Donnerstag, 23. Februar 2012

Gebt uns Österreich zurück!





Wie eine Abrissbirne ein Bauwerk zertrümmert der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Korruption in diesen Wochen das Bild, das sich viele Bewohner dieses Landes vom schönen und guten Österreich und seiner heilen Welt zurechtgezimmert haben. Kaum etwas passt mehr von dem, an das sie geglaubt haben. Nicht die Grundsätze, nicht das Vertrauen. Kaum mehr etwas von dem, das sie stolz sein ließ auf das Land.

Die Dimensionen, um die es in diesem Ausschuss geht, haben viele nicht für möglich gehalten. Dass das gesamte politische System involviert ist, ja, dass sein Funktionieren über weite Teile darauf ausgerichtet erscheint.

Das schmerzt - vor allem jene, die sich bemüht haben in diesem Land und um dieses Land. Die sich hingestellt haben für die Politik, die gelaufen sind, die sich den Mund fusselig geredet und die sich mit Flugzetteln in der Hand die Zehen abgefroren haben. Die sich an den Stammtischen gegen Vorurteile zur Wehr und für Ideen einsetzten, und die es gegenüber Nörglern, Kritikern, Jammerern und Kassandra-Rufern verteidigten. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass nun offenbar doch genau jene Recht zu bekommen scheinen, die es immer schon gewusst haben, weil sie immer alles wissen, die Untergangsspezialisten und die, die hinter jeder Ecke notorisch Gaunerei und Betrug vermuten, die, die sich querlegen und die, die bremsen.

Was der Untersuchungsausschuss hervorbringt, ordnet Österreich und seine politische Kultur international neu ein. Bestenfalls inmitten, nicht selten aber sogar hinter Staaten in anderen Erdteilen, die man bisher hierzulande abschätzig als Bananenrepubliken qualifizierte.

Ein Staat als Selbstbedienungsladen. Das muss Österreich, respektive seine Bürgerinnen und Bürger, erst verdauen. Und dann geht es darum, das zu überwinden und zu verändern. Die Weichen so zu stellen, dass das nicht mehr passieren kann.

Die Herausforderung ist, wieder zurückzufinden, die Entwicklung umzukehren, eine neue Kultur im öffentlichen Umgang zu etablieren, wie sie sich in anderen, zumal europäischen Staaten, längst durchgesetzt hat.

Doch wer kann die Herausforderung meistern?

Es ist zwar löblich, dass nun an entsprechenden Gesetzesinitiativen gearbeitet wird, oder dass man das zu tun zumindest verspricht. Dass es aber ausreicht und zum Ziel führt, muss bezweifelt werden, machen sich nun in der Sache doch genau die gleichen Leute wichtig, die ungeniert zuschauten, wie Österreich im Korruptionssumpf versank.

Ganz abgesehen davon, dass zu fragen ist, ob ein paar schnelle Gesetzesänderungen überhaupt reichen, um das, was angerichtet wurde, wieder hinzukriegen. Denn die Gefahr scheint groß, von der einen einfachen in die andere einfache Lösung zu fallen. Allein aus diesem Grund erhebt sich die Frage, ob die Politik es überhaupt leisten kann, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen und aus allen Verflechtungen zu lösen und ob sie die Kraft dazu hat.

Nicht nur, dass all das zu bezweifeln steht, das ist wohl auch zu viel verlangt. Denn die Verantwortung allein auf die Politik abzuwälzen, greift zu kurz. In der Verantwortung stehen auch andere Institutionen der Gesellschaft vom Bundespräsidenten über die Gerichte, Kirchen bis hin zu den Medien. Und in der Verantwortung stehen auch die Wähler, die Zustände, wie sie derzeit im Untersuchungsausschuss verhandelt werden, zuließen, und nicht selten sogar goutierten, weil sie nichts Besonderes daran zu erkennen vermochten - zumal dann, wenn es um Vorgänge in jeweils jener Partei geht, die ihnen nahe steht.

Klar ist, dass die Bewältigung des Themas viel Fingerspitzengefühl und einen langen Atem verlangt. Einfache Lösungen gibt es nicht. Auch wenn das nun allerorten "Saubermänner“ jedweder Couleur weismachen wollen.

Die Lösung der Aufgabe wird nicht einfach sein. Fest steht lediglich, dass die Aufgabe eine große und ihre möglichst rasche und tiefgreifende Bewältigung eine notwendige ist.

Zu groß ist die Gefahr, dass die Stimmung in diesem Land endgültig kippt. Die politische "Kultur“ hierzulande mag zwar viel schlechter sein, als viele bislang glaubten. Das ist aber kein Grund dafür, das Land, seine Wirtschaft und seine sozialen Standards insgesamt schlecht zu machen. Da sind wir international vorne dabei. Und genau das sollte dem Land die Kraft geben, mit den aktuellen Problemen fertig zu werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. 2. 2010

Dienstag, 21. Februar 2012

Boden verlangt Sensibilität

 



In Österreich wird es immer schwieriger, Landwirt zu bleiben. Nicht allein wegen der agrarpolitischen Aussichten, sondern immer stärker auch wegen der fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten. Die Bauern tun sich schwer, ihre Betriebe an die Erfordernisse der Märkte anzupassen und entsprechend auszubauen.

