Freitag, 21. August 2009

In der Bioszene herrscht dicke Luft






HANS GMEINER Salzburg (SN). In der heimischen Bioszene herrscht dicke Luft. Zu den Problemen, die in den vergangenen Monaten den Biomilch-Markt aus dem Ruder laufen ließen, kommen nun auch Probleme bei Futtergetreide. Aus der vorjährigen Ernte liegen noch gut 25.000 Tonnen Futtergetreide auf Lager. Das ist rund ein Drittel des Jahresbedarfs in Österreich. Wegen der hohen Preise, um die diese Menge im Vorjahr in Österreich aufgekauft und sogar importiert wurde, ist dieses Getreide heuer unverkäuflich. Heuer sind die gleichen Qualitäten um bis zu 30 Prozent billiger zu haben und in ausreichender Menge vorhanden. Der Abwertungsbedarf, den die Agentur für Biogetreide, die Raiffeisen Ware Austria und Futtermittelhersteller wie der Salzburger Raiffeisenverband haben, wird auf insgesamt drei bis fünf Mill. Euro geschätzt.

Heinz Kaltenbäck von der Agentur für Biogetreide sieht die Situation gelassen. „Der Markt ist zwar sensibel, aber die Situation ist nicht so dramatisch“, sagt er im Gespräch mit den SN. „Jetzt muss man einmal das Ende der Ernte abwarten.“

Fix ist aber schon jetzt, dass Bio Austria, der größte heimische Biobauernverband, und die betroffenen Unternehmen von den Biogetreidebauern einen sogenannten Solidarbeitrag in der Größenordnung von 30 Euro pro Tonne einheben wollen. Er soll, wie es Bio-Austria-Obmann Rudi Vierbauch in einem Schreiben an die Bauern formuliert, „für die Abwertung der Überlagerungsmenge“ verwendet werden.

In der Branche und bei den Bauern stößt dieser Vorschlag auf Häme. „Warum sollen die Bauern, die heuer ohnehin massive Preiseinbußen hinnehmen müssen, für die Fehleinschätzung des Marktes zahlen?“, fragt man.

In einem offenen Brief an Bio Austria meint Rupert Bauinger, Chef von Fixkraft, einem der größten heimischen Futtermittelhersteller: „Fixkraft braucht keinen Solidaritätsbeitrag von den Biobauern, wir können bestes Biofutter zu aktuellen und marktkonformen Preisen liefern.“

Bauinger hat mit Bio Austria ohnehin noch eine Rechnung offen. Fixkraft investierte im Vorjahr rund fünf Millionen Euro in ein hochmodernes Mischfutterwerk, in dem Biofutter und konventionelles Futter völlig getrennt produziert werden. Trotz vorheriger Absprache mit Bio Austria und einer Reihe von Zertifikaten von Prüfstellen, die auch für Bio Austria prüfen, wird dieses Werk nicht für den Bio-Austria-Standard anerkannt. Denn just seit Jahresbeginn werden nur Futtermittelwerke anerkannt, die ausschließlich Biofutter verarbeiten. „100 Prozent Biobetrieb, 100 Prozent Biolagerstellen, 100 Prozent Biofuttermittelwerke“, heißt es bei Bio Austria. Getrennte Produktionslinien seien zu wenig.

Bauinger versteht das nicht. „Was ist dann mit den bäuerlichen Mischzügen, die direkt auf den Höfen von konventionellen und von Biobauern Futter mischen, was mit den Fleischereien und was mit den Bäckereien?“, fragt er. Auch viele Bauern haben Probleme damit, das nachzuvollziehen, zumal die Kriterien des Bio-Austria-Standards praktisch ausschließlich auf Gesellschafter der Agentur für Biogetreide zutreffen. Mittlerweile ist auch die Wettbewerbsbehörde damit befasst.

Auch im Handel steht man der Konstellation skeptisch gegenüber. Rewe pfeift inzwischen auf den Bio-Austria-Standard. Ja!natürlich, die größte heimischen Biomarke, akzeptiert Fixkraft als Lieferant von Biofuttermitteln – befristet und mit Auflagen, die über den Bio-Austria-Standard hinausgehen.


