Montag, 10. April 2017
Digitalisierung macht Bauern smart
Die Agrarbranche schwärmt von „Smart Farming“ und den Möglichkeiten, die die Digitalisierung auch in der Landwirtschaft bietet. Die Bauern indes sind noch skeptisch.
Hans Gmeiner
Salzburg. Die Digitalisierung macht auch vor der Landwirtschaft nicht halt. Satellitengesteuerte Traktoren und Geräte, Melk- und Fütterungsroboter, Drohnen, Apps und alles, was die Verknüpfung der Daten ermöglicht, die diese Geräte liefern, sorgen in der Agrarbranche für euphorische Stimmung. Die Landwirtschaft 4.0 und Smart Farming sollen die Bauernarbeit leichter und effizienter machen, den Treibstoff- und Betriebsmitteleinsatz reduzieren und dabei helfen, die Arbeitsabläufe zu optimieren.
Viele Unternehmen wittern das große Geschäft, die Bauern hingegen zeigen sich gegenüber all den Wunderdingen, die ihnen versprochen werden, noch eher reserviert. Für sie ist der wirtschaftliche Nutzen der neuen Technologien und der riesigen Datenmengen oft noch nicht zu erkennen, von den meist kostspieligen Investitionen, die Smart Farming erfordert, einmal abgesehen. Eine GPS-Steuerung mit Spezialsignal, die den Traktor auf den Zentimeter genau und ohne Zutun des Fahrers übers Feld lenkt, kostet an die 15.000 Euro. Dazu kommen Gebühren für das Satellitensignal und die SIM-Karte, über die es empfangen wird. Für einen Melkroboter, mit dem 70 Kühe gemolken werden können, ohne dass Bäuerin oder Bauer im Stall sein müssen, sind rund 140.000 Euro auf den Tisch zu legen. Dementsprechend bescheiden ist Smart Farming in Österreich verbreitet.
Laut Informationen des Landwirtschaftsministeriums nutzen derzeit nicht mehr als sechs Prozent der österreichischen Bauern sogenannte Precision-Farming-Systeme. Dabei handelt es sich zumeist um einfache, verhältnismäßig günstige und nicht auf den Zentimeter genau arbeitende Parallelfahrsysteme, die dem Lenker eines Traktors per gebührenfreiem GPS-Signal und Bildschirmanzeige die Spur vorgeben, aber sonst nur wenige Daten liefern. Während solche Systeme bei 21 Prozent der Betriebe mit mehr als 50 Hektar eingesetzt werden, sind es bei Betrieben unter dieser Größe lediglich drei Prozent.
Echtes Smart Farming, bei dem die Gerätedaten auch miteinander verknüpft werden, ist noch ganz selten. „Teilflächenspezifische Düngung oder die Kartierung der Erträge auf Basis der gesammelten Daten machen nur wenige“, sagt Heinrich Prankl von der Bundesanstalt für Landtechnik in Wieselburg. Bescheiden ist auch die Zahl der Melkroboter. Nimmt man an, dass mit den derzeit rund 450 Melkrobotern auf heimischen Höfen jeweils rund 70 Kühe gemolken werden, kommt man auf nicht mehr als 31.500 von insgesamt rund 500.000 Milchkühen in ganz Österreich.
Experten wie Andreas Gronauer, Landtechnik-Professor an der Wiener Universität für Bodenkultur, sind dennoch überzeugt, dass sich Smart Farming auch in Österreich durchsetzen wird. „Da ist Musik drin. Für junge Hofnachfolger ist das gar keine Diskussion mehr.“
Die Versprechungen und Verlockungen der neuen Technologie sind groß. Der Bogen reicht von per Computer optimierter Bearbeitung von Feldern und Wiesen, automatisierter Tierbeobachtung über GPS-Tracking bis hin zur flächenspezifischen Ausbringung von Dünge-und Pflanzenschutzmitteln entsprechend den Vorgaben, die der Computer errechnet hat. Die Steuerung erfolgt über GPS und Photozellen, die anhand der Blattfarbe von Getreide den Düngerbedarf oder auch Unkräuter erkennen. Die Raiffeisen Ware Austria etwa bietet Bauern den Einsatz einer Drohne zur gezielten Bekämpfung des gefürchteten Maiszünslers an. Im Versuch laufen bereits Roboter, die auf Feldern Unkraut entfernen, und erst im vergangenen Herbst präsentierte der CNH-Konzern (Case, New Holland, Steyr) die Konzeptstudie eines führerlosen Traktors.
Große Agrarkonzerne bieten im Internet Plattformen zur Aufbereitung der Daten und rund um die Landwirtschaft treibt eine lebhafte internationale Start-up-Szene mit Neuerungen die Entwicklung voran. Auch Österreicher mischen kräftig mit. Erst vor wenigen Wochen wurde in Oberösterreich eine „intelligente Ohrenmarke“ für Kühe vorgestellt. Sie ermöglicht, an der Bewegung der Ohren das Befinden der Tiere abzulesen. Selbst an Schulen wie der HAK in Ried/Innkreis ist Agrar 4.0 bereits ein Schwerpunkt.
In vielen Bereichen stecke man freilich noch in den Kinderschuhen, sagt Landtechnik-Experte Heinrich Prankl. „Theorie und Praxis klaffen oft auseinander.“ Probleme machen die Schnittstellen zwischen verschiedenen Geräten und Herstellern. Unklar ist auch, wem all die Daten gehören, die die neue Generation von Geräten auf den Feldern und in den Ställen sammelt. Und ganz abgesehen davon: „Es muss billiger werden“, sagt Prankl.
Denn auch kleinere Betriebe sollen auf neue Technologien nicht verzichten müssen. Gronauer sieht in der gemeinsamen Nutzung der Gerätschaften großes Potenzial. „Da entsteht durch die Technik plötzlich Effizienz und auch diese Betriebe bekommen Daten, mit denen man weiterarbeiten kann.“ Für kleine Betriebe sei nicht nur die Herausforderung größer, sondern auch der mögliche Nutzen, sagt Prankl: „Da kommt noch viel.“ Und das bringe auch in kleinen Strukturen langfristig große Vorteile.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 10. April 2017
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