Wo sind die Zeiten geblieben? Früher wurde, zumal dann, wenn das nötige Geld vorhanden war, für Jahrzehnte gebaut, wenn nicht für Jahrhunderte. Massiv musste es sein, aushalten musste es etwas und langlebig musste es sein - kurzum das, was man heute gerne nachhaltig nennt. Freilich, heute hat man dafür außer großen Worten oft nicht sehr viel übrig dafür. Und die Worte können sehr groß sein, wie man weiß. Vor allem dann, wenn neue Bauwerke eröffnet oder in Betrieb genommen werden. "Wir übernehmen Verantwortung auf dem Weg nach morgen", heißt es da gerne, oder "Wir denken heute an morgen".
Viele reden so. Besonders gerne aber die Supermarktketten, die sich, man weiß es, meist nicht genug selbst loben können -gerade auch, wenn sie wieder irgendwo eine neue Filiale eröffnen. Draußen vor der Stadt beim Kreisverkehr, mit großen Parkflächen und oft auf dem brachem Land. Oder weil sie den Standort erneuert haben. Im Klartext bedeutet das oft nichts anderes, als dass innerhalb weniger Monate der alte Markt, der vor vielleicht gerade einmal zwanzig Jahren errichtet wurde, mit der Schubraupe mir nix, dir nix kurzerhand weggeschoben wurde, um innerhalb weniger Wochen einen neuen Markt hinzustellen. Die Presseaussendung des Händlers lobt dann das neue Bauwerk, diese Nachhaltigkeit mit der Schubraupe, wie man sie versteht, dennoch unverdrossen als "Vorzeigeprojekt in Sachen Nachhaltigkeit".Man sieht das immer wieder. Und man wundert sich immer wieder. Und man fragt sich, wie man dazu kommt. Und man fragt sich nicht nur bei Supermarktketten, sondern auch bei Möbelhäusern, bei Geschäftszentren und ähnlichen seinerzeit schnell und billig hingestellten Bauten, die nichts wert sind und bald im Weg stehen und plötzlich wieder weg sind. Oft bleibt nicht mehr als ein Haufen Schutt.
In Linz etwa steht vor der Stadt seit mittlerweile mehr als zehn Jahren ein komplettes und riesiges Einkaufszentrum leer und wird nur rudimentär genutzt. Aber in Linz steht auch ein Rathaus, das in den 1980ern gebaut wurde und über dessen Abriss nun ernsthaft diskutiert wird. Detail am Rande -der dortige Bürgermeister residierte nie in dem Bau direkt an der Donau, sondern immer im traditionsreichen alten Rathaus auf dem Linzer Hauptplatz, dessen Wurzeln in das 17. Jahrhundert zurückgehen.
In nahezu jeder Stadt und in jedem Ort gibt es solche Bauwerke, die schnell und billig errichtet wurden, bei denen Architektur und Qualität nichts zählten, und schon gar nicht das, was man heute Nachhaltigkeit nennt. Selbst Privathäuser, seinerzeit oft noch mit eigener Hand und massiv gebaut, strahlen inzwischen oft eine Billigkeit aus, die signalisiert, als seien sie nur für Jahre, jedenfalls nicht aber für Generationen gebaut.
Für all das mag es Erklärungen geben. Und bei vielen Bauwerken muss man nachgerade froh sein, dass sie so schnell wieder abgerissen werden. Und dennoch bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit, nach dem Verbrauch von Ressourcen und von Böden. Und, um wieder auf die Supermärkte zurückzukommen, nach dem tatsächlichen Fortschritt. Die Parkflächen werden bei solchen Projekten kaum je verringert, und auch die neuen Märkte scheinen nur gebaut zu sein, um im Fall des Falles, wenn es neue Trends verlangen, wieder schnell abgerissen zu werden.
Aber es ist nicht nur das, was einem aufstößt. Es ist vor allem die Chuzpe, mit der man sich in Sachen Nachhaltigkeit wortreich zu Vorreitern erklärt und auch keine Scheu hat, das von anderen zu verlangen, obwohl die eigene Weste alles andere als sauber ist, vor allem nicht so blitzsauber, wie man das gerne hinstellt. Die Lebensmittelwirtschaft und die Bauern wissen ein Lied davon zu singen, was von ihnen alles verlangt wird. Unvergessen der Biolandwirt aus der Nachbarschaft, der am Sonntag bei heftigem Regen und eigentlich unbefahrbarem Acker Biokraut ernten musste - aus Angst, dass er von seiner ach so nachhaltigen und umweltfreundlichen Supermarktkette ausgelistet wird, wenn er für Montag nicht liefert.
Und doch sei, gleichsam zur Ehrenrettung, angeführt, dass das Thema Nachhaltigkeit bei den heimischen Supermarktketten durchaus viel Platz einnimmt und dabei auch viel vorangebracht wird. Keine Ehre aber ist -nicht nur bei ihnen -zu retten, wenn dabei zweierlei Maß angelegt wird.
Und das ist zu oft der Fall. Leider.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. September 2025
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