Montag, 22. April 2024

Hofübergabe ist keine „gmahdeWiesn“

Der Generationswechsel in der Landwirtschaft ist eine heikle Sache. Einen Bauernhof will nicht mehr jeder übernehmen – aus vielerlei Gründen.

Hans Gmeiner

Linz, Salzburg. Pro Jahr werden in Österreich rund 1800 Bauernhöfe von ihren Besitzern an die nächste Generation übergeben. Einen Bauernhof zu übernehmen war früher – trotz all der Arbeit und Verantwortung, die damit verbunden war – meist die Garantie für eine abgesicherte Zukunft. Heute ist das längst anders. Einen Hofnachfolger respektive eine Hofnachfolgerin zu finden wird immer schwieriger. Statt den Hof, den Stall und die Felder in jüngere Hände übergeben zu können, müssen jährlich rund 1000 Bäuerinnen und Bauern ihre Höfe zusperren und die Felder verpachten oder verkaufen, weil ihre Nachkommen in der Landwirtschaft keine Zukunft sehen.

Vor nicht allzu langer Zeit waren es allerdings noch deutlich mehr als 1000 Bauern, die jährlich aufgegeben haben. „Seit dem EU-Beitritt hat sich der Strukturwandel dank der Fördermöglichkeiten im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik deutlich verlangsamt“, sagt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) bei der Vorstellung einer gemeinsamen „Hofübernehmer-Initiative“ mit der Landjugend-Organisation. Agrarpolitische Maßnahmen wie Zahlungen für Jungbauern und das Thema Ausbildung sollen verstärkt in den Mittelpunkt gestellt werden.

Die Gründe dafür, dass oft kein Hofnachfolger zu finden ist, gehen weit über die schwierige wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft und das oft zu geringe Einkommen hinaus. Immer wieder werden der große Arbeitsaufwand, die Bürokratie und schlechte Aussichten für Bauern genannt. Oft stehen große Investitionen im Weg, die die Übergeber vor sich hergeschoben haben und denen sich die Nachfolger nicht gewachsen sehen. Immer öfter spielen auch Anfeindungen gegen die Landwirtschaft eine Rolle. Und eine in der öffentlichen Diskussion über den agrarischen Strukturwandel wenig beachtete Rolle spielen familiäre und persönliche Konstellationen, die einer Weiterführung der Landwirtschaft entgegenstehen. Junge Menschen nehmen heute nicht mehr einfach hin, was ihre Eltern für sie geplant haben, oft gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Fortführung des Betriebs und Ähnliches mehr.

Auch regional gibt es beträchtliche Unterschiede. Während es in manchen Regionen große Probleme bei der Hofübergabe gibt und sich einige wenige Junge, die dazu bereit sind, vor Angeboten kaum retten können, funktioniert der Übergang von einer Generation auf die nächste in anderen Regionen klaglos. Als Faustregel gilt, dass sich Haupterwerbsbetriebe und Betriebe im Berggebiet bei der Hofnachfolge leichter tun als Nebenerwerbsbetriebe und Betriebe in nicht benachteiligten Gebieten, in denen die potenziellen Hofnachfolger mehr Alternativen zu einem Leben zwischen Hof, Stall und Feld haben.

Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass auf vielen Höfen die Betriebsnachfolge lange ungeklärt bleibt. Vor fünf Jahren ergab eine Befragung der Key-Quest-Marktforschung, dass auf rund der Hälfte der Höfe, auf denen die Betriebsleiterin oder der Betriebsleiter bereits den 50. Geburtstag hinter sich hat, die Nachfolge nicht geregelt ist. Bei einem Viertel davon war bereits klar, dass es nicht weitergehen wird. Auf neun Prozent der Höfe, bei denen die Nachfolge nicht entschieden war, gab es keine Kinder und auf 16 Prozent der Höfe hatten die Kinder kein Interesse, den Hof zu übernehmen. „Daran hat sich in den vergangenen Jahren nichts geändert“, sagt Johannes Mayr von Key-Quest, „das bestätigen auch neuere Untersuchungen.“

Dort, wo die Hofnachfolge bereits geregelt ist, übernimmt meist eines der eigenen Kinder den Hof. Dabei sind die Bauern noch immer sehr traditionell. Söhne kommen vier Mal häufiger zum Zug als Töchter. Bei weiteren vier Prozent übernimmt laut Key-Quest ein Neffe, eine Nichte oder ein anderer Verwandter den Hof. Aber auch außerfamiliäre Übergaben sind längst kein Tabu mehr. Dafür gibt es mittlerweile auch eine eigene Vermittlungsplattform.

