Donnerstag, 28. November 2019

Intelligent ist anders



Der Umweltschutz hat uns fest im Griff. Wer etwas auf sich hält, will sich nichts vorwerfen lassen, schützt Luft und Boden wo immer möglich, passt auf, dass sie respektive er nicht zu viel Abfall produziert und versucht sich überall möglichst klein zu machen, um einen nicht allzu großen Fußabdruck zu hinterlassen, der den ökologischen Zustand der Erde noch weiter verschlimmern könnte. Nicht wenige gehen auch eifrig demonstrieren und einige zünden - zum Glück nicht in Österreich - sogar Autos an, die sie zu den größten Übeln zählen. Und manche haben so gar kein Problem damit, die Demokratie auszuhebeln, um im Sinne des Umweltschutzes, wie sie sagen, durchgreifen zu können.

Was all dieser Aktionismus bisher gebracht hat, bleibt überschaubar. Lediglich die Politiker sind Legion, die sich inzwischen rund um den Globus mit Erfolgen in Sachen Klima-und Umweltschutz behübschen. Dass die großen Themen, die zu bewältigen sind, immer noch praktisch unberührt Klima und Umwelt bedrohen, spielt da wenig Rolle. All dem zum Trotz, was in diesen Monaten allerorten als "Wende" und als "Ruck" gefeiert wird.

Bei vielen der Maßnahmen, die da als Rettung für das Klima und die Umwelt abgefeiert werden, fragt man sich, warum bitte kann Klimaschutz nicht auch mit Hirn gemacht werden. Ein Beispiel, das dafür typisch ist, sorgte kürzlich für Aufsehen. "Der Handel verzichtet zunehmend darauf, Gurken einzuschweißen", stand in den "Salzburger Nachrichten" zu lesen, was in der Regel Umweltbewegte in Verzückung versetzen kann. Der Nachsatz freilich holte alle, die die Umwelt schützen wollen, auf den Boden der Realität zurück, denn die Folgen kann man nicht wollen. "Seither landen tonnenweise Gurken im Müll", hieß es da. Der Verderb habe sich jetzt, wo die Gurken wieder verstärkt importiert werden, "in nicht unerheblichem Ausmaß", wie es heißt, erhöht. Die Rede ist von einer Verdoppelung des Anteils von fünf auf zehn Prozent. "Spanische Produzenten gehen dazu über, ganze Kartons in dickes Plastik einzuschweißen, was deutlich mehr Plastik braucht, als jede Gurke mit einer dünnen Folie zu umwickeln", wird eine Expertin in der Zeitung zitiert. "Und wenn eine Gurke im Karton fault, muss man alle anderen auch wegschmeißen."

Intelligent ist anders. Aber davon, so scheint es, will man oft gerade beim Umweltschutz nichts wissen wollen. Hauptsache, die Maßnahme klingt gut, scheint die einzige Maxime zu sein. Und schon wird ihr Weltrettungspotenzial zugestanden, selbst wenn sich die Maßnahme auf Österreich beschränkt. Wie etwa dem Verbot von Plastiksackerln, deren Entsorgung und Wiederverwertung man, ganz anders als in anderen Weltenregionen, sehr gut im Griff hatte - also nicht wirklich Not bestand, einzugreifen.

Ganz abgesehen davon, dass es zahllose ernstzunehmende Argumente gegen eine Umstellung auf Papiersackerl gibt, gibt es da noch eine Steigerung, die kaum zu toppen ist. Statt der Plastiksackerl werden nun all jenen, die nicht unter die Achseln gezwickt heimtragen mögen, was sie gekauft haben, um teures Geld mit Werbung bedruckte Kunststoffsäcke verkauft, die mit Gewebe verstärkt sind. Dass in diesen steifen Ungetümen deutlich mehr Kunststoff verarbeitet ist als in den Sackerln von früher, wird tunlichst ausgeblendet und nicht einmal von Umweltorganisationen thematisiert. Sie gelten als wiederverwendbar und das heiligt die Mittel. Dass sie meist genau das nicht werden, sondern nur im Nu alle Ablagen in den Wohnungen und in Folge den Müll verstopfen, davon mag niemand reden. Und von den Folgen für die Umwelt erst recht nicht.

"Herr lass Hirn regnen", sagen manche, wenn etwas allzu sehr aus dem Lot läuft. Jüngst fanden sich auf der Übersichtsseite von orf.at gleichzeitig die Meldungen "EU-Abgeordnete fordern Ausrufung des Klimanotstandes" und darunter gleich "EU-Ausschuss macht Weg für mehr US-Rindfleischimporte frei". Und ein paar Zeilen weiter wurde vermeldet "Greenpeace gegen unökologische Verpackungen im Handel" unmittelbar gefolgt von "Amazon dominiert Onlinehandel in Österreich".

Das fällt wohl in die Kategorie "Herr lass Hirn regnen". Genauso wie die Berichte davon, dass ein einziges Kreuzfahrtschiff "so dreckig wie 21,4 Millionen VW-Passat" ist.

Aber dagegen tut niemand etwas. Und so lange das so ist, sollte man sich wirklich Sorgen machen. Und keine "Wende" und keinen "Ruck" in Sachen Klima-und Umweltschutz feiern.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. November 2019

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