Donnerstag, 13. Juni 2013

Picksüsse Gaukler



Man kennt die Schalmeientöne, die angeschlagen werden, wenn es darum geht einem die Brieftasche zu öffnen. Da wird versprochen, was man hören will, da wird einem zugesichert, was man wünscht, da wird alles getan, um den Eindruck zu erwecken, man sei auch dann bestens aufgehoben, wenn man Hilfe braucht. "Alles kein Problem, der Kunde ist bei uns König, Service wird bei uns groß geschrieben, darauf können Sie sich verlassen“.

Von wegen. Sehr oft ist dann bald nichts mehr von all dem, was einem versprochen wurde, ehe man die Brieftasche öffnete, oder den Vertrag unterschrieb. Da funktioniert die Wirtschaft ganz wie die so gerne und inbrünstig gescholtene Politik oder Verwaltung.

Die Leute, mit denen man geredet hat, sind mit einem Mal unerreichbar, man weiß nichts mehr von Terminen, es ist plötzlich diese und jene Leistung "leider nicht im Preis enthalten“. Dann ist man ganz alleine, wenn die Waschmaschine, der Computer, das Handy, das Auto nicht funktioniert, wie es sollte, wenn sich der Putz von der Wand löst oder das Schnitzel versalzen ist. Das ist in Handel und Gewerbe so, im Tourismus und in der Gastronomie, bei Ärzten und in Spitälern und im Geschäft zwischen Unternehmen so. Das ist überall so.

Dann ist nichts mehr mit "Bei uns wird Service groß geschrieben“. Dann heißt’s mitunter stundenlang in Hotlines oder Wartezimmern herumhängen, wochenlang warten auf Reparaturen. Dann heißt‘s extra zahlen schon für einen Kostenvoranschlag. Dann heißt‘s vor allem ärgern. Man muss sich viel gefallen lassen als Konsument und Kunde. Da nehmen sich die so oft gescholtenen Ämter und Behörden dagegen zuweilen als harmlos aus.

Dass das Meinungsforschungsinstitut Gfk Austria in einer Presseaussendung den Titel "Servicewüste Österreich“ verwendet, nimmt nicht wunder. "Rund 50 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben aufgrund schlechter Erfahrungen mit dem Kundenservice schon Anbieter gewechselt“, hat man in einer Umfrage herausgefunden.

Es ist bemerkenswert, was man sich zuweilen gefallen lässt. Nicht nur als Konsument und Kunde von Unternehmen. Auch als Patient bei Ärzten und in Spitälern muss man eine dicke Haut haben, wenn man etwas mit Behörden und Versicherungen zu tun hat oder wenn man auf Flughäfen warten muss. Oder wenn man es mit Notaren zu tun hat, die es über die Jahrzehnte der Liberalisierung geschafft haben, sich in Österreich immer noch ihr Gebietsschutz-Refugium zu verteidigen. Da kann man es sich leisten, die Bedürfnisse der oft älteren Kundschaft nonchalant zu ignorieren und in Bürohäusern ohne Lift in den - wohl billigeren - oberen Stockwerken zu residieren. Wie die "Kundschaft“ zu ihnen kommt, ist deren Problem, sie müssen ja kommen.

Die Servicekultur liegt darnieder im Österreich, das sich gerne für besonders freundlich und zuvorkommend hält. Vor allem fehlt es oft an Professionalität und Ehrlichkeit. Man lässt die Dinge schleifen, man baut Luftschlösser und man gibt sich zuckersüß, wo man eigentlich bitterböse ist. Fremdenverkehr, Gastronomie, Ämter und Handel und Gewerbe liefern Tag für Tag Beispiele dafür.

Dass Service, Kundenfreundlichkeit und Zuverlässigkeit zu immer wichtigeren Wettbewerbsfaktoren werden, ist nur wenigen bewusst. Dabei ist Österreich genau darauf angewiesen. Nicht nur im Fremdenverkehr. Auch in allen anderen Wirtschaftszweigen. Wenn man sich schon schwer tut, mit Preisen und Kosten international mitzuhalten, sind Nähe und Service die großen Atouts im Geschäft, das immer schneller und internationaler wird. Die Zahl der Alternativen der österreichischen Servicewüste zu entkommen, wächst dank Internet rapid. Und sie werden auch genutzt. Die Entwicklung des Internethandels ist ein beredtes Beispiel dafür.

Dieser Tage sorgte wieder für Aufmerksamkeit, dass Österreich in einem internationalen Ranking der wettbewerbsfähigsten Länder zurückgefallen ist. Wieder einmal. Von Rang elf innerhalb von nur sechs Jahren auf Rang 23. Man ist es schon gewohnt. Das hat mit vielem zu tun. Hohe Löhne und Sozialabgaben werden in diesem Zusammenhang gerne genannt, Defizite in Bildung und Ausbildung, die zuweilen überbordende Bürokratie und vieles andere mehr. Das hat auch damit zu tun, dass Österreich zur Service-Wüste wird. Misanthropen machen die Stimmung, picksüße Gaukler und hantige Scharfmacher. Sehr oft vorbei an den Erfordernissen der Zeit und abseits der Bedürfnisse der Menschen in diesem Land. Und immer ganz anders, als man es versprochen hat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Juni 2013

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1