Dienstag, 23. Februar 2010

Weckruf für Bauernvertretung und Konsumenten




Salzburger Bauern präsentieren Rechnung für fantasielose Agrarpolitik – Achselzucken für Bauern statt konkreter Maßnahmen.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Nach Landwirtschaftskammerwahlen klangen die Glückwunschdepeschen aus den Wiener Zentralen von Bauernbund und Kammer auch schon euphorischer. „Respektables Ergebnis trotz schwieriger Marktlage“, richtete Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch aus. Wiewohl: „Die Verluste schmerzen.“ Und sein Kollege in der Landwirtschaftskammer Österreich, Gerhard Wlodkowski, versuchte, den Verlust von 20 Prozent der Stimmen mit dem Hinweis darauf verdaulich zu machen, dass immerhin 69 Prozent der Salzburger Bauern eine „stabile Interessenvertretung wollen“.
Womit er recht hat. Auch wenn es bei den letzten Wahlen noch fast 80 Prozent waren. Faktum ist, dass der Bauernbund nach wie vor fest im Sattel sitzt.

Das Salzburger Wahlergebnis ist kein Zeichen eines dräuenden Bauernaufstands, der sich möglicherweise bald zu dem Flächenbrand entwickeln könnte, den manche Zwischenrufer so gern sähen. Mehr als zwei Drittel der Stimmen – so ein Ergebnis ist immer herzeigbar. Das Ergebnis vom Sonntag ist aber zweifelsohne ein kräftiger Schuss vor den Bug der Bauernvertretung. Nicht nur für jene in Salzburg, sondern für jene in ganz Österreich. Im Bauernbund, in den Landwirtschaftskammern und im Landwirtschaftsministerium.

Die Bauernvertreter machen in diesen Monaten zuweilen einen müden, orientierungslosen und vor allem ideenlosen Eindruck. Sie haben den Bauern angesichts der schlechten Preissituation auf den Märkten und auch im Hinblick auf die nächste EU-Agrarreform kaum etwas zu bieten. Dass die Situation extrem schwierig und vielschichtig und mit einfachen Rezepten nichts zu machen ist, spielt da keine Rolle.

Gebetsmühlenartig wiederholen sie seit Jahren ihre Forderungen nach mehr erneuerbarer Energie, besserer Lebensmittelkennzeichnung, fairen Preisen im Handel. Die Bauern können das nicht mehr hören. Wünsche der Bauern werden in Großveranstaltungen kanalisiert, aber nicht weiterverfolgt und schon gar nicht umgesetzt. Obwohl ihre Partei, die Volkspartei, deren zuverlässigste Stütze die Bauern sind, seit Jahrzehnten an den Schalthebeln der Macht sitzt, gelingt ihnen viel zu wenig, etwas davon durch zusetzen. Statt konkreter Maßnahmen gab es allzu oft Achselzucken für die Bauern. Selbst dass die Bauerneinkommen im Vorjahr um 20 Prozent fielen, schien man stoisch hinzunehmen.

Mit Kritik kann man nicht umgehen. Oft will man es, so der Eindruck, auch nicht. Andere Meinungen werden gern abgeschmettert. Konfrontationen verweigert man sich und einer breiten Zukunftsdiskussion erst recht. In den Führungsetagen aber hält man das für Politik. Dass es zwischen Kammern, Ländern, Ministerium und Bauernbund derzeit nicht rund läuft, hilft der Sache nicht. Und auch nicht, dass niemand das Vakuum, das der nunmehrige Finanzminister Pröll in der Agrarpolitik hinterlassen hat, füllen kann.

Das Salzburger Ergebnis hat zweifellos sehr viel mit dem Milchstreik im Vorjahr zu tun. Da wurde viel Porzellan zerschlagen. Es ist aber auch ein Warnruf, der sich nicht nur an den Bauernbund, sondern an die ganze Gesellschaft richtet – „so darf man mit uns Bauern nicht umgehen“.

Das erleichtert zweifellos die Bauernseele, aber es nützt den Bauern in der Sache wohl wenig. Sie müssen sich dennoch den Anforderungen der heutigen Zeit stellen. Und die heißen nun einmal Markt, weniger Förderungen und Konsumenten, denen das billige Hemd näher ist als der teure Rock. Bisher fiel der Bauernverband nicht damit auf, dass er da den Bauern eine große Hilfe wäre. Mengenbeschränkungen und andere dirigistische Eingriffe sind heute nicht mehr durchzusetzen.