Bei den Betrieben, bei denen die Übergabe klappt, scheint alles eitel Wonne zu sein. „93 Prozent der Befragten treten ihr Erbe mit Begeisterung“ an, ergab vor nicht allzu langer Zeit eine Befragung von Hofnachfolgern. Vor allem die jungen Bäuerinnen und Bauern unter 40 sind es, die zuversichtlich in die Zukunft blicken. Und das sind in Österreich so viele wie in keinem anderen EU-Land – knapp 24 Prozent der Betriebsführerinnen und Betriebsführer in der österreichischen Landwirtschaft sind noch keine 40 Jahre alt. Der Durchschnittswert in der EU liegt bei nur zwölf Prozent.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 22. April 2024

Donnerstag, 18. April 2024

Digitale Selbsttäuschung

Er wurde gerade 78. Er ist ein Fußballfan zeit seines Lebens. Lange als aktiver Spieler, seit Jahrzehnten als Zuschauer. Er ist an Wochenenden immer auf Fußballplätze gegangen und ins Linzer Stadion. Auf Fußballplätze geht er immer noch. "Im neuen Linzer Stadion auf der Gugl war ich aber noch nie", sagt er. Da kenne er sich mit dem Kartenkauf nicht mehr aus. "Das ist mir zu kompliziert geworden mit dem Bestellen im Internet."

Der verhinderte Fußballfan ist wohl einer von vielen, vor allem einer von vielen Senioren, die sich zunehmend ausgeschlossen fühlen von der digitalen Welt und vom Fortschritt, den sie mit sich bringt. Auf die Bedürfnisse von Menschen wie ihn wird zunehmend weniger Rücksicht genommen. Auch wenn sie keine Senioren sind.

In den vergangenen Tagen sorgte für Aufregung, dass der hochgejubelte und durchaus lobenswerte Reparaturbonus etwa für Elektrogeräte nur nutzen kann, wer einen Zugang zum Internet hat und damit auch umgehen kann. Ansonsten bleibt die Aussicht auf den Bonus ein frommer Wunsch. Einlösen kann man ihn nur online. Beim Heizkostenzuschuss ist es nicht anders und auch nicht beim Handwerkerbonus, der Anfang dieser Woche vorgestellt wurde.

In der Bankenwelt kennt man das Thema und die Kritik schon lange. Dort hält man trotz höherer Kosten auch die analogen, also herkömmlichen Möglichkeiten Geld abzuheben, zu überweisen und zu verwalten offen und versucht mit einem flexiblen Beratungsangebot die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen.

Digitalisierung, Internet, Computer, Smartphones und alles, was dazugehört, sind nicht mehr wegzudenken aus unserer Welt. Sie machen das Leben leichter, einfacher und ersparen viel Ärger und viele Kosten. Sie verlangen freilich von den Anbietern von Geräten und Diensten einen verantwortungsvollen Umgang. Und genau daran hapert es oft. Wer keinen Experten bei der Hand hat, um Computer, Mobilgeräte, Server, ISDN und all das andere einzurichten, hat schlechte Karten in der digitalen Welt. Gekümmert hat man sich nie ernsthaft darum. Jeder redet davon, aber kaum jemand bietet Greifbares. Zu lange schon schaut auch die Politik zu und überlässt den Anbietern das Feld.

Obwohl sich in den vergangenen Jahren viel geändert hat, ist der Nachholbedarf immer noch groß. Nicht Technik-affine Anwender haben nach wie vor ihre Probleme und werden alleine gelassen damit. Sie, wenn sie dennoch interessiert oder gar angewiesen sind darauf, sind zu einem Leben in den Warteschleifen der Hotlines der Anbieter, aber auch der Verwaltung verdammt.

Dort sitzt man nach wie vor auf dem hohen Ross, vornehmlich sich selbst zu loben und in ein gutes Licht zu stellen. Nachgerade typisches Beispiel dafür ist die ID Austria. Haben Sie schon einmal danach im App-Shop Ihres Handys gesucht? Sie werden nichts finden. ID Austria kennt man dort nicht. Was man kennt, ist das "Digitale Amt". Dass das die ID-Austria ist, muss man erst einmal wissen.

