete, 2,65 Millionen Pensionisten, 150.000 Landwirte samt Familien deren Auskommen mehr oder weniger direkt vom Staatssäckel abhängt, dazu all die öffentlichen Mittel für Wirtschaft, Kommunalwesen, Soziales und Bildung - Motive zuhauf, sich gegen Veränderungen zu wehren. Da ist ein ganzes Land nachgerade selbst zur Geisel geworden. Und es verwundert nicht, dass es sich bei Reformen selbst im Weg steht.
Auch wenn inzwischen das ganze Land nach Reformen lechzt, ist es vor diesem Hintergrund schwierig, etwas in Bewegung zu setzen. Denn zu gewinnen hat keiner was, wohl aber zu verlieren.
Die Situation verlangt von allen Beteiligten und Betroffenen viel Verständnis und wohl auch - auch wenn es schwer fällt - Entgegenkommen.
Und sie verlangte auch eine starke Politik. Die freilich, so steht zu befürchten, ist nicht zu erwarten. Allerorten laufen die Arbeiten zur Sicherung der Pfründe auf Hochtouren. Die Devise dabei ist nicht neu: "Heiliger Florian, verschon mein Haus, zünd' s'andre an!"
Dass dabei das ganze Land abbrennen kann, nimmt man in Kauf. In zwei Jahren sind ja Wahlen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. Mai 2011

Donnerstag, 19. Mai 2011

Helft den Europäern!





Überzeugte Europäer haben es schwer in diesen Wochen. Man macht es ihnen alles andere als leicht, an der Idee vom gemeinsamen Europa festzuhalten, an sie zu glauben und sie gegen die wachsende Zahl der Zweifler zu verteidigen. Denn Europa, zumal die europäische Politik, bietet ein Bild des Jammers, der Unentschlossenheit und der Orientierungslosigkeit.
Nichts als Signale der Verunsicherung allerorten. Und das in einem ohnehin schon arg strapazierten politischen Umfeld, in dem es schwer ist, Entscheidungen einzuordnen, Entwicklungen abzuschätzen und mit all den Nachrichten, die täglich aus Brüssel und den Politik- und Finanzzentren dieser Welt kommen, umzugehen. Mit Milliarden wird nur so um sich geworfen, die Schutzschirme werden größer und größer, Geheimtreffen da, Austrittsüberlegungen dort. Und immer wieder Hiobsbotschaften aus Ländern wie Griechenland, Portugal, Spanien oder Irland.
Wer soll das noch begreifen? Wem glauben? Was glauben? Ist es nur ein heftiges Gewitter, das das die EU und damit die europäische Idee erschüttert, oder ist es schon Agonie?
Informationen sind schwer zu bekommen. Es gibt sie zu Hauf, aber welche Intentionen stehen dahinter? Wer will was sagen? Wer sagt was nicht? Nicht einmal das Wort von Wissenschaftern taugt mehr zur Orientierung. Die Bevölkerung wird mit sich alleine gelassen - Opfer einer Vertrauenskrise, die sich durch Gesellschaft, Wirtschaft und Politik frisst. Und auch Opfer der Führungskrise, unter der die Europäische Union leidet.
Die Verunsicherung ist groß. Das Rütteln an den Grundfesten des gemeinsamen Europas ist heftig, wie kaum je zuvor. Eine gemeinsame Richtung bei der Lösung der Probleme ist zuweilen kaum mehr zu erkennen. Aus dem Ringen um eine gemeinsame Linie sind längst Grabenkämpfe geworden.
Die verantwortlichen Politiker, nicht nur in Brüssel, Paris, Berlin oder London, sondern auch die in Wien, sind hilflos bis an die Grenze zur Verantwortungslosigkeit - und machen so die europäische Idee willfährig zum Spielball von Populisten aller Couleurs. Die bekommen Oberwasser und kochen die Emotionen der Menschen auf und die Politiker weich.
Dass Dänemark - unter dem Druck von rechts - wieder Grenzkontrollen einführen will und in der EU der Schengen-Vertrag reformiert und die Reisefreiheit wieder beschränkt werden sollen, ist nur logische Folge davon. Diese beabsichtigte Beschränkung der Reisefreiheit aber geht ins Herz der Europa-Fans. Sie geht aber, mehr noch als alles andere, auch direkt ins Herz der Europa-Idee und der EU.
Denn die Reisefreiheit ist das Thema, bei dem sich selbst Feinde Europas für die europäische Idee erwärmen können. Und dass deren Beschränkung - ausgerechnet - unter tätiger Mithilfe vor allem von christlich-sozialer Politiker mit der Begründung Flüchtlingsströme aus Nordafrika abwehren zu müssen, vorangetrieben wird, setzt dem Ganzen nur die Krone auf - auf dem Kontinent, auf dem man sich so gerne als "christliches Abendland" voller hehrer Grundsätze als Vorbild für die Welt hinstellt.
Ganz abgesehen von den menschlichen Tragödien, die so eine Vorgangsweise hervorbringt, die politischen Folgen sind nicht absehbar. Allerorten wird schon jetzt immer lauter über Renationalisierung der Politik geredet. Die Schengen-Reform wird dem wohl weiteren Vorschub leisten, schließlich haben die Populisten, denen das gemeinsame Europa ein Dorn im Auge ist, Blut geleckt.
Die gemeinsame Idee, der Glaube an das gemeinsame Vorankommen, an das gemeinsame Europa und die Kraft, die von ihm ausgehen könnte, die hat da einen schweren Stand.
Wie die Menschen, die ihr anhängen. Unterstützung gibt es wenig für sie. Und auch kaum Signale, die Hoffnung gäben. Nicht von Brüssel und nicht von Wien. Sie werden von der Politik und den Politikern allein gelassen. Wohl auch, weil sich auf dort längst Zweifel eingenistet haben.
Man hat kein gutes Gefühl in diesen Wochen und Monaten. Was bleibt, ist, die guten Nachrichten zu registrieren und zusammenzutragen. Vielleicht fügen sie sich ja doch noch zu einem Bild, das wieder Zuversicht für Europa gibt.

