Drei von vier Österreicherinnen und Österreichern wünschen sich einen "starken Führer", "der sich nicht um ein Parlament und Wahlen kümmern muss". Ein Umfrageergebnis wie dieses, das vom Meinungsforschungsinstitut Sora vorgelegt wurde, kann Sorgen machen. Auch wenn es nicht überbewertet werden sollte, zumal andere Umfragen des gleichen Instituts Ergebnisse brachten, die durchaus berechtigten Anlass geben, dennoch an die Festigkeit der Demokratie zu glauben. Denn dort zeigten sich mehr als neun von zehn Bewohnern dieses Landes überzeugt davon, dass die Demokratie die beste Regierungsform sei.
Auch wenn angesichts solcher Umfragen nicht wirklich um die Stabilität der politischen Ordnung zu fürchten ist, passt es doch zum Rechtsrutsch nicht nur in der österreichischen Politik, in dem sich auch die internationale Entwicklung spiegelt. Nach Jahrzehnten eines eher linksorientierten und aufklärerischen Politikverständnisses gewinnt nun allerorten die Gegenseite Oberhand. In manchen politischen Kreisen ist die Sorge sogar so groß, dass sich in Europa sogar seit Monaten eine Diskussion breit macht, in der Befürchtungen um die Demokratie formuliert werden. Autokraten wie Trump, Putin oder auch Orban und Erdogan und ihr Politikverständnis machen Sorgen.
Dass es so weit gekommen ist, hat viele Gründe. Die Welt ist unübersichtlich geworden, viele Menschen kommen mit den wirtschaftlichen, vor allem aber auch den technologischen Entwicklungen nicht mehr zurande. In Österreich und in Westeuropa tat der konzeptlose Umgang mit den Flüchtlingsströmen das Übrige. Die Sorgen um die Zukunft explodierten binnen kurzer Zeit.
Die Menschen fühlen sich zunehmend überfordert und perspektivlos. Das ethisch-moralische Gerüst, das die Gesellschaft zusammenhielt und Orientierung gab, geriet aus den Fugen. Sich da zurechtzufinden, überfordert immer mehr Menschen. Alleine dass man unter die Räder kommen könnte, reicht da, um die Stimmung zum Kippen zu bringen. In diesem Klima, in dem belächelt wird, wer nicht versteht alles auszunutzen und bis aufs Letzte auszureizen, hat man Sorge zum Verlierer gestempelt zu werden.
Da nimmt nicht wunder, dass sich vor einem solchen Hintergrund eine Sehnsucht nach Klarheit und Übersichtlichkeit Bahn bricht. Zumal dann, wenn sie von politischen Kräften, die genau darin ihre Chance sehen, befeuert und bedient wird. Und zumal dann, wenn sich zeigt, dass die politischen Kräfte, die in den vergangenen Jahrzehnten das politische Denken und die politische Kultur bestimmt haben, keine Antworten zu bieten haben, die den Sorgen der Menschen gerecht werden.
Jan Fleischhauer, bissiger und umstrittener Kolumnist im deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", hat eine Erklärung dafür, "warum die Linke den Kampf gegen rechts verliert", die durchaus etwas für sich hat. "Früher haben sich die Politiker links der Mitte als Anwälte der einfachen Leute verstanden", meint er. "Heute ist die breite Masse den Anführern eigentlich nur noch peinlich." Sie gelte als "vorurteilsbeladen, ungebildet und wenig weltgewandt". Könne es sein, fragt er, dass man es mit der Fixierung auf Minderheiten und Minderheitenthemen übertrieben habe, oder war es, dass man Verbindung schaffen wollte in Dingen, in denen keine Verbindung zu finden war. Die Rechtsparteien in Europa und selbstherrliche Politiker profitieren von dieser Entwicklung. Die Linke aber, die Sozialdemokratie in Österreich etwa, aber auch die grüne Bewegung, muss dafür büßen.
Schier ungebremst macht sich jetzt ein Politikverständnis breit, das vor wenigen Jahre noch geächtet wurde. Nicht nur von Politikerinnen und Politikern werden heute Dinge gesagt, gedacht und getan, die vor nicht allzu langer Zeit noch für Aufruhr, Häme und Ablehnung gesorgt hätten und streng verpönt waren. Auch in der privaten Welt ist heute der Ton oft ein anderer, weil Hemmschwellen gefallen sind. Das kann Sorgen machen und sollte es in vielen Fällen auch tun. Damit hat man aber jetzt zu leben. Vorher hatten andere unter einem anderen Politikverständnis zu leben.
Aber das können jene, die jetzt so beredt über den Rechtsruck Klage führen und gar um die Demokratie fürchten, wieder ändern -wenn sie nicht mehr selbstgerecht die Augen verschließen, sondern den Menschen bessere Antworten und glaubwürdige Alternativen auf die Probleme bieten, die in den vergangenen Jahren für die politische Wende sorgten.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. April 2018
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