Donnerstag, 27. November 2025

Krise? Ein Fake?

Wir sind schon wieder mittendrin, und dabei ist es offiziell noch gar nicht losgegangen. Die Adventmärkte im ganzen Land sind seit dem vergangenen Wochenende überlaufen. Die Black Week mit ihren Sonderangeboten aller Art, die am Freitag dieser Woche im Black Friday gipfelt, hat uns schon fest im Griff, ehe die Zeit, die immer noch als die "besinnliche" bezeichnet wird, am kommenden Sonntag mit dem ersten Adventsonntag beginnen wird. Dann geht es erst richtig los. Es ist alles angerichtet. Irgendwo ist der schöne Satz gestanden, dass dann "das Land dem Punschduft und Glöckchen klingen der Adventmärkte verfällt". So ist es. Und es wird jedes Jahr immer noch mehr, oder, wie nicht wenige finden, es wird immer noch ärger. Krise? Ist da was? Ein Fake gar?

Die Daten und Geschichten, die in diesen Tagen veröffentlicht werden, passen jedenfalls nicht dazu. Alles, was zu Geld gemacht werden kann, wird zu Geld gemacht. Allein aus dem Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus sollen die Standler heuer Prognosen zufolge 60 Millionen Euro Umsatz machen. Auf 390 Millionen Euro wird der Umsatz aller Adventmärkte in Österreich geschätzt.

Das neueste Feld, das man entdeckt hat, sind augenscheinlich Adventkalender, die man über Jahre als einfache Kreationen mit 24 Türchen kannte, hinter denen sich im besten Fall Schokofiguren verbargen, die das Warten aufs Christkind erträglicher machen sollten. Heute ist das Schnee von vorgestern, wird doch berichtet, dass man Adventkalender auch um 1.750 Euro (sic!) bekommt. Das freilich ohne Schokofiguren, dafür aber mit einem "handgenähten Wäschestück" hinter jedem Türchen, wie es vielversprechend heißt. Dagegen nimmt sich der Back-Adventkalender, den eine Lungauer Bäuerin um 105 Euro anbietet, noch günstig aus.

Da scheint noch allemal genug Geld für das eigentliche Fest übrig zu bleiben. Handelsforscher rechnen mit einem, wenn auch nur leichten Anstieg der Ausgaben im Handel gegenüber dem Vorjahr auf 2,35 Mrd. Euro, was einem neuen Rekord entspräche. Es gelte das Motto "Das Schenken lassen wir uns nicht nehmen". Das gilt auch für die Haustiere. Auch im Tierbedarfs-Handel hat das Weihnachtsgeschäft mit allerlei für Hund und Katz' längst begonnen und läuft dem Vernehmen nach gut.

54 Prozent der Bevölkerung haben heuer Freude beim Geschenkekaufen, hat das Meinungsforschungsinstitut IMAS erhoben. 426 Euro wollen sie im Schnitt ausgeben. Die Teuerung spiele zwar schon eine Rolle, heißt es, aber bei rund einem Drittel der Leute werden es schon zwischen 200 und 1.000 Euro sein, bei drei Prozent sogar mehr als 2.000 Euro, die man ausgeben will. Es ist, als ob es keine Bremsen gäbe, immer wieder gibt es neue Höhepunkte. Mehr denn je davon wird in chinesische Kassen fließen und jene von Amazon. Bei Temu, Shein und Konsorten darf man sich die Hände reiben. "Die Kassen klingeln in Fernost" heißt es.

Was wir in diesen Wochen erleben, fügt sich zur unbändigen Reiselust im Sommer und im Winter. Zwei, drei, oft vier Urlaube oder Reisen sind für viele selbstverständlich. Der Automarkt brummt, in Restaurants bekommt man oft ohne Reservierung keinen Platz. Das alles passt so gar nicht zu den düsteren Darstellungen der Wirtschaftslage und des Arbeitsmarktes und schon gar nicht zur Stimmung im Lande, die zur Schau getragen wird.

Geht es uns wirklich so schlecht? Oder doch nicht? Oder liegen die Befragungen für die Stimmungsbarometer und Ähnlichem so daneben, weil die Antworten den Erwartungen angepasst sind? Es nimmt nicht wunder, wenn mitunter Zweifel aufkommen an all dem Gezetere, das aus allen Ecken zu vernehmen ist. Oder könnten wir nicht doch etwas dazu beitragen respektive zulassen, dass sich der Staat und seine Finanzen wieder erfangen, auf dass man wieder Handlungsspielraum für die Gestaltung der Zukunft ermöglicht?

