Donnerstag, 24. Oktober 2024

Das Ringen mit dem Wahlergebnis

 

Es war einer der entlarvendsten Tweets, die nach den Nationalratswahlen geschrieben wurden. "Stadt/Land -Gummistiefel vs. Herz und Hirn." Hier die Leute mit Verstand, Verantwortung, Umsicht und Weitblick, dort die Einfachen, Grobschlächtigen, Verblendeten, Engstirnigen, die zu schlicht gestrickt sind, um auch nur irgendetwas zu begreifen, war damit wohl gemeint. Hier die weltläufige Stadt und ihre Bewohner, da die Leute vom Land, die hinten geblieben sind. Gegenüber was auch immer. Mehr an Verachtung geht kaum und weniger Respekt auch nicht. Eindrücklicher könnte nicht beschrieben werden, warum das Land in der Lage ist, in der es ist.

Der Tweet zeigt aber auch, wie schwer sich viele tun mit einem in demokratischen Wahlen zustande gekommenen Ergebnis umzugehen. Links der Mitte will man nicht zur Kenntnis nehmen, dass einer wie Kickl als klarer Wahlsieger hervorgegangen ist, der ihrer Ansicht nach gar nicht hätte gewinnen dürfen und den sie auch nach den Wahlen immer noch mit aller Macht zu verhindern versuchen. Man protestiert nach Kräften, geht auf die Straßen und versucht mit Petitionen und Resolutionen, das Wahlergebnis am besten ungeschehen zu machen. Ganz so, als hätte es die Wahlen nicht gegeben.

Auf der anderen Seite, das soll nicht unerwähnt bleiben, tun sich freilich auch die, die Kickl zum großen Sieger gemacht haben, und auch Kickl selbst schwer damit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sie eben nur 30 Prozent der Stimmen erreicht haben und dass das weit entfernt ist von einer absoluten Mehrheit, die es ermöglichen würde, wirklich anzuschaffen in diesem Land.

Auch wenn man davon kaum reden mag -es gehen Gräben durch das Land. "Die Stadt-Land-Kluft im Wahlverhalten, die es immer schon gab, wächst", schrieb eine Tageszeitung in einer Wahlanalyse. Das Verständnis der Gesellschaftsgruppen untereinander schwindet, Versuche, Brücken zu bauen, gelten nicht mehr viel, auch nicht miteinander zu reden oder gar aufeinander zuzugehen. Stattdessen Abgrenzung allerorten, Unverständnis, Kopfschütteln, Häme auch und oft sogar Wut. Auf allen Seiten der Gräben, die sich durch das Land ziehen.

Genau auch deswegen ist es zu dem Wahlergebnis gekommen, mit dem so viele im Land nicht zurechtkommen können. Man nimmt in den urbanen Räumen nicht zur Kenntnis, dass die Anforderungen draußen am Land oft ganz andere sind. Dass man sich dort zunehmend abgehängt fühlt, alleine gelassen, wenn der Greissler zusperrt, das Dorfwirtshaus, die Post, der Doktor und die Bank, oder wenn Betreuungsplätze für Kinder oft nur schwer zu finden sind. Man kann zuweilen wenig anfangen mit der immer lauter werdenden Kritik am Auto, wenn man kilometerweit bis zu nächsten Bus-oder Bahnhaltestelle fahren muss. Oft bleibt nichts als Staunen darüber, was da in der Stadt und in der Politik geredet und diskutiert wird, weil es mit der eigenen Lebenswelt so wenig zu tun hat.

Herbert Kickl hat es geschafft, diese Unzufriedenheit in Stimmen umzuwandeln. Die anderen, vornehmlich die links der Mitte, haben es nie geschafft, die Leute in dem Maß für sich und ihre Anliegen zu gewinnen. Ihre Ideen und Warnungen sind nicht angekommen. Im Gegenteil. Sie stärkten die andere Seite. Seit Jahrzehnten.

Aber es ist nicht alleine das. Betrachtet man die ländlichen Regionen, so ist es dort vor allem im konservativ-rechten Spektrum zu Wählerverschiebungen gekommen. Also zwischen der FPÖ und der ÖVP, die bis auf wenige Ausnahmen über Jahrzehnte gemeinsam die Mehrheit im Land halten. Und das sowohl auf der Ebene des Bundes und auch in vielen Ländern und Gemeinden. Es ist vor allem die ÖVP, die jene Stimmen verloren hat, die Kickl so stark gemacht haben. Jene ÖVP, die sich nicht stolz genug brüsten kann mit ihren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im ganzen Land und mit ihren Landeshauptleuten, und die sich so gerne selbst auf die Schultern klopft. Obwohl man überall die Schalthebel in der Hand hat, hat man es nicht geschafft, die Probleme, die die Leute drücken und mit denen sie sich herumschlagen müssen, aufzufangen.

