Donnerstag, 20. Februar 2014

Politisches Organversagen



Österreichs Politik steht zerzaust da wie noch selten. Nach der Hypo-Alpe-Adria-Offenbarung ist allerorten vom politischen Bankrott die Rede und politischen Notstand. Kopfschütteln, Zorn und Schimpftiraden überall. Was da passiert und wie man damit umgeht, ist nichts als blanker Hohn für jeden ehrlichen Steuerzahler und gutgläubigen Wähler. Ein desaströses politische Organversagen, das auf Jahre hinaus nicht nur das Budget über Gebühr belastet. Es beschneidet, und das ist in der gesamten Tragweite derzeit wohl kaum einzuschätzen, massiv die politischen Möglichkeiten, Österreich den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und internationalen Anforderungen entsprechend weiter zu entwickeln.

Statt Wirtschaft und Gesellschaft zu entfesseln, legen die Haftungsverpflichtungen der Politik enge Fesseln an. "Da fliegt ihre Pensionserhöhung" schrieb seinerzeit die SPÖ in dicken Lettern unter ein Eurofighter-Bild und versuchte Stimmung gegen den Kauf der Abfangjäger zu machen. Um zwei Milliarden Euro ging es damals. Was in Zukunft angesichts der nunmehr möglicherweise 16 fehlenden Milliarden alles nicht möglich sein wird, mag man sich gar nicht ausmalen - wenn es denn wirklich 16 Milliarden Euro sind.

Denn die Unsicherheit über die Höhe der möglichen Zahlungsverpflichtungen führt von der Oberfläche der politischen Streitereien dorthin, wo es wirklich krankt und wo massiver Handlungsbedarf besteht. Wie schon bei der Diskussion ums Budgetloch kann auch diesmal niemand genaue Zahlen nennen. Die Unsicherheit mag im Fall der Hypo Alpe Adria verständlicher sein, weil die Höhe der Summe entscheidendend von den Verwertungserlösen abhängen wird -sie ist dennoch ein Zeichen dafür, auf welch sandigem Grund hierzulande Entscheidungen, wirtschaftliche wie politische, gefällt werden. Solide Geschäftsgrundlagen schauen jedenfalls ganz anders aus.

Dass so etwas möglich ist, wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Organe und Einrichtungen, die für die Überwachung und Kontrolle eben dieser Geschäftsgrundlagen zuständig sind.

Aufsichtsrat, Bankenaufsicht, Rechnungshof und wie die Einrichtungen alle heißen, die sonst so gerne und mit Inbrunst in Akten und Unterlagen kramen -sind sie alle nur Papiertiger, blind für die entscheidenden Fehlentwicklungen? Zuweilen drängt sich der Eindruck auf.

Handlungsbedarf besteht allenfalls, wenn trotz eines stetig weiter steigenden Kontrollaufwandes, der in vielen Unternehmen, zumal in Banken, längst als Arbeitsbehinderung und oft als Schikane aufgefasst wird, die Schadenssummen immer größer werden. Schäden wie jene, die mit der Hypo Alpe Adria, aber auch mit anderen Unternehmen angerichtet wurden, allein auf Dummheit, Leichtsinn oder kriminelle Energie zurückzuführen, greift zu kurz. Da geht es wohl auch um strukturelle Defizite. Die Kontrolleinrichtungen werden mit ihren gelernten Methoden den Anforderungen das heutigen Bankund Wirtschaftswesens nicht mehr gerecht.

Man weiß, das gilt nicht nur für Österreich, sondern ist längst auch international. Und dennoch ist es besonders erbärmlich, wie in Österreich damit umgegangen wird. In der nachträglichen Beurteilung erweist man sich wieder einmal allerorten als Spitze. Von den Wirtschaftsforschern, über die Nationalbank bis hin zu den Oppositionspolitikern.

In Wahrheit aber ist das Schauspiel, das den Wählern und Steuerzahlern geboten wird, nur erbärmlich zu nennen. Der Bundeskanzler geht in der schlimmsten Woche seiner Regierungszeit auf Tauchstation und beschränkt seine Tätigkeit auf das Versenden von Glückwunschtelegrammen an Olympiasportler. Seine Kärntner Parteifreunde putzen sich ab, als hätten sie nie etwas mit ihrer Hypo zu tun gehabt. Und H.C. Strache, der Führer jener Partei, deren Proponenten dem Land das ganze Desaster eingebrockt haben, hat gar die Stirn, jene, die das Problem nun zu handeln haben, ungeniert zu attackieren.

Zu verübeln ist Strache und Konsorten ihr Verhalten freilich nicht. Denn ihre Strategie scheint aufzugehen. Angepatzt von oben bis unten ist Finanzminister und VP-Obmann Michael Spindelegger der einzige, der auf der Bühne steht und auf dem aller Unmut abgeladen wird -und der mitsamt seiner Partei daran zu zerbrechen droht. Aber er hat dieses Amt, man weiß es und wundert sich immer mehr darüber, unbedingt gewollt.

Ob in dieser Konsequenz freilich, wie sie sich nur darstellt, sei dahingestellt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Februar 2014

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