Freitag, 27. November 2009

Für die Bauern beginnt das große Zittern





Die neue Agrarpolitik der EU lässt Verteilungskämpfe und weniger Geld für die Bauern erwarten


HANS GMEINER Salzburg (SN). Den Zuhörern im Festsaal der Landwirtschaftskammer Österreich in Wien schien es, als hätte der Wolf Kreide gefressen. Da lobte Klaus-Dieter Borchardt, Kabinettschef von EU-Agrarkommissarin Fischer Boel, die multifunktionale Landwirtschaft und sagte: „Wir wollen, dass die Landwirtschaft unabhängig von den Strukturen in allen Regionen erhalten bleibt.“
Normalerweise klingen die Töne aus Brüssel anders, wenn es um die Zukunft der Agrarpolitik geht. Da geht es im Kern immer ums Geld. Erst kürzlich sorgte ein inoffizielles Grundsatzpapier von EU-Kommissionspräsident Barroso für helle Aufregung. Darin hieß es, der Agrarhaushalt, der derzeit ein Volumen von rund 55 Mrd. Euro ausmacht, müsse gekürzt werden, um Gelder für neue Ziele freizumachen.
Die aktuelle EU-Budgetperiode läuft zwar noch drei Jahre, in der Landwirtschaft ist aber längst eine intensive Diskussion über die Zeit danach, die Jahre von 2014 bis 2020, im Gang. Schon jetzt ist klar, dass auf die Bauern gravierende Änderungen zukommen werden. Sie werden nicht nur mit weniger Geld auskommen müssen, vor allem scheinen auch Verteilungskämpfe programmiert zu sein, zumal die neuen EU-Mitgliedsstaaten für ihre Bauern mehr Geld reklamieren.
Aber nicht nur auf Ebene der Mitgliedsstaaten, sondern auch für den einzelnen Bauern wird die Verteilung der Fördermittel ein zentrales Thema. Die EU strebt eine Vereinheitlichung des Prämiensystems an. Das kann die österreichischen Bauern besonders treffen. Wie viel ein Bauer erhält, ist derzeit je nach Sparte und Produktionsgebiet zuweilen sehr unterschiedlich. Das hat historische Gründe. Die Höhe und Verteilung der Ausgleichszahlungen hat ihre Wurzeln in den Marktverhältnissen der frühen 1990er-Jahren.
„Das hat absolut nichts mehr mit der Realität zu tun“, sagt Borchardt. Die anvisierte Vereinheitlichung des Prämiensystems heißt aber für ihn nicht, dass es in ganz Europa einheitliche Flächenprämien geben soll. „Ich halte nichts davon, einen Ackerbaubetrieb über den gleichen Leisten zu schlagen wie einen Milchbetrieb, oder Betriebe in Gunstlagen sich selbst zu überlassen.“ Dass es dabei neben Gewinnern viele Verlierer geben wird, räumt selbst der EU-Experte ein.
In Österreich will man das heiße Eisen vorerst nicht angreifen. Während in allen EU-Staaten, die wie Österreich bisher auf ein historisches System setzten, die Umstellung läuft, will sich Wien damit noch Zeit lassen. „Die Lage ist noch nicht so klar, dass wir uns schon jetzt festlegen wollen“, sagt Reinhard Mang, Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium.
Klar ist für die heimischen Agrarier indes, dass die österreichischen Bauern auch in Zukunft Prämien brauchen. „Und wir brauchen weiterhin Marktordnungsinstrumente und gemeinsame Wettbewerbsregeln“, sagt Bauernkammerpräsident Gerhard Wlodkowski. Zudem wendet er sich strikt gegen eine weitere Liberalisierung und die ebenfalls von Barroso ins Spiel gebrachte Renationalisierung der gemeinsamen Agrarpolitik. Wie weit diese Vorstellungen durchsetzbar sind, wird sich weisen.
Die Flinte mag man aber einstweilen nicht ins Korn werfen. Schließlich beginnt die heiße Phase erst, wenn die neue Kommission das Ruder übernimmt. In Agrarkreisen glaubt man, dass auch die politische Handschrift des neuen Agrarkommissars eine Rolle spielen wird. Für den Frühsommer 2010 wird ein Papier mit mehreren Optionen für die künftige EU-Agrarpolitik erwartet. 2011 soll dann ein konkreter Vorschlag kommen und 2012 der Legislativvorschlag, der die Agrarpolitik bis 2020 festlegt.
„Wir wollen nicht zu pessimistisch sein“, sagt Mang. „Bei den Verhandlungen für die derzeitige Periode haben wir auch die Erwartungen übertroffen.“ Nachsatz: „Darum sollen wir nicht davon ausgehen, dass wir nichts erreichen werden.“