Bei Licht betrachtet muss man angesichts der tatsächlichen Lebensverhältnisse, die sich von den in Zahlen gespiegelten oft diametral unterscheiden, wohl ja sagen -ohne dass die Meldungen davon, dass vielen in einem kargen Jahr auch ein karges Weihnachtsfest blüht, untergehen sollen.

Die Stimmung ist freilich nicht danach. Nicht wegen der ewig geifernden Opposition, vor allem aber auch nicht wegen des fehlenden Mutes der Regierung.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. November 2025

Montag, 24. November 2025

Wer von hohen Lebensmittelpreisen profitiert

Nur vier von 100 Euro, die wir fürs Essen ausgeben, landen bei den Bauern. Sogar der Finanzminister hat mehr davon. Am meisten landet – noch vor dem Handel – in Gastronomie und Hotellerie.

Hans Gmeiner

Salzburg „In der Landwirtschaft kann man nichts verdienen, aber an der Landwirtschaft kann man viel verdienen.“ Diesen Satz bekommt man auf den heimischen Bauernhöfen schon mit der Muttermilch mit. Franz Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, relativiert ihn nur geringfügig. „In der Landwirtschaft kann man gerade so viel verdienen, dass man über die Runden kommt, und an der Landwirtschaft kann man gut verdienen“, sagt er und untermauert das mit Zahlen. „Von 100 Euro, die für Lebensmittel ausgegeben werden, kommen nur wenig mehr als vier Euro in der Landwirtschaft an.“

Am meisten geht an Gastronomie und Hotellerie

Mehr als doppelt so viel, nämlich neun Euro, gehen als Steuern in die Staatskasse, und fünf Euro landen bei den Verarbeitern der Produkte, die die Bauern liefern. Die großen Brocken aber teilen sich der Handel sowie Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe. In den Groß- und Einzelhandel gehen laut einer Aufstellung der „Wertschöpfungsverteilung bei Haushaltsausgaben für Nahrung und Getränke in Österreich“, die das Wifo erarbeitete, 14 von 100 Euro und in die Gastronomie und Hotellerie zusammen sogar 17 Euro von 100.

Ein Drittel landet direkt oder indirekt im Ausland

Damit nicht genug. Zwölf von 100 Euro, die die Konsumenten für Lebensmittel zahlen, landen direkt oder indirekt in Immobilien, bei Patenten oder bei Markenrechten. Dort ist es oft der Handel, der die Hand ein zweites Mal aufhält und etwa über Eigenmarken oder Immobiliengeschäfte profitiert. Was selbst Sinabell überraschte: „Mehr als ein Drittel, 34 Prozent, der Ausgaben für Lebensmittel landet direkt oder indirekt im Ausland.“ Dazu zählen nicht nur die Ausgaben für importierte Lebensmittel, sondern auch die Aufwendungen für Importe von Gütern, die gebraucht werden, um Nahrungsmittel in Österreich herzustellen. „Der Bogen reicht da bis hin zu Energieimporten“, erläutert Sinabell.

Insgesamt ist dieser Kuchen gut 100 Milliarden Euro groß. Die 4,3 Mrd. Euro, die als Bruttowertschöpfung dabei im Vorjahr auf die Landwirtschaft entfielen, nehmen sich sehr bescheiden aus angesichts des Geschäftsvolumens, das zu einem guten Teil mit den Produkten gemacht wird, die die Bauern liefern. Im Groß- und Einzelhandel etwa geht es um ein Volumen zwischen 15 Mrd. und 20 Mrd. Euro und in der Gastronomie um rund 14 Mrd. Euro. Und da ist noch gar nicht die Rede von den fast 10 Mrd. Euro, die als Steuern in die Staatskasse fließen.

