Donnerstag, 3. März 2016

Die verkehrte Welt der Bauern



Das Transatlantic Trade and Investment Partnership-Abkommen, respektive das dafür verwendete Kürzel TTIP, bringt in diesem Land viele auf die Palme, sobald es nur von irgendwem in den Mund genommen wird. Auch unter den Bauern. Dort sind es vorzugsweise jene, die ihr Geld mit Sonderkulturen und Spezialitäten verdienen und jene, die biologisch wirtschaften. Dabei sind es wohl kaum sie, die sich vor offenen Märkten und einer direkten Konkurrenz aus Übersee fürchten müssen. Viel eher wohl bietet ihnen das, was sie befürchten und wovor sie warnen, die Möglichkeit sich noch besser auf den Märkten mit ihren Produkten zu profilieren und Geschäfte zu machen. Auf dem Heimat-Markt und vielleicht dereinst auch gar einmal im schlagzeilenträchtig so gehassten Amerika.

Gleiches gilt übrigens auch für die großen Lebensmittelhandelsketten, die ob der "Gefahr aus Übersee" gerne medienwirksam Krokodilstränen verdrücken und sich dabei auch noch willig und voller Mitleid für die bedrohten "kleinen" Bauern ablichten lassen. Das ist freilich nichts als PR, die das Image aufpolieren soll. Davon, dass sie es sind, die sie mit ihrer Einkaufspolitik schon jetzt zu den Schwierigkeiten der heimischen Landwirtschaft beitragen, ist da selbstverständlich keine Rede. Und nicht davon, dass sie es sind, die mit ihren Billig-Importen das heimische Preisgefüge unter Kontrolle halten, wenn ihnen die Preise gar zu hoch werden. Und so, wie sie das tun, werden sie wohl keine Sekunde zögern Chlorhendl und Hormonsteaks möglichst schnell in ihren Regalen zu haben. "Lederhose grüßt Cowboyhut" wird es dann vielleicht heißen. Aber davon ist jetzt natürlich keine Rede.

Jene Bauern hingegen, die das Transatlantische Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA wirklich fürchten müssen, weil es ihnen, wenn es denn einmal beschlossen sein sollte, scharfe Konkurrenz über den Atlantik bringt, schauen dem Treiben um die Verhandlungen seltsamerweise ruhig und ziemlich unbeteiligt zu. Inklusive ihrer Vertretung, sei dazu gesagt, die, weil sie nicht direkt am Verhandlungstisch sitzt, mit Informationen aus zweiter und wohl viel öfter aus dritter Hand die Stimmung zu lenken und den Anschein Politik zu machen versucht.

Das scheint typisch geworden zu sein in der Welt der Landwirtschaft, die zunehmend eine verkehrte wird. Ganz ähnlich wie bei TTIP läuft es, wenn es um die Verteidigung von Produktionsformen und Produktionsmethoden geht. Auch da stehen meist just jene ganz vorne an den Verteidigungslinien, wenn irgendwo industrielle Produktionsformen verteufelt werden, die selbst am meisten darunter leiden. Und unter den Protestierenden finden sich vorzugsweise jene, die davon eigentlich profitieren. Das gilt, wenn es um konventionelle und um biologische Landwirtschaft geht und das zeigten jüngst die Reaktionen auf den jüngsten TV-Beitrag über die Herkunft des Schnitzels eindrücklich.

Und diesem Muster folgen auch die Reaktionen auf Lebensmittelskandale, die bei Verarbeitern oder im Handel ihre Ursache haben. Auch da sind zumeist die die Bauern die ersten, die sich angegriffen fühlen, und im Handumdrehen zur Verteidigung und Erklärung ausrücken und damit die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Verarbeiter und Händler hingegen, die das verursacht haben, ziehen sich hingegen meist vornehm zurück und kassieren in aller Ruhe weiter.

Man kann das alles für normal halten und mit den Schultern zucken. Nachdenken darüber sollte man vielleicht doch. Zumal als Landwirt.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 3. März 2016

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1