Zum einen werden ihnen mit Auflagen beim Bau von Ställen und anderen Anlagen immer größere Prügel vor die Füße geworfen und sie werden oft regelrecht aus den Dörfern gedrängt. Zum anderen wird der leichtfertige Umgang mit Grund und Boden zunehmend zum Problem. Der Boden, den die Bauern für den Ausbau ihrer Betriebe bräuchten, wird nach wie vor schier ungehemmt mit Umfahrungen, Einkaufsmeilen, Bahnprojekten und Stromautobahnen, deren Sinn oft kaum erkennbar ist, zugepflastert. W ährend rund um den Globus längst der Kampf um Boden zu einem der großen Themen geworden ist, schauen bei uns alle zu. Auch all jene, die den heimischen Landwirten vorhalten, mit der Biospritproduktion Boden zu vergeuden und die von den Bauern Lebensmittel zu Weltmarktpreisen fordern.

Dabei ist der „Landfraß“ bei uns längst auf dem Weg, dramatische Dimensionen zu erreichen. Neben der Landwirtschaft geht es auch um die Umwelt, die Kulturlandschaft und die Versorgungssicherheit.

Das verpflichtet Planer, Bürgermeister und Projektbetreiber und alle anderen zu wesentlich mehr Sensibilität bei diesem Thema. In der Pflicht steht aber auch die Landwirtschaft. Sie darf sich um den Boden nicht nur Sorgen machen, wenn es den eigenen Interessen dient.

Kommentar - Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 21.02.2012 

Den Bauern wird das Land knapp

 



30 Hektar Boden gehen der Landwirtschaft in Österreich täglich verloren. Für die Bauern wird das zum Problem.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Es ist nur ein Beispiel von vielen: Statt die bestehende Westbahntrasse zwischen Linz und Wels zu erweitern, werden die Züge mit Tempo 250 bald auf einer 40 Meter breiten, völlig neuen Trasse quer über wertvollstes Ackerland fahren. Begleitet von neuen Straßen geht es in Zukunft direkt zum Linzer Flughafen – in einem sieben Kilometer weiten Bogen rund um Pasching. Die Bauern sind machtlos. Rund 40 Hektar müssen sie für ein Projekt hergeben, das für sie nicht nachvollziehbar ist. Schon jetzt steht fest: Beim Flughafen, der schon jetzt ohnehin nur wenige Hundert Meter von der Westbahn entfernt ist, wird nie ein Schnellzug halten. Bürgermeister und ÖBB aber sind zufrieden. „Das ist kostengünstiger und beim Bau einfacher als alle anderen Varianten“, sagen sie.

Für Gerlind Weber, Professorin für Raumplanung an der Universität für Bodenkultur, ist das „schlimm“. Einzelfall ist das freilich keiner. Infrastruktur- und Bauprojekte fressen nach wie vor schier ungehemmt wertvolles Agrarland. Ortsrandlagen oder gar freies Ackerland zu nutzen gilt bei Kommunalpolitikern, Raumordnern und Projektbetreibern oft als die einfachere Lösung. Probleme mit Anrainern sind kleiner, Planungen weniger aufwendig, der Grund ist billiger.

Für immer mehr Bauern wird das zum Problem. Während international die Sicherung der Agrarflächen längst wichtiges Thema ist, gehen in Österreich der Landwirtschaft seit 2001 laut dem jüngstem Nachhaltigkeitsbericht des Umweltbundesamts täglich rund 30 Hektar Land verloren. Das entspricht fast der Größe von zwei durchschnittlichen österreichischen Höfen. In den vergangenen zehn Jahren summierte sich das zu 100.000 Hektar, die der Agrarproduktion abhandenkamen.

Rund ein Drittel davon wird zu Wald, weil die Bauern in Randlagen angesichts der schlechten Aussichten ihre ohnehin kargen Felder und Wiesen aufgeben. Die restlichen zwei Drittel werden zu Straßen, Bau- oder Gewerbegrund oder zu Freizeitanlagen – zum Großteil versiegelt unter Asphalt und Beton.

Für die Bauern wird es damit eng. In besseren Lagen haben sie Probleme, Flächen zu finden, um ihre Betriebe auszubauen. Die bräuchten sie aber, um sich trotz der Änderungen in der Agrarpolitik und auf den Märkten in der Landwirtschaft zu halten.

Besonders angespannt ist die Lage rund um Städte wie Linz oder St. Pölten oder im Marchfeld. „In vielen Tallagen, etwa im Lienzer Becken oder ähnlichen Regionen, ist es aber auch kaum anders“, sagt Günther Rohrer von der Landwirtschaftskammer Österreich.

Agrarland ist in solchen Regionen knapp, Pacht oder Kauf enorm teuer und oft nicht zu erwirtschaften. Zum einen gehen dort überdurchschnittlich viele Flächen an Bau- und Infrastrukturprojekte verloren. Für stark steigende Preise sorgt aber auch die Nachfrage seitens der Bauern, die – oft auf enormen Druck vor allem von Bürgermeistern und anderen Politikern hin – Grund verkauft haben und ihren Betrieb mit dem Verkaufserlös vergrößern wollen. Immer öfter treten aber auch landwirtschaftsfremde Geldanleger als Käufer von Agrargrund auf. Bauern, die keine Grundstücksgeschäfte und damit auch nicht das nötige Kapital im Rücken haben, haben in diesem Spiel schlechte Karten.