Meine Meinung - Rsiffeisenzeitung, 19. Mai 2011

Mühlenriese setzt weiter auf Osteuropa




Die Raiffeisen-Tochter LLI erwartet nach Tief Umsatzsprung.

HANS GMEINER Debrecen (SN). Kardevan Endre, Staatssekretär im ungarischen Ministerium für Ländliche Entwicklung, zeigte sich sehr angetan. "Gestatten Sie mir, dass ich sehr herzlich gratuliere", sagte er am Dienstag bei der Eröffnung einer neuen Großmühle von Pannonmill in der Nähe von Debrecen, die zum Reich der Raiffeisen-NÖ-Tochter Leipnik-Lundenburger (LLI) gehört. Ganz anders als im Bankgeschäft, wo man mit hohen Abgaben die westlichen Institute vergrämt, sehen die Ungarn Investments in der Nahrungsmittelwirtschaft nach wie vor gern. "Der Aufholbedarf ist immer noch groß", sagt LLI-Vorstand Christian Teufl im Gespräch mit den SN. Deshalb will man sich nicht vom Kurs abbringen lassen. In der neuen 95.000-Tonnen-Mühle, eine der größten Ungarns, die mit 15 Mill. Euro auf die grüne Wiese gestellt wurde, ist bereits jetzt genügend Raum für eine deutliche Ausweitung der Kapazitäten vorgesehen. Der Standort im Osten Ungarns ist vor allem für die Belieferung der Slowakei und Westrumäniens interessant.

Die neue Mühle ist eine von vier LLI-Mühlenstandorten in Ungarn. Drei gehören zur Pannonmill, eine zu VK Mühlen. Sie alle gehören zur LLI-Euromills, die mit 31 Standorten und einer Vermahlungskapazität von 3,2 Mill. Tonnen Getreide die größte Mühlengruppe Europas ist.

Nach dem durchwachsenen Jahr 2009/2010 (30. September), in dem wegen der damals niedrigen Getreidepreise trotz einer um 3,2 Prozent gestiegenen Vermahlungsmenge der Euromills-Umsatz um zwölf Prozent auf 756 Mill. Euro abrutschte, stehen jetzt die Signale wieder auf Wachstum. Dabei profitiert man auch von den stark gestiegenen Getreidepreisen. "Unser Ziel ist es, auf allen Märkten, auf denen wir aktiv sind, Marktanteile von rund 30 Prozent zu erreichen", sagt LLI-Chef Kurt Miesenböck. In Deutschland und in Ungarn anhängige Kartellverfahren, für die in der LLI-Bilanz die Rückstellung eines Betrags "im unteren zweistelligen Millionenbereich" nötig ist, sollen den Raiffeisen-Ableger dabei nicht bremsen. Denn auch beim zweiten Standbein, dem Automatengeschäft von Cafe+Co (126 Mill. Euro Umsatz), stehen die Zeichen auf Wachstum und die Beteiligungen an Agrana, Südzucker, Baywa und Casinos Austria laufen durchwegs gut.