Das mag nur ein kleines und auch sehr schnell aufklärbares Beispiel dafür sein, wie wenig Rücksicht man oft auf die Nutzer nimmt. Bezeichnend ist es dennoch. Die Gedankenlosigkeit der einen ist für viele andere oft nichts als eine Hürde, vor der sie verweigern oder an der sie scheitern.

Inzwischen gibt es sogar ein Staatssekretariat für Digitalisierung, der Aufholbedarf ist aber immer noch enorm. Alle reden zwar von den Senioren und machen sich Sorgen, dass sie von der Digitalisierung zuweilen diskriminiert werden. Noch größere Sorgen sollte machen, dass fast vierzig Jahre nachdem die ersten Personal Computer für den Hausgebrauch auf den Markt kamen, und mehr als dreißig Jahren nach den ersten Mobiltelefonen, nach dem Beginn des Siegeszuges von Internet und E-Mail, immer noch vierzig Prozent der Österreicherinnen und Österreicher über keine Grundkenntnisse bei der Nutzung digitaler Technologien verfügen. Es mag erschrecken, dass bei den Senioren dieser Anteil laut Statistik Austria bei 65 Prozent liegt, noch mehr erschreckt aber, dass in den Altersklassen 25 bis 54 Jahre der Anteil rund um die 30 Prozent beträgt, und selbst bei den 16-bis 24-Jährigen noch immer bei rund 20 Prozent liegt.

Daraus ist zweierlei zu folgern - es braucht nicht nur bei den Senioren eine Offensive, um noch sehr viel mehr Menschen fit für die digitale Welt zu machen, sondern in allen Altersschichten. Und es geht insbesondere in der Verwaltung, aber auch in sensiblen Branchen wie der Bankenwelt darum, analoge Zugänge offen zu halten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. April 2024

Donnerstag, 11. April 2024

Langer Atem ist gefragt - und sehr viel guter Wille

Es ist schon sehr starker Tobak, den wir da in Österreich seit Tagen, Wochen und Monaten serviert bekommen. Da ist das Treiben eines Spions für Russland, der offenbar über Jahre im Verfassungsschutz sein Unwesen trieb und die Republik vorführt und lächerlich macht. Da ist der Immobilien-Tycoon aus Innsbruck, dessen so oft bewundertes Reich mit lautem Getöse zusammenkrachte, und in seinem Schatten ein Exkanzler, der vor Jahrzehnten stolz den Boden des Moskauer Flughafens küsste und zuletzt nur mehr in Millionen rechnete und abrechnete, und ein Ex-Kanzler, der sich gerne mit ihm zumindest umgeben hat. Da sind schier unglaubliche Gagen, die in der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht nur für echte Stars, sondern auch für viele, die sich dafür halten und die am richtigen Posten sitzen, gezahlt werden. Da sind die Kabalen rund um einen einst als allmächtig geltenden Sektionschef im Justizministerium, der aus dem Leben schied. Und da passt, natürlich möchte man hinzufügen, ins Bild, dass ausgerechnet ein Österreicher, der sich vermutlich in Russland versteckt hält, derzeit als meist gesuchter Mann Europas gilt und dass Österreich in internationalen Korruptionsindizes beständig nach vorne rückt.

Und, und, und -es mag schier gar nicht aufhören. Österreich kommt daher, wie der in die Realität umgesetzte Schundroman aus dem Finanz- und Agentenmilieu, in dem sich dunkle Gestalten jedweder Provenienz bedienen können, unterstützt und hofiert von geltungssüchtigen Politikern, die man sich in den schlimmsten Phantasien nicht ausmalen will. "In Österreich haben Günstlinge, Trickser, Korrupte, Abzocker und Spione leichtes Spiel", war dieser Tage in einem Zeitungskommentar zu lesen.

Es ist wohl so. Es fühlt sich an wie in einem Roman, von dessen Geschichten man sich allenfalls unterhalten lässt, die man aber nie glauben wollte. Und die man nie für möglich oder gar Realität hielt. Schon gar nicht, wenn man sich an den Stammtischen darüber wortreich aufregte und über Politik, Politiker, Wirtschaft und Unternehmer oder Verwaltung und Beamte herzog. Wenn man das alles für maßlos überzogen hielt, für eindimensional und zuweilen gar für einfältig. "So schlimm ist es schon nicht", war immer der zentrale Satz, mit dem man sich beruhigte. Auch wenn man wusste, wie die Dinge oft gehen in diesem Land, auch wenn man sie selbst schon erlebt hat und wenn man sich selbst oft gewundert hat.