In Deutschland machen die Bauern bereits massiv Druck gegen diesen „Landfraß“. In Österreich fehlt es vielerorts noch am entsprechenden Bewusstsein. „Die Bauern zeigten bei diesem Thema bisher eine sehr ambivalente Haltung“, kritisiert Gerlind Weber. „Man hat keine klare Position eingenommen.“

Für sie ist der nach wie vor enorme Flächenverbrauch längst ein weit über die Landwirtschaft hinausgehendes Problem. Sie warnt vor den Folgen für Klima und Umwelt und mahnt ein Konzept für den Umgang mit den Böden ein. „Wir haben gegenüber Deutschland einen übermäßigen Bodenverbrauch.“

Der Hut brennt. Seit 1951 verlor Österreich ein Viertel des Agrarlandes. Statt 4,08 Mill. Hektar sind es nur mehr knapp über drei Millionen Hektar.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 21.02.2012

Freitag, 17. Februar 2012

Bauern machen Wald zu Geld




 

Forstwirtschaft. „Auskömmliche“ Holzpreise locken die Bauern wieder zur Waldarbeit und bescheren der Forstwirtschaft kräftiges Plus.


HANS GMEINER Wien (SN). Nach Jahren der Zurückhaltung nutzen die Bauern nun wieder verstärkt ihre Wälder als Einkommensquelle. Im Vorjahr erhöhte sich der Holzeinschlag im sogenannten Kleinwald (unter 200 Hektar), der sich überwiegend in bäuerlichem Besitz befindet, um rund 25 Prozent auf 10,9 Millionen Festmeter. Als Gründe dafür nennt Martin Höbarth von der Landwirtschaftskammer Österreich die gute Preisentwicklung in den vergangenen zwei Jahren. „Da macht sich die zunehmende Organisation in Verbänden und Waldgemeinschaften und damit eine Professionalisierung der Beratung und in der Folge der Marktnutzung bemerkbar“, sagt der Forstexperte. Eine gewisse Rolle spielten auch die wirtschaftlich unsicheren Zeiten, die die Bauern veranlasst hätten, die gute Marktlage zu nutzen.

Bei den rund 1500 großen privaten Forstbetrieben und den Bundesforsten hingegen blieb der Einschlag mit 9,1 Mill Festmetern gegenüber dem vorangegangenen Jahr unverändert. Mit insgesamt rund 20 Mill. Festmetern lag das Niveau so hoch wie kaum je zuvor.

5,9 Mill. Festmeter und damit mehr als ein Viertel des Holzeinschlags wurden im Vorjahr laut ersten Schätzungen für die Energiegewinnung genutzt. Die Exporte von Rundholz erhöhten sich um vier Prozent auf 1,07 Mill. Festmeter, die Importe sanken um acht Prozent auf 8,3 Mill. Festmeter.

Felix Montecuccoli, Präsident der Land & Forst Betriebe, der Vertretung von rund 650 Großbetrieben, ist mit der wirtschaftlichen Entwicklung im vergangenen Jahr sehr zufrieden. „Wir können zum zweiten Mal hintereinander eine sehr positive Bilanz ziehen. Die Preissituation ist auskömmlich.“ Der Gesamtumsatz der Forstwirtschaft wuchs um zehn Prozent auf 1,7 Mrd. Euro.

Getragen wurde die Entwicklung vor allem von den guten Preisen für Nadelholz. Laubholz bereitet hingegen nach wie vor Sorgen. Mit 25 Euro pro Festmeter sind die Deckungsbeiträge fast um die Hälfte niedriger als bei Nadelholz. Für heuer erwartet Montecuccoli eine Fortsetzung der guten Entwicklung. Spielraum für Preissenkungen sieht er nicht. Bereits eine Absenkung der Holzerträge um nur zehn Euro würde vor allem die Forstwirtschaft in alpinen Lagen in größte Schwierigkeiten bringen. „Wir sehen daher keine Möglichkeit, die Strukturprobleme der Verarbeiter zu lösen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 17.02.2012

Donnerstag, 16. Februar 2012

Österreich ist Geisel seiner selbst






In Salzburg war dieser Tage die Aufregung groß. Die Lebensmittelkontrolleure des Landes stießen sich daran, dass sich die Kinder im Kindergarten miteinander ihre so genannte "Gesunde Jause“ selbst herrichteten und einander dabei gegenseitig halfen. Das gehe nicht. "Die Hygiene, sie wissen“, wurde den erstaunten Kindergärtnerinnen bei Schwerpunktaktionen beschieden. Bis in die Landesregierung reichte der Wirbel, sogar die Landeshauptfrau schaltete sich ein, ehe sich herausstellte, dass man sich im Vorschriftendschungel zwischen Brüssel, Wien und Salzburger verirrt hatte und zum Rückzug blies.

In Linz staunte dieser Tage eine Lehrerin nicht schlecht, die von ihrer Sozialversicherung eine Bescheinigung für einen Arztbesuch brauchte. Diese könne per Fax zwar dem Arzt übermittelt werden, das Fax an sie zu senden, sei aber nicht möglich. "Tut mir leid, Datenschutzgründe, sie wissen.“ Auf die Bescheinigung, die ihr daraufhin als Briefpost versprochen wurde, wartet sie inzwischen mehr als zwei Wochen.

