Donnerstag, 12. Oktober 2017

Verlierer - hausgemacht



Im Land, das am kommenden Sonntag wählt, läuft vieles falsch. Das kann man an Vielerlei festmachen. Sei es an der von manchen als ungerecht empfundenen Verteilung der Vermögen, an der von vielen als nicht weniger ungerecht empfundenen Verteilung der Steuerlast, an der Bürokratie, die jede Österreicherin und jeden Österreicher schon in irgendeiner Form gequält hat, oder am Zustand der Staatsfinanzen.

An Themen wie diesen fehlt es wahrlich nicht. Aber kaum wo lässt sich besser und eindrücklicher festmachen und zeigen, wie stark die Dinge im Land aus dem Lot geraten sind, als an einem Beispiel, das Sebastian Kurz in seiner Antrittsrede als ÖVP-Obmann brachte. "Wir haben heute eine Situation in Österreich", sagte er, "dass ein Automechaniker fast neun Stunden arbeiten muss, bis er sich von seinem Gehalt eine Stunde eines Installateurs leisten kann." Und umgekehrt sei es nicht anders, fügt Kurz an. "Der Installateur muss sogar 13 Stunden arbeiten, bis er sich eine Stunde bei einem Automechaniker verdient hat."

Freilich wurde dann an dem Vergleich herumgemäkelt und wurden die Zahlen in Zweifel gezogen. Widerlegen konnte man sie in ihrer Gesamtheit aber nicht und letztendlich bestätigten alle Berechnungen die Feststellung von Sebastian Kurz im Grundsätzlichen.

Am Beispiel von Kurz ist greifbar, wie dieses System, das Österreich jahrzehntelang bestimmte, inzwischen versagt, wie sehr es überholt ist und wie dringlich der Bedarf an Abänderungen und Anpassungen ist. Es hat viel zu viele zu Verlierern gemacht. Den Handwerker, weil er sich eine Arbeit, die seiner eigenen entspricht, kaum leisten kann, der Kunde, weil Handwerksarbeit oft unerschwinglich teuer ist, und der Handwerksbetrieb, weil ihm trotz der hohen Preise, die er verrechnen muss, oft dennoch nichts bleibt. Kaum sonstwo ist Ungleichheit greifbarer.

Vor allem unglaublich hohe Lohnebenkosten, aufgeladen mit Bürokratie, Steuern und Abgaben und Sozialtarifen, die sich auftürmen, sind der Grund dafür. In kaum einem anderen Land sind die Kosten so hoch, die auf die Löhne draufgepackt werden und in kaum einem anderen Land die Kosten, die für die Arbeit verrechnet werden müssen, um zumindest über die Runden zu kommen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Land mit all dem politischen Flickwerk, mit den halbherzigen Steuerreformen, und allem Hin-und Rücksichtl der Verantwortlichen in Politik und Gewerkschaften im Verein mit all den anderen Interessenvertretungen, und wer alles noch meint, mitreden zu müssen, in eine Situation hineinmanövriert, die nichts ist denn kafkaesk und absurd. Und die nichts mehr mit den ursprünglichen Zielen zu tun, sondern oft längst das genaue Gegenteil dessen bewirkt hat. Nicht nur einmal hat man auf diese Weise sehr viel mehr Verlierer geschaffen als Gewinner. Und schon gar nicht hat man das Land weitergebracht, sondern sehr viel öfter vielen Chancen verbaut und das Geld aus der Tasche gezogen, ohne dass irgendjemand davon profitiert hätte -außer der Staat.

Da hat sich ein System, das allen Gutes tun wollte und dessen Trachten es war, möglichst gerecht zu sein, längst gegen sich selbst gewendet und oft und oft ad absurdum geführt. Eindrücklich wie kaum anderswo zeigt sich, wie notwendig ein frischer Wind ist. Wie notwendig es ist, überkommene Einstellungen und Strukturen zu brechen und Alteingefahrenes zu überwinden und hinter sich zu lassen.

Allen wäre damit geholfen. Man stelle sich vor, der von Kurz zitierte Automechaniker müsste nur drei, vier Stunden arbeiten, um sich eine Stunde eines Installateurs leisten zu können, der den Rohrbruch in seiner Küche repariert. Oder der Installateur müsste nur fünf Stunden arbeiten, um den Blechschaden an seinem Auto in einer Werkstatt ausbiegen zu lassen. Das schafft keine noch so große steuerliche Umverteilung oder Ähnliches. Jedem bliebe mehr Geld in der Brieftasche, jeder könnte sich mehr leisten, es müsste weniger gepfuscht werden, die Unternehmen hätten mehr davon, allen ginge es besser. Jedem Einzelnen, der Wirtschaft, der ganzen Gesellschaft, dem ganzen Land.

Die Hoffnung, dass es so kommt, ist freilich gering. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es ja. Und sich an solche Sprüche zu klammern, erscheint nach der Wahl-Schlammschlacht der vergangenen Woche ohnehin als die einzige Möglichkeit.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Oktober 2017

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