Jetzt bleibt nur noch sich zu ärgern. Über die Zustände sowieso und über diesen Schundroman, der in diesem Land Wirklichkeit geworden ist. Aber noch viel größer ist der Ärger, weil jetzt wirklich so viele von denen recht bekommen, gegen die man den Staat verteidigt hat, und seine Proponenten, die Politik auch und die Wirtschaft und die Beamtenschaft -kurzum das System. Gegen all diese Plärrer, gegen deren Pauschalverdächtigungen man angeredet hat, wenn es um Politik und auch wenn es um Corona ging. Alles mit einem Mal nichts.

Man entwickelt mit einem Mal Verständnis für all diese Menschen, die auf die Politik schimpfen und die sich zurückziehen. Die sich aus der Gesellschaft ausklinken, die nicht mehr wählen gehen wollen und die keine Zeitung mehr lesen und keine Nachrichten mehr schauen. Die genug haben von dem, was ihnen da als Wirklichkeit geboten wird. Man versteht mit einem Mal, dass ihr Vertrauen zerstört, ihr guter Wille verbraucht ist. Man versteht, dass sich fast zwei Drittel in diesem Land politisch nicht mehr vertreten fühlen. Man versteht die Demokratiemüdigkeit, die sich breit macht. Da nimmt nicht wunder angesichts dessen, wie der gute Wille immer wieder missbraucht wird, angesichts dessen, wie Erwartungen und Hoffnungen immer wieder enttäuscht und Versprechen gebrochen werden.

Wenn ein großer Reset jemals Sinn macht - dann sollte man ihn jetzt zumindest angehen in Österreich. Auf allen Ebenen, in allen Teilen der Gesellschaft und in all ihren Schichten. Auch, um die Veränderungen und Brüche abzuwehren, vor denen sich nun viele fürchten, dem Driften in Extrempositionen und dem Verlust der Mitte.

Die Aussichten darauf stehen wohl schlecht. Man sollte sich keine Illusionen machen. Und darum sollte man wohl weiter daran arbeiten, sich nicht von den aktuellen Zuständen frustrieren zu lassen. Auch wenn das schwerfallen mag wie kaum je zuvor. Es ist langer Atem gefragt. Und sehr viel guter Wille.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. April 2024

Dienstag, 2. April 2024

Bauern stehen unter Druck

Den Bauern bleibt unterm Strich immer weniger. Vor allem die Ackerbauern leiden. Die Ukraine-Importe und hohe Kosten gelten als dafür verantwortlich. Ein wenig beachtete Rolle spielt dabei aber Russland.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Für die Bauern ist in den meisten Produktionssparten die Zeit der guten Preise wieder vorbei. Nach den Höhenflügen rund um den Beginn des Ukraine-Kriegs vor zwei Jahren ist man längst wieder auf dem Niveau früherer Jahre angelangt. Die Preise für Betriebsmittel wie Diesel, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Energie, Landtechnik und anderes mehr aber sind deutlich weniger zurückgegangen. Die Deckungsbeiträge – das, was unter dem Strich bleibt – sind deutlich gesunken.

Besonders groß ist der Druck bei den Ackerbauern. „Ackerbau ist derzeit unwirtschaftlich“, sagt Helmut Feitzlmayr von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Darum verstehen die Bauern auch nicht, dass ausgerechnet Weizen weiterhin ohne Einschränkungen aus der Ukraine importiert werden dürfen soll und nicht wie bei anderen Produkten Kontingentierungen eingeführt werden.

Die Preise für Weizen, Mais, Gerste und Soja sind regelrecht abgestürzt. Notierte Weizen an der europäischen Warenterminbörse Matif vor zwei Jahren bei 400 Euro je Tonne und mehr, so liegen die Notierungen heute nur mehr knapp über 200 Euro. Tendenz fallend. Bei Mais war die Entwicklung ähnlich, auch die Sojapreise gingen stark zurück. Die Preise für Diesel, ohne den kein Traktor und kein Mähdrescher läuft, liegen hingegen immer noch um gut 25 Prozent höher als vor der Russland-Krise. Pflanzenschutzmittel sind heute um 30 Prozent teurer als vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine und Dünger sogar um 50 bis 100 Prozent.

