Donnerstag, 3. März 2016
Selbstzerstörungstrieb?
Das Ansehen von Politikern hierzulande ist, vornehm gesagt, verbesserungswürdig. Die Gründe dafür sind fehlende Ideen, Kompetenz und Durchsetzungsvermögen, mangelndes Wissen, ewige Wiederholungen von Versprechen und vieles andere mehr. Es geben zwar alle vor, daran zu arbeiten. Doch die Bemühungen verlaufen bislang im Sand. Das nimmt auch nicht Wunder. Praktisch Tag für Tag liefert man Beispiele dafür, dass sie das verbesserungswürdige Ansehen zu Recht haben. Erst kürzlich gaben wieder zwei Regierungsvertreter ein eindrücklich einschlägiges Schauspiel, als vor laufenden Kameras die Differenzen zwischen Ministerin Mikl-Leitner und Minister Doskozil über die Zahl der Flüchtlinge, die man in Österreich täglich hereinlassen will, offenbar wurden.
Es ist nicht das einzige Schauspiel dieser Art, mit der sich hierzulande die Politik nachgerade triebhaft gerne bloß stellt und ihr eigenes Ansehen demontiert. Ein besonders schönes, ja nachgerade exemplarisches Beispiel für diesen offenbar unbremsbaren Trieb der heimischen Politikerschar lieferten dieser Tage auch der Wirtschaftsminister und der oberösterreichische Wirtschaftslandesrat. Dieses Beispiel ist, das sei angefügt, willkürlich herausgenommen und dadurch relativiert, dass es in jeder Partei und mit jedem Politiker in diesem Land dem gleichen Muster folgend, tägliches Brot in der heimischen Politik ist - was freilich in keiner Weise Nachsicht angebracht macht.
Nach einem Arbeitsgespräch in Linz versuchte, die beiden angeführten Herren mit der öffentlich erhobenen Forderung "Der Bürokratieabbau muss rasch vorangetrieben werden, um das Wirtschaften in Österreich zu erleichtern" Problembewusstsein zu signalisieren und Engagement wohl auch. Schlagkraft zu signalisieren kann kein Motiv gewesen sein. Denn dann hätten sie wohl besser geschwiegen und im Stillen ihre Arbeit gemacht, wie auf Facebook manch staunender Bürger befand. Gerade diese beiden.
Ein "User", wie bei Facebook die Bürgerinnen und Bürger heißen, legte den Finger schonungslos in die Wunde. "Recht glaubwürdig kommt die Sache mit der Forderung nach Bürokratieabbau für die Öffentlichkeit nicht herüber, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die ÖVP im Land Oberösterreich seit 1945 den Landeshauptmann stellt und somit seit 71 Jahren Verantwortung trägt", erinnert er die beiden Herren an die bereits Jahrzehnte währende Verantwortung für die Politik, die in diesem Land gemacht wird. Zudem sei die ÖVP im Bund "auch schon knapp 29 Jahre Teil der Regierung" und werde der Wirtschaftsminister "in diesen fast drei Jahrzehnten ausschließlich aus den Reihen des Wirtschaftsbundes rekrutiert."
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Nur eine Anmerkung zum letzten Satz des frustrierten "Users", der "Aber die Hoffnung stirbt zuletzt ..." lautete. Viele in diesem Land sehen das längst anders. Für viele ist die Hoffnung schon gestorben. Viele haben die Nase gestrichen voll von Ankündigungen und Beteuerungen wie den obigen, die sie seit Jahren und Jahrzehnten hören - gerade, was den Abbau der Bürokratie in diesem Land angeht. Nicht nur die Wirte finden den Ruf nach Bürokratieabbau von Repräsentanten einer Partei, die seit Jahrzehnten regiert, als Hohn.
Die bürokratischen Hürden in diesem Land sind zahllos. Man weiß es. Und dennoch bringen sie einen immer wieder aufs Neue zum Staunen. Eine Auswahl an Meldungen aus der jüngsten Vergangenheit reicht. Österreichs Unternehmen kostet alleine das Ausfüllen von Fragebögen der Statistik Austria rund 10.000 Arbeitstage, fand jüngst wieder die Industriellenvereinigung heraus. Eine Baugenehmigung dauere in Österreich 192 Tage und habe elf Verfahrensschritte, und 166 Stunden pro Jahr müsse in Österreich ein Unternehmen allein für Steuererklärungen aufwenden. Und, die Krone gleichsam, in Wien wurde ein Wirt zu einer Strafe von 1.485 Euro verurteilt, "weil die Nichtraucherschutz-Kennzeichnung in Form eines entsprechenden Aufklebers an der Eingangstür fehlte".
Vor diesem Hintergrund ist es freilich allen Umständen und aller Vergangenheit zum Trotz begrüßenswert, wenn jemand in diesem Land fordert, den Bürokratieabbau voranzutreiben und dann auch noch gleich ein Maßnahmenpaket ankündigt. Alleine, man mag nicht recht an die Ernsthaftigkeit glauben und an einen Erfolg schon gar nicht. Aus Erfahrung. Aber auch, das sei gesagt, weil es in diesem Land immer noch viel zu viele gibt, die mit Inbrunst alles daran setzen, sich dagegen zu wehren.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. März 2016
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