Landwirtschaft will nicht den Schwarzen Peter

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist nachvollziehbar, dass sich die heimische Landwirtschaft in der Diskussion um die hohen Lebensmittelpreise nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen will. „Unsere Untersuchungen belegen, dass der Anteil der bäuerlichen Produktion am Endpreis gering ist und weiter abnimmt“, sagt Sinabell. Er stellt die Rechnung am Beispiel Brot auf: „Weniger als fünf Prozent des Endpreises gehen an den Bauern, der Rest verteilt sich auf Mühle, Bäckerei, Verpackung, Transport, Handel und Steuern.“

Die Wifo-Analyse zeigt, dass die Preissteigerungen der vergangenen Jahre kaum auf die Landwirtschaft zurückzuführen sind. Vielmehr seien es gestiegene Energiepreise sowie höhere Löhne und Transportkosten, die sich laut dieser Untersuchung in der gesamten Kette niederschlagen. Besonders stark sei dabei der Außer-Haus-Konsum wegen der gestiegenen Personalkosten in Gastronomie und Hotellerie betroffen. Im Lebensmittelpreisindex gehe das aber unter.

Österreich nicht im Spitzenfeld bei Preisen

Im internationalen Vergleich liegt das Preisniveau von Lebensmitteln in Österreich im oberen Mittelfeld, aber nicht an der Spitze. „Lebensmittel in Österreich sind leistbar“, sagt Sinabell. „Was fehlt, ist aber oft ein faktenbasierter Blick auf die Sachlage.“ Zu berücksichtigen sei auch, dass sich Österreich durch ein hohes Qualitätsniveau, einen überdurchschnittlichen Bioanteil und strengere Produktionsstandards von anderen Ländern abhebt.

Alkohol ist billig wie kaum wo sonst

Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den gesamten Haushaltsausgaben beträgt in Österreich nur zwölf Prozent. „Das ist der drittniedrigste Wert in der EU.“ Nahrungsmittel wie Brot, Milch, Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse, aber auch Getränke sind in vielen europäischen Staaten deutlich teurer als in Österreich. So liegt Österreich bei Milch und Milchprodukten erst an 22. Stelle, bei Fleisch an siebter, bei Brot an sechster und bei Nahrungsmitteln und Getränken insgesamt an neunter Stelle. Billig wie kaum sonst wo in Europa ist Alkohol. Da liegt Österreich an 32. Stelle.

Die Forderung nach Preisdeckeln für Lebensmittel hält Sinabell für fragwürdig. „Wenn man die Position der Bauern verbessern will, muss man sie messbar machen und dann gezielt stärken“, sagt er. Sein Rezept: die Einführung eines Preismonitoring-Systems nach französischem Vorbild, in dem Datenquellen gebündelt werden und das schrittweise zu einem umfassenden Monitoring ausgebaut wird, um mehr Transparenz zu schaffen.

Salzburger Nachrichten – Wirtschaft, 24. November 2025

Bauern profitieren von teuren Lebensmitteln am wenigsten

Salzburg. „In der Landwirtschaft kann man gerade so viel verdienen, dass man über die Runden kommt, und an der Landwirtschaft kann man gut verdienen.“ Das sagt kein Landwirt, sondern Franz Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Denn von 100 Euro, die für Lebensmittel ausgegeben werden, kommen nur etwas mehr als vier Euro in der Landwirtschaft an. Immerhin geht es um 100 Milliarden Euro. Wo gehen dann die restlichen 96 Prozent dieses Kuchens hin? Das zeigt die Wertschöpfungsverteilung bei Haushaltsausgaben für Nahrung und Getränke in Österreich, die das Wifo erarbeitete. Demnach landen 17 von 100 Euro in der Gastronomie und Hotellerie. Damit nicht genug: Zwölf von 100 Euro, die die Konsumenten für Lebensmittel zahlen, wandern direkt oder indirekt in Immobilien, Patente oder Markenrechte. Dort ist es oft der Handel, der die Hand ein zweites Mal aufhält und etwa über Eigenmarken oder Immobiliengeschäfte profitiert. Ohne diesen Posten gehen 14 von 100 Euro in den Groß- und Einzelhandel.