„Da bleibt entscheidend weniger als vor der Krise“, sagt Feitzlmayr. Statt bei mehr als 1500 Euro je Hektar wie 2022 blieben den Bauern im Vorjahr bei Weizen keine 400 Euro. Bei Feldfrüchten wie Gerste oder Mais war es kaum anders. Heuer wird sich daran kaum etwas ändern. Die Deckungsbeiträge werden selbst vom Durchschnittsniveau der Jahre vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine um mehr als 50 Prozent entfernt sein. Auch bei Raps und Soja gab es heftige Einbrüche. Einzig Zuckerrüben blieben attraktiv, dort zeichnen sich aber bereits Preissenkungen ab.

Verantwortlich für diese Entwicklung werden in Europa und auch in Österreich die Importe aus der Ukraine gemacht, die bei Weizen von 300.000 Tonnen 2021 auf gut sechs Millionen im Vorjahr und bei Mais von 7,4 Mill. auf fast 13 Millionen Tonnen angestiegen sind. Nicht nur in Europa, auch in Österreich sind diese Importe längst zum Politikum geworden, obwohl sie in den vergangenen Monaten wieder deutlich zurückgegangen sind. Der Bauernbund in Niederösterreich etwa spricht von einer „Zerreißprobe“ und warnt vor billigem Weizen aus der Ukraine, der in Österreich zu „Brot aus Österreich“ werde.

Zahlen bleibt man freilich schuldig, denn außer Gerüchten über Weizen- und Mehllieferungen aus der Ukraine, die seit mehr als einem Jahr kursieren, gibt es keine Belege für solche Vermutungen. Die offiziellen Statistiken weisen lediglich Importe von 4000 Tonnen Weizen und 236.000 Tonnen Mais aus. Und für allfällige Mengen aus der Ukraine, die indirekt über einen EU-Staat nach Österreich gelangen, gibt es keine Zahlen, weil sie als innergemeinschaftliche Lieferung gelten.

Wenig beachtet wurde hingegen lange Zeit, dass Russland auf den internationalen Getreidemärkten in den vergangenen zwei Jahren zum mit Abstand größten Player geworden ist und diese Position ganz offensichtlich für seine Interessen nutzt. Nach Rekordernten schnellten die Weizenexporte in den vergangenen zwei Jahren um 20 Mill. auf 50 Mill. Tonnen jährlich. Heuer werden es nicht viel weniger sein. Eine Entwicklung, die manche Beobachter als Teil einer hybriden Kriegsführung Russlands sehen um die Getreidemärkte zu destabilisieren und westliche Staaten und ihre Landwirtschaft zu schädigen. „Wenn die EU in Ägypten Weizen anbietet, kommen die Russen und bieten die Tonne um zehn bis 20 Euro billiger an“, berichten Marktkenner.

Russland hat seine Getreideexporte in die EU seit dem Angriff auf die Ukraine auf rund eine Million Tonnen Getreide und Mais ausgeweitet. Vor allem die Lieferungen von Durum-Weizen für die Nudelerzeugung sind von 60.000 Tonnen 2022/23 auf heuer bisher 420.000 Tonnen nach oben geschnellt. Beim EU-Gipfel vor zehn Tagen wurde beschlossen, dass höhere Zölle auf Getreide, Ölsaaten und andere ausgewählte Produkte aus Russland und Belarus eingeführt werden sollen.

Das Interesse der heimischen Bauern am neuen Getreide-Gütesiegel der AMA, das als Waffe der Landwirtschaft gegen anonymes Importgetreide wie etwa aus der Ukraine für die Mehlerzeugung angepriesen wird, ist verhalten. Obwohl 85 Prozent der Getreidebauern die Voraussetzungen dafür erfüllen, haben sich bisher noch keine 20 Prozent dafür angemeldet. Dem Vernehmen nach soll nun die Anmeldefrist verlängert werden.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. April 2024

Donnerstag, 28. März 2024

Ein Wahlergebnis zum Nachdenken

Nun also doch nicht. Kay-Michael Dankl wird nicht Bürgermeister von Salzburg. Dabei war die Aufregung nicht unbeträchtlich, weil viele auch außerhalb der Stadt Salzburg für den jungen Kommunisten mit der sonoren Stimme und dem unaufgeregten Auftreten durchaus Sympathie signalisierten. Altkanzler Schüssel sah sich veranlasst, eindringlich davor zu warnen, dass die "Marke KPÖ toxisch" sei und erinnerte daran, dass "halb Österreich" vor nicht allzu langer Zeit noch vom Eisernen Vorhang umschlossen war. Auch Oberösterreichs Alt-Landeshauptmann Pühringer rückte aus und forderte "Schluss mit lieb und nett" und warnte vor einer Verharmlosung ganz nach dem Motto "Auch ein Pseudo-Kommunist bleibt ein Kommunist".