Nach dem Durchhänger 2009/2010, als der Konzernumsatz von 980 Mill auf 882 Mill. Euro und das Ergebnis von 77 Mill. auf 27 Mill. Euro absackten, geht es heuer ganz klar aufwärts. Der Umsatz soll heuer um rund 30 Prozent auf 1,15 Mrd. Euro schnellen und das Ergebnis wieder auf 38 Mill. Euro wachsen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 19. Mai 2011

Samstag, 14. Mai 2011

Bei Agrana alles auf Zucker






Wien (SN-gm). 2,165 Mrd. Euro Umsatz, ein operatives Ergebnis von plus 128 Mill. Euro: "Ich freue mich, dass ich den besten Umsatz und das beste Ergebnis in der Geschichte des Unternehmens vermelden kann", sagte Agrana-Chef Johann Marihart am Freitag bei der Präsentation der Bilanz 2010/11 mit einem Anflug von Stolz. Das Geschäft beim weltweit tätigen Agrarriesen brummt. Der Umsatz legte nicht zuletzt wegen der höheren Rohstoffpreise um 8,9 Prozent zu, das operative Ergebnis um 39,4 Prozent. Die Aktionäre dürfen sich freuen: Nach der 1,95 Euro Dividende im Vorjahr gibt es heuer 2,40 Euro.

Umsatzzuwächse gab es überall. Frucht, seit einigen Jahren die wichtigste Agrana-Sparte, legte um knapp acht Prozent, Stärke (Speise- und Industriestärke, Bioethanol) um 16,8 Prozent, Zucker um 4,2 Prozent zu.

Profitabelste Agrana-Sparte ist die Stärke, die 48,2 Prozent zum Gesamtergebnis beisteuerte. Von der Frucht kamen 46,7 Mill. Euro (plus 30 Prozent). Am größten war der Ergebniszuwachs in der Zuckersparte, vor Jahresfrist noch Sorgenkind. Mit 33,2 Mill. Euro fiel das Spartenergebnis mehr als doppelt so hoch aus wie 2009/10. Grund dafür ist die Explosion der Zuckerpreise auf dem Weltmarkt.

Der Konzern wurde in den vergangenen Jahren zu einem großen internationalen Player auf den Agrarmärkten. Insgesamt verarbeitet Agrana mittlerweile neun Millionen Tonnen agrarische Rohstoffe. Dazu gehören 5,2 Mill. Tonnen Zuckerrüben genauso wie 1,935 Mill. Tonnen Getreide und Mais, 200.000 Tonnen Kartoffeln, 548.000 Tonnen Äpfel und 38.000 Tonnen Beeren.

Bald sollen es vor allem beim Obst deutlich mehr werden. Im Herbst soll die Fusion mit der Ybbstaler Obstverwertung über die Bühne gegangen sein.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Mai 2011

Freitag, 13. Mai 2011

"Aber sonst geht es mir gut"





