Donnerstag, 10. Dezember 2020

Endlich einmal Tacheles

"Die Einschläge werden heftiger", beschrieb dieser Tage ein Kommentator das Klima nicht nur zwischen den Regierungsparteien, sondern auch in den Regierungsparteien. Nicht nur die Grünen haben Probleme damit stillzuhalten, auch bei den Türkis-Schwarzen wird die Situation zunehmend explosiv.

Wie sehr es in den Polit-Töpfen auch der Regierungsparteien brodelt, zeigte dieser Tage besonders eindrücklich ein Interview des oberösterreichischen Landeshauptmannes Thomas Stelzer in den OÖ Nachrichten. "Geladen wie selten zuvor stellte sich der Landeshauptmann dem Interview", schrieb die Zeitung im Vorspann. Und das war in jedem Satz zu spüren. Sätze wie "Unglaublich, welche Pannen da passieren", waren da zu lesen. Oder "Die Massentests funktionieren nur, weil es die Länder gibt", und sogar "Der Test kann trotz des Gesundheitsministeriums stattfinden".

Auch wenn der Landeshauptmann seinen Groll vor allem am Gesundheitsministerium abließ, ist auch seine Verärgerung über den Bundeskanzler und den türkisen Teil der Bundesregierung unüberhörbar, wenn er sagt: "Beim Bund kommen die Ankündigungen sehr leicht über die Lippen", oder wenn er davon spricht, dass es die Länder "schon gewohnt" seien "vor vollendete Tatsachen" gestellt zu werden. Und Bände spricht, als er auf die Feststellung des Interviewers "Fairerweise muss man sagen, dass auch der Gesundheitsminister von Kanzler Sebastian Kurz mit der Massentest-Ankündigung überrascht wurde", nur antwortete: "Da mische ich mich nicht ein." Mehr geht wohl nicht, wenn man die Umgangsformen in politischen Kreisen kennt, zumal dann, wenn es um Kritik an der eigenen Partei und deren Führung geht.

Es tut gut, wenn endlich einmal Tacheles geredet wird. Zu lange schon bestimmen Hinsichtl und Rücksichtl den Umgang mit der Pandemie, parteipolitische Taktik und auch allzu vornehme Zurückhaltung und vorgeschobene Höflichkeit, mit der man sich um klare Entscheidungen herumdrückt und damit den Dingen ihren Lauf lässt.

Tacheles zu reden ist auch notwendig angesichts der nur langsam zurückgehenden Zahlen und der zunehmend dramatischen Berichte aus den Spitälern, die langsam den Weg in die Öffentlichkeit finden. Selbst Triagen, ist bereits da und dort nicht nur zu hören, sondern auch zu lesen, gehören dort mittlerweile zum Alltag, während sich seit Montag die Menschen wieder um Weihnachtsgeschenke balgen dürfen.

Die eingangs zitierten Einschläge zeigen sich aber nicht nur rund um Corona. Immer deutlicher sichtbar wird auch der Druck zwischen den Koalitionspartnern. Da wurde unverhohlen vom Wirtschaftsbund dem grünen Koalitionspartner die Schuld an der NoVA-Erhöhung zugeschoben. Und als in der Vorwoche Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler dem Bundeskanzler "fehlende Solidarität in der Corona-Debatte" vorwarf, weil der behauptete, im Sommer sei das Virus vorm Balkan eingeschleppt worden, giftete Kurz mit einem "absurd" zurück.

Wenn inzwischen manche, wie Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria, von einem "staatlichen Multiorganversagen" sprechen, muss einem vielleicht um das Land, aber nicht um die Regierung bang sein. Viel zu schwach und viel zu uneins ist die Opposition, als dass sie eine Änderung herbeiführen könnte. Man kann vieles von dem, was Norbert Hofer und Beate Meinl-Reisinger und die von ihnen vertretenen Parteien seit Monaten liefern, fragwürdig und einzig von billigem Populismus getrieben finden - es ist alles nichts gegen das, was die einst staatstragende SPÖ und ihre Vorsitzende liefern.

Das Bild, das sie in der Vorwoche abgab, hätte man gar nicht erfinden können. In einen Schutzanzug gehüllt, unter eine Kapuze und mit Maske unkenntlich verkleidet, glaubte Pamela Rendi-Wagner Gutes zu tun und bei den Massentests helfen zu müssen. Das sei ihr unbenommen und es mag auch ehrbar sein. Aber es ist ein Spiegelbild ihrer Politik. Sie versteckt sich vor den Leuten und arbeitet unsichtbar. Ihre Absagen für TV-Einladungen sind inzwischen sonder Zahl. Und ihre Vorschläge sind oft an Beliebigkeit kaum zu überbieten und vor allem ohne Konsistenz. Schon gar, wenn es um die Bekämpfung der Pandemie geht. Und nicht nur da.

Das braucht das Land nicht. Das haben wir ja ohnehin, meinen böse Zungen - und warten auf mehr Interviews, wie das, das der oberösterreichische Landeshauptmann gab.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. Dezember 2020

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