Die Befürchtungen erwiesen sich als übertrieben. Die Festung wankte in Salzburg, aber sie fiel nicht. Dankls Ergebnis ist aber jedenfalls ein Achtungserfolg. Ein Achtungserfolg wohl, der die Republik nicht aus den Angeln heben wird und einer, den die Demokratie aushalten muss. So wie sie auch am anderen Rand des politischen Spektrums Erfolge aushalten muss.

Dennoch bleibt einiges zu hinterfragen nach diesen Wahlen in Salzburg, respektive in der Stadt Salzburg, und sollte nicht einfach wieder unter den Teppich gekehrt werden. Kay-Michael Dankl hat mit seiner KPÖ plus weniger dem Kommunismus den Weg bereitet in Österreich, vielmehr hat er die Fehler der etablierten Parteien aufgezeigt und damit Stimmen gemacht.

Er verstand es vor allem, die Verärgerung vieler Salzburger Bürger über die Wohnungssituation in der Stadt Salzburg für sich zu nutzen und damit ideologische Berührungsängste locker zu überwinden. Die etablierten Parteien standen hilflos daneben und mussten zusehen, wie der Ideal-Schwiegersohn mit seiner unkomplizierten Art und ganz ohne das in der Politik üblich gewordene Geifern und ohne jede Aggression in der Wählerschaft abräumte.

Das wiederum zeigt, dass man in der Politik auch sehr wohl anders, nennen wir es zivilisiert, auftreten und zum Erfolg kommen kann. Da hofft man nachgerade, dass es Schule macht. Das zeigt aber auch, dass den Wählerinnen und Wählern im Land ideologische Grenzen völlig egal zu sein scheinen, wenn die Frustration nur hoch genug ist. Das ist freilich nicht neu. Von der rechten Seite kennt man das schon lange. Hemmungen sind dort längst fremd.

Das sollte Sorgen machen. Wo sind dann wirklich die Grenzen, fragt man sich mit wachsender Besorgnis. Von Kickl und Co weiß man, was sie denken und wo sie hinwollen und was man von denen zu befürchten respektive zu erwarten hat. Wenn aber auch Elke Kahr, die KPÖ-Bürgermeisterin von Graz und Vorbild für Salzburgs Dankl, für China kaum kritische Worte findet und auch nicht für Russland, sondern das "Gewinnstreben der Rüstungsindustrie" als Grund dafür angeführt wird, dass es in der Ukraine zu keinem Frieden kommt, eröffnet das eine neue Dimension.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist freilich, dass schier jede Äußerung Kickls für ein wildes Rauschen im Blätterwald sorgt, dass aber Kahr und auch Dankl und ihr Kommunismus in der heimischen Öffentlichkeit und Publizistik so etwas wie Welpenschutz genießen. Anders als der Gegenseite nimmt man ihnen alles ab, was sie zum Kommunismus sagen, hinterfragt es kaum, und skandalisieren will man es schon gar nicht.

Die traditionellen Parteien auch außerhalb Salzburgs jedenfalls sollten das Salzburger Ergebnis als Auftrag sehen, sich nun endlich wirklich am Riemen zu reißen und Dankl und seinen Erfolg nicht kleinreden. Denn es sind sie, die verantwortlich dafür sind, dass wir es heute mit extremen Positionen und Parteien zu tun haben. Mit der FPÖ bei uns oder der AfD in Deutschland und all ihren Auswüchsen auf der einen Seite und nun auch mit den Kommunisten auf der anderen.

Es geht darum, das aufzuräumen, was man in den vergangenen Jahren angerichtet hat, will man nicht endgültig untergehen und den linken und den rechten Rändern das Land überlassen. Sie können sich dabei in der Tat an Dankl ein Vorbild nehmen und vielleicht sogar auch an Kahr. Der Zugang, den sie zu den Wählern haben, haben andere längst verloren.