"Kammerlander" ist ein wunderschöner Name. Er muss für einen Österreicher erfunden worden sein. Denn in keinem anderen Land gibt es derart viele Kammern wie bei uns. Von der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer über die Ärztekammer bis hin zur Notariatskammer, Architektenkammer und Dentistenkammer. Jede für sich eine schier uneinnehmbare Festung. Mehr oder weniger erfolgreich für ihre Klientel und - da seien Eigeninteressen davor - nicht immer in Sinne des Ganzen.
Aber sei's drum. Die Kammern haben in den vergangenen Jahren fraglos viel getan, um ihr Image zu entstauben und auf der Höhe der Zeit zu arbeiten. Steht ihnen aber auch an, haben sie doch die allerbesten Voraussetzungen dafür und es sich fein eingerichtet in diesem Land. Richtig kommod und beneidenswert. Beim Gesetzgeber haben sich die Kammer jedweder Couleur ein Umfeld maßschneidern lassen, von dem Unternehmen, die sich täglich um Kundschaft balgen müssen, nur träumen können, das manch einfachem Staatsbürger, der auf Freiheit, Leistung und Wettbewerb hält, ein Gräuel ist.
Man stelle sich vor, die Kundschaft eines Bäckers wäre verpflichtet, jeden Tag eine bestimmte Menge Semmeln bei ihm zu kaufen, gleich, ob sie gebraucht wird oder nicht. Was heißt kaufen - bezahlt wird nicht beim Bäcker, sondern das lästige Inkasso übernimmt freundlicherweise das Finanzamt, das dann das Geld an den Bäcker überweist. Jedes Monat und ganz sicher.
Im kafkaesken Österreich gibt es das - bei den Kammern. Bei den Bauern und Unternehmen etwa hebt das Finanzamt die Kammerbeiträge ein, bei er Arbeiterkammer der Arbeitgeber. Ganz abgesehen davon, dass es, wenn das nicht reicht - und das tut es praktisch nie - Zubrot von den öffentlichen Haushalten gibt.
Fein, aber nicht alles. Denn so etwas wie ein Leistungsnachweis ist auch nicht eigens erforderlich. Die Pflichtmitgliedschaft bei einer Kammer ist verfassungsrechtlich abgesichert, da gibt es ohnehin kein Entkommen.
Das mag das ja durchaus Sinn machen, zumal für kleine gesellschaftliche Gruppierungen wie die Bauern, denen so eine Zwangsmitgliedschaft durchaus politisches Gewicht geben kann. Das Ganze hat aber jedenfalls dort eine Grenzen, wo man gleich mehrfach zu Kammermitgliedschaften verpflichtet ist. Und das ist hierzulande gar nicht selten.
Klassisches Beispiel sind die Nebenerwerbsbauern. Sie sind nicht nur bei der Landwirtschaftkammer Mitglied, sondern müssen als unselbstständige Arbeitnehmer mit ihren Beiträgen für die Arbeiterkammer auch gleich ihren ärgsten Gegner finanzieren.
Aber es geht durchaus noch verquerer - und teurer. Vor allem dann, wenn man es - nur um ein Beispiel zu nennen - als Nebenerwerbslandwirt, dessen Landwirtschaft nicht für ein ganzes Einkommen reicht, zum Geschäftsführer eines Unternehmens bringt. Der sieht dann überall Geld davon rinnen. Das Unternehmen zahlt an die Wirtschaftskammer, er selbst als für dies Unternehmen Verantwortlicher an die Arbeiterkammer. Und da ist es nur eine Frage der Zeit, bis die von ihm auf beiden Seiten finanzierten Juristen, Präsidenten und Pressesprecher in irgendeiner Sache wegen seines Unternehmens aufeinander losgehen. Und wenn es dann von einer dieser Kammern vielleicht auch noch gegen die Bauern geht, werden auch dort noch die von ihm finanzierten Heerscharen mobilisiert. Kein Wunder, dass der gute Mann in Sarkasmus flüchtet. "Alle werden von mir fein durchgefüttert", sagt er. Nachsatz: "Aber sonst geht es mir gut".
Man versteht, dass man sich in solchen Strukturen gefangen fühlen kann. Aber die Österreicher wären nicht Österreicher, wenn das Verhältnis zu ihren Kammern nicht einen neurotischen Schuss hätte.
Sogar die sonst so Kammer-mürrischen Bauern. Jedenfalls die im Mühlviertel. Sie schrien laut auf, als ihre Kammer vom Linzer Stadtteil Urfahr über die Donau ins vier Kilometer entfernte Landwirtschaftskammer-Gebäude auf der Gugl verlegt werden sollte. Und sie setzten sich durch. Die Bezirksbauernkammer Urfahr bleibt, wo sie immer war - in Urfahr.
Das freilich wird sie nicht hindern wieder aufschreien, wenn die Kammer die Beiträge erhöhen wird. Das sind ja zwei unterschiedliche paar Schuhe - eh klar. Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Gar nichts.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Mai 2011

Donnerstag, 5. Mai 2011

Ost-Phobiker tragen kleines Karo





Die Ost-Phobiker haben Hochkonjunktur in diesen Tagen. "Die Ost-Arbeiter kommen und nehmen unsere Arbeitsplätze weg“, heißt es allerorten in allen Varianten und Formen. Da wird gezetert und Angst verbreitet, da wird mit Emotionen gespielt, da werden politische Süppchen aufgekocht. Ganz so, als ob der Staat in Frage steht und ein Raub der Ungarn und Polen zu werden droht.