Ob der Wirbel mit der Kinderjause in Salzburg oder der Ärger mit der Bescheinigung bei der Sozialversicherung - jeder kennt Beispiele aus eigenem Erleben und aus Erzählungen und Klagen Bekannter. Sie machen das Leben unnötig mühsam und oft regelrecht schwer und den arglosen Staatsbürger mürbe. Schlimm genug. Sie kosten die öffentlichen Haushalte aber auch jede Menge unnötiges Geld und sie zerstören gewachsene und funktionierende Strukturen, weil ihnen längst jedes Maß abhanden gekommen ist.

An den Entwicklungen, wie sie die beiden Beispiele zeigen, geht das Sparpaket, das in der vorigen Woche mit großem Pomp präsentiert wurde, vorbei. Es gibt keine Perspektive. Und genau das ist das Problem. Nicht nur für den Staatshaushalt, sondern für ganz Österreich. Das macht es so mühsam in diesem Land.

Die führenden heimischen Wirtschaftsforscher sehen es ähnlich. "Es kann nur der Anfang sein“, meinten sie in einer ersten Stellungnahme. Es muss ihnen recht gegeben werden. Denn es ist - siehe oben - nach wie vor genug Speck da. Der wärmt zwar viele Bereiche, macht aber Österreich träge und teuer.

Diese Regulierungswut, diese I-Tüpfelreiterei, die in diesem Land mit ungebrochener Hingabe und unter allerlei Vorwänden und mit oft hanebüchenen Rechtfertigungen gepflogen wird, bietet noch viel Spielraum und jede Menge Möglichkeiten, den bisher anvisierten Milliarden weitere Milliarden an Einsparungen hinzuzufügen.

Immer noch verstehen sich viele öffentliche Einrichtungen, aber auch Unternehmen und Berufsgruppen ganz hervorragend darauf, ihre Schrebergärten zu schützen und dort, abgeschottet und ungesehen von anderen, vor allem zum eigenen Wohl zu fuhrwerken.

Längst hat der Kleingeist der I-Tüpfelreiterei und Regulierungswut ganze Wirtschaftszweige und viele andere Lebensbereiche als Geiseln genommen und droht dabei lange gewachsene und bewährte Strukturen in diesem Land zu zerstören. Der Konsumenten- und der Arbeitsschutz spielen dabei oft ein zwiespältiges Spiel, die politischen Parteien und Interessensvertretungen sowieso, profilierungssüchtige Wissenschaftler und verantwortungslose Medien ebenso. Und auch die, denen das alles eigentlich nutzen sollte: Steuerzahler, Konsumenten, Wähler, die Bevölkerung dieses Landes insgesamt. Der Standort bestimmt den Standpunkt, bestimmt, ob man sich im Recht fühlt, oder als Opfer sieht.

Alle können ein Lied davon singen. Die Eltern und Kindergärtnerinnen in Salzburg, die Lehrerin in Linz, viele Wirtschaftszweige sowieso. Vor allem Gewerbetriebe kommen oft kaum mehr mit den immer neuen Vorschriften und Auflagen zurecht. Nicht nur, dass die kaum zu finanzieren sind, machen ihnen pingelige Behördenvertreter oft das Leben zusätzlich unnötig schwer.

Kein Wunder, dass viele aufgeben.

All das leistet großen Strukturen und anonymen Apparaten Vorschub und befördert die gesellschaftliche und wirtschaftliche Verödung des Landes und die Gleichgültigkeit und Mutlosigkeit seiner Bewohner.

Das Land ist in den vergangenen Jahren arm geworden damit. In finanzieller Hinsicht wird das aktuelle Sparpaket daher wohl nicht das letzte gewesen sein. Weil aber auch vieles von dem, was in den vergangenen Jahren das Land finanziell ärmer gemacht hat, Österreich auch in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht ärmer gemacht hat, sollte es auch nicht das letzte gewesen sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Februar 2012

Dienstag, 14. Februar 2012

Neubeginn Bauern und Arbeiterkammer




 

HANS GMEINER Wien (SN). In den vergangenen Wochen und Monaten blitzte und krachte es im Zuge der Diskussionen rund um das Sparpaket gewaltig zwischen Arbeiterkammer und Gewerkschaften auf der einen und den Bauern auf der anderen Seite. Nachdem nun alles unter Dach und Fach ist, ist Deeskalation angesagt. Am ersten Tag der agrarischen Wintertagung des Ökosozialen Forums in Wien saßen am Montag nicht nur die führenden Bauernvertreter inklusive Landwirtschaftsminister, sondern mit Bernhard Achitz auch ein Gewerkschafts-Sprecher und Arbeiterkammerdirektor Werner Muhm, der im Zentrum des bäuerlichen Zorns steht, auf dem Podium und gelobten Besserung.

