Mittwoch, 29. Dezember 2010
Bauern gefangen in der Abwärtsspirale
Die Leistungssteigerungen sind enorm. Die Bauern rationalisieren sich damit selbst weg.
HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Zahl der Milchbauern hat sich in Österreich in den vergangenen 20 Jahren von rund 90.000 auf gut 38.000 verringert, die Zahl der Schweinehalter ging gleich um 100.000
auf ebenfalls 38.000 zurück und die Zahl der Bauern insgesamt schrumpfte von 270.000 auf weniger als 150.000. Und dennoch fehlt es an nichts. Österreichs Bauern produzieren mehr als je zuvor.
Dahinter stehen trotz der in Österreich vergleichsweise moderaten Produktionsweisen enorme Leistungssteigerungen auf den Feldern und in den Ställen. Weil die aber von den niedrigen Preisen und höheren Kosten kompensiert werden, haben die Bauern kaum etwas davon. Damit aber geraten die Bauern immer tiefer in eine Abwärtsspirale. Angesichts des Drucks auf den Märkten und zumeist fehlender attraktiver Alternativen bleibt den Bauern gar nichts anderes übrig, als möglichst kostengünstig zu produzieren und jeden sich bietenden Fortschritt zu nutzen. Damit aber wird der Fortschritt für sie selbst zur Bedrohung. Denn die Bauern rationalisieren sich regelrecht selbst weg. Für viele wird die Luft
trotz der Leistungssteigerungen zu dünn und sie müssen aufgeben.
„Vor zwanzig Jahren lag ein guter Stallschnitt bei 5000 Litern Milch pro Kuh und Jahr“, sagt Lukas Kalcher von der Arbeitsgemeinschaft der Rinderzüchter. „Heute gelten 7500 bis 8000 Liter und noch mehr als gut.“ Das bestätigen auch die Zahlen aus dem Grünen Bericht des Landwirtschaftsministeriums. Für das Jahr 1990 wird dort für eine durchschnittliche Kuh aus einem heimischen Stall eine Jahreslieferleistung von 3791 Kilogramm genannt. 2009 war diese Zahl um 60 Prozent höher: 6068 Liter lieferte da eine Kuh im Durchschnitt.
Nicht ganz so groß, aber immer noch beträchtlich ist der Fortschritt in der Fleischerzeugung. Vor 30 Jahren wurde Landwirtschaftsschülern wie Hans Schlederer, heute Geschäftsführer der österreichischen Schweinebörse, das 200-Tage-Mastschwein als das große Ziel hingestellt. „Heute ist ein Mastschwein nach 180 Lebenstagen schlachtreif.“ Eine Zuchtsau bringt heute im Schnitt 22 Ferkel pro Jahr auf die Welt, vor 20 Jahren waren es noch 15.
Auch im Getreidebau lagen die Zuwachsraten in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei den traditionellen Früchten wie Weizen, Gerste oder Roggen zwischen 15 und 30 Prozent. Dort bestimmt aber zunehmend das wirtschaftliche Interesse an Früchten den Zuchtfortschritt. „Wo Geld investiert wird, gibt es die größten Sprünge“, sagt Karl Fischer, Chef der Saatbau Linz. Derzeit sind das Raps, Mais und Soja.
Die Leistungssteigerungen haben viele Ursachen. „Bei den Schweinen sind in erster Linie die verbesserte Tiergenetik und die Fortschritte in der Fütterung dafür verantwortlich“, sagt Schlederer. Eine wichtige Rolle spielen in allen Bereichen die verfeinerte und wesentlich präzisere Produktionstechnik, verbesserte Hygiene und die Ausbildung der Landwirte. In allen Sparten rückten auch Zuchtziele wie Tier- und Pflanzengesundheit und Schädlingsresistenz in den Vordergrund. Und auch die Qualität. „Die hat sich in den vergangenen Jahren stark verbessert“, betont Schlederer.
Zu Ende ist die Entwicklung noch lang nicht. Wohin die Reise geht, zeigt die beste Kuh Österreichs. „Beauty“ heißt sie, steht auf einem Hof in Ardagger (NÖ) und lieferte 2010 knapp 19.000 Kilogramm Milch. An guten Tagen kommen da schon einmal 80 Liter Milch aus dem Euter.
Salzburger Nachrichten Wirtschaft 29.12. 2010
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