Wirtschaft / Print

Samstag, 8. August 2009

Nutzt's nix, so schad'ts nix!?





In Salzburg gibt sich der Agrarlandesrat gerne als Überbleibsel der Fußball-EM. Er gefällt sich als Schiedsrichter und zeigt Handelskonzernen und Molkereien gerne und medienwirksam die "Rote Karte", weil sie seiner Meinung nach Milch zu Dumpingpreisen verschleudern und den Bauern zu wenig zahlen. "Der verwechselt Äpfel mit Birnen", lässt man ihn dort wissen und setzt die Billig-Aktionen fort. Der sonst so seriöse Bauernpräsident Gerhard Wlodkowski besorgt sich eine blaue Arbeitsbluse und lässt sich mit einem Ferkel im Arm fotografieren. "Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski kämpft dafür, dass diese wichtige Sparte in der Steiermark erhalten bleibt", heißt es im beigefügten Text. Was er mit "kämpfen" meint, bleibt sein Geheimnis. Das Bild muss genügen. Und der Landwirtschaftsminister und eine ganze Reihe von Agrar-Landesräten haben sich mit dem Thema Genuss ein Perpetuum mo?bile geschaffen, das ihre persönliche Präsenz in der Öffentlichkeit - sonst aber gar nichts - garantiert. Manche von ihnen halten das für Politik.

Das sind nur einige wenige Beispiele für etwas, was in anderen Bereichen Menschen in die Politikverdrossenheit treibt, sich aber auch in der Landwirtschaft zusehends in die politische Arbeit mischt: Immer öfter zählen nur mehr die schnelle Schlagzeile, das einprägsame Bild, der rasche "Sager". Hauptsache in der Zeitung, Hauptsache im Fernsehen. Und am besten nicht nur in der agrarischen Öffentlichkeit. Was das bringt "Nutzt's nix, so schad'ts nix", heißt es dann. Man kennt das Grinsen, wenn man Verantwortliche darauf anspricht, das Schulterzucken. "Ist ja gut rübergekommen."

Zuweilen hat es den Anschein, als seien die Bauern in die Fänge von Populisten geraten. Schlimm genug. Was aber noch schlimmer ist: Dass man es in die Zeitung oder ins Fernsehen schafft oder dass es gelungen ist, ein Bild unterzubringen, wird immer öfter mit Politik verwechselt, mit Politik für die Bauern - zu allem Überdruss auch noch mit der Betonung auf "für".

Dieser Verwechslung scheinen auch viele andere, die vorgeben, in der Landwirtschaft etwas bewegen zu wollen, aufzusitzen. Die IG-Milch und ihr Milchlieferboykott sind ein Beispiel dafür - fette Schlagzeilen, jede Menge Fernsehminuten, und die Bauernmilchpreise sind trotzdem gesunken. Um keinen Deut anders und schon gar nicht besser sind die Zurufe von Parteien zu werten, in denen Landwirtschaft und die Bauern kaum eine Rolle spielen, außer jener, den "Schwarzen" ans Zeug zu flicken. Nach Belieben werden von dort aus zuweilen Themen in der Öffentlichkeit lanciert, die wenig mit den Bedürfnissen der Landwirtschaft, oft aber viel mehr mit den Absichten der Parteien zu tun haben, sich in der Öffentlichkeit zu positionieren und - siehe oben - in die Medien zu kommen.

Politik ist anders. Und sie muss anders sein. Die Bauern leiden unter den steigenden Kosten, viele Produktionssparten kämpfen nach wie vor mit schlechten Preisen. Der Welthandel gab sich neue Regeln und sorgt dafür, dass sich die Landwirtschaft international neu aufstellt. Damit müssen die österreichischen Bauern zurechtkommen. Da sind nette Bilder mit Ferkeln und Genuss-Aktionen zu wenig. Und auch "Rote Karten". In einem Kommentar bringt eine Kollegin auf den Punkt, was solche Aktionen in den allermeisten Fällen bleiben: "Ohne Erfolg." Vor allem für die Bauern. Die brauchen Politik mit Ergebnissen. Mit guten Ergebnissen, versteht sich.