Muhm rechtfertigte seine scharfe Linie gegenüber der Landwirtschaft mit dem Verweis darauf, dass die heimische Agrarpolitik schon unter der schwarz-blauen Regierung die Gesprächsbasis abgebrochen und seither nicht mehr an einem Neuaufbau gearbeitet habe. Bauernkammer-Präsident Gerhard Wlodkowski, Bauernbund-Chef Jakob Auer und Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich wiesen das zwar zurück, zeigten sich aber offen für einen neuen Versuch, wieder ein korrektes Verhältnis zu finden. „Ich bin sehr für einen Neubeginn“, sagte Berlakovich. Dabei sei es selbstverständlich, dass sich auch der Agrarsektor der Diskussion stelle. „Aber das muss auf Grundlage eines fairen Grundkonsenses sein.“

Wo da angesetzt werden kann, zeigte der deutsche und gleichzeitig auch europäische Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner auf. „Es geht darum, die Landwirtschaft auch ökonomisch leben zu lassen und nicht immer nur Umweltauflagen im Auge zu haben.“ Er will vor allem Themen wie Versorgungssicherheit in den Vordergrund rücken und verwahrt sich dagegen, Bauern als Almosenempfänger zu sehen. „Wir können was und sind wer, das wissen nur noch nicht alle.“

Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 14.02.2012

Montag, 13. Februar 2012

Klassenkampf mit Bauern




Wie mit den Landwirten in der Diskussion rund ums Sparpaket umgegangen wurde, haben sie nicht verdient.


In den vergangenen Wochen und Monaten schien es nachgerade so, als seien die heimischen Bauern für einige politische Hitzköpfe in dieser Republik nichts anderes als Fußabstreifer für niedrige politische Instinkte. Dass sich dabei nicht nur zweit- oder drittrangiges politisches Personal hervortat und jedes Maß verlor, sondern die Hatz von einigen, die durchaus den Spitzen in diesem Land zuzuzählen sind, macht es besonders schlimm. Generalstabsmäßig arbeitete etwa Werner Muhm mit seiner Arbeiterkammer in den vergangenen zwei Jahren die Landwirtschaft auf und provozierte mit Vorschlägen und Empfehlungen.

Nun ist ja ganz und gar nichts dagegen einzuwenden, sich mit der Landwirtschaft auseinanderzusetzen, Vorschläge und Ideen in die Diskussion zu bringen und auf Missstände hinzuweisen. Ganz im Gegenteil. Keine Wirtschaftssparte mag das notwendiger haben.

Das rechtfertigt aber nicht, zum Klassenkampf zu blasen und eine ganze Gesellschaftsgruppe zu verunglimpfen und als Abkassierer hinzustellen. Schon gar nicht, wenn die Bauern von den Forderungen nach immer niedrigeren Preisen auch von eben jener Arbeiterkammer dorthin getrieben wurden, wo sie jetzt stehen.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft Kommentar / 13.02.2012

Ein blaues Auge für die Bauern





HANS GMEINER Salzburg (SN). Bei der Grünen Woche in Berlin war Landwirtschaftminister Niki Berlakovich angesichts der immer neuen Forderungen an die Landwirtschaft noch fuchsteufelswild. „Die Bauern sind doch keine Goldesel“, schimpfte er erbost. Zwei Wochen später und zwei Tage nach Verabschiedung des Sparpakets hat er sich beruhigt. Zumindest die Ausgleichszahlungen für Umweltprogramme und die Bergbauernförderung werden nicht angetastet. Dass die Bauern dennoch ganz ordentlich zur Kasse gebeten werden, sieht er nun so: „Auch die Bauern tragen die Verantwortung für Österreich solidarisch mit und leisten in dieser schwierigen Zeit ihren Budgetbeitrag.“

Der Beitrag der Bauern zum 27-Milliarden-Euro-Sparpaket liegt bei einer Summe jenseits von zwei Milliarden Euro. Größter Posten ist die sogenannte Umwidmungsabgabe. Für Gewinne aus Umwidmungen von Grün- in Bauland wird künftig ein Steuersatz von 25 Prozent fällig. Schlagend wird die neue Abgabe nicht wie ursprünglich von der SPÖ verlangt bereits bei der Umwidmung, sondern erst beim tatsächlichen Verkauf. Die Umwidmungsabgabe soll bis zu 500 Millionen Euro jährlich in die Staatskassen spülen. Offen ist, in welchem Umfang die Einnahmen – wie von Bauernbundpräsident Jakob Auer verlangt – tatsächlich den Gemeinden zugute kommen.

Die Reaktionen in der Bauernschaft auf die neue Abgabe sind geteilt. Kritiker sprechen von einer De-facto-Abwertung der Grundstücke per Gesetz um 25 Prozent. Es sei den es gelingt den Bauern die Steuer in den Grundstückspreisen unterzubringen. Dann würde sich freilich Grund und Boden entsprechend verteuert. In manchen Bundesländern, wie etwa in Oberösterreich, haben die Bauern Sorge, dass sie doppelt zum Handkuss kommen könnten. Dort ist es in den vergangenen Jahren in vielen Gemeinden üblich geworden, dass die Bürgermeister als Gegenleistung für die Umwidmung den Landwirten Gratisgrund für die Gemeinde abverlangen. Dass es kein Nebeneinander von Umwidmungsabgabe und Grundabtreten in den Gemeinden geben kann, ist für die Bauern klar. Ob das wirklich durchsetzbar ist, ist freilich alles andere als fix. Kein Wunder ist, dass ein deutlicher Anstieg des Interesses der Bauern bemerkbar ist, noch vor Inkrafttreten der Umwidmungsabgabe bereits geplante Grundstücktransaktionen so rasch als möglich unter Dach und Fach zu bringen.

Während die Umwidmungsabgabe nur einen Teil der Bauern treffen wird, trifft die Streichung der Steuerrückvergütung für Agrardiesel alle Landwirte. Für das Budget bringt das 200 Mill. Euro, jeden Bauern kostet das im Schnitt rund 270 Euro pro Jahr.

