Montag, 21. Dezember 2009

Bauern geraten in ein Dilemma





Dass Österreichs Bauern in der EU schon jetzt Umwelt-Musterschüler sind, kann ihnen in Zukunft schaden.


HANS GMEINER Brüssel (SN). Umweltauflagen und Umweltmaßnahmen werden für die Bauern in Zukunft noch bedeutender werden als bisher. Denn künftig soll die EU-Agrarpolitik die Vergabe von Mitteln stärker an die Einhaltung von Umweltvorschriften binden – so zumindest der derzeitige Stand der Diskussion über die Gestaltung der Agrarpolitik nach 2013. Statt allgemeiner Betriebsprämien, die man kürzen will, sollen für die Bauern Prämien für die Teilnahme an Umweltprogrammen als Einkommensbestandteil eine wesentlich größere Rolle spielen als bisher.

Österreichs Bauern könnte das besonders unter Druck bringen. Während für die Bauern in den meisten anderen EU-Staaten der Einstieg in Umweltprogramme und andere Maßnahmen im Bereich Ländliche Entwicklung die Möglichkeit bietet, Einbußen bei den Betriebsprämien und damit beim Einkommen auszugleichen, tun sich Österreichs Bauern schwer damit. Denn sie gelten schon jetzt als EU-Musterschüler, was Umfang und Nutzung von Umweltprogrammen und Mitteln aus dem Titel Ländliche Entwicklung anlangt. Was nun in Brüssel diskutiert wird, ist bereits seit Jahren Kurs der heimischen Agrarpolitik. Entsprechend schwierig ist eine weitere Ausweitung.

Während EU-weit derzeit nur 21 Prozent der Agrarausgaben auf die Ländliche Entwicklung und damit auch auf Umweltmaßnahmen entfallen, ist das Verhältnis in Österreich traditionell seit Langem nahezu umgekehrt. Unter Berücksichtigung der Beiträge der Bundesländer liegt bei uns der Anteil der Ausgaben für Agrarumweltprogramme, Bergbauernzuschüsse und Investitionsförderungen für Projekte im ländlichen Raum bei 68 Prozent (von Gesamtmitteln in der Höhe von knapp 1,8 Mrd. Euro). Das ist, was den prozentuellen Anteil betrifft, europaweit ein Rekordwert.

Zwischen 30 Maßnahmen können die Bauern wählen. Der Bogen reicht von Biolandwirtschaft über Maßnahmen zur Düngerbeschränkung bis zu speziellen Tierhaltungsformen. Auch wenn die Bauern über die Auflagen und die damit verbundene Bürokratie mitunter laut klagen, nutzen sie das Angebot. 120.000 Landwirte nehmen an diesen Programm teil.

Der Spielraum, dieses Einkommensstandbein auszubauen, ist denkbar gering, zumal große Posten wie die Bergbauernzuschüsse schon jetzt außer Streit gestellt sind. In Brüssel weiß man um das Dilemma, auf das Österreich zusteuert. „Die Anforderungen an die Bauern sind sehr hoch und die Frage ist, wie weit man noch gehen kann“, sagt der gebürtige Steirer Peter Kaltenegger von der Generaldirektion Landwirtschaft in der EU-Kommission. „Wir wollen ja, dass die Landwirte mitmachen, um unsere Ziele etwa auch im Bereich Umwelt zu erreichen.“

Der Druck ist auch in Brüssel groß. „Es gibt momentan eine sehr ungute Orientierung der Umweltdiskussion in Richtung Schutz von Boden, Wasser und Luft“, befindet Martin Scheele, in der Generaldirektion Landwirtschaft für die Themen Umwelt, GVO und genetische Ressourcen zuständig. Er befürchtet, dass dabei das Kind mit dem Bad ausgeschüttet wird. „Wir müssen uns auf widrigere Verhältnisse einstellen“.

Was wirklich kommt, weiß freilich noch niemand. „Die Zukunft steht in den Sternen“, sagt Kaltenegger. Dass der Ende Jänner ins Amt kommende neue Agrarkommissar aus Rumänien, Dacian Ciolos, die laufende Diskussion großartig umdrehen wird, gilt als unwahrscheinlich. Aber immerhin redet in Zukunft wieder ein Österreicher ganz oben mit: Ciolos holte mit Georg Häusler einen Österreicher als Kabinettschef.


Wirtschaft / 21.12.2009 / Print

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