"Blick ins Land" Nr. 08/08 vom 08.08.2008

Freitag, 7. August 2009

Die Bauern sind wieder in Hochform





Der Milchpreis ist eine Katastrophe, die Getreidepreise sind wieder im Keller, die Fleischpreise springen auch nicht recht an - und die Bauern sind in Hochform. An allen Ecken und Enden wird geklagt und gejammert wie schon lange nicht mehr. "Da haben wir 50 Jahre den Bauernbund gewählt und dann das", sagt ein (sic!) 40-Jähriger. "Die Ernte wird heuer ein Defizit", klagt einer beredt, obwohl er noch keinen Quadratmeter geerntet hat. Und ein anderer echauffiert sich darüber, dass die Bauernpreise immer niedrig sind und alles andere teurer wird - und pachtet dennoch dazu, was zu kriegen ist.

Ja, den Bauern geht es derzeit nicht gut. Zerplatzt sind die Träume, die vor zwei Jahren so hoch flogen. Die Situation ist schwierig, keine Frage - aber all das ist kein Grund, jedes Maß zu verlieren.

Dazu aber haben die Bauern immer schon geneigt. Man fühlt sich oft benachteiligt und als Opfer, glaubt man doch besondere Ansprüche zu haben. Derzeit gehen viele dieser Neigung wieder mit besonders großer Inbrunst nach. Dabei halten sich Bauern gerne für Unternehmer. Selbstständig, unabhängig, frei. Davon ist derzeit nicht viel zu merken. Viele Bauern scheinen ihren Masochismus nachgerade zu pflegen. Nicht wenige ruinieren sich ihr Leben damit. Und schuld sind immer nur die anderen. Immer.

Dabei verhalten sich die Bauern selbst zumeist gar nicht so anders als jene, denen sie gerne an ihrer Situation die Schuld geben. Warum sollen Abnehmer und Konsumenten mehr zahlen, wenn sie die gleiche Qualität woanders billiger kriegen. Die Bauern handeln doch auch Tag für Tag nicht anders - beim Einkauf von Maschinen, von Futtermitteln, im Supermarkt, im Kleidergeschäft.

Dass die Bauern eigentlich privilegiert sind, vergessen sie zumeist gerne. Sie haben, was sonst niemand in unserer Gesellschaft hat - ein Polster, gefüllt mit Ausgleichszahlungen, die Sicherheit geben. Auch wenn's in Feld und Stall nicht so läuft. Diese Zahlungen sollen hier nicht angezweifelt werden - aber Wirtschaftstreibende wären um Ähnliches froh, unselbstständig Beschäftigte sowieso, und auch viele Standeskollegen in anderen Ländern.

Österreichs Bauern sind da anders. Sie reden einfach nicht davon. Hauptsache, so zuweilen der Eindruck, man kann über die Preise klagen.

Da stellt sich einer ins Fernsehen und gibt den benachteiligten Milchbauern - und dann stellt sich heraus, dass der gute Mann pro Hektar und Jahr so viel an Prämien bekommt wie ein normaler Arbeiter für einen halben Monat Arbeit - nämlich 900 Euro. Und da meinen selbst Bauern über die Agrarpolitik schimpfen zu müssen, die genug Geld aus Wien, Brüssel und vom Land bekommen, um auch noch ihren Frauen ein Auto hinzustellen - jedes Jahr.

Alles ganz selbstverständlich - selbstverständlich. Der Beobachter reibt sich verwundert die Augen.

Warum nur, fragt man sich dann, warum nur betreiben viele aus dem Chor der Klagenden immer noch Landwirtschaft, vor allem jene, die durchaus auch andere Möglichkeiten hätten?

Im Englischen heißt es "Love it, change it, or leave it" - mag es, ändere es oder lass es sein.

Viele Bauern scheinen damit nichts anfangen zu können. Weder mit Ersterem noch mit Zweiterem - und schon gar nicht mit Letzterem. Dabei wäre das auch eine Alternative, eine sehr unternehmerische Entscheidung sogar. Aber dann müsste man auf eigenen Füßen stehen und hätte möglicherweise nichts mehr zum Jammern.

Blick ins Land" Nr. 08/09 vom 07.08.2009
 
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