Dass die Mineralölsteuervergütung auch für die ÖBB, die Wiener Linien und den Schiffsverkehr fällt, sieht man in der Landwirtschaft mit Befriedigung. Das ändert freilich nichts dran, dass die heimischen Bauern nun gegenüber ihren Kollegen in den meisten anderen EU-Ländern mit einem deutlichen Wettbewerbsnachteil zu kämpfen haben. Dort ist die Steuervergütung bei „Agrardiesel“ üblich.

Alle Bauern treffen auch die geplanten Einsparungen im Sozialbereich: Die Abgabe für Land- und Forstbetriebe wird angehoben, die letzte Stufe der Erhöhung des Beitragssatzes zur Pensionsversicherung – bereits in Loipersdorf beschlossen – von 2014 auf 2012 vorgezogen. Auch das faktische Pensionsantrittsalter soll von 57 auf 60 Jahre erhöht werden.

Noch unklar ist, wie sehr die Bauern direkt von der geplanten fünfprozentigen Bindung der Ermessensausgaben getroffen werden. Sie soll 50 Mill. Euro bringen.

Für Unmut sorgt das Strukturreformpaket in der Agrarverwaltung, mit dem durch Fusionen von Dienststellen bis zum Jahr 2016 rund 100 Mill. Euro eingespart werden sollen. Vor allem die Bundesanstalten, die zusammengelegt werden sollen, sind bereits auf den Barrikaden.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 13.02.2012

Mittwoch, 8. Februar 2012

Politisches Scheitern in der zweiten Auflage ...





Erhard Busek ist drauf und Franz Fischler, Gerd Bacher, Friedhelm Frischenschlager, Johannes Voggenhuber und Herbert Paierl, Salzburgs einstige Politspitzen wie Wolfgang Radlegger, Josef Reschen und Josef Dechant. Man kennt die Namen und die Gesichter. Seit Jahrzehnten. Sie bestimmten die Politik in den vergangenen dreißig, vierzig Jahren in diesem Land. Hatten die Hebel der Macht in Händen. Gemeinsam ist den meisten von ihnen, dass sie abgewählt oder von ihren Parteien vor die Tür gesetzt wurden, dass sie kein Gehör mehr fanden oder sich nicht durchsetzen konnten - und dass sie jetzt auf der Proponentenliste des Volksbegehrens "MeinOE“ stehen. Mehr direkte Demokratie wollen sie in diesem Land durchsetzen, ein neues Wahlrecht, einen neuen Föderalismus, eine unabhängige Justiz und noch vieles andere mehr. Ehrbar durchaus. Und fraglos wichtig auch. Genauso wie Hannes Androsch’ Bildungsvolksbegehren.

Der Zeitpunkt, zu dem die Proponenten mit ihrem Anliegen in die Öffentlichkeit traten und Androsch dem Bildungssystem einen neuen Dreh geben wollte, entbehrt freilich nicht einer gewissen Pikanterie. Sie werden und wurden genau in den Wochen und Monaten lanciert, in denen die politischen Nachfahren dieser Herrschaften alle Hände voll zu tun haben, um deren politische Hinterlassenschaften, respektive deren finanziellen Folgen irgendwie in den Griff zu kriegen. Um nicht jede Perspektive für die Zukunft zu verlieren, ist man genötigt, das größte Sparpaket in der Geschichte der Republik zu schnüren.

Der ehemalige Rechnungshof-Chef Franz Fiedler brachte es auf den Punkt: "Wir müssen die Versäumnisse der Politik in der Vergangenheit aufheben.“ Ihm ist nur recht zu geben. Die Bemühungen der Altpolitiker, die nun wieder meinen vorgeben zu müssen, wohin sich der Staat entwickeln soll, erscheinen damit freilich in einem anderen Licht.

Ihre Anliegen mögen gut sein, sie selbst als Menschen und auch als Politiker nach hiesigen Maßstäben integer, aber sie sind die falschen Leute, diese Anliegen zu vertreten. Leute wie Busek, Paierl, Voggenhuber oder Androsch stehen Kraft der Ämter und Funktionen, die sie inne hatten, mit in der Verantwortung für das politische Klima im Land und für seine wirtschaftliche und demokratiepolitische Situation. Dafür, dass Veränderungen so schwer durchzusetzen sind. Für die Neidgesellschaft. Und natürlich - und das vor allem - für das politische Personal, das wir jetzt haben. Sind doch sie alle, von Faymann über Spindelegger bis hin zu Fekter, Darabos oder Berlakovich, in deren Zeit politisch sozialisiert worden und in die Politik hineingewachsen.

Alle, die da jetzt allerorten - den unseligen Altkickern der Cordoba-Generation nicht unähnlich - meinen, in das aktuelle Geschehen eingreifen und mitreden zu müssen, mögen immer ehrbar gehandelt haben. Zieht man aber einen Strich unter ihre Arbeit, steht als Resultat das heutige Österreich - genau das Österreich, über das sie sich nun selbst erschrocken zeigen. Das ist durchaus nachzuvollziehen, taten das doch andere in diesem Land schon längst vor ihnen, aber genau betrachtet nicht wirklich akzeptabel.