Der Bauernverband bündelt die Unzufriedenheit. Wie ernsthaft die Politik sein wird, ist abzuwarten, zumal der Verband nirgendwo und schon gar nicht auf Bundesebene verankert ist und kaum außerhalb von Wahlzeiten auftritt.

Allein das macht es schwierig, tatsächlich für die Bauern das zu verwirklichen, was man im Wahlkampf versprochen hat.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 23. Februar 2010

Mittwoch, 17. Februar 2010

Bio-Mäntelchen wurde zu kurz




HANS GMEINER

Die Preisschlacht im Lebensmittelhandel zieht immer weitere Kreise. Jetzt stimmen auch die Biobauern in das Klagelied ein. Sie können sich dem Preissog nicht entziehen. Wird der Preisabstand zwischen biologischer und konventioneller Ware zu groß, bleibt die Bioware liegen.
So ist der Markt. Und so verhalten sich die Konsumenten. Illusionen sind da fehl am Platz. Die Biobauern müssen damit zurechtkommen.

Und das ist alles andere als leicht. Die Handelsketten, die sich so gern mit dem Bio-Mäntelchen schmücken, sind keine Lämmer. Schließlich ist es immer der Cent, der zählt.

Die Biobauern haben dem wenig entgegenzusetzen. Nicht zuletzt, weil sich Bio Austria, die gern die Alleinvertretung in Anspruch nimmt, schwertut, mit den Bocksprüngen des Marktes umzugehen. Im falschen Glauben, auf dem Markt anschaffen zu können, wurde im Vorjahr in Grabenkämpfen mit Handelsketten und Erzeugern von Futtermitteln viel Porzellan zerschlagen. Dass man Hofer bei der Umstellung der Eigenmarke „zurück zum Ursprung“ auf Bio auf nicht unumstrittene Weise half, tat ein Übriges. Das brachte zwar zusätzlichen Absatz, schwächte aber die Position der Biobauern insgesamt.

Genau das aber können die nicht brauchen, schon gar nicht jetzt.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft - 17. Februar 2010

Bioprodukte stehen unter Preisdruck





Die Preisschlachten im Handel ziehen auch die Preise für Bioprodukte in die Tiefe. Der Druck wird weiter wachsen.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Preisschlachten der großen Handelsketten und Diskonter machen auch den heimischen Biobauern zunehmend Sorgen. Sie können sich dem Preisdruck nicht entziehen. „Auch Bio spürt das Preisdumping des Handels“, sagt Hubert Zamut, Marktexperte des Biobauernverbands Bio Austria.
Damit sind nicht nur so plakative Forderungen gemeint wie „Bio muss billiger werden“, wie sie die Rewe-Tochter Penny in der Werbung
verwendet. Viel mehr Sorgen macht, dass die immer neuen Tiefstpreise für konventionell erzeugte Lebensmittel auch die Preise für Bioprodukte nach unten ziehen.

„Wenn ein konventionelles Produkt um 59 Cent angeboten wird, ist kaum ein Konsument bereit, für das entsprechende Bioprodukt mehr als einen Euro zu zahlen“, sagt Zamut. Wird der Preisabstand zu groß, bleibt die Bioware in den Regalen liegen. „Die Preise für Bioprodukte lassen sich trotz der höheren Produktionskosten im Biolandbau nicht einfach von den Preisen für konventionell erzeugte Lebensmittel entkoppeln.“

Der Druck wird daher weiter wachsen. „Die Anzeichen für eine härtere Gangart im Biobereich mehren sich“, heißt es bei den Biobauern. Man verweist darauf, dass es etwa bei Lidl in Ostösterreich im Jänner 20 Prozent Preisnachlass auf Biomilchprodukte gegeben habe und andere Handelsketten die Preise für Biotrinkmilch zurückgenommen oder „stabil niedrig“ gehalten hätten. Dass manche Ketten mit „kreativen Rabatten“, wie das die Biobauern nennen, die Biokunden zu halten versuchten, mache die Sache nicht entspannter.

Die Biobauern versuchen nach Kräften, mit diesen Entwicklungen zurechtzukommen. In manchen Produktgruppen gelingt das besser, in manchen schlechter. Die größten Sorgen macht Biofleisch. „Ein Ausreißer nach unten“, sagt Zamut.

Insgesamt zeigt er sich mit der Entwicklung der vergangenen Monate allerdings zufrieden. Zumindest der Absatz zieht wieder an. „Nach einer Durststrecke in der ersten Hälfte des Vorjahres ist Bio seit einigen Monaten wieder im Aufwind.“ Bei Milch sei die Nachfrage zwar immer noch verhalten, aber „es schaut im Grunde gut aus“ und bei Eiern gebe es „definitiv zu wenig“.