Nun muss man sich vorhalten lassen, dass man, bei Licht betrachtet, eigentlich verantwortlich ist dafür, dass viele Leute am Land ihre Lage so empfinden, wie sie sie empfinden, und dass sie just deswegen diesmal bei der FPÖ ihr Kreuzerl gemacht haben.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24. Oktober 2024

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Jetzt ist Feuer am Dach

Eine florierende Wirtschaft und ein solides Budget sind tragende Säulen für das Funktionieren der Gesellschaft. Sie entscheiden darüber, was sich diese Gesellschaft leisten kann und was nicht, was sie planen kann und was nicht und ob man es selbst in der Hand hat, sich zu helfen, wenn etwas aus dem Lot gerät -oder eben nicht. Im Sozialbereich genauso wie bei der Infrastruktur, in der Landwirtschaft, in der Bildung oder in der Wirtschaft.

Diese Zusammenhänge hat man in den vergangenen Jahren aus den Augen verloren, vorsätzlich verleugnet, zuweilen im populistischen Ringen um die Stimmen der Wähler. Die gesellschaftliche Diskussion ist, überfordert freilich auch von Themen wie Migration und Pandemie, aus dem Ruder gelaufen und hat auf diese Grundlagen vergessen.

Nach den Wahlen erleben wir jetzt ein Rendezvous mit der Wirklichkeit. Jetzt ist Feuer am Dach. "Österreichs Wirtschaftslage ist noch schlechter als angenommen", heißt es jetzt selbst in der internationalen Presse. Und der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes wollte da auch nichts beschönigen. "Wir haben die längste Rezession, wenn auch nicht die tiefste seit 1946", sagt er im Radio. Und seine Kollegin von Eco Austria meint, dass das noch nicht alles sei: "Die Aussichten verdüstern sich", schrieb sie in einem Kommentar für eine Tageszeitung.

Die beiden heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute sagen für heuer einhellig ein schrumpfendes BIP voraus und für das kommende Jahr auch nicht mehr als allenfalls ein Plus von 0,8 Prozent. Dazu wurde nur wenige Tage nach den Wahlen ruchbar, dass das Budget ziemlich aus dem Ruder gelaufen ist und der Konsolidierungsbedarf in den nächsten Jahren deutlich über den zwölf Milliarden Euro liegen wird, die man bisher immer angenommen hatte.

Seither ist die Aufregung groß. Endlich möchte man sagen. Endlich widmet man sich dem Thema, an dem unser aller Zukunft und Wohlstand hängt. In den vergangenen Jahren hat man sich um die Wirtschaft und auch um das Budget ja kaum gekümmert und zumeist so getan, als sei, wenn schon nicht alles in Ordnung, so doch alles möglich. Ohne irgendwelche Folgen. So wie man sich wohl das Schlaraffenland vorstellt. Vom unseligen "Koste es, was es wolle"-Sager von Kurz, über die 32-Stunden-Wochenarbeitszeit-Forderung von SP-Chef-Babler bis hin zum noch regierenden Kanzler, der noch vor Monaten steif und fest behauptete, dass es "keine Notwendigkeit für ein Sparpaket" gebe, wurde die Realität einfach ausgeblendet. Warnungen wurden in den Wind geschlagen, Forderungen überhört, Anliegen ignoriert. Die Wirtschaft wurde über weite Strecken sich selbst überlassen, mit immer neuen Auflagen und immer noch mehr Bürokratie eingedeckt, was die Kosten über Gebühr erhöhte und die Konkurrenzfähigkeit schwächte. Statt Lösungen zu suchen und neue Wege, hat man Probleme allenfalls mit Geld zugeschüttet und so zumeist Strukturen eher einzementiert, denn sie zukunftsfähig zu machen. Und beim Staathaushalt ist es kaum anders. In die Strukturen griff man auch da nie ein. Am eindrücklichsten ist das beim Pensionssystem zu sehen. Der Aufwand alleine dafür explodierte in den vergangenen vier Jahren von 20 Mrd. auf 30 Mrd. Euro.

Nun gibt es allerlei Vorschläge und Anregungen. Der Bogen reicht vom Streichen des Klimabonus, über höhere Steuern beim Sprit, die Besteuerung von Erbschaften bis hin zu einem Durchforsten des Fördersystems.

