Dienstag, 1. September 2009

Dunkle Wolken über dem Bauernstand






Nichts kann die Krise der Landwirtschaft stoppen. Und die Magazine der Agrarpolitik sind leergefeuert.


HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Bauern machen heuer das schwierigste Jahr seit dem EU-Beitritt durch. Die Wirtschaftskrise hinterlässt längst auch in der Landwirtschaft tiefe Spuren. Märkte brechen weg, Preise rasseln in den Keller. Nicht mehr die Lebensmittelknappheit ist das Thema, sondern die Überschussproduktion. Von der Hochstimmung des Jahres 2007, als die Preise explodierten und sich die Bauern eine rosa Zukunft ausmalten, ist nichts mehr übrig.

Die Milchpreise sind niedrig wie schon lange nicht. Bei Getreide, beim Fleisch und bei den Bioprodukten ist es nicht anders. Zudem stöhnen viele Bauern unter den Finanzierungskosten für Investitionen, auf die sie sich aufgrund der guten Stimmung vor zwei Jahren und wegen der attraktiven Investitionsförderung einließen. Dazu kommen in manchen Regionen die Folgen von verheerenden Unwetterschäden.

Was sind die größten Probleme der Landwirte?

1. Größter Nachteil sind die kleinen Strukturen
Billige Lebensmittel könnten nur von großen Betrieben erzeugt werden, sagen die österreichischen Bauern. Das macht ihnen die meisten Sorgen. Denn rund zwei Drittel der 180.000 bäuerlichen Betriebe in Österreich bewirtschaften weniger als 20 Hektar, im Schnitt stehen zehn Kühe im Stall und 60 Schweine. Das sind Größenordnungen, die international allenfalls für ein mitleidiges Schmunzeln sorgen. Denn das bedeutet nichts anderes, als hohe Kosten in der Produktion. In Großbritannien hat man im Schnitt 56 Hektar, 78 Kühe und mehr als 400 Schweine. In Deutschland ist es kaum anders. Gar nicht zu reden von Staaten wie USA, Argentinien oder Brasilien mit ihren oft Zigtausende Hektar großen Betrieben.

2. Von den Produktpreisen allein kann kein Bauer leben
Nicht einmal dann, wenn „normale“ Preise bezahlt würden, kann ein Bauer in Österreich von den Produktpreisen allein leben. Das gilt auch für die Biobauern, die ohnehin höhere Preise bekommen. Bei Bauernmilchpreisen, wie sie derzeit gezahlt werden, bleibt den Bauern praktisch nichts. Sie brauchen zum Leben einen Milchpreis von 40 Cent, sagt die IG-Milch. Nicht anders ist es im Ackerbau. Heuer werden Getreidepreise von 100 Euro je Tonne gezahlt. Davon bleiben pro Hektar auch bei guten Erträgen nicht viel mehr als 150 Euro Deckungsbeitrag.

Ohne Ausgleichszahlungen und Umweltförderungen wäre also kein Staat zu machen. Dementsprechend hoch ist die Abhängigkeit von Direktzahlungen. Sie machen bei einem durchschnittlichen österreichischen Agrarbetrieb fast 25 Prozent der Betriebseinnahmen aus. Das ist fast so viel, wie in den Büchern der Bauern nach Abzug des Aufwandes unterm Strich als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bleibt. Landwirtschaft in Österreich ist also fast ein Nullsummenspiel.

3. Der Spielraum der Bauern ist gering
Die Landwirte haben keinen sehr großen Spielraum, um auf die Krise zu reagieren. In Ackerbau und Viehzucht funktioniert nichts auf Knopfdruck, entsprechend lang sind die Zeiträume für Betriebsumstellungen. Am ehesten ist bei den Kosten zu sparen. Da stehen sich die Bauern mit ihrer Mentalität mitunter selbst im Weg. Zu stark ist oft der Hang, groß zu bauen und zu wenig ausgeprägt ist die Neigung, in der Nachbarschaft zusammenzuarbeiten. Vor allem die teuren Maschinen und Geräte werden noch zu wenig gemeinsam genutzt.

4. Die Magazine der Agrarpolitik sind leer Die Agrarpolitik steht der derzeitigen Krise hilflos gegenüber. Keine Maßnahme greift gegen den Preisverfall bei Milch. Auch die milliardenschweren Investitionen in Ölmühlen und Biospritwerke retten die Getreide- und Ölsaatenpreise nicht. Selbst der Biolandbau steckt in Schwierigkeiten. Alle Munition scheint verschossen. Dass viele Bauern nicht mehr weiterwissen, obwohl im Durchschnitt jährlich rund 13.000 Euro allein an Ausgleichzahlungen, Umweltprämien und Investförderungen auf die Höfe fließen, ist ein Alarmzeichen. Auf Hilfe aus Brüssel zu hoffen, scheint vergebliche Liebesmüh. Dort stehen die Weichen auf freien Markt und weniger Geld für die Bauern.

5. Was bleibt, ist die Hoffnung auf Prognosen
Die Bauern können derzeit nichts anderes tun, als auf die Prognosen zu hoffen. Die versprechen zumindest mittelfristig eine steigende Nachfrage und bessere Preise. Ansonsten bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich auf ihre Stärken zu verlassen. Von der Eigenkapitalausstattung der Landwirtschaft etwa können andere Wirtschaftszweige nur träumen. Und die Strukturen als Familienbetriebe erweisen sich gerade in Krisenzeiten wie jetzt als Bollwerke.

Die meisten Bauern jedenfalls wollen alles tun, damit sie auch diesmal halten. Man lebt ja vor allem für den Hof und die Landwirtschaft. Und dafür nimmt man mitunter vieles in Kauf. Bis auf eines – den Betrieb aufzugeben. Wer mit solchen Ideen kommt, lernt die Bauern schnell von ihrer anderen Seite kennen.


Wirtschaft / Print

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