Dabei klingt, was die Proponenten des Volksbegehrens und andere ergraute Wutbürger mit Polit-Vergangenheit zu sagen haben und was sie fordern, durchaus danach, Hand und Fuß zu haben, notwendig zu sein und g‘scheit. Sie sprechen wohl vielen aus der Seele. Es vermittelt eine Substanz, die von weiten Kreisen der Bevölkerung längst vermisst wird.

Zu fragen ist aber dennoch, warum haben es diese Herrschaften nicht verstanden, diesen Geist, den sie nun einmahnen und Leute ihres Zuschnitts als ihre Nachfolger zu implementieren? Weil sie doch nur um ihr eigenes Ego kreisten? Weil sie sich zu wichtig nahmen? Weil sie niemanden groß werden ließen neben sich? Weil sie nur Ja-Sager holten, die ihnen willfährig an den Lippen hingen? Oder weil sie es nicht lassen konnten, immer und überall mitzureden und alles und jedes an sich zu ziehen? So wie sie jetzt nicht aufhören können?

Es gibt wohl eine Vielzahl von Gründen. Aber jeder von ihnen macht es schwer, neuerlich Vertrauen in all diese Leute und Namen zu fassen. Und das ist eigentlich das, was angesichts der Forderungen, die sie nun stellen, ganz besonders schade ist.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 9. Februar 2012

Donnerstag, 2. Februar 2012

Wird Bio konventioneller als konventionell?





Es war recht dick aufgetragen. Anmaßend fast und selbstgefällig. Bei den Biotagen der Bio Austria gaben sich die Biobauern äußerst selbstbewusst und überzeugt davon, das Richtige zu tun und die Guten zu sein. Mitunter bis weit jenseits der Schmerzgrenze und zuweilen am Rand der Lächerlichkeit. Über das Tagungsmotto "Agrarkultur 2100" machte sich sogar der als Referent engagierte deutsche Grüne und Agrarexperte Benedikt Haerlin lustig. "So weit nach vorn hat noch niemand geblickt".

Dabei droht der Erfolg, den der Biolandbau in Österreich zweifellos hat, schon jetzt, 88 Jahre davor, seine Kinder zu fressen. Denn es rumpelt wieder einmal kräftig in der Biokiste. Rund um das Buch "Der Bio-Schmäh" entbrennt gerade wieder einmal eine heftige Auseinandersetzung zwischen den Fundis und den Realos der Bio-Szene. In Niederösterreich droht die Bio Austria als Folge der Biogetreide-Pleite auseinanderzufliegen, die Mitglieder laufen davon, die Kassen sind leer. Die jüngsten Unregelmäßigkeiten bei Getreideimporten sind noch nicht vergessen. Der Strukturwandel macht Sorgen. Im Umgang mit den Märkten tut man sich schwer. Und aus dem Handel wird der Druck immer größer.

Bio ist, so betrachtet, ziemlich konventionell. Auch dann, wenn es um die Sicherung der Förderungen im Zuge der Agrarreform geht. Da steht man ganz vorne. Viele in der Biolandwirtschaft fühlen sich die einzig wirklich Berechtigten, auch in Zukunft noch Geld zu fordern. Dabei hängt die selbsternannte Speerspitze der Landwirtschaft schon jetzt so intensiv am Tropf öffentlicher Förderungen, wie sonst niemand in der Landwirtschaft. Und das trotz der ohnehin relativ höheren Preise und besseren Einkommen.

Bei so viel konventionellem Verhalten, so vielen konventionellen Problemen und so vielen konventionellen Wünschen und Forderungen der Biolandwirtschaft tut sich die konventionelle Landwirtschaft ja fast schon schwer mitzuhalten.

Die dort sind, auch wenn längst manch Kammerpräsident Biobauer ist, ganz bestimmt keine Waserln, wie es so schön heißt. Aber man hat zumindest über weite Strecken akzeptiert, dass Bio-Landwirtschaft kein Teufelszeug und keine Scharlatanerie ist. Das dauerte zwar Jahrzehnte und macht zuweilen immer noch große Probleme. Aber das Bemühen ist erkennbar. Auch wenn es noch oft zu wünschen übrig lässt, zumal dann, wenn man glaubt unter sich zu sein.

Diesen Mühen freilich scheinen sich viele in der heimischen Biolandwirtschaft erst gar nicht unterziehen zu wollen. Das verwundert angesichts der offenen Lebenseinstellung, die man sich dort gerne zu Gute hält. Allzu viele verlieren in ihrem Eifer für ihre Sache das Maß. Bosheit, Häme, Abschätzigkeit - in manchen Kreisen der Biobauern wird das geradezu zur Kultur erhoben. Was sie einst der konventionellen Landwirtschaft vorwarfen, müssen sich viele aus der Biolandwirtschaft nun selbst vorhalten lassen.

Gut ist diese Polarisierung nicht. Vor allem dient sie nicht der Sache. Der Sache, die da heißt: Landwirtschaft. Denn die steht ohnehin unter Druck. Die Gräben, die durchaus von beiden Seiten gepflegt und zuweilen vergrößert werden, machen es für die Landwirtschaft und für die Bauern, die davon - nach welchem Konzept auch immer - leben, nicht leichter.

Das sollte sich ändern. Denn dass da innerhalb der Landwirtschaft zwei Kulturen gegeneinander und zuweilen unversöhnlich wuchern, ist nicht verständlich. Für Außenstehende nicht, aber auch für immer mehr Bauern nicht.

