Donnerstag, 12. Juni 2025

Pflichterfüllung in einem ermatteten Land

Am Dienstag dieser Woche war die Regierung 100 Tage im Amt. Aber auch nicht viel mehr. Man scheint immer noch froh zu sein, dass man sich hat. Und auch dass man sie hat und dass das Land Kickl entkommen ist. Das genügt, so scheint es, wohl fürs Erste. Über allen scheint eine Müdigkeit zu liegen und man will jetzt allerorten einmal einfach Großzügigkeit und Ruhe walten lassen. Die spitzen Federn scheinen verräumt zu sein. Die Daueraufgeregtheit hat Pause. Keine Kritik, keine Diskussion, kein Streit gar. "Gepflegte Langeweile", wie eine Beobachterin empfindet. Man habe fast vergessen, wie angenehm normales Regieren sein könne.

Das alles hat etwas für sich. Man kann finden, dass das gut tut. Durchaus. Es tun sich sogar die Freiheitlichen schwer damit, für Wirbel zu sorgen. Und die Grünen auch, die jetzt wieder in alten Mustern und unter neuer Führung ihr Heil zu finden suchen. Sie werden gehört. Das ja. Aber sie regen nicht mehr auf. Derzeit jedenfalls nicht.

Das Land will, so scheint es, offenbar jetzt einmal Ruhe. Man ist erschöpft von den vergangenen Jahren und ihren Zumutungen, Aufregungen und Aufgeregtheiten. Man ist müde, über Politik zu streiten, man lässt geschehen. Aber langsam ist doch zu fragen, ob man damit zufrieden sein kann? Ob das wirklich gut ist? Oder ob es nicht doch ein schlechtes Zeichen ist? Und -ob es uns, ob es dem Land etwas nutzen wird?

Über die Performance der Dreierkoalition wird, gleichsam passend zur Befindenslage, wenig geredet. Und wenn geredet wird, ist man doch milde gestimmt und um Unaufgeregtheit bemüht. Auf allen Seiten. Von einem "überraschend harmonischen Zweckbündnis" schreiben Zeitungen. "Man hat zumindest einmal die Pflicht hinbekommen in den ersten 100 Tagen", sagt der Analyst im Fernsehen, der Wirtschaftsprofessor fügt mit Blick auf den Budgetpfad, auf den man sich einigte, an: "Was bis jetzt gemacht wurde, ist wertzuschätzen", und eine Zeitung fasst zusammen, was Stimmung und Lage wohl am besten trifft - "Die ersten 100 Tage überstanden". Das ist nicht nichts.

Man schläft nicht. Das nicht. Man ist damit beschäftigt, die Hinterlassenschaften der Politik der vergangenen Jahre auszuräumen und in den Griff zu bekommen (Stichwort: Sparpaket) und zumindest das eine oder andere Wahlversprechen umzusetzen -vom Mietpreisdeckel, dem Aus für die Bildungskarenz, Handyverbot in Schulen bis hin zu den dichteren Grenzen und Beschränkung des Familiennachzugs bei Migranten.

Das mag man für gut und richtig finden, aber das sind nicht mehr als Fingerübungen gegenüber dem, was wirklich notwendig ist. Etwas, was allenfalls repariert, aber sicher nicht das, was dem Land eine neue Richtung gibt und ein Ziel, oder gar etwas, was für den nötigen Schub für die kommenden Jahre sorgt.

Bewegung schaut anders aus. Jedenfalls nicht wie ein Aufbruch, auf den man nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in vielen anderen Bereichen wartet. Danach ist die Stimmung jedenfalls nicht. Warum auch, mag man fragen, wo doch jetzt erst einmal alle mit der Ruhe zufrieden sind.

Das Dösen im Land spiegelt sich auch in den Umfragen wider. Keine Ausreißer nach oben oder unten. Keine Veränderungen. Stillstand. Alles wie gehabt. Immerhin, kann man dazu sagen. Die Meinungsforschung verortet angesichts der jüngsten Umfragedaten die Zustimmung zur Regierungsarbeit als "mäßig". Die politischen Verhältnisse scheinen eingefroren. In der Sonntagsfrage ermittelten die Meinungsforscher von OGM für den Kurier die Freiheitlichen mit 32 Prozent weiterhin unangefochten an der Spitze, gefolgt von der ÖVP mit 22, der SPÖ mit 21 und den NEOS mit 12 Prozent. Und wohl auch bezeichnend - Christian Stocker kommt über die Werte seiner Partei nicht hinaus, hat also mithin bisher keinen Kanzlerbonus.

Das wird sich vielleicht jetzt doch ändern, wurde doch bei der Landeshauptleutekonferenz Ende der Vorwoche in Salzburg eine neue Phase im Zusammenleben der Koalition gestartet. Nach den Sparplänen soll es nun um Reformen gehen.

Man darf neugierig sein und kämpft damit, die Skepsis im Zaum zu halten. Schließlich ist man ja in Österreich. Und da kann man nur inständig hoffen, dass man nach der Ruhe-und Besinnungsphase der vergangenen Wochen nun wirklich zu neuen Ufern aufbricht -und nicht in alte Muster zurückfällt. Und Österreich Österreich bleibt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Juni 2025


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