Montag, 1. Februar 2010

Einfach zum Nachdenken





Da sind sie wieder. 60, 70, 80, ja sogar 100 Seiten dick. Alles sehr Hochglanz, alles sehr schick, alles ganz augenscheinlich sehr teuer. Grafiken, Fotos, Tabellen. In diesen Wochen fluten die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln mit ihren Prospekten und Informationsbroschüren wieder die Bauernstuben. Wie jedes Jahr. Entkommen zwecklos. Heute ein Folder, morgen ein dickes Heft, übermorgen ein ganzes Buch.

Während die Landwirtschaft und alle rundherum nach Luft japsen, scheint Geld bei den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln, deren Verdienste um die Landwirtschaft hier nicht in Frage gestellt seien, keine Rolle zu spielen. Dort gilt ganz offenbar noch der alte Satz, der in so vielen anderen landwirtschaftsnahen Branchen nicht mehr gilt: In der Landwirtschaft ist nichts zu verdienen, aber an der Landwirtschaft. Hemmungslos wird da geworben. Immer mit einem augenzwinkernden "Wir sind ja unter uns". "Maxximal gegen Unkräuter" heißt es da unverblümt und mit zwei X , "Böse zu Unkraut, sanft zu Mais" oder gleich ganz direkt "Mehr Sex durch Exosex". Ein Hersteller setzt auf eine schmachtende Schönheit, über deren bloßen Rücken ein verspielter Grafiker ein Bund Weizenähren drapiert hat. Ein anderer zeigt einen Muskelmann, der sich ein Herz samt Logo eines Gräsermittels auf den Oberarm tätowiert hat. Dazu Panter, Tiger, Luchse und Schafe sonder Zahl. Martialisch nachgerade die Namen mancher Mittel. Zorro, Herkules, Jaguar, Successor und alles, was sonst noch Heldenepen von der Leinwand und die alte Geschichte hergeben. Das neue Goltix kommt sogar in Gold daher.

Zuweilen scheint da jedes Maß verloren. Und erst recht jede Sensibilität. Dabei wäre die höchst angebracht. Man wäre sie den Bauern schuldig. Denn wann und wo immer sie sich wegen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen müssen, ist von den Herstellern nichts zu sehen und schon gar nichts zu hören. Aber das Vertrauen der Bauern ist ohnehin längst enden wollend, müssen sie doch immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass einem Mittel nach dem anderen, von denen ihnen seit Jahr und Tag gesagt wird, sie seien ohnehin ungefährlich, die Zulassung entzogen wird. Gar nicht zu reden von der zuweilen sehr undurchsichtigen Produkt- und Preispolitik. Und wes Geistes Kind die Hersteller sind, zeigt sich auf der Homepage ihres Verbandes. Dort wird der Biolandbau lustvoll gemobbt. Die Geschäftsentwicklung der vergangenen Jahre freilich gibt der Strategie von Bayer, BASF, Nufarm, Stähler, Syngenta, Kwizda und wie sie alle heißen, dennoch recht. In keiner anderen Branche, die mit der Landwirtschaft zu tun hat, lief das Geschäft auch nur ähnlich gut. Laut Grünem Bericht legte der Umsatz, der in Österreich mit Pflanzenschutzmitteln gemacht wird, allein in den Jahren zwischen 2004 und 2008 um nicht weniger als rund 50 Prozent auf 107 Millionen Euro zu. Insgesamt 9800 Tonnen Pflanzenschutzmittel wurden 2008 abgesetzt. Vier Jahre zuvor waren es noch 8500 Tonnen, um gut 15 Prozent weniger. Der Beobachter staunt und denkt sich: Und das alles in Österreich, dem Land, das sich so gerne seiner umweltfreundlichen Landwirtschaft rühmt und in dem 90 Prozent der Bauern in irgendeiner Form an Umweltprogrammen teilnehmen. Wenn vielleicht nicht alle so denken mögen, so sollten die, die so stolz auf den österreichischen Weg der Landwirtschaft sind, immerhin darüber nachdenken.

Blick ins Land 2/2010 - 1. Februar 2010

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