Donnerstag, 10. Juli 2014
Ärgerliche Mysterien
Es gibt Kleinigkeiten, die regen jederfrau und jedermann sofort auf, sorgen für dicke Schlagzeilen und heftige Diskussionen. Wochenlang, oft monatelang. Verspätungen bei der Eisenbahn, Krawatten von Moderatoren, Bundeshymnentexte. Man echauffiert sich, man hyperventiliert, man twittert auf Teufel komm raus. Das ganze Land schier hat einen dicken Hals und einen roten Kopf vor lauter Aufregung.
Und dann gibt es Dinge, die wirklich lästig sind und unverständlich und oft auch kostspielig und zeitraubend, die das alles nicht tun. Die scheinen keinen aufzuregen, die scheint man mit stoischer Gelassenheit hinzunehmen, die werden schöngeschrieben und noch schöner geredet. In der daueraufgeregten Welt nehmen sie sich als Mysterien aus. Die Beispiele häufen sich.
Sie tauchen aus dem nichts auf, sind mit einem Mal da, werden mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit alsbald von allen Seiten als Notwendigkeit akzeptiert, der sich zu beugen ist und sehr schnell und ohne viel Aufhebens Teil des täg lichen Lebens. Und das, obwohl der Sinn oft kaum erkennbar ist. Selbst ansonsten verlässlich kritische Instanzen, zumal solche, denen es um die Aufrechterhaltung der Ruhe und eigenen seelischen und finanziellen Unversehrtheit geht, halten mit erstaunlicher Ausdauer still und fügen sich dem offenbar Unausweichlichen.
Die so protest-wie klaglose Einführung von IBAN und BIC ist ein solches Mysterium, das lautlos in unser Leben kam. Niemand regte sich auf, niemand hyperventilierte. Alles blieb ruhig. 20 Ziffern und Buchstaben, die die vertrauten Bankleitzahlen und Kontonummern ersetzen. Diese zuweilen endlose Folge von Nullern, die oft nur mit den Fingern nachzuzählen sind. Diese Zahlenkolonne, eine Quelle permanenter Fehler, die regte niemand auf. Keine Seniorenvertreter, die sonst wegen jeder zu hohen Gehsteigkante auf die Barrikaden gehen, keinen Konsumentenschutz, der sich zuweilen um Schadstoffe in Gummistiefeln sorgt, als ob man in die beißen würde, und keiner der Politiker, die sich sonst so gern um die privatesten Dinge annehmen.
In die nämliche Kategorie fällt auch das Pensionskonto, das allerorten für wünschenswert und gut gehalten wird und das die Politik als Erfolg feiert. Warum der ganz Zirkus? Warum die oft dreimaligen Mahnungen? Warum die vielen Aufrufe? Warum der Millionen teure Papierkrieg? Wo man doch annehmen müsste, dass ohnehin alles aufliegt. Jede Beschäftigung muss gemeldet werden, die Sozialversicherungen müssten über alle Daten Bescheid wissen. Man hat ja seinerzeit alles korrekt an-und abgegeben und beantragt. Und sich drauf verlassen, dass alles in guten Händen ist. Eigentlich wäre also anzunehmen, dass die Höhe der zu erwartenden Pension oder die persönlichen Grundlagen für deren Berechnung vorhanden sind.
Also, wozu das jetzt wieder? Hat da jemand etwas verschlampt? Aber, es wird akzeptiert und abgefeiert als eine tolle Leistung im Sinne von Transparenz und Bürgernähe, dabei ist es doch nichts anderes als eine kostspielige Dokumentation des Versagens und ein eindrückliches Beispiel dafür, wie in diesem Land ohne Not und mitunter mit größer Begeisterung und Überzeugung Geld verbrannt wird. Und Beleg dafür, dass man sich um einen allwissenden Überwachungsstaat in Österreich keinen Kopf zu machen braucht.
In diese Richtung schlägt auch die jüngste Erhebung der Daten für die Feststellung der Einheitswerte, mit der die heimischen Landwirte just in diesen Wochen drangsaliert werden. Ausgerechnet während der Erntezeit und wo auf den Bauernhöfen ohnehin Hochbetrieb herrscht. Und auch dort bieten sich tiefe, überraschende und ärgerliche Einblicke in die Untiefen der heimischen Verwaltung. Wäre ja nicht Österreich.
Da kann es schon vorkommen, dass für ein und dasselbe Grundstück drei verschiedene Flächengrößen auf einen Nenner zu bringen sind, weil die im Antrag vorgedruckte Fläche weder mit den auf dem aktuellen Grundbuchsauszug, den Angaben von einem zehn Jahre alten Auszug noch anderen verfügbaren Flächenangaben zusammenpasst. Woher das Finanzamt seine Zahlen hat, bleibt ein Rätsel.
Wie so vieles in diesem Land, in dem es dennoch nicht und nicht gelingen mag, die öffentlichen Ausgaben zu senken. Was freilich, wie man sieht, bei Licht betrachtet nicht Wunder nimmt.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. Juli 2014
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