Donnerstag, 13. Oktober 2016
Wenn sich zwei streiten
Wenn wir nicht in nächster Zeit - und ich meine damit die nächsten Monate - deutlich beweisen, dass wir regieren wollen, dann hat es keinen Sinn, auf Dauer weiterzuwurschteln", sagte ÖVP-Obmann und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner in einem Interview. Und in einem anderen Interview sagte er: "Entweder bringen wir das Ding systematisch zum Laufen oder eben nicht. Dann reden wir über die Konsequenzen. Bis Jahresende muss etwas passieren."
Zwischen den beiden Interviews liegt ziemlich genau ein Jahr. Das erste Zitat stammt aus einem - ja, das gab's damals noch - Pressefoyer nach dem Ministerrat vom 6. Oktober 2015. Das zweite Statement stammt aus einem Hintergrundgespräch mit Chefredakteuren der führenden Zeitungen des Landes vom 18. September dieses Jahres.
In diesem Jahr dazwischen gab es gefühlte drei Neustarts, einen Wechsel im Kanzleramt, das Versprechen von einem New Deal, an dem sich viele begeisterten, eine Regierungsumbildung, jede Menge mit allerlei Ankündigungen bedrucktem Papier und neue Gesichter in den Parteisekretariaten.
Und die Regierung ist offenbar trotzdem wieder da, wo sie in den vergangenen Jahren immer war -in der Dauerkrise. "Die große Koalition ist am Ende", hieß es in Zeitungskommentaren Anfang November des Vorjahres. Und man konstatierte damals wie heute ein "Brodeln in Regierung und den Parteien" und fragte im Handumdrehen "Vernunftehe am Scheideweg?" Und jetzt ist wieder viel von all dem die Rede. Nach ein paar Wochen innenpolitischen Frühlings im Mai und im Juni rund um den Wechsel von Faymann zu Kern machte sich einigermaßen rasch wieder der innenpolitische Trott breit, der so viele Menschen in diesem Land frustriert. Die Betonierer auf beiden Seiten bezogen wieder Position, Kern entpuppte sich als straffer Ideologe, der mit der CE-TA-Umfrage unter seinen Parteimitgliedern bewies, auch keine Scheu vor billigstem Populismus zu haben. Schnell war die Regierung wieder im täglichen Hickhack festgefahren, das keinem anderen Luft und Raum lässt und schon gar nicht am Leben lassen will.
Zwischen Schwarz und Rot ist alles wieder wie vor einem Jahr. Das verwundert nicht, aber das irritiert. Nicht so sehr wegen der vielen Versprechen der vergangenen Monate, sondern vor allem angesichts der Umfragewerte, die den Regierungsparteien im monatlichen Takt ihren Rutsch in die Bedeutungslosigkeit vor Augen führen. Denn die zeigen in Wahrheit nichts anderes, als dass Schwarz und Rot, und was sie miteinander machen respektive nicht machen und sich gegenseitig vorwerfen, ein Nebenschauplatz in der Innenpolitik geworden sind. Abseits der Realität und - zumindest auf Bundesebene - offenkundig auch abseits des Wählerwillens.
Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, was es soll, dass beide Parteien einander schon wieder wie eh und je bis aufs Blut bekämpfen. Statt sich gegenseitig zu stärken und zu unterstützen und alles zu tun, um eventuell doch bestimmende Kräfte im Land zu bleiben, gibt man sich aller Bedrohungen zum Trotz mit großer Lust dem Haxelbeißen, dem Vernadern und dem gegenseitigen Blockieren und Schlechtreden hin. Man gönnt einander keinen Erfolg, lässt aneinander kein gutes Haar und feiert als größte politische Erfolge, dem Partner in die Suppe gespuckt zu haben.
Aber nicht nur das. Man tut sich nicht nur gegenseitig alles erdenklich Schlechte an. Man hat auch keine Scheu in den eigenen Reihen Gleiches zu tun. Der ÖGB taucht Kern noch tiefer in die CETA-Bredouille, als er das schon selbst getan hat. Und der neue VP-Generalsekretär hat nichts Besseres zu tun, als öffentlich über mögliche Kanzlerkandidaten nachzudenken, ganz so als gäbe es keinen Parteiobmann, der in der VP normalerweise genau das ist.
Und man redet von Neuwahlen. Kaum verhüllt ist, wie man daran arbeitet, Positionen gegeneinander aufzubauen. Kern tut es seit Monaten, Kurz ebenso. Man bereitet sich auf den Tag X vor. Ganz so, als stünde zwischen den derzeitigen Regierungsparteien die Mutter aller Wahlschlachten an. Dabei ist die wohl gegen die FPÖ zu schlagen.
Aber das will man nicht zur Kenntnis nehmen. So wie man nicht zur Kenntnis nimmt, dass man mit all dem Hickhack nichts tut, als Straches Weg zu ebnen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Oktober
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen