Donnerstag, 16. April 2015
Ungenutzte Milliarden
Die Gewerbetreibenden hoffen, gaben sie in der Vorwoche kund, dass ihnen die Steuerreform eine Extra-Umsatz-Milliarde in die Kassen spült, weil den p. t. Österreicherinnen und Österreichern, von der Politik versprochen, angeblich mehr netto vom brutto im Börsel bleibt. Im Handel hofft man auf Ähnliches. Und überall anderswo auch. Woher diese Zuversicht, fragt man sich, wo doch schon die vielen Milliarden, die in den vergangenen Monaten die Fährnisse der internationalen Wirtschaft praktisch kostenlos und ganz ohne politisches Getöse mehr Geld im Börsel beschert haben, nicht viel bewirkt haben.
Energie etwa kostet heute im Schnitt um fast zehn Prozent weniger als vor einem Jahr. Legt man zugrunde, dass Österreich in den vergangenen Jahren für seine Öl-und Gasimporte jährlich bis zu 15 Milliarden Euro aufwenden musste, lässt sich erahnen, wie viel Geld da frei geworden ist. Ähnliches gilt für die Zinsen. Weil die Einlagenzinsen noch nie so gering waren, ist auch die Sparquote gering, wie kaum je zuvor. Lag sie zwischen 2005 und 2009 noch bei elf bis zwölf Prozent, so liegt sie nun schon das zweite Jahr hintereinander mit nur mehr 7,5 Prozent ebenfalls auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Leute kaufen lieber ein, als das Geld auf die hohe Kante zu legen. Angesichts der rund 190 Milliarden Euro, über die private Haushalte hierzulande insgesamt als jährliches Einkommen verfügen, kommt richtig viel Geld zusammen, das heute, anders noch als vor wenigen Jahren, statt auf Konten gebunkert zu werden direkt in die Wirtschaft fließt.
Gegen das, was da in den vergangenen Monaten geschah, schaut jedes Konjunkturpaket und jede Steuerreform alt aus. Aber in Österreich versteht man nicht die Situation zu nutzen. Von all dem frei gewordenen Geld, das da Schwung bringen könnte, ist nichts zu spüren. Und auch nicht davon, dass Kredite so wenig kosten, wie kaum je zuvor. Während in anderen Staaten Europas, allen voran in Deutschland, der Konjunkturmotor dabei ist, wieder anzuspringen
-inklusive aller Begleiterscheinungen, wie verbesserte Arbeitsmarktdaten - tut sich in Österreich nichts. Im Gegenteil . Das Land rutscht beständig ab. Die Wirtschaftsforschungsinstitute kommen kaum mehr nach, ihre Prognosen ständig nach unten zu korrigieren, die Arbeitslosenzahlen erreichen immer neue Rekordhöhen und in der Wirtschaft ist die Stimmung schlecht. Österreich kann es offenbar nicht. Und das, obwohl die Voraussetzungen um keinen Deut schlechter sind als in anderen EU-Staaten. Hierzulande aber erfüllte, was immer in den vergangenen Jahren als Maßnahmenpaket zur Belebung der Wirtschaft angekündigt würde, selten die Erwartungen. Strohfeuer waren es allenfalls, die abgebrannt wurden. Kaum je hatte etwas die Kraft, eine Wendung der wirtschaftlichen Stimmungslage in diesem Land herbeizuführen, sondern erstickte schnell im österreichischen Trott.
Was dabei wuchs, ist eine inzwischen allerorten herrschende Verunsicherung, zu der sich immer öfter auch Verdruss gesellt. Es gibt keinen Rückenwind und keine Perspektive. Immer lauter werden die Klagen über das wirtschaftsfeindliche Klima, das in diesem Land herrscht. Wer immer etwas anpacken will, erfährt zunächst Misstrauen, ehe ihm bürokratische Hürden vor die Füße geworfen werden.
"Müdigkeit", konstatierte erst die Woche ein heimisches Politmagazin, sei die neue Modekrankheit. Das passt zur wirtschaftlichen Situation in diesem Land, das von einer weit verbreiteten Kasko-Mentalität vereinnahmt ist, die sich längst in allen Gesellschaftschichten breit gemacht hat. Auch in der Wirtschaft.
Kein Wunder, dass die immer weniger werden, die bereit sind, Risiko zu nehmen. Viel zu oft sind sie die in diesem Land die, die draufzahlen. Ohne Schutz und oft als Freiwild. Dabei bräuchten gerade sie Rückhalt und Unterstützung. Nicht nur von der Politik, sondern von der gesamten Gesellschaft.
Doch dieses Klima gibt es in Österreich kaum. Viel eher, als dass man einem, der Neues versucht, Erfolg wünscht, schließt man darüber Wetten ab, wann er scheitert. Nicht zuletzt damit hat zu tun, dass das alleine durch niedrige Energiepreise und niedrige Zinsen frei gewordene Geld in diesem Land nichts bewirkte. Dem Optimismus, dass das mit der Milliarde, die die Steuerreform zumindest auf dem Papier bringen soll, anders sein soll, haftet Blauäugigkeit an. Aber vielleicht ist er nichts denn Verzweiflung.
Was in diesem Land freilich besser verständlich wäre.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. April 2015
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen