Donnerstag, 1. Oktober 2009
"Unappetitliches" aus dem Notizblock
Ganz abgesehen von der für viele dramatischen Preissituation - was den Milchbauern in den vergangenen Wochen von allen Seiten aufgetischt, vorgemacht und zugemutet wurde, geht in Wahrheit auf keine Kuhhaut. Was sich da im Laufe des Sommers an Zitaten, Informationen und Anmerkungen in meinem Notizblock ansammelte, ist mitunter entlarvend und stellt die Branche in kein gutes Licht. Es wirft nicht nur Fragen des Stils, sondern auch des demokratischen Verständnisses und vor allem des ehrlichen Umgangs mit den Bauern auf. Und es gibt auch eine Ahnung davon, warum es nicht gelingt, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Ich verzichte diesmal ganz bewusst darauf, die Vorgänge zu kommentieren. Die Leser mögen sich selbst ein Bild machen und das Ihre dazu denken. Und das mögen auch die Angesprochenen tun.
Die folgende Auswahl aus all den Zitaten, Notizen und Aussendungen will nichts anderes, als einen Eindruck davon vermitteln, welche politische Kultur man hierzulande pflegt, welches Verhältnis man zu Obrigkeiten hat und wie biegsam manches Rückgrat von Agrariern ist, auch wenn sie sonst gerne als Rebellen auftreten. Bemerkenswert sind sie allemal. Man sollte daran denken, wann immer irgendwer, der vorgibt, die Interessen der Milchbauern zu vertreten, wieder einmal allzu vollmundig daherschwadroniert.
* "Es kann nicht sein, dass sich eine intelligente Minderheit von einer deppaten Mehrheit pflanzen lässt." (IG-Milch Obmann Ewald Grünzweil auf der Rieder Messe in jener Versammlung, in der zum Milchstreik und Bauernaufstand aufgerufen wurde.)
* Am 16. September kündigt die IG-Milch an, dass sie zwei Tage später einen Gesprächstermin bei Bundeskanzler Werner Faymann hat. Am 18. September verschickt der ÖVP-Pressedienst eine Aussendung, dass sich die Bauernbundspitze zu einer Aussprache mit Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll trifft.
* "Die IG-Milch ist für das heutige Informationsgespräch mit Herrn Bundeskanzler Werner Faymann im Bundeskanzleramt sehr dankbar und ist beeindruckt, dass der Herr Bundeskanzler nicht nur enormes Interesse, sondern auch großes Verständnis und persönliche Betroffenheit zum Ausdruck brachte." (Aus einer Presseaussendung der IG-Milch nach dem Besuch bei Faymann.)
* Der Direktor einer Molkerei in der Obersteiermark weist in einem Telefonat Gerüchte weit von sich, dass in seinem Betrieb Analogkäse erzeugt wird. Einen Monat später gibt er dem Verein für Konsumentenschutz gegenüber zu, dass das doch geschieht - "aber nur für den Export".
* Die Molkereien klagen den ganzen Sommer hindurch über die dramatische Lage auf dem Milchmarkt. "Wir können nicht mehr auszahlen, als wir verdienen", heißt es immer wieder. Allenfalls die Talsohle sei erreicht. Und dann geht es auf einmal doch und der größte Milchverarbeiter Österreichs kündigt plötzlich eine Erhöhung der Erzeugermilchpreise an. Fünf Tage vor der Landtagswahl in Oberösterreich - und wenige Wochen, nachdem die Übernahme der Welser Landfrisch endgültig unter Dach und Fach war, die vom Land immer forciert wurde.
Die Bauern sollen trotzdem glauben, dass alle immer nur die Interessen der Milchbauern und sonst gar nichts vor Augen haben. Eine Kollegin brachte auf den Punkt, was das ist. "Alles unappetitlich", hat sie gesagt.
"Blick ins Land" Nr. 10/09 vom 01.10.2009
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