
In der Werbung klingt alles perfekt wie immer. „Deshalb haben wir unser
nachhaltiges Tierwohl – Projekt ins Leben gerufen, von der nicht nur die
regionalen Landwirte, sondern auch die Tiere profitieren“ heißt es da. Die
Grundsätze umfassten vor allem die Fütterung, die Aufzucht, ausreichend
Auslauf, Stroheinstreu und ein respektvolles Zusammenleben von Mensch und Tier
klopft man sich selbst auf die Schulter. „Somit stellen wir sicher, dass unsere
Tiere natürlich, gesund und stressfrei aufwachsen können“.
Für die Tiere mag das gelten. Für die Menschen, zumal für Bauern oft
nicht. Denn die Wirklichkeit kann auch eine ganz andere sein, wie in den
vergangenen Wochen Landwirte im Oberösterreichischen erfahren mussten.
„Tierwohlstall stinkt den Anrainern“, hieß es da in fetten Lettern. Und
„Tierwohlstall bringt Nachbarn in Rage“. Unterschriftenlisten kursierten, das
Fernsehen kreuzte auf, die Bürgermeisterin schaltete sich ein. Da nutzten alle
Genehmigungen nichts. Wenn‘s mit Tierwohl ernst wird, schaut die Welt sehr
schnell ganz anders. „Es stinkt fast täglich, draußen zu frühstücken oder zu
jausnen ist dann unmöglich“, behauptet man selbst in hunderte Meter vom Stall
entfernten Wohnhäusern.Tierhaltern ist das nicht fremd. Vor allem die Schweine- und die Geflügelhalter leiden unter den überall größer werdenden Schwierigkeiten, ihre Betriebe entwickeln zu können. Nun eben auch, wenn es um Tierwohlställe geht, die mit viel Stroh, mit viel Auslauf und mit viel frischer Luft den Tieren genau das bieten wollen, was sie sich und die Konsumenten sich angeblich wünschen. Aber wohl nur, wenn das nicht gerade vor der eigenen Haustüre so gemacht werden soll.
Die Lage ist verzwickt. Auf der einen Seite kann man durchaus verstehen, dass man sich von den Gerüchen eines Schweinestalls belästigt fühlen kann. Auf der anderen Seite steht freilich der Landwirt, der die Möglichkeit haben muss, seinen Betrieb den modernen Erfordernissen anpassen zu können. „Viele Bauern scheuen schon vor Investitionen zurück, sie wollen ja nicht Buhmann sein“ heißt es nicht selten.
Politik und Standesvertretung kommen mit diesen Problemen immer weniger
zurecht. Auch wenn sich die Landwirte noch so strengen Auflagen unterwerfen,
alle Bescheide haben und alle Widmungen, sind sie nicht vor Protesten und
Anfeindungen gefeit. Auch, weil das Recht, alles anzufechten, zu beeinspruchen
und verbieten zu wollen, inzwischen offenbar jeder nach Gutdünken in Anspruch
nimmt. Und wenn nicht am offiziellen Weg, dann über Medien oder
Unterschriftenaktionen.
Die Bauern sitzen
da eindeutig am kürzeren Ast. Mitunter fühlen sie sich als Freiwild. Nicht nur,
wenn es um moderne Stallungen geht, auch wenn es um die Sanktionierung von
Stalleinbrüchen geht, bei denen die Landwirte kaum Möglichkeiten haben, ihre
Rechte durchzusetzen. „Was sollen wir noch machen?“ fragen sie und bekommen keine rechte Antwort. Und Sicherheit erst recht nicht. Selbst an Standards für Prüfungen etwa der Geruchsbelästigung mangelt es immer noch.
Und freilich oft auch am Rückgrat. „Die Bürgermeisterin hofft auf den Herbst, und darauf, dass sich die Lage beruhigt“, hieß es in einer Zeitung.
Gmeiner meint - Blick ins Land November 2019, 30. 10 2019
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