Samstag, 30. Mai 2009
Wie gewonnen, so zerronnen
Der Bauernmilchpreis fällt und fällt. Und niemand hat ein Rezept dagegen.
HANS GMEINER Salzburg (SN). Am kommenden Montag ist Weltmilchtag. Er dient, so die Idee der UN-Welternährungsorganisation FAO, der Werbung für das „weiße Gold“ der Bauern. Aber so viele Weltmilchtage und Werbung, wie sie die Milchbauern derzeit bräuchten, gibt es gar nicht. Die Bauernmilchpreise sind in den vergangenen zwölf Monaten um 40 Prozent auf knapp mehr als 25 Cent pro Kilogramm gefallen. Der Milchverbrauch ist europaweit um rund vier Prozent zurückgegangen. Niemand will Milch.
Die Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand. Anfang 2008 bekamen sie für die Milch 45 Cent – also jenen Preis, den sie so lang herbeigesehnt hatten. Doch der Boom war, wie bei allen agrarischen Rohstoffen, eine Blase. Nun liegen die Preise sogar noch deutlich unter dem Niveau von 2007. Das ist für manche Bauern existenzbedrohend, weil die Kosten für Energie und Futtermittel immer noch hoch sind.
Entsprechend schlecht ist die Stimmung in der Branche. Im Vergleich zum Vorjahr fehlen heuer bereits rund 60 Mill. Euro in den Kassen der Milchbauern, am Ende des Jahres könnten es 200 Millionen sein. Ein durchschnittlicher Milcherzeuger, der jährlich 60.000 Kilogramm Milch an die Molkerei liefert, verdient heuer um rund 500 Euro pro Monat weniger.
Ein Ende der Schwierigkeiten auf dem Milchmarkt ist nicht in Sicht. Die Proteste, Streiks, Demonstrationen und Appelle an die Konsumenten verfangen nicht. Der Markt zeigt sich unbarmherzig. Die Preise fallen weiter. Just zum Weltmilchtag nehmen Tirolmilch, Berglandmilch und NÖM die Preise weiter zurück. Allerorten herrscht Hilflosigkeit.
1 - Die Hilflosigkeit der Politik:Viele Worte, wenig MaßnahmenPolitik und Bauernvertretung haben bei international beeinflussten Entwicklungen immer schlechte Karten. Entsprechend überfordert agiert man. Die einzige konkrete Hilfe, die die Milchbauern in Aussicht haben, ist ein noch von Josef Pröll als Wahlkampfzuckerl angekündigtes 50-Millionen-Euro-Milchpaket. Es kommt allerdings erst 2010, und da auf die Hälfte zusammengestutzt. Das ist nicht viel. Ansonsten: viele große Worte. Maßnahmen, wie die um einige Monate vorgezogene Auszahlung der Agrarförderungen oder die Aussetzung der Quotenanhebung sind Schnellschüsse ohne substanzielle Wirkung, Maßnahmen zur Marktentlastung gibt es derzeit nur als Ankündigungen.
2 - Die Unbeweglichkeit der Bauern: Die Enttäuschung der Bauern ist verständlich. Aber sie sind nicht nur die Opfer, als die sie sich zuweilen gern sehen. Sie haben auf den Verkaufsrückgang viel zu langsam und zu wenig ausreichend reagiert. Viele Bauern haben kräftig investiert und ihre Ställe vergrößert. Wenn sie das mit Krediten gemacht haben, treffen sie die jetzigen Einnahmeneinbußen hart. Zudem verkennen viele Milchbauern samt den „Rebellen“ von der IG-Milch die Realität. In keiner anderen agrarischen Sparte ist die Sehnsucht nach geschützten Märkten und Produktionskontingenten so groß wie bei den Milchbauern. Das ist aber keine Grundlage für die Zukunft.
3 - Die Arglosigkeit der EU: Nur halbherzige MaßnahmenDie EU-Kommission wird in Österreich gerne zum Buhmann gemacht. Nicht zu Unrecht. Kommissarin Mariann Fischer-Boel setzte die Aufstockung der Milchkontingente und den späteren Wegfall des Kontingentierungssystems durch. Für Österreichs Anliegen hat sie wenig Verständnis. Die EU-Maßnahmen zur Marktentlastung kamen erst sehr spät, zudem waren sie nur halbherzig und bisher ohne Erfolg.
4 - Die Fahrlässigkeit der Molkereien: Strukturbereinigung ist überfällig Die heimischen Molkereien stehen zwar bei manchen Bauern in einem schlechten Ruf, zahlen aber im EU-Vergleich durchwegs überdurchschnittliche Preise. Wie lang das bei den kleinen Strukturen noch gut geht, ist fraglich. Wenn ein Obmann sagt, man habe den ausgezahlten Bauernmilchpreis „bewusst nicht erwirtschaftet“, dann ist das eher ein Fall für die Krida als vorbildliche Rücksichtnahme auf die Bauern. Im Vorjahr schrieb mehr als Hälfte der heimischen Milchverarbeiter rote Zahlen. Das wird den längst überfälligen Strukturprozess beschleunigen.
5 - Das Spiel des Handels: Freundliche Worte, Druck auf die Preise
Der Handel spielte immer sein eigenes Spiel. Wenn es gut fürs Geschäft ist, geben sich Billa, Spar & Co. als Freunde der Bauern, trotzdem sind sie harte Verhandler geblieben. Die Molkereien klagen gerade in diesen Wochen über Druck auf die Preise. Auffällig ist zweierlei: In Sachen Preispolitik wird der Handel von der Bauernvertretung und sogar von der IG-Milch nun schon seit Monaten nicht kritisiert. Dabei war die Differenz zwischen dem, was ein Bauer für einen Liter Milch bekommt, und dem Preis im Milchregal des Lebensmittelhandels noch nie so groß wie derzeit.
Wirtschaft / 30.05.2009 / Print
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