Da sollte sich auch die SPÖ nicht täuschen, die den Sieg in Salzburg brauchte wie einen Bissen Brot. "Wäre Dankl als 'Plus', also ohne den Kommunisten-Quatsch, angetreten, wäre es wohl knapper geworden", war auf Twitter zu lesen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. März 2024

Donnerstag, 21. März 2024

Österreich - ein einziger, riesiger Bankomat

In Österreich ist der Sozialstaat ausgebaut wie in kaum einem anderen Land. Mehr als 130 Milliarden brauchen wir Jahr für Jahr dafür, fast ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung. Unumstritten ist das nicht. Den einen ist es, man denke nur an den neuen Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, offenbar immer noch zu wenig. Den anderen, man denke an die Vertreter der Wirtschaft, und vielen anderen, vornehmlich aus dem Milieu derer, die sich zu den Leistungsträgern zählen, ist das viel zu viel. Der Unterschied scheint groß. Bloß, er ist es nicht. Wenn es darum geht, den Sozialstaat zu nutzen, ist nämlich kaum ein Unterschied zu merken. Darauf versteht man sich da wie dort gleichermaßen. Und man tut es da wie dort ohne Argwohn und mit der Überzeugung, einen Anspruch darauf zu haben.

In den vergangenen Tagen gerieten just zwei solcher Bereiche in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, die zeigen, dass man auch dort gerne nutzt, was der Sozialstaat und alles, was dazugehört, hergibt, wo man ebendiesen vornehmlich als viel zu großzügig kritisiert, wo man unnötige Geldverschwendung vermutet, wo man Kürzungsbedarf sieht, und wo man mehr Eigenverantwortung verlangt. Vor allem dann, wenn es um Hilfe für soziale Randgruppen, Geringverdiener oder Ähnliches geht.

Da sorgte zunächst einmal die Kritik der Arbeiterkammer für Aufsehen, dass viele Unternehmen nicht nur je nach Saison, sondern auch je nach Auftragslage Mitarbeiter vorübergehend in die Arbeitslose schicken und deren Versorgung auf diese Weise für eine gewisse Zeit an die Allgemeinheit auslagern, weil man sich Lohn-und Gehaltszahlungen ersparen will. In der Baubranche und im Tourismus ist das seit jeher gängige Praxis, ohne dass sich irgendjemand dabei etwas denkt. Zwischen den Saisonen schickt man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum AMS, und wenn man sie dann wieder braucht, stellt man sie wieder ein. Das gilt weitum als verständlich und nachvollziehbar. In diesem Spiel können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufeinander verlassen. In Diskussion geriet das Thema, weil in den vergangenen Monaten immer mehr Unternehmen auch außerhalb der beiden genannten Branchen die Attraktivität dieses Modells entdeckt haben.

Im Kern aber ist es da wie dort nichts anderes, als dass sich ganze Branchen der Segnungen des Sozialstaates bedienen, ohne sich weitere Gedanken darüber zu machen. Man ist daran gewohnt, man braucht es und man verlässt sich drauf. Die Generalabsolution, die man sich gerne selbst spendet, lautet, man mache nichts Unrechtes, weil es ja angeboten werde.

Daran, dass das alles andere als normal ist und dass es wohl auch andere Lösungen geben könnte, verschwendet man längst keinen Gedanken mehr. Schon gar nicht daran, dass das in der Qualität kaum etwas anderes ist, als das, was man anderen oft so gerne vorwirft, wenn man meint, sie profitieren über die Maßen vom Sozialstaat oder nutzen ihn gar aus.

In die nämliche Richtung geht das zweite Thema, das Schlagzeilen machte. "Bildungskarenz sollte keine verlängerte Babypause sein", titelten die Zeitungen. Auch da wird ein Angebot, das dem Sozialstaat zuzurechnen ist, zweckentfremdet und zum eigenen Vorteil genutzt. Aus der eigentlich für Fortbildung zur Verfügung gestellten Zeit wird Zeit für Kinderbetreuung gemacht. Auch da denkt sich niemand etwas dabei, schon gar nicht etwas Schlechtes. Auch da heißt es, man mache ja nichts Unrechtes, weil es ja angeboten werde.

Rund eine halbe Milliarde Euro kostet das Jahr für Jahr -da wie dort. Eine ganze Milliarde insgesamt. Und da staunt man darüber, dass der Sozialstaat so viel Geld verschlingt und dass nur 20 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher im Durchschnitt mehr ins System einzahlen, als sie herausbekommen.