Was selbst Sinabell überraschte: „Mehr als ein Drittel, 34 Prozent, der Ausgaben für Lebensmittel landet direkt oder indirekt im Ausland.“ Dazu zählen nicht nur die Ausgaben für importierte Lebensmittel, sondern auch die Aufwendungen für Importe von Gütern, die gebraucht werden, um Nahrungsmittel in Österreich herzustellen. „Der Bogen reicht da bis hin zu Energieimporten“, erläutert Sinabell. Seite 15

Salzburger Nachrichten - Seite 1, 24. November 2025


Donnerstag, 20. November 2025

Politblase blockiert Politik

Österreichs Politik hat in diesen Tagen nur ein Thema - Harald Mahrer. Dieses Thema ist, was man "fett" und "ergiebig" nennt. Und es passt wie maßgeschneidert in den Kosmos der Politblase, die im Land die Deutungshoheit zu haben glaubt und sich gerne als Jagdgesellschaft versteht. Da ist einer, der immer schon Kanten gezeigt hat, der als arrogant empfunden wurde, zu dem man nie wirklich eine Nähe gefunden hat und der zu allem Überfluss noch der Chef einer Kammer und einer der mächtigen Männer in der ÖVP war. An so einem Mann und seinem Scheitern kann man sich wunderbar abarbeiten. Mahrers Fall ist, was die Politblase liebt, ist man doch vorzugsweise damit beschäftigt, sich gegenseitig zu beschädigen und schlecht zu machen. Da kann man alte Rechnungen begleichen und sich profilieren. Es muss gestritten und ausgeteilt werden. Das vor allem. Nach vorne schaut man freilich nie.

Bei Mahrer war alles aufgelegt. Er war von Beginn an verloren, aus eigenem Verschulden. Aber sei's drum - Mahrer ist Geschichte. Das ist wohl auch gut so.

Mit Fällen wie Mahrer wird, auch wenn es um einen bedeutenden Posten und eine bedeutende Institution im Land geht, Zeit vergeudet und werden Kapazitäten gebunden, die anderswo fehlen. Das hemmt die politische Arbeit an den tatsächlichen Problemen des Landes, wirft sie zurück und gaukelt eine Aktivität vor, die weit von dem entfernt ist, was das Land braucht. Und von dem, was sich die Leute erwarten. Zumal in einem Land, das so in den Seilen hängt wie derzeit Österreich.

Dabei ist klar, Fälle wie den Fall Mahrer darf und sollte es nicht geben. Sie sollten die politische Arbeit nicht bremsen. Dass sie es tun, ist zur Kultur geworden in diesem Land. Man versteht es, damit das p.t. Publikum zu unterhalten, man spielt sich gegenseitig die Bälle zu, man ist sich der Schlagzeilen sicher und oft auch des Beifalls von den Rängen.

Da wird zum Greifen, warum in diesem Land nichts weitergeht. Alleine die Vorwoche zeigte es. Da war nicht nur Mahrer, dessen Fall den Politbetrieb beherrschte und damit blockierte. Da waren auch so Themen wie die Juwelen Habsburgs und die unklare Antwort des Enkels des letzten Kaisers auf die Frage, ob er sich als rechtmäßiger Kaiser von Österreich sehe, oder die Auseinandersetzung um das unselige Dinghofer-Symposium im Parlament.

Das alles gilt als Politik im Land. In Wahrheit Nullthemen aus der Vergangenheit allesamt, die nicht auf der großen Bühne gelöst werden müssten, sondern auf kurzem Weg abgehandelt werden sollten. Genauso wie eigentlich auch der Rücktritt eines Kammerpräsidenten nicht große Politik sein darf, die das Land gleichsam in Geiselhaft nimmt, während die wirklichen Themen zu kurz kommen -Themen wie eine Strategie für die Industrie oder die explodierenden Ausgaben der Länder, insbesondere Wiens, und die Folgen für das Bundesbudget, die daneben in der Vorwoche fast untergegangen sind.

Da nimmt nicht wunder, dass die Politik im Ansehen der Leute regelrecht abstürzt. Der Großteil der Menschen in diesem Land fühlt sich politisch nicht mehr gehört. Die Jungen verlieren das Vertrauen in die Politik. Nur einer profitiert davon und darf sich die Hände reiben -Herbert Kickl und seine Freiheitliche Partei. Für sie war die vorige Woche wieder eine Steilvorlage. Nicht nur, weil sie sich nach dem Wöginger-Desaster schon wieder in Häme ergehen konnte, sondern auch, weil die Volkspartei insgesamt in Probleme schlitterte, die schnell an die Substanz gehen können. Und das nicht nur jener der Volkspartei, sondern auch jener der Regierung.