Fakten spielen - aber so ist es Phobien eigen - auch bei dieser speziellen Art eine untergeordnete Rolle. Die 25.000 bis 30.000 Arbeiter, die seriösen Berechnungen zufolge die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes nutzen werden, um hier Arbeit zu finden, machen gerade einmal 0,7 Prozent der Erwerbstätigen in Österreich aus. Da schwanken die Zahlen zwischen den Quartalen weit mehr. Und: Mehr als die 30.000 werden es wohl nicht werden, hat doch Österreich in aller Eile und gleichsam als Manifestation der Phobie, ein Lohn-Dumpinggesetz aus dem Ärmel gezaubert, um sich auch nach Ablauf der siebenjährigen Übergangsfrist wirkungsvoll vor allzu viel Osten auf dem Arbeitsmarkt zu schützen und das Wolkenkuckucksheim zwischen Neusiedler- und Bodensee zu schützen.

Dabei hat Österreich wie kein anderes europäisches Land von der Ostöffnung profitiert. In den osteuropäischen Ländern ist Österreich eine Großmacht. Kein anderes Land verstand es so, den offenen Marktzugang zu nutzen. Milliarden werden dort gemacht. Milliarden Euro, die der heimischen Wirtschaft und den Menschen in diesem Land zugute kommen und ohne die sie heute gar nicht mehr auskämen. Alleine seit 2004, dem Jahr, als Länder wie Ungarn, Polen und Tschechien zur EU kamen, haben sich die Exporte in diese Länder auf mehr als 15 Mrd. Euro fast verdoppelt.

Man darf getrost davon ausgehen, dass die Zahl der Arbeitsplätze, die in der heimischen Wirtschaft durch die Ostöffnung entstanden sind, um ein Vielfaches größer ist als die, um die jetzt so schlagzeilenträchtig gefürchtet wird.

Aber so ist Österreich und so sind viele Österreicher. Am Küchentisch im Gemeindebau genauso wie im Tschecherl nebenan, im Parteilokal, im Wirtshaus, bei der Wirtschaftskammersitzung und unter Bauern.

Dabei könnte man sich auch fragen, warum man eigentlich glaubt, sich fürchten zu müssen. Und da könnte man draufkommen, dass die vorgeblich niedrigeren Löhne ja gar nicht immer der Grund sind. Dass es eigentlich ganz andere Themen sein könnten: Die Leistungsbereitschaft vielleicht, die Qualität der Arbeit, die Unkompliziertheit, oder dass sich - man denke nur an die Erntehelfer in der Landwirtschaft - für viele Jobs ganz einfach kein Österreicher mehr hergibt.

Verständlich, dass man da Zeter und Mordio schreit, droht doch Ungemach für das System, in dem man es sich so wohlig eingerichtet hat.

Ein ganzes Land zeigt sich auf einem Auge blind. Und ist es wohl auch. Man kann mit liberalen Konzepten und freien Strukturen nicht umgehen. Auf jede Liberalisierung wird erst einmal reflexartig mit Ablehnung reagiert. Wortreich werden Nachteile und Gefahren beschworen. Wer von Chancen reden will, hat es schwer in diesem Land.

Das ist bei der Ostöffnung so, das ist bei der EU so, das ist, so scheint es, immer so. Die Vorteile, die man selbst in Anspruch nehmen will und auch mit großen Geschick und Eifer nimmt, will man denen nicht zugestehen.

Statt dessen trägt man kleines Karo. Ein offenes Österreich, zumal ein weltoffenes, wird viel weniger als Chance denn als Gefahr begriffen. Und genau das ist durchaus für gefährlich zu halten. Das kleine Alpenland, in dem die Nabelschau in den vergangenen Jahren zu höchster Perfektion getrieben wurde, ist dabei, von der internationalen Karte zu verschwinden. Von der kulturellen, von den wissenschaftlichen, von der gesellschaftlichen und von der politischen sowieso.

Das freilich bemerkt man kaum - eben weil man mit der Nabelschau so beschäftigt ist.