Was wirklich kommen wird, steht einstweilen in den Sternen. Dass wir gerade gewählt haben und auf eine neue Regierung möglicherweise noch Monate warten müssen, macht die Sache nicht einfacher. Und das nicht alleine dessentwegen, sondern auch deshalb, weil längst alle Interessengruppen dabei sind, sich mit ihren Forderungen und Wünschen in Stellung zu bringen - darunter selbstredend auch viele von denen, die sonst gerne und lautstark den Förderwahnsinn im Land anprangern. Nichts zu hören ist freilich davon, dass irgendjemand bereit sei, auf irgendetwas zu verzichten. Ganz im Gegenteil. Alle wollen noch mehr. Selbst jetzt, wo alles an die Wand gefahren scheint.

Der Schaden ist nicht unbeträchtlich. Damit zurechtzukommen braucht, wie vieles in diesem Land, einen neuen Zugang, ein neues Denken. Und das freilich nicht nur in der Politik, sondern auch und vor allem bei denen, für die sie da ist - bei den Angestellten und Arbeitern, bei den Pensionisten, bei den Bauern, bei der Wirtschaft. Kurzum bei allen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. Oktober 2024

Donnerstag, 10. Oktober 2024

Das große grüne Wählerrätsel

Nur mehr 402.000 Stimmen, mehr als ein Drittel weniger als noch vor fünf Jahren. Ein Stimmenanteil von nur mehr 8,2 Prozent statt 13,9 Prozent und nur mehr 16 statt bisher 26 Mandate im neuen Nationalrat. Und mit ziemlicher Sicherheit -in der derzeitigen Situation weiß man ja nie -auch nicht mehr in der Regierung. Das Wahlergebnis der Grünen ist wohl das, was man gemeinhin als desaströs versteht. Nachzuvollziehen ist es allenfalls für VP-Wähler oder FP-Anhänger und all die anderen, die mit den Grünen grundsätzliche Probleme haben. Sonst aber bleibt nur Verwunderung und Staunen, haben die Grünen doch in den vergangenen Jahren als Juniorpartner der großen und traditionell sehr machtbewussten Volkspartei weit mehr erreicht, als man ihnen zugetraut hat.

Vom Besten zweier Welten, das die beiden Parteien zu Beginn der Regierungsperiode versprochen haben, haben die Grünen deutlich mehr geholt als die Schwarzen. Die CO2-Bepreisung, der Klimabonus, die Förderung der thermischen Sanierung, das Einwegpfandsystem, der Ausbau der E-Mobilität, das Klimaticket oder die Einführung des Inflationsausgleichs für Sozial-und Familienleistungen und noch einiges mehr waren doch weit mehr, als man erwarten konnte. Möchte man meinen. Und dennoch haben sich so viele Wähler von den Grünen abgewendet und damit die Grünen um die Möglichkeiten gebracht, in ihrem Sinn etwas zu verändern, zu gestalten, voranzutreiben. Und, folgt man ihren Denkmustern, der eigenen Sache, dem Schutz der Umwelt und des Klimas, damit am meisten geschadet und die Bemühungen darum weit zurückgeworfen.

Das Verhalten der Wählerinnen und Wähler gibt Rätsel auf, sind doch die Alternativen beschränkt. Wo sehen sich die, die diesmal nicht mehr Grün wählten, jetzt vertreten? Warum haben sie die Partei dann gleich derart abgestraft und wieder in die Bedeutungslosigkeit geschickt? Dorthin, wo sie allenfalls protestieren, aber nicht wirklich etwas erreichen können? Und ist all denen, die die Grünen diesmal im Stich gelassen haben, überhaupt klar, dass sie nun damit der von ihnen so gerne und oft nachgerade inbrünstig angefeindeten FP oder VP das Feld überlassen mit ihrem Stimmverhalten? Stimmen gar wirklich die Erklärungsversuche, die von strategischer Stimmabgabe für die SPÖ reden, um Kickl zu verhindern, oder steht der Klimaschutz in der Krise tatsächlich nicht mehr so hoch im Kurs?

Das alles passt nicht zusammen. Aber es passt zu dem, wie man Grüne oft kennt. Sie umgeben sich gerne mit der Aura, alles zu wissen, haben aber die Verantwortung und Konsequenz in der Umsetzung gerne gescheut und sind Antworten schuldig geblieben. Und das passt dazu, dass sie für ihre Forderungen immer schon eher Kollateralschäden in Kauf nehmen, als Kompromisse zu suchen, und damit oft ihrer Sache mehr schaden, als ihr zu nutzen. Und mit der Demokratie und der Mündigkeit der Bürger, die man sonst so gerne beschwört, hat man es auch nicht großartig, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Interessen geht. Die Diskussion um die Renaturierungsverordnung und der Alleingang der Umweltministerin sind ein beredtes Beispiel dafür. Lösungen, zumal solche, die gesellschaftlich und politisch verträglich sind und dennoch die Sache voranbringen, waren viel zu selten das ihre. Wir erlebten es in Österreich und wir erleben es in Deutschland.

