Donnerstag, 14. November 2024

Europa muss zu eigener Kraft finden

Die ganze Welt rätselt darüber, was in den USA passiert ist und über das Warum. Mit einem Mal gibt es so viele Erklärungen dafür, warum Trump gewonnen hat, wie es vor den Wahlen Erklärungen gegeben hat, warum nur Kamala Harris und nicht Trump gewinnen könne.

In Wahrheit ist es für Europa einerlei. Wenn nach dem Wahlergebnis in den USA etwas wirklich klar ist, dann das: Europa muss sich endlich emanzipieren und selbstständig werden. Es muss zu eigener Kraft finden.

Ein realistischer Blick auf die Welt ist dringlicher denn je. Vor allem in Europa, wo gilt, was jemand auf X so formulierte: "Hallo, mein Name ist Wohlstandzentraleuropäer, der von den USA alle Innovationen gratis geliefert bekommt und davon lebt, dass die Menschen in den USA für Militär zahlen, damit ich mir einen riesigen Sozialstaat leiste." Man könnte diesen Tweet mit vielem ergänzen, bis hin zum Green Deal und all den Vorschriften und Auflagen, die der Wirtschaft oder etwa der Landwirtschaft das Leben schwer machen.

"Europa hatte vier Jahre Zeit, sich während der Biden-Regierung auf den schlimmsten Fall vorzubereiten -wirtschafts-und verteidigungspolitisch", schreibt die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit". Aber auch der wohlwollendste Beobachter könne nicht behaupten, dass dies in ausreichendem Maße geschehen sei. "Trumps Triumph ist kein Betriebsunfall der Geschichte", schreibt nicht nur "Die Zeit".

Die Politik ist es, die Europa aus dem Spiel nimmt, und man tut ohne Argwohn so, dass man mit immer mehr Bürokratie, mit Kleinstaaterei und Kleinkrämerei ohne jede Vision und Ehrgeiz auf dem richtigen Weg sei und Themen wie Wettbewerbsfähigkeit keine Rolle spielen. Dass es so nicht geht, in der internationalen Wirtschaft oder Landwirtschaft, in der Verteidigungspolitik und in vielen anderen Bereichen, sich aus der Verantwortung zu ziehen, ist nicht mehr zu übersehen.

Was wir seit Jahren auf der politischen Ebene erleben, spiegelt nichts anderes als eine Kultur wider, die sich nicht nur in Österreichs Gesellschaft, sondern in allen europäischen Staaten, allen voran in Deutschland, auch breit gemacht hat. Man ist immer weniger bereit, Verantwortung zu übernehmen, man fordert und man verlangt alimentiert zu werden. Man lässt machen und ist wenig gewillt, einen eigenen Beitrag zu leisten. Solidarität gilt nichts mehr und auch Zusammenhalt nicht. Und weil sich immer jemand findet in der Politik, der dieser Kultur nachgibt, weniger um wirklich Gutes zu bewirken, sondern eher um Stimmen zu bekommen, sind wir dorthin gekommen, wo wir jetzt stehen.

Und das ist nicht vorne. Ganz im Gegenteil. Europa ist im Wolkenkuckucksheim gelandet und ist dabei, den Anschluss zu verlieren. Wirtschaftlich und technologisch und verteidigungspolitisch sowieso.

Europa kann nicht mehr auf Kosten der restlichen Welt leben, sich die Rosinen herauspicken, den feinen Oberlehrer spielen und die raue Arbeit den anderen überlassen. In den Industriehallen oder auf den Feldern genauso wie im Krieg, zumal einem auf dem eigenen Kontinent. Es ist ja gut und auch wichtig, wenn man um die Zahl der Geschlechter streitet, sich für das Gendern und LGBTQ einsetzt und dafür, dass, wie in Wien, in den Öffis die Piktogramme durch geschlechtsneutrale Abbildungen ersetzt werden -aber man darf dabei die großen Linien nicht aus den Augen verlieren, an denen sich die Welt entwickelt und orientiert. Genau das aber tut man in Europa. Und genau deswegen trifft die Wahl Trumps die Menschen und die Politik so heftig.

Europa muss wieder in die Spur finden, um ernst genommen zu werden. Es muss ja nicht gleich eins zu eins umgesetzt werden, wenn gefordert wird, die Klimaziele "in ihrer ideologischen Sturheit" zu überdenken, die Blockade von Technologien aufzugeben, um die CO2-Ziele zu erreichen, das "Helikoptergeld" an Förderungen abzustellen, wie das da und dort zu lesen war - aber es sollte in diese Richtung gehen. In Richtung mehr Realitätssinn, mehr Realitätsbewusstsein und in Richtung mehr Eigenverantwortung.

Daran fehlt es. In Europa, in Deutschland, in Frankreich, in Österreich.

Dass es in Deutschland jetzt offenbar wirklich an ausreichend Papier für die Stimmzettel für die notwendig gewordenen Neuwahlen fehlt, könnte die Situation, auch wenn das Beispiel fraglos überzeichnen mag, für die meisten Staaten in Europa nicht bedrückender und eindrücklicher zeigen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung

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