Verwundern tut das freilich nicht. Die politischen Parteien verstehen sich zunehmend als Sozialberater und Vermittler von Förderungen und nicht als Anbieter politischer Lösungen. Alle. Neuerdings sind auch die Neos dazuzuzählen. Ihre Chefin ventilierte allen Ernstes in der Öffentlichkeit ein mit 25.000 Euro dotiertes "Chancenkonto", das jede und jeder mit 18 Jahren für Ausbildung, Unternehmensgründung oder Wohnen bekommen soll.

Diese liberale Großzügigkeit mag dem bevorstehenden Wahlkampf geschuldet sein -es ist aber auch eine weitere Bestätigung dafür, dass hierzulande inzwischen alle Österreich als einen einzigen großen Bankomaten sehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. März 2024

Montag, 18. März 2024

EU-Entwaldungsverordnung regt Bauern auf

Rinder- und Sojabauern sowie Forstwirtschaft warnen vor Bürokratie und fordern Ausnahmen.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Eigentlich sollte die Entwaldungsverordnung der EU, die 2023 beschlossen wurde und bis Ende dieses Jahres auch in Österreich umgesetzt werden soll, klimaschädliche Waldrodungen in Brasilien und Indonesien bremsen. Es soll sichergestellt werden, dass Soja, Rindfleisch und andere Produkte nicht mehr nach Europa importiert werden dürfen, wenn für deren Erzeugung Wälder gerodet wurden.

Was gut gemeint ist, droht sich für die Land- und Forstwirtschaft in Europa und damit auch Österreich zu einem Bürokratiemonster auszuwachsen, das viel kostet, aber nichts bringt. Die Verordnung verlangt von allen Beteiligten der Wertschöpfungskette nachvollziehbare Angaben über die Produktion inklusive Geodaten, die beweisen, dass für die Ware kein Baum gefällt wurde. Oder es ist im Detail anzugeben, wo das Holz herkommt. Das gilt für Bauern und Waldbesitzer genauso wie für Metzger und Sägewerker, für Pellets-und Mehlerzeuger und reicht zum Einzelhandel.

Die Aufregung ist groß. „In einem Land wie Österreich, wo die Waldfläche und der Holzvorrat kontinuierlich wachsen, kann man das weder erklären noch ist es in der Praxis durchführbar“, sagt Werner Habermann, Geschäftsführer der Arge Rind, Dachorganisation der heimischen Rindererzeuger. „Jeder Bauer müsste bei jedem Einzeltier beim Verkauf nachweisen, dass für die Fütterung kein Baum geschlägert wurde und es vor dem Verkauf in eine EU-Datenbank eingeben.“ Damit nicht genug. „Auf einer Alm, die man in den vergangenen Jahren durch Entfernung von Bäumen vor der Verwaldung schützte, dürfte dann kein Vieh mehr weiden, es könnte nicht verkauft werden.“

Karl Fischer, Obmann des Vereins Soja aus Österreich, sieht eine Gängelung der Sojabauern, die „eindeutig zu weit“ gehe. Europa verteuere die eigene Produktion ohne zusätzlichen Nutzen, zumal Soja aus Brasilien, das auf Flächen erzeugt wird, die vor 2020 gerodet und abgebrannt wurden, von der Verordnung ausgenommen ist und weiter uneingeschränkt nach Europa geliefert werden könne.

Auch in der Wald- und Holzwirtschaft läuft man gegen die Verordnung Sturm. Selbst von Kleinwaldbesitzern werden künftig für jeden Baum, den sie schlägern, Geodaten und der gleiche Bürokratieaufwand wie von der Forstindustrie verlangt. „Da kann man wirklich nur den Kopf schütteln, schließlich ist bei uns der Wald ohnehin bereits einer der strengst kontrollierten Bereiche mit mehreren Zertifizierungsebenen vor allem in Sachen Nachhaltigkeit“, sagt Rudolf Ortner, Holzindustrieller in Oberösterreich. Allein in seinem Betrieb müsste er zwei Vollzeitmitarbeiter abstellen, die sich nur um Geodaten und Parzellennummern kümmern, die für den Herkunftsnachweis nötig sind.

Alle Beteiligten hoffen nun, dass es doch noch gelingt, der Entwaldungsverordnung den Schrecken zu nehmen. Für Habermann passt nicht zusammen, dass die EU immer vom Bürokratieabbau redet, gleichzeitig aber so etwas wie die Entwaldungsverordnung umsetzen will. „Unsere Forderung ist klar, es muss gelingen, dass Länder wie Österreich, die einen Waldzuwachs nachweisen können, von der Verordnung ausgenommen werden.“

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 18. März 2024
 
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