In den Griff bekommen hat man die Überschüsse auf dem Markt für Biogetreide. Dabei sorgte die Art, wie das gelang, da und dort für Aufregung und Verwunderung. Das im Rahmen einer Solidaritätsaktion zu besonders günstigen Bedingungen in Ostösterreich aufgekaufte Biogetreide wurde den Bauern im Westen Österreichs mit Aufschlägen von bis zu 200 Prozent als Futtergetreide verkauft.

Angesichts des wachsenden Drucks auf dem heimischen Markt wollen die Biobauern das Exportgeschäft ankurbeln. Dabei sollen neben Milch in Zukunft auch Milchprodukte und Fleisch eine größere Rolle spielen. Einfach wird das nicht sein. In Deutschland, derzeit für die Biobauern der mit Abstand wichtigste Exportmarkt, spürt man, dass dort immer mehr Bauern auf Biolandbau umsteigen. „Da wäre schon gut, wenn man das halten kann, was man hat“, sagt Zamut.

Hoffnungen setzt der Marktexperte von Bio Austria auf neue Initiativen. „Die Pinzgauer und die Ennstaler Molkerei arbeiten zusammen an Projekten für den norddeutschen Markt.“ Solche Kooperationen seien zu begrüßen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. Februar 2010

Dienstag, 9. Februar 2010

Kühe künftig nach „Businessplan“ melken




Landwirtschaftminister Berlakovich will Bauern zu Profis machen – Fischler fordert „klare Bedingungen“

HANS GMEINER
Wien (SN). In der heimischen Landwirtschaft kommt nun die Diskussion über die Zukunft auf Touren. Auf den Höfen will man wissen, wie es weitergehen wird. In drei Jahren steht die nächste Reform der EU-Agrarpolitik an, die Preise sind immer noch unbefriedigend, die Einkommenssituation nach dem 20-prozentigen Minus im Vorjahr alles andere als zufriedenstellend. „Man braucht zuerst klare Bedingungen, Aufga-
benstellungen und Ziele und dann einen Weg, wie man dahin kommt“, erklärte am Montag der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler als Vorsitzender der traditionellen Agrar-Wintertagung des Ökosozialen Forums in Wien.
An den Wegen fehlt es derzeit freilich in Österreich noch. Während Deutschland bereits ein konkretes Positionspapier zu den Verhandlungen zur EU-Agrarreform diskutiert und dies dort mit verschiedenen Interessengruppen abgestimmt wird, geht man es in Österreich langsamer an. Ein Positionspapier zur Zukunft der heimischen Bauern in der EU gibt es einstweilen nicht, seit Montag gibt es allerdings ein Konzept „Unternehmen Landwirtschaft 2020“.

Die Eckpfeiler des Programms, das Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich bei der Wintertagung als Professionalisierungsoffensive für die heimischen Bauern vorstellte, klingen bekannt: „Wettbewerbsfähigkeit“, „Gesunde und sichere Lebensmittel“ und „Umwelt- und Klimaschutz, erneuerbare Energie“.

Über neue Bildungs- und Beratungsangebote und neue Ausbildungsfelder sollen die Landwirte für die Zukunft qualifiziert werden. Damit das Programm wirklich wirksam wird, will man möglichst alle Bauern zu einer breit angelegten Betriebsanalyse und zur Erstellung eines Business plans für ihre Höfe anhalten. „Damit sollen die landwirtschaftlichen Betriebe in die Lage versetzt werden, sich in Zukunft behaupten zu können“, sagte der Landwirtschaftsminister. Es gebe noch Kostenpotenziale zu heben.

Noch sind die Pläne freilich sehr vage. Zu konkreten Inhalten wollte der Landwirtschaftsminister am Montag noch nichts sagen. Offen blieb auch, wie das Programm in das ohnehin sehr umfangreiche Bildungsangebot für die Bauern eingefügt wird. Und keine konkreten Angaben gibt es auch noch darüber, ob die Teilnahme für die Bauern freiwillig sein wird, oder ob damit etwa der Zugang zu Förderungsmitteln verbunden sein wird.

„Die Details werden in den nächsten Monaten von Ministerium, Kammern und Ländern ausgearbeitet, im Herbst sollen dann entsprechende Ausbildungsmodule angeboten werden“, sagte Berlakovich.