Der Druck auf den Bundeskanzler, nach der Phase der Beruhigung endlich Leadership zu zeigen und Ziele vorzugeben, wächst rasant. "Die Regierung fährt sich gerade im Morast fest", schreiben prominente Zeitungskommentatoren inzwischen. Und: "Die Bundesregierung muss heuer noch Pflöcke einschlagen, um nicht ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren."

Dies auch schon alleine deswegen, um einen Vergleich verstummen zu lassen, der immer öfter zu hören ist. Da und dort lästert man, "Stocker erinnert mich nicht nur wegen der Physiognomie immer öfter an Fred Sinowatz". Der war, für die Jungen unter den Lesern, in den 1980ern SP-Bundeskanzler und ging mit dem Satz "Es ist alles sehr kompliziert" in die Geschichte ein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. November 2025

Mittwoch, 12. November 2025

Wenn Bürgermeisterinnen in der Schulküche stehen

In einer Gemeinde im Oberösterreichischen, die seit Jahren finanziell mit dem Rücken zur Wand und damit unter finanzieller Kuratel des Landes steht, stand kürzlich für ein paar Tage die Bürgermeisterin höchstpersönlich mit freiwilligen Helfern in der Schulküche, weil es wegen unerwarteter Krankenstände an Personal fehlte. Dem Vernehmen nach soll sie auch schon zur Malerbürste gegriffen haben, um im Gemeindeamt einen Raum auszumalen. Aus Salzburg meldeten dieser Tage die Zeitungen Verschiebungen von Schulbauprojekten und Straßensanierungen und Kürzungen im Sport-und Kulturbereich und bei Vereinen, weil es an Geld fehlt.

Meldungen wie diese häufen sich. Das nimmt nicht wunder. Immer mehr Gemeinden im Land sind das, was man gemeinhin "völlig blank" nennt. Sie sind auf Zuschüsse der Länder angewiesen und können kaum mehr etwas planen oder gar umsetzen. "Wegen jedem Euro müssen wir in die Landeshauptstadt", heißt es dann.

Mehr als die Hälfte der Gemeinden steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Seit 2019 sind laut Agenda Austria die Einnahmen der Gemeinden um 31 Prozent gestiegen, die Ausgaben aber um 39 Prozent. Der Schuldenberg allein der Kommunen wird inzwischen mit 23 Milliarden Euro vermessen und die Prognosen schauen düster aus.

Längst fragt man auf der Suche nach Sparpotenzial in den öffentlichen Haushalten "Wozu brauchen wir so viele Gemeinden?", zumal es in Österreich immer noch 2.092 Gemeinden gibt und rund 200 davon nicht mehr als 1.000 Einwohner zählen. Für nicht wenige im Land ist klar, dass -oft neben den Bezirksverwaltungen -die Gemeindeebene die Verwaltungsebene ist, auf die man verzichten kann, seien doch ineffiziente Verwaltungsstrukturen "eine von vielen Gruben, in denen Steuergelder sinnlos versickern".

Da mag etwas dran sein. Aber selbst die schärfsten Kritiker erkennen an, dass es gerade die Gemeinden sind, die identitätsstiftend sind. Dort ist man daheim, dort fühlt man sich zugehörig, dort ist für viele der Ankerplatz im Leben. Einfach Heimat und Teil der Identität und des Selbstverständnisses auch. Daran ist oft schwer zu rütteln, zumal dann, wenn man dort geboren und groß geworden ist und gar in der Gesellschaft, im Gemeinderat, in der Pfarre, in Vereinen engagiert ist. Da hat man schnell Sorge, im Großen verloren zu gehen und unsichtbar zu werden.

Gemeinden zusammenzulegen ist daher vor allem draußen am Land politischer Sprengstoff pur. Der Graben zwischen Stadt und Land wächst, nirgendwo ist die Angst größer, dass man persönlich in den kommenden Jahren zu den Verlierern zählt. Die jüngste Eurobarometer-Befragung zeigt, dass vor allem im ländlichen Raum und in regionalen Zentren außerhalb großer Städte die Sorge am größten ist, dass sich in den kommenden Jahren der Lebensstandard verschlechtern wird. Und das nicht wegen denen in der Gemeinde, sondern wegen denen in der Stadt. Da wünscht man sich Stärkung und nicht Schwächung, als die Zusammenlegungen von Gemeinden meist empfunden werden.

