Montag, 14. September 2009

Bauern wollen Milch-Opec





Milchbauern in ganz Europa schütten wieder Milch weg, um auf ihre schwierige Lage aufmerksam zu machen.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Ewald Grünzweil, Obmann der IG-Milch, war die Spannung anzumerken. „Ich habe in den vergangenen Tagen die Hosen gestrichen voll gehabt“, sagte er Samstag beim Milchbauerntag seiner Gruppe auf der Rieder Messe. „Aber worauf wollen wir noch warten?“, fragt er. „Die Chance ist historisch.“

Die Rede ist vom nächsten Milchlieferstreik. Angesichts der niedrigen Bauernmilchpreise sei ein Lieferstreik noch nie so billig gewesen wie jetzt, argumentiert Gründzweil. Und: „Es kann doch nicht sein, dass sich eine intelligente Minderheit von einer dummen Mehrheit pflanzen lässt.“

Die rund 500 anwesenden Milchbauern, rund zehn Prozent der Mitglieder der IG-Milch oder ein Prozent der heimischen Milchbauern, sahen das genauso. Sie stimmten für einen neuerlichen Milchlieferstreik. „Das ist eine Einladung, wir hoffen, das alle Milchbauern wissen, was zu tun ist“ sagen die Vertreter der IG-Milch. „Die Molkereien sagen ja, wir sollen weniger liefern, das machen wir jetzt.“

Wie schon im vergangenen Jahr will die IG-Milch möglichst viele Bauern dafür gewinnen, keine Milch mehr an die Molkereien zu liefern. Stattdessen will man sie verschenken, selbst zu Butter und Käse verarbeiten und, wenn es nicht anders geht, in die Güllegrube schütten. „Wegschütten ist das Opfer, das wir bringen müssen“, heißt es. Geplant sind zudem Sternfahrten mit Traktoren und Demonstrationsveranstaltungen wie heute, Montag, die Blockade des Autobahnknotens St. Michael in der Steiermark. Über weitere konkrete Pläne wollten die IG-Milch-Vertreter in Ried nichts sagen. „Wir sind eine Guerillaorganisation“, war alles, was sich Grünzweil entlocken ließ. „Wir bestehen aus einzelnen Zellen.“

Den Ausgang nahmen die neuerlichen Lieferstreiks am vergangenen Donnerstag in Frankreich. Dort haben bereits 30 Prozent der Bauern ihre Lieferungen an die Molkereien eingestellt. Mittlerweile haben sich nach Angaben der IG-Milch auch in Deutschland viele Bauern dem Streik angeschlossen. Heute, Montag, sollen auch in der Schweiz und in Italien Bauern keine Milch mehr liefern.

„Die Milchwirtschaft ist in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, wir sind ganz unten“, sagte Romuald Schaber, der Präsident des Europäischen Milkboard (EMB), der eigens nach Ried kam. EMB ist die europaweite Plattform von Organisationen wie der IG-Milch und Drehscheibe der Streiks.

Seit rund eineinhalb Jahren kämpft die europäische Milchwirtschaft mit einem dramatischen Preisverfall. Die Bauern bekommen für ihre Milch pro Kilogramm heute mit rund 25 Cent um ungefähr ein Drittel weniger als noch vor eineinhalb Jahren. Die Wirtschaftskrise traf die Milchbauern so schnell und so schlimm wie keinen anderen Betriebszweig in der Landwirtschaft. Märkte brachen weg, der Verbrauch ging zurück, wegen des hohen Preisiniveaus vor zwei Jahren ersetzte die Lebensmittelindustrie in vielen Rezepturen Produkte wie Milchfett durch billigere Stoffe. Die Bauern konnten gar nicht schnell genug reagieren, zumal die Produktion nicht auf Knopfdruck gesteuert werden kann.

Die Maßnahmen der EU zur Marktentlastung griffen bisher kaum. Dass Brüssel am Liberalisierungkurs festhält und die Lieferquoten unbeirrt aufheben will, erzürnt die Bauern besonders. Mit dem Streik wollen EMB und IG-Milch durchsetzen, dass die Bauern ähnlich wie die Ölförderländer der OPEC die Milchproduktion selbst dem Bedarf anpassen und so das Preisniveau steuern. Auch wenn die offizielle heimische Agrarpolitik mit Brüssel genauso unglücklich ist wie die IG-Milch, hält man vom neuerlichen Lieferstreik überhaupt nichts. „Der vorjährige Milchstreik hat keinen Erfolg gebracht, die Bauern waren schließlich die Draufzahler“, sagen die Bauernpräsidenten Wlodkowski und Grillitsch. Man will mit dem Handel reden und den Druck auf Brüssel verstärken.


Wirtschaft / 14.09.2009

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