Das Wahlergebnis bestätigte wohl, dass Dankbarkeit in der Politik keine Kategorie ist. Und das ist gut so. Denn Politik, die auf Dankbarkeit aufbaut und die Dankbarkeit erwartet, kann keine gute Politik sein. Zu groß ist die Gefahr, dass sie sehr leicht eine falsche Richtung nimmt und sich tatsächlich nötige Maßnahmen nicht zu treffen traut und Ziele aus den Augen verliert.

Ganz abgesehen davon ist in der Wählerschaft und damit in der Gesellschaft Dankbarkeit generell keine Kategorie mehr. Heute fordert man und stellt Ansprüche, aber man weiß nicht mehr zu schätzen, unter welchen Umständen irgendetwas zustandegekommen oder zustandegebracht wurde. Vielleicht gäbe es dann viel mehr Dank, wenn man keine Dankbarkeit erwartet.

Die Grünen jedenfalls können jetzt wieder von der Galerie aus ungestraft alles besser wissen. Die ehemaligen Wähler müssen sich freilich fragen, warum sie nicht erkennen wollten, dass es anders doch besser wäre -wenn ihnen denn ihre Anliegen wirklich so wichtig wären, wie sie immer sagen und von den anderen fordern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. Oktober 2024

Freitag, 4. Oktober 2024

Lebensmittelexporte geraten im Wettbewerb unter Druck

Im Agrar-Außenhandel lief es auch schon einmal besser. Hohe Kosten und Billigkonkurrenz machen Österreichs Erzeugern Sorgen.

Hans Gmeiner

Wien. Der Außenhandel mit Agrarprodukten, über Jahre eine der großen Erfolgsgeschichten der heimischen Wirtschaft, ist in der ersten Hälfte dieses Jahres unter Druck geraten. Milch, Butter, Käse, Fleisch, Wurst, Getränke, Backwaren und all die vielen anderen Produkte der heimischen Land- und Lebensmittelwirtschaft schmecken zwar rund um den Globus mehr denn je, zahlen will man aber nur mehr deutlich weniger dafür. Trotz der mengenmäßigen Zuwächse im ersten Halbjahr (plus 7,2 Prozent) blieben die Erlöse mit einem Minus von 2,3 Prozent (auf 8,29 Mrd. Euro) deutlich unter den Vorjahreswerten. Ganz anders ist das bei den Importen. Die legten mengenmäßig mit plus 13,2 Prozent nicht nur doppelt so stark zu wie die Exporte. Sie lagen auch wertmäßig mit plus 6,1 Prozent (auf 9,1 Mrd. Euro) deutlich im Plus.

„Die Außenhandelsbilanz hat sich verschlechtert“, sagte Donnerstag Christina Mutenthaler-Sipek, Chefin der AMA-Marketing, bei der Präsentation der Halbjahresergebnisse trocken. Und Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie, zeigte sich erleichtert, dass zumindest der deutsche Markt, der mit einem Anteil von 37 Prozent an den Gesamtexporten mit Abstand wichtigste Exportmarkt für die heimische Land- und Lebensmittelwirtschaft, trotz der wachsenden wirtschaftlichen Probleme im Land weiter funktioniert.

Im ersten Halbjahr gab es bei den Ausfuhren nach Deutschland mengenmäßig ein Plus von 9,9 Prozent. Der Exportwert legte deutlich weniger, aber immerhin doch um 1,4 Prozent zu. Im größten Segment, bei Fleisch und Fleischzubereitungen, gab es sogar ein Mengenplus von 20 Prozent und ein Erlösplus von fast 17 Prozent (auf 268 Mill. Euro). Auch bei Obst und Gemüse gab es kräftige Zuwächse. Bei Käse hingegen gab es nur mengenmäßig ein Plus, wertmäßig aber einen Rückgang um 2,7 Prozent auf 250 Mill. Euro. Für Mutenthaler-Sipek bleibt Käse dennoch ein Exportschlager. Auf diesem Weg gehe jeder vierte in Österreich erzeugte Liter Milch nach Deutschland. „Auf Deutschland war Verlass, unsere Nachbarn blieben unseren Lebensmitteln und Getränken treu“, zeigte sich Koßdorff zufrieden.