Da kann man sich im wahrsten Sinn des Wortes schnell die Finger verbrennen, wenn man an dem rüttelt, was für viele eine Grundsäule des Selbstverständnisses ist. Schulden hin oder her. Vor allem Landespolitikern ist das bewusst. Landeshauptleute wie Johanna Mikl-Leitner sagen zwar "Verwaltung muss schlank, effizient und bürgernah sein", betonen aber im gleichen Atemzug "Gemeinden sind das Rückgrat unseres Landes". Ihr oberösterreichischer Kollege Thomas Stelzer bekräftigte erst am vergangenen Wochenende in der TV-Pressestunde die Forderung nach einer Neuverteilung der Einnahmen vom Bund in Richtung Länder und Gemeinden. "Es ist genug Geld da", befindet er.

Die Auseinandersetzung gewinnt an Spannung. Man müsse freilich auch "bei uns selbst" über Reformen reden, etwa was die Kooperationen zwischen Gemeinden angeht, zeigte sich erst vor Monatsfrist Gemeindebund-Chef Johannes Pressel verständnisvoll. Gleichzeitig forderte er aber verstärkte Mitsprache bei der Aufteilung der Mittel ein und sorgte mit dem Vorschlag, die Gesundheit in den Bund, dafür aber die Kinderbetreuung und Schulen zur Gänze zu den Ländern zu verschieben, für Aufsehen.

Auch wenn die Zeit drängt und für viele die Lösung klar sein mag, wird es wohl noch vieler Diskussion bedürfen. Klar ist nur, dass Bürgermeisterinnen in der Gemeindeküche und mit Malerbürste in der Hand nicht die Zukunft sein können. Auch wenn das von den Bürgerinnen und Bürgern sehr geschätzt wird.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. November 2025

Donnerstag, 6. November 2025

Der Herr Wöginger und wir

Das Land erregt sich seit Wochen an der Causa August Wöginger. Die Diversion erscheint vielen als zu mild, das Urteil soll nun noch einmal aufgemacht werden. Das hinwiederum sorgt auch für Aufregung. Mit Wonne arbeitet man sich an der Volkspartei ab und an der Politik insgesamt. Antikorruptionsexperten werden mit Warnungen vor einem Vertrauensverlust in staatliche Institutionen zitiert. Für die Opposition ist es ein gefundenes Fressen. Nicht nur der politische Gegner wird gegeißelt, auch die Justiz wird in Zweifel gezogen und angepatzt.

Was freilich gar nicht vorkommt, ist, dass dieses Urteil und was dem VP-Klubobmann vorgeworfen wird, nicht nur die Abgründe der Politik spiegelt, sondern auch die der Gesellschaft.

Denn was da im Innviertel geschah, ist nicht neu. "Das System Wöginger war jahrzehntelang so etwas wie die Geschäftsordnung der Österreich AG", sagt einer, der den Politbetrieb im Land von innen und außen kennt. "Wer was anderes sagt, ist ein Heuchler", fügt er hinzu. Und hat wohl recht damit. Mitgetan haben in diesem System alle. Bei jeder Partei, vor allem aber bei der Volkspartei und der SPÖ.

Alle haben gewusst, wie die Wege gehen. Die Mechanismen waren bekannt und wurden genutzt und benutzt. Von vielen. Man erwartete, und erwartet immer noch, dass sich Politiker für einen einsetzen und auch, dass sie etwas richten. Tun sie das nicht, müssen sie um seine Stimme und auch um ihr Renommee bangen. Oft jedenfalls. Die Gesellschaft, die Wähler, sind es meist, die genau das von Wöginger und seiner Kollegenschaft, gleich aus welcher Partei, seit jeher einfordern und erwarten. Das spiegelt nichts anders als das Verständnis von Politik der meisten Menschen hierzulande. Neu ist eigentlich nur, dass Wöginger nun sagt, dass er die Dinge heute ganz anders als damals vor neun Jahren sehe und er, wenn er gewusst hätte, welche Konsequenzen sein Handeln hat, das nicht mehr tun würde.

