Samstag, 4. April 2009
Vom „Spinner“ zum „Winner“
Mit Kräutern und Gewürzen verschaffte Johannes Gutmann nicht nur sich einen Job, sondern auch 150 Bauern ein Einkommen.
HANS GMEINER Sprögnitz (SN). Schräge Outfits scheut der Mann nicht. Seine Brille ist rund und sehr rot. Selbst bei Präsentationen im fernen Moskau trägt er an breiten Hosenträgern eine Lederhose, die schon sein Vater anhatte. Johannes Gutmann lacht. Der hagere Waldviertler weiß, dass das bei seiner Kundschaft ankommt. Mit seinem Unternehmen „Sonnentor“ macht er seit mehr als 20 Jahren vor, wie man selbst in so kargen Landstrichen wie dem Waldviertel etwas erreichen kann. „Für mich ist es das Schönste, zu zeigen, was aus einer ,spinnerten Idee‘, wie man bei uns sagt, geworden ist“, sagt er. „Vom Spinner zum Winner sozusagen.“ Und wieder lacht er.
Das war nicht immer so. 1988 stand Gutmann auf der Straße. Gekündigt. Arbeit gut gemacht, hieß es, aber die Fördermittel seien zu Ende. „Wir brauchen dich nicht mehr.“ Nach Wien gehen wollte Gutmann nicht. „Ich habe dann damit angefangen, für drei Bauern Kräuter und Gewürze zu vermarkten.“ Das Symbol, unter dem er das tat, verstand der Bauernsohn als Kampfansage. „Die Sonne auf dem Tor eines Bauernhauses war im Mittelalter das Symbol der freien Bauern.“
Damals hatte sein Angebot auf einem kleinen Tisch Platz. Heute scheinen die Hallen von Sonnentor den kleinen Waldviertler Ort Sprögnitz in der Nähe von Zwettl schier zu sprengen. Einen Hektar ist das Firmengelände inzwischen groß. Mehr als 600 verschiedene Artikel hat Sonnentor im Angebot. Von der „Alles-Liebe-Gewürzblüten-Mischung“ mit rosa Pfeffer und getrockneten Früchten wie süßen Erdbeeren und säuerlichen Himbeeren bis hin zum Tee-Adventkalender, der im Vorjahr 400.000 Mal verkauft wurde. Kaffee gibt es neuerdings auch. Und Seifen und Aufstriche. Alles in Bioqualität.
Längst unterhält Sonnentor jenseits der Grenze in Tschechien eine eigene Tochterfirma und betreibt in Rumänien und in Albanien Anbauprojekte. 4,5 Mill. Euro betrug der Umsatz 2002. Heuer, das Geschäftsjahr endete am 31. März, würden es gut 18 Mill. Euro sein, sagt Gutmann. 4,5 Millionen davon kommen aus Tschechien.
Im Tee- und Gewürzfachhandel hat Sonnentor in Österreich mittlerweile einen Marktanteil von 50 Prozent. In Deutschland gehört das Unternehmen mit 25 Prozent Marktanteil zu den Top Drei. Knapp 75 Prozent des Umsatzes werden derzeit in insgesamt 46 Exportländern – bis hin nach Neuseeland – erzielt. Mittlerweile ist Sonnentor im Waldviertel sogar zum Fremdenverkehrsfaktor geworden. Rund 20.000 Besucher kommen jährlich nach Sprögnitz, um die Welt der Kräuter und Gewürze kennenzulernen und um im Shop einzukaufen. „Der Hannes hat Handschlagqualität“ Sonnentor beschäftigt 160 Mitarbeiter, 57 davon in Tschechien. Und aus den drei Bauern, die Gutmann am Anfang belieferten, sind inzwischen 150 geworden. Sie bauen auf 500 Hektar an, was Sonnentor braucht. Dazu kommen weitere 250 Hektar im Ausland.
Die Bauern wissen inzwischen den „Spinner“ zu schätzen. „Er hat Handschlagqualität, sieht immer alle Seiten und bemüht sich auch um uns Produzenten“, sagt Kurt Kainz, der von Anfang an dabei ist.
Darauf legt Johannes Gutmann besonderen Wert. Trotz des rasanten Wachstums ist er bei den Wurzeln geblieben. „Nachhaltige biologische Landwirtschaft ist unsere Erfolgsgrundlage“, sagt er. An seiner Grundidee, kleine bäuerliche Strukturen, wie sie im Waldviertel gewachsen sind, zu erhalten und zu nützen, hält er nach wie vor fest. „Leben und leben lassen, gegenseitige Wertschätzung – darum geht es.“ Shops bald in ganz Österreich Weil das eine Aufgabe ist, die nie aufhört, schmiedet Gutmann schon wieder Pläne. Mit der Marke „Bodenschätze“, unter der ebenfalls Tee und Kräuter verkauft werden, will er in den Handelsketten Fuß fassen. „Bei Zielpunkt sind wir bereits gelistet und erzielten rund 100.000 Euro Umsatz.“
Intensiv arbeitet er auch an einem Shop-Konzept. „Der erste Franchise-Shop in St. Pölten übertraf unsere Erwartungen bei Weitem“. Vor Kurzem wurde das zweite Geschäft in Linz eröffnet. Bald sollen weitere Shops in Wien, Graz und Salzburg folgen.
Gutmann lacht wieder. „Gönn dir eine Prise Sonne jeden Tag“, steht auf den T-Shirts, die in seiner Firma getragen werden. Offenbar ist das wirklich ein guter Rat.
Wirtschaft / 04.04.2009 / Print
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