Donnerstag, 27. Juni 2013
Neue Regeln für die Bauern
Die EU-Landwirtschaft wird grüner. Österreichs Bauern, Vorbild dafür, hätten fast draufgezahlt.
Die EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger (ÖVP) kämpfte in den vergangenen Tagen um ihre Gelassenheit. „Demokratie ist ganz schön anstrengend“, sagt die Kärntnerin, die als Berichterstatterin im Agrarausschuss des EU-Parlaments das Ringen um die EU-Agrarreform hautnah miterlebte. Erstmals durften die Parlamentarier bei einem großen Thema wie der Gestaltung der europäischen Landwirtschaftspolitik für die Jahre 2014 bis 2020 mitreden. Und entsprechend schwierig gestaltete sich die Entscheidungsfindung. Seit Mittwoch scheint aber alles unter Dach und Fach zu sein. Nach Dutzenden Abstimmungsrunden einigte man sich auf eine Reform der europäischen Agrarpolitik. Informell freilich nur. Denn, ob gültig wird, was ausgemacht wurde, liegt in der Macht des Plenums des EU-Parlaments, das die endgültige Ausgestaltung des EU-Finanzrahmens abwarten will. Nicht alle Beobachter sehen daher die Agrarreform bereits in trockenen Tüchern. Im Frühjahr hat das Plenum schon einmal Vereinbarungen des Agrarausschusses gekippt.
Einstweilen freut man sich, ein Ergebnis vorweisen zu können. Die Bauern in ganz Europa warten seit Langem darauf. Sie wollen wissen, worauf sie sich einstellen müssen. Bisher wissen sie nur, dass es für die nächsten sieben Jahre aller Voraussicht nach um 50 Mrd. Euro weniger für die Landwirtschaft geben wird. Das legten die EU-Staats-und Regierungschefs im Februar fest.
Die nunmehr geplante Reform ist kein großer Schnitt, sondern die Weiterentwicklung der bisherigen Agrarpolitik. Mit weniger Geld soll die Landwirtschaft in Europa in Zukunft grüner werden. Die Ausgleichszahlungen werden EU-weit stärker an die Einhaltung von Umweltmaßnahmen gebunden. Geplant ist auch, die Hektarprämien der Bauern EU-weit sukzessive anzugleichen. Die Zahlungen für Großbetriebe sollen ab 150.000 Euro in Fünf-Prozent-Schritten reduziert werden. Die Einführung einer Obergrenze von 300.000 Euro scheiterte an Ländern wie Deutschland oder Großbritannien. Für bisherige Trittbrettfahrer des Fördersystems, wie Flughäfen oder Golfplätze, soll es künftig keine Agrargelder mehr geben.
Für die Märkte kommen von der Agrarreform unterschiedliche Signale. Während die Marktordnungen für Milch 2015 und jene für Zucker 2017 auslaufen sollen, will Brüssel auf Druck des EU-Parlaments in Zukunft vor allem in Krisensituationen verstärkt in die Lebensmittelmärkte eingreifen.
Grundsätzlich komme die Reform Österreich in vielen Punkten entgegen, meint Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich. Für ihn waren ausgerechnet die Pläne, die europäische Landwirtschaft insgesamt grüner zu machen, die größte Herausforderung. Er hatte alle Hände voll zu tun, dass es nicht just deswegen zu Verschlechterungen für Österreichs Bauern kommt. Denn die arbeiten traditionell seit Langem mit wesentlich höheren Standards als die meisten ihrer EU-Kollegen. Erst in den letzten Verhandlungswochen gelang es, ein Modell durchzusetzen, das die österreichische Landwirtschaft, die der EU als Vorbild diente, vor finanziellen Verlusten bewahren und die hohen Standards absichern soll.
Abgesichert werden konnten auch Extrazahlungen für die Bergbauern. Für die sogenannten benachteiligten Gebiete, in denen es Sonderzahlungen für die Bauern gibt, wird es erst 2018 neue Kriterien geben. Sonderzahlungen sollen Jungbauern künftig die Hofübernahme erleichtern. Und auch für die sogenannten ökologischen Vorrangflächen, die von den heimischen Agrariern als Stilllegungsflächen abgelehnt wurden, gibt es eine Lösung, die die Nutzung für den Anbau von Soja und ähnlichen Pflanzen ermöglicht.
Worauf man sich nun in Brüssel einigte, muss freilich erst in Form von Gesetzen und Verordnungen praxistauglich gemacht werden. Der Weg dahin ist lang. Themen wie die Gestaltung der Umweltprogramme, die Bioförderung oder die Kofinanzierung von Maßnahmen durch Bund und Länder bieten reichlich Zündstoff. Nägel mit Köpfen werden in Österreich wohl erst nach den Wahlen im September gemacht werden können, zumal der Nationalrat im Juli seine letzte reguläre Sitzung hat.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. Juni 2013
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