Es reicht noch heute, Politiker jedweder Couleur bei öffentlichen Auftritten zu beobachten. Die allermeisten sind umschwirrt von Sekretärinnen und Sekretären, die einzig deshalb mit dabei sind, um die Wünsche und Anliegen der Wählerinnen und Wähler, die das persönliche Gespräch suchen, aufzunehmen. Sei es die Bitte, sich für einen Job für den Sohn oder die Tochter einzusetzen bei der Gemeinde oder beim Land oder in einem öffentlichen Unternehmen, für eine Förderung für eine Wohnung oder eine Maschine, für Nachsicht bei einer Behördenkontrolle, bei der es etwas auszusetzen gab, für die Verlegung einer Hochspannungsleitung oder einer Straße, oder für einen Platz im Studentenheim.

Die Anliegen, die bei solchen Gelegenheiten vorgebracht werden, sind zahllos. Und ganz selten geht es dabei darum, dass wirklich die politische Diskussion gesucht wird, dass EU-Themen diskutiert werden, die Verkehrspolitik oder gar weltpolitische Themen.

Nicht anders ist es bei den zahllosen Sprechtagen, die Politikerinnen und Politiker im ganzen Land abhalten. Da geht es um nichts anderes. "Ich war einmal dabei, da sollte ein Minister mit der örtlichen Bank reden, um den Zinssatz für den Kredit günstiger hinzubekommen", erzählt einer aus dem Nähkästchen der Republik. Und unvergessen ist die Antwort, die der Personalchef eines staatsnahen Industriebetriebs für einen Vater parat hatte, der für seinen Sohn wegen eines Jobs fragte. "Keine Chance", bekam der zu hören, "du bist ja nicht bei unserer Partei."

Schon in den vergangenen Jahren, vor allem seit dem EU-Beitritt, hat sich vieles verändert. Objektivierung wurde mit einem Mal vorgeschrieben, Transparenz spielte mit einem Mal eine Rolle und Gerechtigkeit im Wettbewerb.

Das ist auch gut so und war und ist notwendig. Und blieb nicht ohne Folgen -vor allem in der Politik. Nicht wenige führen die Schwäche der SPÖ darauf zurück, dass sie kaum mehr etwas zu vergeben hat. Nicht zuletzt, weil es keine verstaatlichte Industrie mehr gibt. Und nicht wenige führen die Volten der Volkspartei, um an der Macht zu bleiben, drauf zurück, um sich den Einfluss zu bewahren.

Darunter, dass sich die Verhältnisse geändert haben, leiden wohl beide ehemaligen Großparteien. Ob die Causa Wöginger freilich wirklich ein letzter Ausläufer ist, muss sich erst weisen. In der Politik, bei den Parteien.

Aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. November 2025

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Streit um Zölle trifft die Bauern

Seit US-Präsident Donald Trump, aber auch die EU und China Politik mit Zöllen machen, bleibt in der Landwirtschaft kein Stein mehr auf dem anderen.

Hans Gmeiner

Salzburg Für Hans Schlederer, Chef der oberösterreichischen Schweinebörse, ist die Sache klar. „Die Schweinebauern zahlen aktuell die Zeche für die europäischen Autobauer“, sagt er. Als die EU vor Jahresfrist die Importzölle für E-Autos aus China um 25 Prozent anhob, bremste Peking zunächst mit Anti-Dumping-Untersuchungen die Schweinefleischimporte aus Europa. Anfang September dieses Jahres war dann endgültig Schluss mit lustig. Nach langem Hin und Her wurden die Einfuhrzölle für Schweinefleisch aus Europa auf zwischen 20 und 62 Prozent angehoben.

Seither ist bei den Schweinebauern Feuer am Dach. Die Exporte nach China – sie machten zuletzt mit einem jährlichen Volumen von 1,5 Millionen Tonnen gut ein Drittel der Schweinefleischexporte der EU aus – sind de facto eingestellt. Innerhalb weniger Wochen kippte der im Herbst ohnehin stark versorgte Schweinefleischmarkt und die Preise für die Bauern sind seither auf Talfahrt.

Der Schweinemarkt ist nicht der einzige Agrarmarkt, auf dem die internationalen Krisen und vor allem die Zollstreitigkeiten alles durcheinanderwirbeln. Die Marktverwerfungen sind massiv. Die Märkte insbesondere für Soja, Mais, Getreide, aber auch für Düngemittel sind dabei, sich neu zu ordnen. Die europäischen Bauern könnten dabei besonders unter Druck kommen, befürchtet man.

