Freitag, 6. Oktober 2017

Bauern tappen ins digitale Zeitalter



Österreichs Landwirte wissen, dass man sich der Digitalisierung stellen muss. Aber sie gehen es langsam an.

Hans Gmeiner

Salzburg. „Wie die Mechanisierung wird auch die Digitalisierung die Landwirtschaft tiefgreifend verändern“, sagt Oberösterreichs Bauernkammerpräsident Franz Reisecker. „Wir stehen am Anfang einer Welle.“ Auf den Höfen erkennt man zunehmend, dass Dinge wie satellitengesteuerte Maschinen, GPS-Überwachung, Elektronik und das Internet of Things, das all die Geräte und Tätigkeiten miteinander verknüpfen kann, auf den Feldern und in den Ställen in Zukunft entscheidende Faktoren werden. Und nötig sind, wenn man auf den Märkten mithalten und der Forderung nach möglichst umweltgerechter und ressourcenschonender Produktion nachkommen will. „Ohne Digitalisierung wird unsere Landwirtschaft von der internationalen Entwicklung abgekoppelt“, sagt Reisecker.

Eine Strategie, wie man die Bauern an diese neue Welt heranführen kann, gibt es freilich noch nicht, die Bauern tappen eher ins digitale Zeitalter. Unternehmen, die damit Geld verdienen wollen, bieten unkoordiniert Lösungen und Produkte an. Typisch ist das Bereitstellen sogenannter RTK-Netze, über die Bauern gegen Gebühren von mehreren Hundert Euro im Jahr Zugang zu Satellitensignalen erhalten, die zentimetergenaues Fahren auf den Äckern ermöglichen. Der Maschinenring Oberösterreich deckt mit vier Stationen das gesamte Bundesland ab. In Salzburg betreibt der Maschinenring zwei solche Stationen, die hochpräzise Landwirtschaft ermöglichen, in Niederösterreich sind es sieben. Parallel dazu bieten manche Traktorenhersteller über ihre Händler eigene Netze an.

Auch andere Unternehmen tasten sich in die Welt der neuen Technologien vor. In der Lagerhaus-Gruppe treibt eine Abteilung in der Raiffeisen Waren Austria (RWA) das Thema voran. Ein Beispiel: In der Steiermark, in Nieder- und Oberösterreich hat man heuer zur Bekämpfung des Maiszünslers auf einer Fläche von 1000 Hektar mit einer Drohne Schlupfwespen ausgebracht. Kunden sind konventionelle Landwirte genauso wie Biobauern. „Wir sind heuer drei Mal so viel geflogen wie 2016“, sagt Claudia Mittermayr, die für die RWA Drohnen pilotiert. In manchen Lagerhäusern können Bauern auch GPS-gesteuerte Geräte zur Entnahme von Bodenproben oder Messbalken ausleihen, die über Lichtwellen den Düngerbedarf von Pflanzen exakt feststellen.

Einige österreichische Unternehmen haben die Digitalisierung der Agrarbranche als zukunftsträchtigen Geschäftszweig entdeckt. Pessl Instruments oder Smaxtec in der Steiermark sind bereits weltweit tätig. Pessl wurde mit Wetterstationen für die Apfelbauern groß und ist heute in Geschäftsbereichen wie der Überwachung des Insektenbefalls erfolgreich. Smaxtec ist eine international gefragte Adresse, wenn es um Themen wie Gesundheitsüberwachung oder Brunstverhalten bei Rindern geht. Im oberösterreichischen Weibern wuchs das Unternehmen Smartbow mit einer Ohrmarke, die die Aktivität von Tieren überwacht, binnen weniger Jahre auf 50 Mitarbeiter. Und in Niederösterreich entwickelten Techniker die App farmdok, die den Landwirten die bürokratische Arbeit bei Planung der Aufzeichnung der Feldarbeiten erleichtern soll.

Die Bauern selbst hingegen nähern sich den neuen Technologien nur vorsichtig. „Viel Technik ist zwar schon da, aber wir stehen erst am Anfang“, sagen Reisecker und Gerhard Rieß vom Maschinenring Oberösterreich. Beide schätzen, dass das RTK-Signal bis jetzt von nicht mehr als 400 Traktoren genutzt wird, in ganz Österreich dürften es nicht viel mehr als 1000 sein.

Weiter als auf den Äckern ist man in den Ställen. Österreichweit gibt es immerhin 650 Melkroboter. Verbreitet zum Einsatz kommen die neuen Technologien auch bei der Leistungskontrolle und Qualitätsüberwachung in der Milchproduktion, in der Fütterung von Schweinen oder zur Früherkennung von Erkrankungen. Zu einer echten Erfolgsstory ist die Einrichtung des Pflanzenschutz-Warndienstes der Landwirtschaftskammer geworden. Dort informieren sich mittlerweile Tausende Bauern darüber, welche Pflanzenschutzmaßnahmen nötig sind und auf welche man verzichten kann, weil der Krankheits- oder Schädlingsbefall unter der Schadschwelle liegt.

„Wir müssen den Betrieben die Angst nehmen“, sagt Reisecker, warnt aber davor, dass Technik „ein Spielzeug ist, das schnell ins Geld geht“. Sorgen macht er sich auch um die Datensicherheit. „Da ist auch auf europäischer Ebene noch gar nichts geregelt.“ Seine Forderung ist indes klar: „Die Hoheit über die Daten muss bei der Landwirtschaft bleiben und nicht bei den Unternehmen, die mit der neuen Technik das Geschäft machen.“

Nicht so klar ist hingegen, wie die vielen kleinen Bauern die Vorteile der neuen Technologien nutzen können. Mehr als ein „das ist eine besonders große Herausforderung“ ist bisher von Interessenvertretern nicht zu hören. Immerhin gibt es seit Anfang September für das Aufrüsten von Traktoren auf Satellitennavigation 40 Prozent Förderung.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 6. Oktober 2017

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