Donnerstag, 26. Februar 2015
Kraft-Kammern
Im Kammerstaat Österreich herrscht in diesen Wochen Hochbetrieb. Die Unternehmer in ganz Österreich wählen ihre Vertreter in der Wirtschaftskammer. Am vergangenen Sonntag waren die Salzburger Bauern zu den Urnen gerufen. Und Anfang März sind es die Landwirte in Niederösterreich.
Wer auf sich hält, gibt gerne kund, dass er auf die Kammern nicht viel hält. Das gilt als schick. Man reibt sich gerne wortreich an der Zwangsmitgliedschaft. Und auch über die Verwaltungskosten und die Bürokratie macht man sich gerne her, um den Verantwortlichen ans Zeug zu flicken. Aber die Aufregung über das heimische Kammerwesen war schon einmal größer. Die Diskussionen über die Zwangsmitgliedschaft, die in der Vergangenheit zuweilen für heftige politische Auseinandersetzungen gesorgt haben, sind diesmal genauso überschaubar wie die Ausfälle gegen Kosten und Bürokratie. Die Neos versuchen damit Profil zu gewinnen, der freiheitliche Wirtschaftsverband, der Unabhängige Bauernverband. Man reibt sich wortreich an den Institutionen, auf dass man die eine oder andere Wählerstimme bekomme.
"Wir hackeln fünf Jahre und in den letzten fünf Monaten kommen alle anderen und sind die Oberg'scheiten", beschied dieser Tage Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl diesen Leuten. Man neigt dazu ihm recht zu geben. Auch wenn es vieles zu kritisieren gibt - das System ist im Kern gut. Und die Kammern machen keinen so schlechten Job, wie manche zuweilen suggerieren wollen. Keine der Kammern. Das System, das bis ins Revolutionsjahr 1848 zurückgeht - damals wurde das Handelskammergesetz erlassen - funktioniert. Zumindest im Großen und Ganzen.
Alle Kammern, von den großen wie der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer, den Landwirtschaftskammern bis hin zu kleinen, wie der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und der Notariatskammer, vertreten die Interessen ihrer Mitglieder durchwegs sehr erfolgreich. Man sorgt für eine Bündelung der Interessen, man schafft Stärke durch Zusammenhalt. Das gemeinsame Auftreten verschafft Berufsgruppen ein Standing in Politik und Gesellschaft, das sie ohne straffe Kammervertretung und, auch das sei gesagt, ohne Zwangsmitgliedschaft, nicht hätten. Das gilt für die vielen Unternehmen der heimischen Wirtschaft genauso wie für die Bauern und viele anderen Berufsgruppen. Viele in diesem Land hätten manche Gruppe gerne auseinanderdividiert, weil dann einfacher mit ihnen umzuspringen wäre. Die Zwangsmitgliedschaft trägt sehr viel dazu bei, dass das nicht so leicht möglich ist, wie manche es gerne hätten.
Die Kammern bieten vor allem jenen Schutz, die nicht zu den ganz Starken zählen. Sie sind ihnen Sprachrohr in der Politik, öffnen ihnen den Zugang zum Recht und halten sie über die wichtigen Strömungen und Entwicklungen in den jeweiligen Branchen auf dem Laufenden. Sie sind Ansprechpartner für Fragen, die sich die Unternehmer genauso wie die Bauern und all die anderen, die durch Kammern vertreten sind, in oft mühseliger Weise selbst suchen müssten.
Die Kammer-Mitglieder fahren gut damit. Die allermeisten zumindest. Zweifelsohne und bei aller Kritik, die oft durchaus ihre Berechtigung hat. Das freilich wird gerne vergessen, wenn über die Kammern gepoltert wird.
Dass die Kammern so stark sind in diesem Land, ist jedenfalls für die durch sie Vertretenen gut. Eine andere Frage ist freilich, ob das auch gut für das Land insgesamt ist. Da scheinen Zweifel durchaus angebracht. Denn die starke Vertretung einzelner Berufsgruppen hat auch eine Kehrseite. Sie kann auch auf Kosten anderer Gruppen gehen. Und auch auf Kosten des ganzen Landes. Sie kann blockieren. Und sie kann bremsen.
Manche meinen, dass das längst der Fall ist. Die Fakten sprechen nicht dafür. Die Sozialpartnerschaft ist, auch wenn sie nicht mehr von der Bedeutung vergangener Zeiten ist, nach wie vor eine Erfolgsstory und eine der tragenden Säule dieses Landes.
Das freilich darf kein Grund sein, sich auszuruhen. Denn ganz Unrecht haben jene auch nicht, die Leitl als "Oberg'scheite" abkanzelt. Wenn die Verwaltung, die man sonst so gerne geißelt, überzuborden droht, wenn die Personalkosten da und dort explodieren und die Kammerumlagen stärker zulegen als die Inflation, sollte man das nicht unterschätzen. Denn dann könnten all die Reizthemen von Zwangsmitgliedschaft bis zu Kosten sehr schnell wieder am Tapet sein. Das wäre nicht gut für die Kammern. Aber auch nicht für das Land.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. 2. 2015
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