Das freilich kann man von den USA nicht behaupten. Den dortigen Einbruch der Exporte um 49,9 Prozent auf 150 Mill. Euro im ersten Halbjahr erklärte Koßdorff zurückhaltend damit, dass die Exporte in die USA stark an der „Kategorie Getränke hängen“. Dahinter steckt, dass Red Bull nicht mehr von Österreich in die Vereinigten Staaten geliefert wird, sondern vom neuen Werk aus, das Rauch und Red Bull in North Carolina errichtet haben. Schon 2023 gab es einen Rückgang von 43,1 Prozent gegenüber 2022 von 745 auf 424 Mill. Euro.

Auch wenn sich die Entwicklung der Außenhandelsbilanz bei Agrar-und Lebensmitteln mit dem Trend zu günstigen Produkten oder Sondereffekten wie der Verlagerung einer Getränkeproduktion erklären lässt, ist vor allem bei der Lebensmittelindustrie Feuer am Dach. Die Branche mit 200 Unternehmen und mehr als 27.000 Beschäftigen macht im Export zehn der insgesamt zwölf Mrd. Euro Umsatz. „Die heimische Industrie steckt im dritten Jahr in einer Rezession, die Gesamtexporte gehen zurück, das bleibt nicht ohne Folgen auch für die Lebensmittelindustrie“, sagt Koßdorff. „Nun sind auch wir in eine Stagnation gerutscht.“ Der Absatz ging heuer in den ersten sechs Monaten um 0,6 Prozent zurück, auch die Exporte haben sich eingebremst und stagnieren wertmäßig bei einer schwarzen Null, während die Importe gestiegen sind. Ohne das gute Deutschland-Geschäft hätte es laut Koßdorff ein Minus von 2,2 Prozent gegeben.

Für Koßdorff zeigt die Entwicklung „ganz deutlich“, dass die heimischen Lebensmittelhersteller „an preislicher Wettbewerbsfähigkeit verlieren“. Die Produktionskosten seien in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und hätten den Industriestandort geschwächt. In einem neun Punkte umfassenden Forderungskatalog an die neue Bundesregierung stehen für die Branche daher „leistbare Arbeits- und Energiekosten“, „faire Wettbewerbsbedingungen entlang der Lebensmittelkette“ und „freie Fahrt für Exporte“ neben einem „Stopp der Überregulierung“ an vorderster Stelle.

Die Hoffnung hat man in der Branche dennoch nicht ganz verloren. Für das Gesamtjahr zeigt sich Koßdorff zuversichtlich. „Wir sind noch optimistisch, dass wir das Jahr positiv abschließen können.“ Schließlich zeigen die bisherigen Ergebnisse nur die Entwicklung bis zur Jahresmitte. Danach sei der warme Sommer samt guter Buchungslage im Tourismus gekommen. „Wir hoffen, dass das noch eine positive Auswirkung hat“, sagt Koßdorff.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 4. Oktober 2024

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Das blaue Wunder, das keines ist

Jetzt ist es vorbei. Die Wahl und alles, was dazugehörte. Österreich ist blau. Und es ist nicht nur ein blaues Auge, das sich das Land da am vergangenen Sonntag zugezogen hat. Und es ist auch kein blaues Wunder, das wir da erlebten. Ganz im Gegenteil -es war ein blauer Erfolg mit Anlauf, dem man über Jahre zuschaute und der seit langem absehbar war. Die Politik, die Politiker, die Parteien haben allesamt versagt dabei, das zu stoppen, was sie jetzt so wortreich beklagen und zur Kenntnis nehmen müssen. Und mit dem sie und mit dem Österreich leben muss.

Man hat nie ein Rezept gegen den kleinen Mann aus Kärnten an den Steuerhebeln der FPÖ gefunden. Viele haben geglaubt, Häme sei ein taugliches Rezept gegen ihn, Abfälligkeit und Geringschätzung. Ins Lächerliche zog man ihn und als Nazi punzierte man ihn mehr oder weniger offen. Was hat man gewitzelt über die Bilder, die ihn seinerzeit als Innenminister auf einem Pferd zeigten. Was geiferte man über seine zuweilen brachialen Wortmeldungen. Was ereiferte man sich gegen seine Auftritte mit Orban und gegen seine Meinung zum Ukraine-Krieg und sein Verständnis für Putin. Und gar nicht zu reden von seiner Haltung zu EU und erst recht zur Migration. Alles völlig zu Recht und verständlich -aber eben ohne die Wirkung, die es gebraucht hätte.