US-Bauern als Verlierer, obwohl sie treue Trump-Wähler sind

Die Probleme sind vielschichtig. War es zunächst der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der die Märkte durcheinanderbrachte, so geht es jetzt um Zölle, mit denen vor allem US-Präsident Trump, aber nicht nur er, Politik macht. Zuletzt waren es ausgerechnet die ohnehin seit Jahren von Einkommensverlusten gebeutelten US-Farmer, treue Trump-Wähler, die besonders unter Trumps Zollfuror zu leiden hatten. Seit sich der US-Präsident mit China anlegte und die Einfuhrzölle für China-Ware kräftig anhob, kauft Peking kein Kilogramm Soja mehr aus den USA. Dabei ist Soja mit großem Abstand wichtigstes Agrarexportgut der USA.

In den vergangenen Jahren gingen bis zu 60 Prozent der Sojabohnenexporte nach China. Nun rechnet man damit, dass Trump und der chinesische Staatschef Xi Jinping noch in dieser Woche ein Abkommen unterzeichnen und die US-Farmer wieder Sojabohnen nach China liefern können. China versorgte sich zuletzt aus Brasilien und aus Argentinien. Die US-Farmer freilich mussten sich neue Abnehmer suchen. Das machte vor allem Sojabauern in Europa nervös. Sie fürchteten wachsenden Preisdruck. „Die Ware ist billig“, sagt Helmut Feitzlmayr, Marktexperte der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Das hat freilich zwei Seiten. „Das trifft die Sojabauern, freut aber die Schweinebauern, weil Sojaschrot für die Fütterung billiger wird.“

Zölle treffen Käse und Wein

Für Unsicherheit sorgt auch das Zollabkommen, das die EU mit US-Präsident Trump im Sommer abschloss. Die EU gestand dabei den USA zollfreie Importkontingente für Schweinefleisch, Milchprodukte, Sojaöl, Lebensmittelzubereitungen und viele andere Produkte im Wert von insgesamt 7,5 Mrd. Euro zu. Aber nicht nur das. Die EU akzeptierte für Agrarprodukte und Lebensmittel auch einen US-Pauschalzoll von 15 Prozent. Besonders betroffen davon sind vor allem Käse, aber auch Wein.

Auf Sturm stehen die Zeichen auch auf den Düngermärkten, seit die EU mit Juli Strafzölle für Düngerimporte aus Russland einführte. Wie auf dem Schweinefleischmarkt zahlen auch da die Bauern die Zeche für eine Maßnahme, die insbesondere von der europäischen Düngerindustrie gefordert wurde. Während dadurch mineralischer Dünger für die europäischen Bauern empfindlich teurer wird, verkauft Russland Berichten zufolge etwa Harnstoff statt nach Europa nun – zollfrei – in die USA. Für die europäischen Bauern, auf die mit Beginn 2026 auch eine CO₂-Steuer auf Dünger zukommt, bedeutet das, dass sich ihre internationale Wettbewerbsposition auf den Getreide- und Maismärkten wegen der höheren Kosten verschlechtert, für die US-Farmer aber verbessert.

Gute Ernten, schlechte Preise


Doch damit nicht genug. Noch nicht ausgestanden ist für die europäische Landwirtschaft auch das Thema Mercosur-Abkommen, das die EU mit südamerikanischen Staaten wie Brasilien und Argentinien abschließen will. Die Bauern, vor allem in Frankreich und in Österreich, befürchten, dass dadurch der Druck auf die Preise bei Rindfleisch, aber auch bei Zucker und einer Reihe anderer Produkte stark steigen wird.

Neben allem haben die Landwirte vor allem auf den Getreidemärkten und bei Mais heuer mit miserablen Preisen zu kämpfen. Bei Weizen werden aus allen Teilen der Welt Rekordernten gemeldet. Bei Mais ist es nicht anders, obwohl heuer vor allem die osteuropäischen Länder schlechte Ernten hatten. Die Preise sind im Keller. Für Trockenmais bekommen die Bauern 160 bis 170 Euro je Tonne, für Nassmais mit 30 Prozent Feuchtigkeit nur 80 Euro je Tonne. „Das ist so wenig wie schon lange nicht mehr“, sagt Feitzlmayr. „Aber damals waren die Preise für Dünger und Pflanzenschutzmittel noch deutlich niedriger.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Oktober 2025
 
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