Bei der Umsetzung des Programms will der Landwirtschaftsminister mit den derzeit für Bildung und Ausbildung zur Verfügung stehenden Mitteln auskommen. „Die Kammern müssen sich dieser Aufgabe stellen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 9. Februar 2010

Freitag, 5. Februar 2010

Der Vernunft eine Chance




Dass nun auch der Handel selbst unter den Preisschlachten leidet, ist die Chance, der Vernunft eine Chance zu geben.

HANS GMEINER

Die Preisschlacht bei Lebensmitteln hat eine Dimension erreicht, die auch dem Handel selbst an die Substanz geht. Die Branche schüttelt über sich selbst den Kopf. „Eigentlich kann man sich das nicht leisten“, räumt man hinter vorgehaltener Hand ein.
Das könnte der Anlass sein, den Preiswahnsinn zu stoppen, der alle politischen Zielsetzungen und Versprechen von Nachhaltigkeit, Qualität, Umweltgerechtigkeit, und was immer in diesem Zusammenhang genannt wird, torpediert. Ein Kilogramm Schnitzelfleisch um weniger als drei Euro, ein Kilogramm Extrawurst um weniger als zwei Euro, Butter um weniger als einen Euro – jeder weiß, dass das nicht gehen kann, fehlt da doch nicht mehr viel zu Preisen für Müll.

Es ist hoch an der Zeit, dass sich alle zusammensetzen, damit nicht alles, was Bauern, Lebensmittelwirtschaft und auch Handel in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, den Bach runtergeht. Dass der Handel nun selbst unter Druck geraten ist, bietet die Chance dazu. Sie muss ergriffen werden. Denn daran hängen mehrere 100.000 Arbeitsplätze – nicht nur bei Bauern, sondern auch bei Verarbeitern, Handelskonzernen und Frächtern.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 5.2.2010

Eigenmarken schlagen Diskont




Diskonter verlieren bei Lebensmitteln – Preisschlacht macht Sorgen

HANS GMEINER
Salzburg (SN). Eine Überraschung war es nicht mehr, unerwartet kam es dennoch: Das Wachstum der Diskonter lief sich im Vorjahr fest. Es gab kaum mehr Zuwächse. Im Lebensmittelbereich verloren sie sogar erstmals Marktanteile. Sonja Holzschuh von GfK Austria sagte bei einer Tagung des Handelsmagazins „Regal“ in Salzburg: „Es war eigentlich zu befürchten, dass die Krise Harddiskonter wie Hofer und Lidl noch einmal stärkt.“
Holzschuh präsentierte erste Ergebnisse über die Marktentwicklung für das gesamte Vorjahr. Demnach verlor Hofer im Lebensmittel- und lebensmittelnahen Bereich 0,2 Prozentpunkte und rutschte damit auf einen Marktanteil von 17,4 Prozent. Bei Lidl gab es zwar Marktanteilsgewinne, sie entsprachen aber nicht dem, was der Expansionskurs eigentlich hätte erwarten lassen.

Zu den wahren Diskontern im Lebensmittelbereich sind mittlerweile die großen Handelsketten wie Spar und Billa geworden. Mit ihren Billig-Eigenmarken s-Budget (Spar) und clever (Billa, Rewe) drangen sie tief in das Terrain der Diskonter ein. „Über weite Strecken hat nicht der Diskont, sondern der Lebensmittel-Einzelhandel mit seinen Eigenmarken die Preisführerschaft übernommen“, sagte Holzschuh. Trinkmilch und Butter unter einer Eigenmarke waren im Vorjahr meist billiger als die gleichen Produkte von den Diskontern. Bei Molkereiprodukten verlor der Diskont laut Gfk in nahezu allen Segmenten.

In dieser Entwicklung sieht man in der Branche auch die Gründe für die aktuelle Preisschlacht im Handel. Und die schillert in allen Facetten. Lidl will weiter mit Billigstpreisen Marktanteile erobern, Hofer senkte seine Preise auf das Niveau der Handelseigenmarken, um verlorenes Terrain zurückzugewinnen, und die Handelsriesen stellen dem Vernehmen nach manchen heimischen Lieferanten die Rute ins Fenster, wenn sie auch nur daran dächten, Lidl zu beliefern.