Kurz vor den Wahlen kam auch noch das Bild von der Brandmauer in die öffentliche Diskussion, die gegen Kickl aufzubauen sei. Als wollte man auf den Punkt bringen, was man in den vergangenen Jahren versäumt und was man schlecht gemacht hatte. Wegschauen, abmauern. Was dahinter passiert, geht uns nichts an. In Deutschland ist man damit längst krachend gescheitert, aber hierzulande ist das einerlei.

Es ist nun hoch an der Zeit für alle, die sich permanent an Kickl reiben, vom hohen Ross herunterzusteigen. Ihre Strategien haben versagt. Die der Linken und die der Intellektuellen. Und auch die jener, die sich der Mitte zuzählen. Im Gegenteil. Mit vielem, von dem man meinte, dem nunmehrigen Wahlsieger Herr zu werden, machte man ihn noch größer. Man muss aufhören, über ihn von oben herab zu urteilen und ihn, sein Gehabe, sein Auftreten, seine Äußerungen zu belächeln. Man muss auch aufhören, ihn zu dämonisieren.

Und nicht nur das. Man muss auch aufhören, von oben herab über die Kickl-Wähler und -Parteigänger den Kopf zu schütteln und die Nase zu rümpfen. Genau das Gegenteil ist nun gefordert. Man muss sich von all den bisherigen Strategien und Methoden verabschieden, auch von den Vorurteilen. Man muss sich Neues überlegen, wie man diese Menschen erreichen, wie man zu ihnen finden könnte. Man muss vieles völlig neu denken und Vorurteile über Bord werfen. Was man bisher machte, das ist wohl nun erwiesen, taugte nichts. Neben all den anderen Aufgaben und ganz gleich in welcher Koalitionsform, die jetzt kommen wird, ist das wohl die vorderste Aufgabe.

Es darf eben nicht darum gehen, gut 30 Prozent der Bevölkerung hinter Brandmauern auszugrenzen und zu verstecken, sondern es muss darum gehen, sie wieder hereinzuholen. Darum, sie ernst zu nehmen, ihnen zuzuhören und mit ihnen zu reden. Und dazu gehört wohl auch, sie aus dem Eck zu holen, in das man sie stellte. Sie sollen sich wieder vertreten fühlen von der Politik, von der sie sich in den vergangenen Jahren offenbar nicht mehr vertreten fühlten. Denn das war die Basis für Kickls Erfolg.

Noch ist nicht alles verloren. Kickl und seine FPÖ haben 29 Prozent der Stimmen erzielt. Das ist viel. Keine Frage. Aber 71 Prozent haben ihn und seine FPÖ nicht gewählt. Und das ist immer noch eine große Mehrheit. Und genau darin liegt die Verantwortung und wohl auch die Chance, all das in den nächsten Jahren wieder umzudrehen, was mit den Wahlen nun so festgemacht wurde, wie man es nie glauben wollte.

Auch wenn es schwierig sein mag, wenn man nicht gerade FPÖ-Wähler ist, die neuen Realitäten zu akzeptieren. Das ist Demokratie. Das ist zu akzeptieren. Aber das Wahlergebnis muss als Auftrag verstanden werden und als Herausforderung, auch alte Pfade zu verlassen.

Die ersten Reaktionen auf das Wahlergebnis und all die Koalitions-Spekulationen in den ersten Tagen nach der Wahl lassen freilich nicht wirklich Gutes ins diese Richtung erwarten. Denn es zeigt sich allerorten genau das, was das Image der Politik so katastrophal werden ließ -und die Wählerinnen und Wähler in Kickls Hände trieb.

 Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Oktober 2024

Donnerstag, 26. September 2024

Unsicherheit liegt über dem Land

Der Wahlkampf, man sagt es in diesen Tagen so, ist in der Zielgeraden. Hektik allerorten, Analysen, mehr oder weniger klug, zuhauf, Fernsehduelle, Elefantenrunden, Spekulationen über künftige Koalitionen. Aber das Ziel dieser Geraden, von der die Rede ist - dieses Ziel wird man wohl verfehlen. So viel scheint jetzt klar. Es wird wohl ein Wahlergebnis geben, das mehr Unsicherheit bringt als die Klarheit, die sich viele Menschen in diesem Land so wünschen und die es auch bräuchte. Wie die Dinge liegen, scheinen wir eher auf instabile Verhältnisse zuzusteuern. Wie immer sich die künftige Regierung zusammensetzen wird, sie wird in jedem Fall mit einer erbitterten Opposition zu tun haben.