Meine Meinung - Raiffiesenzeitung, 6. Mai 2011

Montag, 2. Mai 2011

Ein Augenzwinkern zu viel





"Die Transparenz der Abläufe und die Nachvollziehbarkeit der Angaben machen Sus zu einem schlagkräftigen Instrument im Krisenfall", sagt der Landwirtschaftsminister. Und: "Zurzeit existiert bei Schweinefleisch keine gesetzliche Definition der Herkunft und keinerlei gesetzliche Vorgaben, an einem entsprechenden Kennzeichnungsystem teilzunehmen".
"Ähm. Wie? Was?" denkt sich da der Konsument, respektive die Konsumentin, die nicht mit den Feinheiten der österreichischen Lebensmittelkennzeichnung vertraut sind. "Es hat doch immer geheißen, nur Produkte aus Österreich sind wirklich sicher, die besten sind sie auch und das Kontrollsystem ist das beste der Welt. Und jetzt das?" Jetzt müssen die treuen Käufer österreichischer Produkte zur Kenntnis nehmen, dass das alles gar nicht so abgesichert war, wie man ihnen immer weismachte. Dass erst Sus das ermöglicht. Dass sie sich einen Bären aufbinden ließen und Süßholz raspelnden Agrariern vertrauten, die ihnen etwas vorgaukelten, was es gar nicht gab, wie sie nun selbst indirekt zugeben. Dass sie ihnen auf den Leim gegangen sind.
Die Folgen könnten fatal sein. Warum sollte die Konsumenten diesen Herrschaften noch irgend etwas glauben? Was ist dann die Werbung mit dem Verweis auf die hohe österreichische Qualität und all das, was sonst noch in die Werbeschlacht geworfen wird, wirklich wert?
Da geht es nicht um das Sus-Konzept. Das ist notwendig und wohl auch gut. Da geht es um den Umgang mit der Wahrheit, um die Glaubwürdigkeit und um die Sorgfalt.
Da herrscht tiefstes Österreich. Augenzwinkern da, Schulterzucken dort, aber geh, sei nicht so.
Da wird das Vertrauen der Konsumenten, das in Sonntagsreden so gerne in den Himmel gehoben wird, arg strapaziert. Aber nicht nur das. Es geht auch um das Vertrauen der Bauern und um die Bauern selbst. Kein Wunder, wenn sie zu fragen beginnen, was der ganze Kontrollaufwand, der ihnen aufgehalst wird, soll. All die Ohrmarken, all die Nachmessereien und Rückstellungsmuster und all der ganze Bürokratiekram?
Eh alles für nichts, weil die Produktionskette immer wieder Lücken aufweist? Sind gar die Bauern es alleine, denen alles aufgehalst wird? Die, die im System den Schwarzen Peter gezogen haben? Und nach der Stalltür, nach der Ablieferung der Feldfrüchte gibt es im so hochgelobten österreichischen System nicht viel mehr als viele Lücken?
Österreichs auf sich so stolze Landwirtschaft geht auf einem schmalen Grat. Und das mit einem Augenzwinkern zuviel. Nicht nur bei der Sicherung der Fleisch-Herkunft.
Bisher hantelte man sich - zugebenermaßen nicht unerfolgreich - mit schönen Bildern und pauschalen Versprechungen und Auslobungen über alle offenen Fragen drüber und durch alle Graubereiche durch. Getragen vom guten Willen der Bauern und vom guten Glauben und Vertrauen der Konsumenten.
Zu fragen ist, wie lange das alles halten kann. Pauschalversprechen sind gefährlich.
An der Nase nehmen sollten sich alle. Die amtlichen Agrar-Vermarkter von der AMA-Marketing genauso wie all die Molkereien, die Fleischverarbeiter und erst recht der Handel - kurzum alle, die mitunter weitab von der Realität und zuweilen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ihre Produkte verkaufen wollen.
Das kann fatal enden. Von ungefähr kommt es schließlich nicht, dass "Österreich" längst auch im Billigst-Segment verramscht wird.
Ist ja nichts Besonderes, wenn es sich alle so leicht machen.

