Freitag, 27. Februar 2015

60 Millionen "nicht erwähnenswert"



60 Millionen Euro sind viel Geld. Zumal in der Landwirtschaft. Das hätten viele gerne. Dafür würden manche viel geben. Und um so eine Summe haben schon viele gekämpft. Mitunter mit Haken und Ösen. Damit würde sich viel machen lassen. Damit wäre auch vielen geholfen.

Vielen, aber nicht allen. Zumindest nach Einschätzung des einen oder anderen Politikers in diesem Land. Und sei er noch so jung. Und hat er einem bisher immer als Hoffnung gegolten dafür, dass sich ein neues Denken breit macht. Wie der Präsident der österreichischen Weinbauern etwa. Der gilt, seit er die politische Bühne betreten hat, als hoffnungsvoller Nachwuchs der heimischen Agrarpolitik, sitzt längst im Nationalrat und wurde vom Minister sogar damit betraut, einen Arbeitskreis zu betreuen, der für den Pflanzenbau eine Strategie für die Zukunft entwickeln soll. 

Dieser junge Präsident schätzt die 60 Millionen Euro, die da ihm und seinen Kollegen im Zuge der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik hineingeschneit sind, offenbar gar nicht. Schon im Vorjahr ließ er bei einer Pressekonferenz beiläufig wissen, dass die 60 zusätzlichen Millionen an Flächenprämien, die den Weinbauern nun erstmals bis 2020 zustehen "nicht erwähnenswert" sind. Sie seien "nicht betriebswirtschaftlich spürbar" habe er gesagt, wird kolportiert. Er lässt davon nicht ab. In einem Interview in einer Weinbau-Zeitschrift ließ er erst kürzlich wieder wissen, dass es sich dabei "um eher bescheidene Größenordnungen" handle.

60 Millionen "nicht erwähnenswert" - was denkt sich da der Bergbauer im Tal ganz hinten und ganz oben? Was der Chef der Biobauern, der so lange mit dem Minister um zusätzliches Geld gerungen hat? Was der kleine Ackerbauer im Industrieviertel? Und was der Milchbauer im Mostviertel?

Es wird wohl nichts Gutes sein.

Aber, man soll über den jungen Präsidenten nicht vorschnell herfallen. Denn, so wie er über die Fördermillionen redet, zeigt, dass er Landwirt ist. Österreichischer Landwirt. Und das durch und durch. Denn so wie er schätzen viele Bauern in diesem Land die Fördergelder und Ausgleichszahlungen, die sie Jahr für Jahr mit großer Zuverlässigkeit und pünktlichst auf ihr Konto überwiesen bekommen, nur gering. Und als zu gering sowieso.

Das ist Kultur geworden in der heimischen Landwirtschaft. Überall bekommt man zu wenig. Und dass dafür sogar etwas in Form von Auflagen und ähnlichem verlangt wird, empfindet man sowie oft als nichts denn als Zumutung.

Das mag mitunter verständlich sein. Akzeptabel ist es nur selten. Und manchmal drängt sich in Diskussionen der Verdacht auf, viele der heimischen Bauern hätten jeden Bezug zur Realität verloren und glaubten immer noch, die Welt drehe sich ausschließlich um sie und der Rest der Menschheit habe nur für sie da zu sein. Was für den Weinbaupräsidenten die 60 Millionen Euro sind, sind für sie die  100 Euro Prämie pro Hektar für das Grundwasserprogramm, die Extrazahlungen für Bio oder die paar Euro für die Landschaftselemente - "nicht spürbar" und "nicht erwähnenswert".

Dabei wäre mehr Wertschätzung durchaus angebracht. Dass in die Landwirtschaft so viel Geld fließt wie in Österreich ist nicht selbstverständlich. Mehr als zwei Milliarden Euro sind es jährlich, weitaus mehr als die Bauern an Steuern abliefern. Andere hätten so viel Geld gerne. Und wenn die Bauern und mancher ihrer Präsidenten das ohnehin so gering schätzen, könnte es möglicherweise bald ein, das sie es sich auch holen.

Gmeiner meint - Blick ins Land 3-15, 27. Februar 2015

1 Kommentar:

  1. Ich möchte zu diesem Beitrag anmerken, dass die österreichischen Bauern die Ausgleichszahlungen sehr wohl zu schätzen wissen und selbige nicht als selbstverständlich hinnehmen. Aber warum brauchen sie diese Förderungen? Damit der Konsument billig essen kann. Kürzlich im Radio gemeldet, müsste ein kg Schweinefleisch, wenn man nur die Inflation der letzten 20 - 25 Jahre rechnet, 20 Euro kosten. Dasselbe gilt für die Milch. Lag Anfang der 1990er Jahre der Erzeugerpreis bei 7 Schilling, so sind es heute 40 Cent. Von den Förderungen profitiert JEDER Österreicher. Aber wissen DAS alle zu schätzen? Nein, denn sonst würden in Wien nicht täglich so viele Lebensmittel weggeworfen, wie in Graz täglich gegessen wird..

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