Es liegt Unsicherheit über dem Land. Bis wir eine neue Regierung haben, wird es Monate dauern. Wie sie ausschauen wird und ob sie auch von der Bevölkerung akzeptiert wird, ist schwer zu sagen. Niemand weiß, wie das Land wirklich reagiert, wenn Kickl tatsächlich gewinnen sollte oder es gar wieder zu einer schwarzblauen Koalition kommt, zu diesem Rechtsruck, der von manchen als der Schrecken schlechthin an die Wand gemalt wird. Und schon gar niemand weiß, was sein wird, wenn ihm das Regieren verweigert wird. Drohen uns unruhige Zeiten? Chaos gar?

Die Situation, wie wir sie jetzt in dieser Woche vor den Nationalratswahlen vorfinden, ist ein Spiegel der Politik der vergangenen Jahre. Der raue Ton, die oft spürbare gegenseitige Verachtung, der mangelnde Wille zur Zusammenarbeit, die dem Land zunehmend zu schaffen machten. Man flickte sich sehr viel lieber gegenseitig ans Zeug, als dass man die Energie darein setzte, für das Land etwas weiterzubringen. Man setzte die Energien vornehmlich dafür ein, die Mitbewerber zu Versagern zu stilisieren und sie als Gefahr für die Zukunft zu stigmatisieren, denn diese Zukunft anzugehen.

Darin spiegelt sich freilich auch, dass die Erwartungen und Wünsche der Österreicherinnen und Österreicher in den vergangenen Jahren zuweilen nachgerade diametral auseinandergelaufen sind. Selten, und das macht die Wahlen am kommenden Sonntag auch so spannend, sind sie so wenig in eine Richtung gegangen wie diesmal. Das hat auch damit zu tun, dass die Politik das Trennende vor das Gemeinsame stellte. Gräben gehen heute durch die Gesellschaft, um die zuzuschütten sich kaum jemand kümmern mag.

Die Hochwasserkatastrophe in Niederösterreich brachte zuletzt etwas Ruhe in den hitzigen Wahlkampf. Die unfreiwillige Wahlkampfpause tat gut. Sie zeigte auch, wofür es die Politik braucht und dass es sie braucht. Allerorten ergeht man sich freilich seither in Spekulationen über die möglichen Auswirkungen der Katastrophe auf das Wahlergebnis. Aber wackeln mit einem Mal wirklich alle Prognosen, wie es manche meinen? Profitieren wirklich die Regierenden von so einer Situation? Wer hat was richtig gemacht in diesen Tagen und wer etwas falsch?

Man ist geneigt zu meinen, dass der Kanzler davon am meisten profitieren konnte, weil seine Rolle als Verantwortlicher für das Land auf allen Kanälen zu sehen war. Aber auch der Spitzenkandidat der SPÖ gewann in diesen Tagen an Profil. Die Bilder von ihm in Feuerwehruniform wirkten authentisch und dass man nun im ganzen Land weiß, dass er sogar Feuerwehrmitglied ist, gereicht ihm sicherlich nicht zum Schaden. Und sein Einsatz findet immer mehr Anerkennung. Der freiheitliche Spitzenkandidat hingegen wirkte in seinem Statement in seinem Holzfällerhemd in einem schlecht ausgeleuchteten Hinterzimmer mehr beliebig als betroffen. Ganz abgesehen davon, dass die Ereignisse der vergangenen Tage seine Einschätzung zum Klimawandel eindrücklich konterkarierten. Die Grünen hingegen könnten die Bilder von der Katastrophe vor dem Untergang gerettet haben, zeigten sie doch eindrücklich, dass ihre Warnungen und ihre Ideen durchaus ihre Berechtigung haben.

Nach den vergangenen zwei Wochen ist nicht unwahrscheinlich, dass das Wahlergebnis doch sehr viel enger ausfällt, als man bisher meinte und als es die Prognosen vorhersagen. Schon das Ergebnis der Europawahlen zeigte das. Entgegen allen Erwartungen rückte die ÖVP auf 0,9 Prozent an die Freiheitlichen heran. Und auch die SPÖ lag nicht wirklich weit dahinter.

Am Sonntagabend wissen wir mehr - ob Österreich wirklich anders wird, wie sich das viele wünschen, wird sich erst danach weisen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. September 2024

Donnerstag, 19. September 2024

Leiden an „begründeter Scheinheiligkeit“



Was bisher eine gängige Vermutung war, wurde jetzt erstmals wissenschaftlich untermauert. Eine Untersuchung der Linzer Johannes Kepler Universität bestätigte, dass beim Kauf regionaler, biologisch hergestellter und qualitativ hochwertigen Lebensmittel bei den Konsumentinnen und Konsumenten Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Demnach geben 47 Prozent der Befragten zu, dass sich bei ihnen Einstellung und Einkaufsverhalten nicht decken. Aber es ist nicht nur das. Gleich 72 Prozent gehen davon aus, dass nicht nur bei ihnen, sondern auch bei den anderen, Einstellung und konkretes Einkaufserhalten nicht übereinstimmen.