Blick ins Land - 2. Mai 2011

Sonntag, 1. Mai 2011

Ein personifiziertes Missverständnis





Er sollte wohl ein Signal an die Jugend sein. Ob die ÖVP mit dem blutjungen Staatsekretär Sebastian Kurz glücklich wird, muss sich erst weisen. Und ob er wirklich ein Signal für die Jugend ist erst recht. Viel eher ist er ein Beispiel dafür, wie sich die Politik im Umgang mit der Jugend schwer tut. Denn jung ist Kurz vielleicht an Jahren, ganz sicher nicht im Habitus. "Er vertritt in seinem Erscheinungsbild nicht die Jugend", sagte denn auch ein Soziologe, der gebeten wurde, ihn zu beschrieben. Es ist ihm recht zu geben. Wie ein jugendlicher Mensch, wie man ihn landläufig versteht, wirkt er in der Tat nicht. Viel eher kommt der neue Staatssekretär daher wie das personifizierte Missverständnis, dem Parteien wie die VP in ihrem Verhältnis zur Jugend aufsitzen.
Die Schwarzen sind nicht alleine damit. Auch andere Parteien tun sich schwer mit jungen Leuten. Die Sozialdemokraten haben mit Laura Rudas schon vor Jahren auf einen ähnlichen Typus wie Kurz gesetzt und damit ihre liebe Not bei der Jugend. Weil auch die Grünen nichts zu bieten haben hat Strache leichtes Spiel. Und er spielt es bravourös. So bravourös, dass den anderen Parteien eigentlich Angst und bange werden müsste. Bei den unter 30-jährigen liegt der FP-Chef in allen Umfragen um Lichtjahre vor der politischen Konkurrenz.
Wenn stimmt, dass die Jugend die Zukunft ist, und daran ist nicht zu zweifeln, dann müssen sich Parteien wie die ÖVP, die SPÖ und Grünen etwas einfallen lassen. Dringend. Sonst geht die Zukunft - und damit Österreich - wohl in eine einschlägige Richtung.
Vor allem die bislang als groß geltenden Parteien haben sich in den vergangenen Jahren ungehemmt und ungeniert von den jungen Menschen entfernt. Die verquere Sprache der Politik, in der kaum ein Wort für bare Münze zu nehmen ist, die zahllosen leeren Versprechungen, die Unschlüssigkeit und die hohle Anbiederung stößt viele ab. Sie haben genug vom glatt gefönten Mainstream und von so weichgespülten wie lauen Argumentationen.
Was in den vergangenen Jahrzehnten schon nicht taugte, taugt jetzt gar nichts mehr. Junge Menschen für die eigenen politischen Zwecke zu missbrauchen, statt ihnen zuzuhören und sie für voll zu nehmen, führte in die Sackgasse. Die Sonntagsreden, die schon am Montag vergessen waren, interessierten immer weniger. Übrig blieben schwarze, rote, grüne Apparatschiks, die vor allem ihre eigene Karriere im Auge hatten. Kein Wunder, dass sich da jeder, dessen politisches Interesse ernsthaft war, rasch abwandte.
Die Jungen wollen akzeptiert werden mit ihren Ansprüchen, ihren Vorstellungen und ihren Wünschen. Sie werden gegängelt von Jugendorganisationen, die lediglich Wählerstimmen rekrtieren wollen und ihren Zweck zuweilen als Veranstalter von Partys und Gelagen missverstehen.
Mehr Platz wird ihnen oft freilich nicht gelassen. Die Neugebauers und Blechas dieses Landes, die Grassers und Strassers und wie sie alle heißen, haben die Erde verbrannt, auf der die Saat für die Jugend aufgehen sollte. Immer das Herumgeschiebe und -gestreite an den großen Themen wie Bildung, Budget, Sozial- und Pensionsssystem, von denen jeder weiß, dass etwas geschehen muss und bei denen sich alle mit großer Lust und wenig Ernsthaftigkeit dennoch gegenseitig blockieren.
Wie in diesem Land Politik gemacht wird, stößt die jungen Menschen ab. Wie die Politiker miteinander umgehen, ebenso. Die Jungen haben nicht mehr den Langmut der älteren Generation. Sie wollen klare Ansagen, nachvollziehbare Entscheidungen und nicht diese unendliche Kette hohler Ankündigungen und leerer Versprechungen. Dem will niemand mehr zuschauen und dafür will sich niemand mehr hergeben. Verständlich.
In den vergangenen Tagen wurde wieder viel versprochen. Von einem neuen Stil war die Rede. Ab jetzt soll alles anders werden und so. Man möchte es so gerne glauben, wie man glauben möchte, dass der junge Staatssekretär tatsächlich jung ist.
Und man aber das Gefühl nicht los, dass man Wetten darauf wohl verlieren würde.

"Meine Meinung" - Raiffeisenzeitung - 28. April 2011
 
UA-12584698-1