Den heimischen Bauern und Lebensmittelerzeugern ist angesichts dieser Konstellation schwummrig geworden. Große Töne gegenüber dem Handel spuckt man aber offenbar nur dann, wenn man unter sich ist. Sind hingegen Vertreter des Handels dabei, wie bei der „Regal“-Veranstaltung in Salzburg, gibt man sich zahm. „Was soll ich denn groß aufdrehen“, sagte ein Molkereivertreter. Und auch Bauernpräsident Gerhard Wlodkowski wollte es sich nicht mit dem Handel verscherzen. „Ich bedanke mich beim Lebensmittelhandel, dass wir im Großen und Ganzen eine vernünftige Kooperation haben“, sagte er.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 5.2.2010

Montag, 1. Februar 2010

Einfach zum Nachdenken





Da sind sie wieder. 60, 70, 80, ja sogar 100 Seiten dick. Alles sehr Hochglanz, alles sehr schick, alles ganz augenscheinlich sehr teuer. Grafiken, Fotos, Tabellen. In diesen Wochen fluten die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln mit ihren Prospekten und Informationsbroschüren wieder die Bauernstuben. Wie jedes Jahr. Entkommen zwecklos. Heute ein Folder, morgen ein dickes Heft, übermorgen ein ganzes Buch.

Während die Landwirtschaft und alle rundherum nach Luft japsen, scheint Geld bei den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln, deren Verdienste um die Landwirtschaft hier nicht in Frage gestellt seien, keine Rolle zu spielen. Dort gilt ganz offenbar noch der alte Satz, der in so vielen anderen landwirtschaftsnahen Branchen nicht mehr gilt: In der Landwirtschaft ist nichts zu verdienen, aber an der Landwirtschaft. Hemmungslos wird da geworben. Immer mit einem augenzwinkernden "Wir sind ja unter uns". "Maxximal gegen Unkräuter" heißt es da unverblümt und mit zwei X , "Böse zu Unkraut, sanft zu Mais" oder gleich ganz direkt "Mehr Sex durch Exosex". Ein Hersteller setzt auf eine schmachtende Schönheit, über deren bloßen Rücken ein verspielter Grafiker ein Bund Weizenähren drapiert hat. Ein anderer zeigt einen Muskelmann, der sich ein Herz samt Logo eines Gräsermittels auf den Oberarm tätowiert hat. Dazu Panter, Tiger, Luchse und Schafe sonder Zahl. Martialisch nachgerade die Namen mancher Mittel. Zorro, Herkules, Jaguar, Successor und alles, was sonst noch Heldenepen von der Leinwand und die alte Geschichte hergeben. Das neue Goltix kommt sogar in Gold daher.

Zuweilen scheint da jedes Maß verloren. Und erst recht jede Sensibilität. Dabei wäre die höchst angebracht. Man wäre sie den Bauern schuldig. Denn wann und wo immer sie sich wegen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen müssen, ist von den Herstellern nichts zu sehen und schon gar nichts zu hören. Aber das Vertrauen der Bauern ist ohnehin längst enden wollend, müssen sie doch immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass einem Mittel nach dem anderen, von denen ihnen seit Jahr und Tag gesagt wird, sie seien ohnehin ungefährlich, die Zulassung entzogen wird. Gar nicht zu reden von der zuweilen sehr undurchsichtigen Produkt- und Preispolitik. Und wes Geistes Kind die Hersteller sind, zeigt sich auf der Homepage ihres Verbandes. Dort wird der Biolandbau lustvoll gemobbt. Die Geschäftsentwicklung der vergangenen Jahre freilich gibt der Strategie von Bayer, BASF, Nufarm, Stähler, Syngenta, Kwizda und wie sie alle heißen, dennoch recht. In keiner anderen Branche, die mit der Landwirtschaft zu tun hat, lief das Geschäft auch nur ähnlich gut. Laut Grünem Bericht legte der Umsatz, der in Österreich mit Pflanzenschutzmitteln gemacht wird, allein in den Jahren zwischen 2004 und 2008 um nicht weniger als rund 50 Prozent auf 107 Millionen Euro zu. Insgesamt 9800 Tonnen Pflanzenschutzmittel wurden 2008 abgesetzt. Vier Jahre zuvor waren es noch 8500 Tonnen, um gut 15 Prozent weniger. Der Beobachter staunt und denkt sich: Und das alles in Österreich, dem Land, das sich so gerne seiner umweltfreundlichen Landwirtschaft rühmt und in dem 90 Prozent der Bauern in irgendeiner Form an Umweltprogrammen teilnehmen. Wenn vielleicht nicht alle so denken mögen, so sollten die, die so stolz auf den österreichischen Weg der Landwirtschaft sind, immerhin darüber nachdenken.

Blick ins Land 2/2010 - 1. Februar 2010
 
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