Wirtschaft / 24.11.2009 24.11.2009 / Print

Montag, 2. November 2009

Agrarpolitik mit dem Leierkasten





Es war großes Theater. 20 EU-Landwirtschaftsminister in Wien, großes Palaver über die Milch und ein Katalog an Forderungen, der in der Hauptsache in einem gipfelte: Wir wollen noch mehr Geld. 300 Millionen.

Man fühlt sich gut seither. Dabei ist man in Handeln, Worten und Werken nichts anderes als hilflos und vor allem alt.Kreative Lösungen schauen anders aus. Aber die gibt es in der Agrarpolitik schon lange nicht mehr. Da dreht man sich, so der Eindruck, lieber im Kreis.

Es ist nicht gerade Ideenreichtum, mit dem man in den vergangenen Jahren den Bauern zur Seite stand. Das Immergleiche kommt in Politik und Werbung seit Jahren immer wieder. Wie aus einem Leierkasten. Die Forderung nach dem Ausbau von erneuerbaren Energieformen, GVO-Freiheit, Biolandwirtschaft - so richtig sie auch sein mögen - laufen sich langsam tot. Weltmilchtag, Welteitag, Weltapfeltag - man kennt das zum Überdruss.

Es scheint nichts Neues mehr zu geben in der österreichischen Landwirtschaft. Die Konzepte, Ideen und Forderungen, die heute auf jedem Biertisch getrommelt werden, sind mehr als 20 Jahre alt. Die Basis, auf der man immer noch arbeitet, ist das Konzept der ökosozialen Marktwirtschaft aus den 1980er Jahren. Dieses Konzept gab den Bauern neues Selbstbewusstsein und wirkt bis heute nach. Es war die Basis für die Entwicklung der Umweltprogramme. Erhaltung der Landschaft, Schutz der Umwelt, flächendeckende Landwirtschaft, Regionalität sind Schlagworte, die seither in keiner landwirtschaftlichen Diskussion fehlen.

Österreich war damals so etwas wie internationaler Vorreiter, wenn es galt, neue Wege für die Landwirtschaft abseits der einfachen Nahrungsmittelproduktion zu finden. Man hatte die Nase weit im Wind. "Wie macht ihr Österreicher das bloß?" fragte man sich in ganz Europa.Wo sind diese Zeiten, wo ist dieser Geist hingekommen?Die Agrarpolitik hat zweifellos viel erreicht in den vergangenen Jahren. Aber die Kreativität, der Mut zum Denken und die Bauernschläue, mit denen sich die Landwirtschaft damals ihr Überleben sicherte, sind verloren gegangen.In der heutigen Generation der Bauernvertreter ist davon kaum etwas zu finden. Ein paar Taferln, die Genussregionen markieren, das jahrelange Versprechen einer Milchprämie oder das Vorziehen der Auszahlung von Prämien gelten heute als "Agrarpolitik".Ansonsten? Man schreibt fort, was man seit Jahren kennt. Immer wieder. Der größte Teil der Energie geht viel zu oft darein, an Altem festzuhalten und zu erklären, warum etwas nicht geht.Die Krise der Landwirtschaft und auch die künftige Position der Landwirtschaft in der EU bräuchten aber ganz andere Antworten, um den Bauern tatsächlich Perspektiven zu bieten.Das Umfeld und die Anforderungen haben sich zum Teil dramatisch verändert. Da sind viele Positionen und lieb gewordene Einschätzungen zu hinterfragen. Für die Landwirtschaft geht es darum, das Gesetz des Handelns nicht gänzlich aus der Hand zu geben und zum machtlosen Rohstofflieferanten zu werden. Gegenüber Handel und Industrie ist das bereits passiert. In Brüssel ist man dabei, es zu verlieren. Das sind die Herausforderungen, denen man sich heute stellen muss.Politik ist nicht an den Grenzen zu messen, die ihrem Tun gesetzt erscheinen und auf die sich Politiker so gerne berufen, sondern sie ist daran zu messen, wie und ob es ihr gelingt, diese Grenzen zu überwinden.Für die Agrarpolitik gilt das in ganz besonderem Maße.


Blick ins Land 2.11.2009
 
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