Die Obstbauern klagen, die Schweinebauern, die Milchbauern.
Die Lage sei schlimm, ja existenzbedrohend. Allerorten wird fest draufgedrückt.
Von den Bauern selbst, und noch viel mehr von ihren Vertretern. Nur wenn in der
Zeitung steht "Den Bauern geht's schlecht", scheint es ihnen gut zu
gehen. Auch den Bauern gefällt das.
Man hält es offenbar für das höchste Ziel, eine Stimmung zu
verbreiten, in der die Bauern als bedürftige Opfer da stehen. Nachgerade
schleimend heischt man mitunter um Verständnis und Mitleid. Oft abseits der
Realität, oft ziemlich frech und vorlaut und oft, um eigenes Versagen zu
kaschieren.
Die Unterschrift Putins unter Russlands Importstopp war noch
gar nicht trocken, da riefen die Apfelbauern, die auch ohne Russland vor
enormen Vermarktungsproblemen gestanden wären, bereits nach Unterstützung. Auch
die Vertreter der Schweinebauern meinten den günstigen Wind nutzen zu müssen.
Dabei waren Schweinexporte nach Russland wegen der afrikanischen Schweinepest
schon seit dem Frühjahr nicht mehr möglich. Und bei der Milch lenkt man lieber
das Licht auf Putin, als darauf, dass man den Milchsee, in dem man nun wieder
schwimmt und der auf die Preise zu drücken droht, selbst durch kaum je da
gewesene Überlieferungen verursacht hat. Genauso wie man lieber den Teufel
drohender Bauernmilchpreissenkungen an die Wand malt und dabei vergisst zu
sagen, dass in den vergangenen Monaten die Erzeugermilchpreise so hoch, wie
kaum je zuvor und sogar auf dem Vor-EU-Niveau waren.
Keine andere Branche redet sich permanent selbst derart
schlecht und hilflos, wie die Landwirtschaft. Als ob es nur Unfähige und
Betrogene wären, die in der früh in die Gummistiefel steigen, um in den Stall
zu gehen, die Getreide, Milch und Fleisch erzeugen und die Landschaft in Schuss
halten. Die nichts können und dem bösen Handel, den bösen Arbeiterkämmerern,
der bösen EU oder Wladimir Putin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.
Keine andere Branche hat derart viele Vertreter, die just
genau das für ihre vorderste Aufgabe halten. Permanent erklären sie, was fehlt,
was falsch läuft und wer dafür schuld ist. Dass sie damit, bei Licht
betrachtet, nichts anderes tun, als ihre eigenes Versagen in die Auslage zu
stellen und ihre Unfähigkeit zu beklagen, sehen sie nicht.
Für die heimische Landwirtschaft, die Bauern und auch die
Politik, ist diese zur Kultur gewordene Miesmacherei längt zum Mühlstein
geworden. Immer mehr Bauern haben die Nase voll von der ewigen Raunzerei und
davon, permanent den Stempel eine hilflosen Verlierers, der immer und überall
Beistand, Verständnis und Sonderbehandlung braucht, aufgedrückt zu bekommen.
Die Stimmung, die in der Öffentlichkeit transportiert wird,
stimmt zum Glück immer seltener mit der Realität auf den Höfen überein. Und -
das sei angefügt - auch nicht mit dem Erscheinungsbild der Bauernhäuser, der
Stallungen, der Maschinen-Ausstattung und der Autos.
Denn die, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, die
sich nicht mehr auf öffentliche und politische Alimentation und Bevormundung
verlassen wollen, werden mehr. Sie entscheiden sich selbstbewusst für die
Landwirtschaft. Sie wissen, was sie erwartet und sie wissen, was möglich ist.
Daraus wollen sie etwas machen, das wollen sie zu ihrem Leben machen.
Und sie wissen auch, dass derzeit die Situation in vielen
Bereichen alles andere als einfach ist. Aber sie wissen auch, dass es wieder
anders wird.
Genau so, wie das in vielen anderen Branchen gilt.
Gmeiner meint - Blick ins Land 11/14, 6. November 2014
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