Donnerstag, 18. Juni 2015

Macht-Haberer



Bei den einen war der Schrecken groß, bei den anderen die Freude. Und bei vielen war es Erleichterung. Nach den Wahlen in der Steiermark und im Burgenland scheinen sich in Österreich die politischen Gewichte endgültig zu verlagern. In der SPÖ ist man, wenn auch da und dort unter großen Schmerzen, dabei, sich von der Vranitzky-Doktrin und damit von der Ausgrenzung der FPÖ zu verabschieden. Das ermöglicht neue Kombinationen und Koalitionen -auf dem Papier zumindest. Endlich weg vom ewigen schwarzrot und rot-schwarz hofft man vielerorts. Endlich neue Optionen und endlich die Chance, dem lähmendem Stillstand, der dieses Land seit Jahren im Griff hält, zu entkommen.

Die Hoffnungen, die auf das Aufbrechen der alten Strukturen gesetzt werden, sind verständlich. Optimismus ist aber nicht wirklich angebracht. Denn, was sich nach den Wahlen in den Ländern und in den Parteizentralen im Bund tat, ist nicht dazu angetan, Hoffnung auf Veränderung und mehr Bewegung zu machen. Ganz im Gegenteil. Was da geschah, respektive nicht geschah, gab einen tiefen Blick in die Abgründe der heimischen Politik, in ihre Strukturen und auf das Gedankengut frei, das dort herrscht. Und da war nichts von Offenheit, von einem Willen zu Veränderung, von einem Aufbruch zu neuen Ufern gar. Da war nichts als der Wille, die Macht zu erhalten. Mit allen Mitteln.

Im Burgenland ließ Hans Niessl eherne Grundsätze der heimischen Sozialdemokratie fahren, ging eine Bündnis mit den bis dahin geächteten Freiheitlichen ein und sicherte so den Landeshauptmannsessel und für sich und für seine Freunde und seine Partei die warmen Plätze an der Macht.

Nicht anders verhält es sich mit dem von manchen gar als heroisch bejubelten Vorgehen von Franz Voves in der Steiermark. Dort mag das ehrliche Bemühen eine Rolle gespielt haben, die FP durch den Verzicht auf Landeshauptmann in der steirischen Landesregierung zu verhindern. Eine mindestens ebenso große Rolle aber spielte wohl auch, dass die SP auch in der Steiermark nicht von der Macht ablassen wollte und darum in einem Akt der Selbstverleugnung sogar den Verzicht auf den Landeshauptmann in Kauf nahm, um auch in Zukunft zumindest als kleiner Regierungspartner an den Hebeln der Macht zu sitzen.

Und Schützenhofers Coup, den Landeshauptmannsessel zu erobern, finden wohl nur ÖVP-Hardliner als Triumph und Bestätigung der Politik. In Wahrheit ist es wohl nichts denn das Ergebnis des dreistesten Machtpokers, der im Gefolge dieser Wahlen gespielt wurde. Und auchdie, die sich jetzt anschicken, überall an die Macht zu kommen und die sich so gerne als Alternative sehen, sind um keinen Deut besser. Und damit sind nicht nur die zuweilen verqueren und oft erschreckenden politischen Ansichten gemeint. Auch den Freiheitlichen fehlt jedes Format, das sie von anderen so gerne einfordern. Und sie unterscheiden sich in nichts, wenn es um den Zugang zur Macht geht.

Nachgerade entlarvend war, was die designierte dritte Präsidentin des burgenländischen Landtages dieser Tage im Fernsehen auf die Frage sagte, worauf es jetzt ankomme, wo man doch so viele neue Posten bekomme. "Dann wird es wichtig sein, dass sich jeder vorbereitet und dass wir alle gut unterbringen", sagte die forsche Dame ohne jeden Anflug von Zurückhaltung ins Mikrofon. "Es wird nicht jeder alles, was er gerne gehabt hätte, haben können." Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, fügt sie an: "Im Gespräch werden sicher alle das bekommen können, was sie sich wünschen."

Politik als Wunschkonzert und Selbstbedienungsladen für Politiker also. Nur in einer anderen Farbe. Die Freiheitlichen entlarven sich nicht nur damit als eine Partei genau des Stils, den sie bei den bisherigen Großparteien so heftig kritisierten.

Das dämpft die Hoffnung, dass sich etwas ändert in diesem Land und auf die neuen Optionen, die sich möglicherweise auftun. Wo und ob die Freiheitlichen in eine Regierung kommen oder nicht, wird wohl am grundsätzlichen Stile wie in diesem Land Politik verstanden und gemacht wird, nichts ändern. Und daher wohl auch nichts an dem, worunter dieses Land leidet - an seinen Strukturen, an seinen überbordenden Ausgaben, an seiner Bürokratie. Es führt lediglich vor Augen, wie sehr es wirklich an Alternativen fehlt. Und nicht mehr.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Juni 2015

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