Gmeiner meint - Blick ins Land 3. Februar 2012

Mittwoch, 1. Februar 2012

Aus dem Brutkasten der Demokratieverdrossenheit





Bauern, die mit der Entwicklung der Landwirtschaft unzufrieden sind, sollen künftig auch im öffentlichen Dienst eingesetzt werden. Die Landwirtschaft verschlingt jährlich mehr als zwei Milliarden Euro. Jahrelang wurden Bauern in Invaliden- oder Frühpension geschickt. Damit muss jetzt Schluss sein. Die Politikerin kritisiert die Agrarpolitik, die verrückte Zustände zulasse. Es kann nicht sein, dass Menschen in einer aussichtslosen Produktion gehalten werden. Darum muss rasch die Möglichkeit geschaffen werden, Bauern auch im öffentlichen Dienst einzusetzen. Und der Steuerzahler kommt so auf sein Recht, dass vorhandenes Personal sinnvoll eingesetzt und Produktivität geschaffen wird.

Starker Tobak, der in diesem Artikel aufgetischt wird, fürwahr. Die Worte "Bauern“, "Agrarpolitik“, "aussichtslose Produktion“, "zwei Milliarden“ und "Landwirtschaft“ ausgenommen, ist er echt und vor zwei Wochen in der Kronen Zeitung erschienen. Die bäuerlichen Leser mögen sich daher nicht aufregen. Im Originaltext stehen statt dieser Worte dafür "Eisenbahner“, "Abstellgleis“, "Dienstrecht“, "ÖBB“ und "sieben Milliarden“. Gefordert hat das die schwarze Innenministerin. Daher werden an diesem Artikel wohl viele Bauern, wiewohl derzeit gerade selbst im Zentrum einer regelrechten politischen Hetzkampagane, großen Gefallen gefunden haben.

So ist Österreich. So wie die Bauern würden wohl alle reagieren. Die Beamten und Unternehmer auf der einen Seite, die Eisenbahner und Arbeiter auf der anderen. Riesenwut, wenn man betroffen ist, große Freude und Häme, wenn es um andere geht.

Dieses kleine Spiel mit dem Austausch von Schlüsselwörtern zeigt sehr viel vom Umgang in der heimischen Politik und davon, was Österreichs Staatsbürger so mürbe, müde und politikverdrossen macht. Die Leichtigkeit, die Herabgelassenheit, die Bosheit und vor allem die Respektlosigkeit ist mitunter atemberaubend und beschämend, mit der man über den politischen Gegner und die Menschen redet, die man als dessen Klientel vermutet. Argumente werden nicht gehört, Bemühungen nicht anerkannt, Wünsche abgeschmettert, Bedürfnisse negiert.

"Die“ Bauern sind beliebte Opfer, "die“ Lehrer, "die“ Beamten und "die“ Eisenbahner. Sie stehen politisch in der Auslage, daher kann man ihnen, glauben nicht wenige, alles an den Kopf werfen. Sie müssen sich von Menschen sagen lassen, wie was gemacht gehört. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, wie mit ihnen über ihre Köpfe hinweg geschachert wird. Und sie müssen sich bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit sagen lassen, dass sie für überflüssig gehalten werden, für unfähig, für notorisch faul und für Schmarotzer.

Mitleid verdienen sie freilich nur in den seltensten Fällen, denn sie verstehen sich auf dieses Spiel genauso. Zumindest.

Dieser Stil, diese Kultur, die zerren an den Nerven. Sie sind Unterfutter für Ängste, Ärger und Blockaden, ein Brutkasten für Politikverdrossenheit.

In den vergangenen Wochen gab es genug davon. Nun geht die Diskussion um das Sparpaket, wie es scheint, in die Zielkurve. Dass damit auch die gegenseitigen Miesmachereien vorbei sind, ist freilich nicht anzunehmen. Ganz im Gegenteil. Es steht zu befürchten, dass es erst richtig los geht, wenn die Pläne und die Zahlen auf dem Tisch liegen. Dann sind die Oppositionsparteien am Zug und die Interessenvertreter. Und die werden wohl weiter an der Schraube drehen.

Sie tun das freilich nicht ohne Grund und ohne Hintergedanken. Denn sie wissen genau, dass die meisten Leute in diesem Land genau das von Ihnen erwarten. Politischen Krawall zu machen, die fette Schlagzeile, wird allzu oft für Politik gehalten und als Vertretung der Interessen verstanden. Von den Politikern selbst und freilich auch von ihren Wählern.

Wehe, es ist da einer oder eine von den Interessensvertretern oder Politikern zu ruhig. Oder er oder sie zeigen gar für etwas Verständnis, das vom politischen Gegner kommt. Dann haben sie um die Stimme bei der nächsten Wahl zu fürchten. Das zumindest.

Und weil das allemal die Chance gibt, zu Stimmen und politischem Gewicht zu kommen, werden sie wohl auch nicht wortlos zuschauen und das Vereinbarte abnicken, aus Gründen der Vernunft und der Staatsräson mitzutragen versuchen oder gar loben - sondern weiter an den Nerven zerren, sich gegenseitig blockieren und alles tun, damit das Land nicht weiterkommt.

Wie bisher halt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Februar 2012
 
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