Samstag, 12. September 2009

Bei Bier und Brathendl wächst der Zorn der Bauern





Auf der Rieder Messe prangern die Bauern die „unmoralischen“ Preise an. Die Politik liefert starke Worte, mehr nicht.


HANS GMEINER Ried/Innkreis (SN). Wenn in der Landwirtschaft nichts mehr geht, wenn die Preise im Keller sind, wenn sich Brüssel taub stellt und wenn die Konsumenten nur mehr billig einkaufen, dann weiß ein eloquenter Agrarpolitiker, was bei den Bauern besonders gut ankommt. „Für Lebensmittel wird so wenig ausgegeben, da leben die Leute eigentlich im Paradies, aber die danken weder dem Herrgott noch den Bauern“, tönt Gerd Sonnleitner. Er ist Präsident des deutschen Bauernverbands und als Niederbayer aus einem Ort wenige Kilometer jenseits des Inns Stammgast bei der Rieder Messe.

Auf der Innviertler Agrarausstellung greift man in diesen Tagen zu starken Worten. Von „unmoralischen Preisen“ ist gern die Rede, ja „würdelos“ seien sie. Und dazu die „Ignoranz“ in Brüssel. Die erst recht.

Sehr viel mehr haben gewählte und selbst ernannte Vertreter den Bauern derzeit nicht zu bieten. Die Zeiten sind schwierig, die Möglichkeiten beschränkt. Erst zu Beginn dieser Woche hat ihnen die EU-Kommission die Grenzen aufgezeigt. Zwei von Österreich, Deutschland und Frankreich initiierte Resolutionen mit Vorschlägen zur Rettung des Milchmarkts wurden abgeschmettert. Schließlich habe man bereits 600 Mill. Euro für die Stabilisierung des Milchmarktes lockergemacht, wurde argumentiert.

„Ich mache kein Hehl daraus, dass ich enttäuscht bin“, sagte Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich. „Die Kommission ist zu wenig flexibel.“ Und er zweifelt am demokratischen Verständnis der Brüsseler Bürokraten, zumal zumindest einer der beiden abgelehnten Resolutionen 16 Staaten, also die klare Mehrheit, zustimmten. „Das kann doch nicht sein.“

Das denken sich wohl auch die Bauern, die auf mehr Unterstützung warten. Die Vorverlegung der Auszahlung der Agrarförderungen auf Oktober hat genauso eher symbolischen Charakter wie der Verzicht auf die Erhöhung der Milchlieferquoten.

Mehr Substanz hat da allenfalls die „Schlachtprämie“ für Kühe, die für Oberösterreich vorgestellt wurde. 200 Euro zahlt das Land, wenn der Bauer eine Altkuh zum Metzger gibt und dafür ein Jungrind kauft, das noch keine Milch produziert. Aber in Oberösterreich wird ja auch in zwei Wochen gewählt.

Minister Berlakovich gibt den tapferen Kämpfer. „Wir bleiben auf den Themen Milch und Getreide drauf“, sagt er und kündigt verstärkte Werbemaßnahmen an. Und er hat den Glauben an die EU noch nicht verloren. „Dass etwas möglich ist, zeigte sich ja bei der Gentechnik.“

Berlakovich steht unter Druck. Manche Bauern werden nervös. Heute, Samstag, will die IG-Milch eine Neuauflage der Milchlieferstreiks beschließen. Vom Minister abwärts halten das die Spitzenvertreter in Kammern und Ministerium für falsch und kontraproduktiv. „Wir stehen nicht für Radikalisierung und falsche Versprechungen“, sagt Bauernbund-Chef Fritz Grillitsch. Die Töne, die sich in Deutschland in die Milchdiskussion gemischt hätten, machten ihm Angst, sagt er. „Die Bauern brauchen Sicherheit und marktentlastende Maßnahmen für bessere Preise.“ Landtechnik- und Traktorenhersteller verfolgen die Diskussionen rund um die Lage der Bauern mit einem Anflug von Staunen. Branchenprimus Pöttinger berichtet von guten Geschäften, der Traktorenmarkt sei heuer sogar noch leicht gewachsen. „Wir wundern uns“, sagen manche. „Vorziehkäufe“ spekuliert man, „Inflationsangst“ haben manche als Erklärung. „Jetzt noch kaufen und dann durchtauchen“, vermutet man als Motiv.

Aber vielleicht hat es bloß mit dem zu tun, was der Niederbayer Gerd Sonnleitner, der von seinem Hof auf Schärding blickt und die Lage der Bauern in Deutschland und anderen Ländern vor Augen hat, sagte: „Als Landwirt würde ich mir die Grenze weiter westlich wünschen, da würde ich drei Mal so viel verdienen.“


Wirtschaft

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