Österreichischer hätte das Ergebnis der Studie nicht sein können – wenn man selbst in Erklärungsnot ist, zeigt man gerne mit dem Finger auf die anderen. „Die sind ja noch schlimmer“.

Man ahnt, dass das nicht nur beim Einkaufen von Lebensmitteln gilt, sondern auch bei Kleidung, beim Klimaschutz und vielem anderen. Ganze Dörfer und Kleinstädte gehen seit Jahren wegen dieser Haltung unter, Bauern auch und kleine Händler, nicht nur Lebensmittelhändler, und Gewerbetriebe, Wirte auch und alle anderen, die sich auf das verlassen haben, was allerorten von den Konsumenten und auch von der Politik versprochen wurde. Weil überall Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen und oft nicht zusammenpasst, was versprochen und was dann wirklich getan wird.

Und überall hat man allerhand Ausreden und Erklärungen dafür. Die hohen Lebenshaltungskosten, die Preise – man findet immer etwas, um zu entschuldigen, warum bei einem Denken und Handel auseinanderklaffen. „Begründete Scheinheiligkeit“ wird das genannt.

Oft ist es freilich auch Gedankenlosigkeit. Just die ÖVP, deren Bauernbund nie müde wird darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist heimisch zu kaufen, sorgt derzeit in der Bauernschaft für Staunen. Der Zucker in den kleinen Säckchen, die derzeit überall im Land von den Wahlhelfern in allem Haushalten verteilt werden, ist nämlich ganz anders als man meinen möchte, nicht aus Österreich. „Die süße Wahl“ steht in großen Lettern auf dem kleinen Säckchen und ganz klein daneben „Zucker aus anderer Herkunft“. Ausgerechnet.

Man ist es gewohnt in diesem Land und man nimmt es hin. Das Umfragergebnis aus Linz, die Zuckersackerl der Volkspartei, sie fügen sich in eine Linie. Ein bisserl Augenzwinkern allerorten, ein bisserl schlampig. Anspruch und Wirklichkeit sollen übereinstimmen, man soll nicht einfach gedankenlos handeln? Ja eh – wenn es passt. Man ist es gewohnt, dass allerorten Wasser gepredigt aber Wein getrunken wird.

Das gilt ganz unten und ganz oben genauso. Das gilt am Stammtisch, beim Kaffekränzchen, im Sportplatzbuffet und in der Politik. Man redet den anderen gerne nach dem Mund, man weiß was man wo zu sagen hat und was man wo nicht sagen darf. Weil man Anerkennung will, weil man unangenehme Fragen oder Diskussionen gar vermeiden will. Viele trauen ich meist nicht sagen, was sie wirklich denken, viele wollen das auch gar nicht. Man redet herum, man weicht aus, man duckt und man drückt sich. Man legt bei anderen gerne die Latte hoch, hat aber keine Probleme drunter durchzugehen, wenn‘s um einen selbst geht. Die Landwirtschaft kann ein Lied davon singen, die Wirtschaft auch und, ja, auch die Politik.

Selbst die Meinungsforscher haben damit zu kämpfen. Nicht zuletzt deshalb lagen sie bei den jüngsten Wahlen oft so deutlich daneben - die Befragten sagen ihnen immer öfter auch unter Zusicherung der Anonymität nicht, wie sie sich wirklich denken und wählen. Das gilt auch für die kommenden Nationalratswahlen. Bei den Prognosen muss man diesmal vor allem einkalkulieren, dass viele nicht sagen wollen, dass sie Kickl wählen.

Auf diese Art und Weise sind in den vergangenen Jahren im ganzen Land quer durch alle Gesellschaftsschichten regelrechte Parallelwelten entstanden. Nicht nur unter Ausländern, die in Österreich leben und die dafür von manchen so gerne kritisiert werden, sondern auch und vor allem unter Österreicherinnen und Österreichern. Kreise, in denen man sich unter sich wähnt und in denen man redet, wie man sonst nicht reden würde.

Nicht zuletzt deshalb wohl ist vieles in diesem Land unberechenbar geworden. In der Politik und in der Gesellschaft. Anspruch und Wirklichkeit klaffen immer weiter auseinander – auch weil die „begründete Scheinheiligkeit“ längst für allzu viele zur Grundhaltung geworden ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. September 2024

 
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